Beiträge von Leandra

    "Nun, der Herr Alexandre war so freundlich, mir ein kleines... " Emma blickt auf ihre Hände und versucht, die passenden Worte zu finden; es war sicherlich keine gute Idee, den Inhalt des Kästchens allzu öffentlich preiszugeben. Die jüngsten Ereignisse hatten ihr Misstrauen wachsen lassen. "...ein persönliches Hochzeitsgeschenk zukommen zu lassen." Ihr Blick hebt sich wieder und sie lächelt Talen an. "Wenn ihr also in absehbarer Zeit dem Herrn Alexandre noch einmal begegnet, würdet Ihr ihm wohl meinen ergebensten Dank ausrichten? Ich weiß seine...Aufmerksamkeit sehr zu schätzen."

    Emma kommt, leicht verstört, aus der Küche. "Es gibt Eintopf", murmelt sie, "mit Speck. Knusprigem....Speck. Ich hoffe ihr mögt ihn so." Mit einem entschuldigenden Lächeln setzt sie sich zu Talen an den Tisch.


    "Vielen Dank, dass Ihr mir das Kästchen gebracht habt", sie blickt ihm ernst in die Augen. "Sagt, wie gut kennt Ihr den Herrn Alexandre?"

    Emma ist so in den Brief vertieft, dass sie gar nicht mitbekommt, wie Ksenija die Küche betritt. Auch der Geruch des Specks, der langsam immer knuspriger wird, entgeht ihrer Aufmerksamkeit vollends....

    Gedankenverloren stellt Emma dem neuen Gast sein Bier auf den Tisch. Sie bemerkt nicht einmal, dass es überschäumt, ihre Gedanken kreisen um das versiegelte Kästchen. Wer würde ihr denn etwas schicken? Und wer wusste denn überhaupt, dass sie her war?


    "Bitte schön", murmelt sie Talen zu und zieht sich samt Kästchen in die Küche zurück. Dort findet sie Ksenija, die eifrig damit beschäftigt ist, den Speck vor dem Anbrennen zu beschützen. "Ksenija, bitte schau doch mal nach, was die Zimmer so machen. Ich hatte zwar Karan schon vor geraumer Zeit losgeschickt, aber es wundert mich nicht wirklich, dass er verschollen ist...sieh doch bitte mal nach dem Rechten."


    Dann nimmt sie sich einen Stuhl, setzt sich und öffnet das Kästchen....


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    Ein überraschter Schrei entfährt ihrer Kehle. Schnell hält sie sich die Hand vor den Mund in der Hoffnung, dass niemand es mitbekommen hat. Ihr Blick ruht auf dem Inhalt des Kästchens und sie traut ihren Augen nicht: Es ist randvoll gefüllt mit Münzen. Noch niemals hatte Emma so viel Geld in Händen gehalten. Jetzt erst fällt ihr der Brief auf, der dem kleinen Vermögen beigelegt ist. Langsam beginnt sie zu lesen:


    "An die Wirtin des Waldkrugs..."

    Nachdenklich und interessiert betrachtet Emma das Kästchen in ihrer Hand.


    "Ein Bier ist schnell gezapft, das Essen wird in etwa einer Stunde fertig sein. Setzt Euch doch so lange, ich werde Ksenija gleich bitten, ein Zimmer für Euch herzurichten."

    Aus der Küche ist ein angenehmer Duft von angebratenem Speck und frischem Gemüse auszumachen. Erschreckt durch Talens unerwarteten Ruf unterbricht Emma ihr Liedchen,das sie beim Kochen vor sich hin trällert und steckt den Kopf durch die Tür. "Oh, Kundschaft!", erwidert sie erfreut und kommt, mit einer Karotte in der linken und einem Gemüsemesser in der rechten in den Schankraum. Verwundert blickt sie sich um; war hier bis eben nicht noch eine ganze Meute hungriger Mäuler?


