Novigrader Gassen

  • "Wo liegt eigentlich Siofra? In Nazair? Oder Offir? Klingt zumindest so."


    Rieke beugte sich interessiert vor.


    "Könnte ein Zauberer herausfinden, ob Du Talent für diese Zeichen hast? Nicht, dass ich einen kenne, aber so viel, wie Du reist -." Sie wedelte vorsichtig mit Vladims Buch, damit es nicht endgültig aus dem Leim ging. "Da muss doch einer dabei sein?"


    Sie legte das Buch auf einen freien Platz im Regal und wandte sich wieder ihrem Hauptexperiment zu - der Analyse von Vladims Blut.

  • Vladim schüttelte den Kopf.


    "Es ist ein Insel jenseits von hier. Mit dem Schiff von Novigrad erreichbar, aber eine scheißlange Überfahrt."

    Die Fesseln klirrten leise , als der Mutant auf seinem Sitzplatz hin und her rutschte.
    "Sicherlich würde sich da ein Magier finden. Allerdings habe ich in der letzten Zeit eher schlechte Erfahrungen mit solchen Fingerfuchtlern gehabt, weswegen mir da nicht sofort jemand einfallen würde, um deswegen zu fragen. Also werde ich es wohl auf andere Art herausfinden müssen."

  • "Soll Dich jemand so lange mit Steinen bewerfen, bis Du vor Zorn das Ende der Welt herbeizauberst?", erkundigte sich Rieke trocken. "Wenn Du schon unter schlimmsten Bedingungen wie dieser Kräuterprobe keinen Hinweis auf magisches Potential gezeigt hast, was genau soll es denn dann hervorlocken?"


    Sie sah auf die Sanduhr, bemerkte Vladims Hin- und Herrutschen und bereitete die nächste, kleinere Dosis "Mondschein" für ihn vor. Dir Stunde war beinahe um.

  • Die Antwort des Hexers war kurz und explosiv:

    “Du hältst dich wohl für besonders schlau, was die Eigenschaften der Hexer angeht, was? Nur, weil du gerade mal einen kennengelernt hast, denkst du schon, du wärst Expertin dafür?“


    Der finstere Blick des Löwen tat seinesgleichen, um die Übellaunigkeit herauszukehren.
    „Bleib du bei deinem Fachgebiet und lass mir das meine!“ bellte ihr Vladim herüber. Damit versank er in Stille, aber sein Gesicht sprach eine andere Sprache, denn tiefe Wutfurchen traten prominent hervor.

  • "Vladim", tadelte sie ihn freundlich. "Reiß Dich bitte zusammen. Die Wirkung des Mondschein lässt nach und es wäre sehr freundlich, wenn Du ein wenig Mitarbeit beisteuern könntest. Konzentrier Dich bitte auf etwas Beruhigendes."


    Rieke hüstelte.


    "Falls es Deine Hände um meinen Hals sein sollten, dann sei es so. Aber wir müssen Dich nunmal von diesem Zeug herunterkriegen und das wird hässlich."


    Das letzte Sandkorn fiel lautlos im Glas.


    "Nochmal fünf Minuten."

  • Trotz der ruhigen Stimme schien es um den Hexer nicht besser zu stehen. Die Art wie er brummte und an den Ketten riß, legte nahe, das die Ruhe vorbei war. Schnaubend und schabend setzte sich Vladim auf die Knie und schüttelte immer wieder den Kopf, so als wenn er einen bösen Geist vertreiben wollte.

    „Derivat!“ knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    „JETZT!“ schrie er förmlich. Die Ketten wurden nach links und rechts gerissen, so dass der eiserne Ring in der Wand anfing zu knirschen.


    Der Löwe schien den normalen Verstand hinter sich gelassen zu haben, so wie er sich gerade gab. Wehe jemand oder etwas kam ihm zu nahe - es wäre ein sehr kurzer und brutaler Angriff geworden. Vladim heulte und schrie was seine Lungen hergaben.

  • Rieke erschauerte nun doch ein wenig. Ihre sonstige Ruhe kehrte jedoch bald zurück, als sie weiterhin