    "Seid mir gegrüßt, mein Herr! Was kann ich denn für Euch tun?"

    "Das ist schon mal das Wichtigste. Kochen kann ich, schließlich war ich bisher auch in der Küche des Landguts vom Herrn von der Aue beschäftigt. Ich bin es gewohnt, für eine Meute hungriger Mäuler zu kochen." Sie zwinkert Ksenija zu und ruft dann in die Runde: "Wo wir gerade dabei sind: Heute abend gibt es EIntopf mit Möhren, Bohnen, Kartoffeln und Speck." Dann wendet sie sich wieder zu Ksenija: "Und da hätte ich auch gleich schon die erste Aufgabe für dich: Kannst du Kartoffeln schälen?"

    Emma mustert Ksenija kritisch von Kopf bis Fuß. Plötzlich hellt sich ihre Miene auf. "Aber du bist doch eine von denen, die die Mahnwache für Tharea gehalten haben!" Ihre Augen spiegeln Dankbarkeit wider. "Tja, also ich denke doch, dass wir noch gutes Personal gebrauchen können..." Mit einem Seufzer blickt sie auf den Kochlöffel. "Denn kochen, die Taverne sauber halten und bedienen ist doch schon ganz schön viel." Sie streckt Ksenija die Hand hin und lächelt. "Willkommen im Waldkrug! Schlag ein!"

    "Was gibts, Askir?" Emmas Gesicht erscheint im Türrahmen, in der Hand hält sie einen großen Holzlöffel, der darauf schließen lässt, dass sie gerade das Abendessen vorbereitet.

    Emma blickt auf Askir, dann auf das Getränk, das er ihr hinhält. Ohne ein Wort nimmt sie den Becher und leert ihn in einem Zug. "Askir", setzt sie mit einem Seufzer der Erleichterung zu und legt ihm die Hand auf die Schulter, "es war eine gute Wahl, dich zum Geschäftspartner zu machen." Wie zur Bekräftigung klopft sie dem Mann noch einmal auf die Schulter, bevor sie sich in die Küche begibt.

    Beim Anblick des halbnackten Mannes läuft Emma rot an. Schnell dreht sie sich um, das Kleiderbündel angewidert zwischen zwei Fingern haltend. "Ich...ich...seh mal, was sich machen lässt", murmelt sie, bevor sie wieder in der Küche verschwindet.

    Emma, den Blick noch immer auf den wankenden Karan gerichtet, verschränkt die Arme vor der Brust. "Tststs.....", ist alles, was sie begleitet von einem Kopfschütteln und einer hochgezogenen Augenbraue von sich gibt. Dann läuft sie, einer plötzlichen Eingebung folgend, zurück in die Küche und holt den Eimer mit dem frischen, klaren Wasser, das sie gerade zum Putzen erwärmen wollte. Mit einem diabolischen Grinsen leert sie den Eimer über dem verdreckten, stinkenden Waldläufer aus.


    "Das ist noch immer das beste Mittel gegen einen Kater. Und jetzt sieh zu, dass du nach hinten in die Scheune kommst, da kannst du dich waschen und kämmen...is nötig, glaub mir. Ach und auf deinem Weg sag Karl bitte Bescheid, er soll die Zimmer kontrollieren, wäre ja mal ganz interessant zu wissen, wer noch so alles hier ist..."


    Sie dreht sich auf dem Absatz um und schaut in die Gesichter der Gäste. "Wem kann ich denn noch etwas Gutes tun? Tee? Kaffee? Etwas zu Essen?" Das Lächeln hat sich wieder in ihrem Gesicht ausgebreitet.

    Emma waren die fragenden Blicke der anderen nicht entgangen. Vermutlich hatten sie von ihr erwartet, dass sie nun noch einmal wiedergab, wie sie ihre Schwester tot aufgefunden hatten...wie Karl stundenlang den vereisten Boden bearbeitet hatte, um Richmodis eine letzte Ruhestätte zu schaffen...wie sie selbst Tharea im Arm gehalten und ihre Tränen getrocknet hatte, während sie die ihren kaum zurückhalten konnte...verbissen hatte Emma auf ihr Häkelgarn geblickt; nein, sie konnte das alles nicht noch einmal erzählen. Irgendwann war auch ihre Kraft am Ende. Stattdessen war sie aufgestanden und hatte begonnen, lautstark in der Küche zu werkeln.


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    Als sie mit einem Nachschub an frischem Obst und belegten Broten wieder den Schankraum betritt, blickt sie erstaunt in die große Runde, die sich mittlerweile dort versammelt hatte.


    "Na da brat mir doch einer 'nen Storch", murmelt sie, bemüht, wieder ein Lächeln aufzusetzen. "was da noch so alles aud den Bettritzen kriecht!"


    Sie stellt das Essen auf einen der Tische, wischt sich die Hände an der Schürze ab und beobachtet amüsiert Karans Versuche, seinen eigenen Körper zu beherrschen.

    "Was Askir meint", wirft Emma ein, "sind bezahlte Schläger." Wieder einmal dankt sie insgeheim den Erfahrungen, die sie am Hofe des Herrn von der Aue, ihrem bisherigen Arbeitgeber, gemacht hat. Es war eben manchmal gar nicht so leicht, die Sprache der Wölfe zu sprechen...oder den rauhen Charme ihrer Worte in eine allgemein verständliche Sprache zu übersetzen.


    "Wie dem auch sei", Emma kramt ebenfalls in ihrer Schürze und befördert ein buntes Wollknäuel zutage, in dem eine Häkelnadel steckt, "Varus hat schon recht. In diesen Zeiten ist es schwer, Fremden zu vertrauen." Gekonnt schlingt Emma den Wollfaden um die Finger und lässt die Häkelnadel tanzen. "Wie viele Wölfe sind wohl zur Zeit noch hier in den Wäldern? Es können doch nicht alle an der Front sein." Ihr Blick richtet sich fragend an Luchs.

    Emma reibt sich mit leicht schmerzverzerrtem Lächeln das Handgelenk. Mein lieber Junge, die zierliche Halbelfe hatte einen ordentlichen Händedruck drauf....


    "Ich stimme dir völlig zu, Luchs. Diese Taverne ist und bleibt eine Wolfstaverne, Richmodis hat selbst jahrelang dafür gekämpft." Sie schlägt mit der Faust auf den Tisch. "Das lassen wir uns von niemandem nehmen!" Wilde Entschlossenheit ist in ihren Augen zu erkennen, als sie sich verschwörerisch über den Tisch beugt, als wolle sie die drei in ein Geheimnis einweihen. "Deshalb hat Askir hier", mit einem Lächeln zeigt sie auf ihren Geschäftspartner, "der so freundlich ist und mich bei der Führung der Taverne unterstützt, auch den Aufruf nach bezahltem Schutzpersonal gestartet. Nur mangelt es, fürchte ich, momentan an schlagkräftigen Männern und Frauen, die nicht gerade an der Front stehen und die Schergen der Verdammten zurück in die Krähenberge befördern!" Wut hatte sich erneut in ihre Stimme eingeschlichen ob der Ungerechtigkeit, dass sie hier im Inneren des Landes so auf sich allein gestellt waren.

    Emma lächelt bei dem Gedanken, dass Cara sich ihren Jugendtraum erfüllt hat.


    Einladend winkt sie die beiden Männer heran, die noch immer an der Theke stehen, die Fenster nach draußen nicht aus den Augen lassend. "Askir, Varus, setzt euch doch zu uns." Sie wendet sich wieder Luchs zu und hält ihre Hand zum Gruß hin. "Ich bin übrigens Emma, die Schwester von Richmodis. Und wie du vielleicht gerade mitbekommen hast", setzt sie mit einem Seufzer hinzu, "steckt der Waldkrug noch immer in gehörigen Schwierigkeiten..."

    "So, hat etwas länger gedauert, aber dafür ist er jetzt ganz frisch: einen Pfefferminztee für dich." Sie stellt einen dampfenden Becher vor die junge Waldläuferin. "Und eine kleine Stärkung können wir sicherlich alle gebrauchen." Mit der anderen Hand stellt sie ein Brett mit frischem Brot und Kräuterbutter, sowie einigen aufgeschnittenen Äpfeln auf den Tisch, der traditionell den Wölfen vorbehalten ist. Dann macht sie es sich auf einem der Stühle bequem und knabbert an einem der Apfelschnitze.


    "Vom Rudel der Schwarzrücken, hm?", verschmitzt sieht sie in Richtung der Späherin. "Wie geht es Cara, dem alten Rotschopf? Ist sie immernoch so eine Kräuterhexe wie damals?"


    Belustigt denkt Emma an die unbeschwerten Kindertage zurück, in denen sie mit Cara durch die Wälder gestreift war. Bei Lukranis, sie hatte die Freundin wahrlich schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.

    Emma, das Brotmesser noch immer in der Hand, starrt erstaunt zur Tür. Waren sie tatsächlich so sehr in Gedanken gewesen, dass sie das Nahen einer Person nicht bemerkt hatten? Bedenklich...


    Sie gibt sich einen Ruck, zaubert ein Lächeln in ihr Gesicht und legt das Messer zurück. Der harsche Umgangton, der den Wölfen so eigen ist, hatte sie noch niemals aus dem Konzept gebracht.


    "Ach, der eine oder andere würde mir da schon einfallen", entgegnet sie mit einem Zwinkern in Richtung des Gasts. "Aber vorerst komm rein und wärm dich am Kamin auf; was darfs denn sein?"

    "Varus, ich bin völlig deiner Meinung", erwidert Emma mit Bestimmtheit. "An diesem Pack sollte ein Exempel statuiert werden, ein für alle mal, damit klar wird, dass hier jetzt ein anderer Wind weht. Askir hat ja bereits ein paar Maßnahmen ergriffen." Sie deutet mit einem Kopfnicken auf den Aushang an der Tür. "Nur fürchte ich auch, dass das nicht ausreichen wird. Wir müssen schnell handeln - bevor sie auf die Idee kommen, zurückzukehren."


    Wie zur Bekräftigung ihrer Worte schnappt sich Emma eines der Brotmesser, die zum Spülen auf dem Tresen liegen, und wischt es an ihrer Schürze ab. Der Mut der Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben.


    "Irgendwelche Vorschläge, meine Herren?"

    Emma schenkt Varus ein warmherziges Lächeln und legt ihm mitfühlend die Hand auf den Unterarm. "Keiner nimmt es dir übel, dass dich die Ereignisse so mitgenommen haben. Wie du schon gesagt hast: Tharea war noch ein Kind und hatte das Leben noch vor sich..." Sie seufzt, während sie sich mit einem Krug zum Zapfhahn bewegt."Und Richmodis", fügt sie nachdenklich hinzu, "sie kanntest du vermutlich sogar besser als ich. Ich kann nicht sagen, dass ich unseren Kontakt in den letzten Jahren besonders gepflegt hätte."


    Emmas Blick fällt auf Askir, der sich zu ihnen an die Theke gesellt hatte. "Nun, Varus", Emmas Stimme gewinnt wieder an Überzeugung, "es gab tatsächlich einige Änderungen während deiner Abwesenheit." Emma macht eine kurze Pause, stellt Varus sein Bier hin und fährt fort, während dieser den Humpen ansetzt.


    "Ich habe mich entschlossen, den Waldkrug an Stelle meiner Schwester weiterzuführen - und zwar mit Askir als Geschäftspartner."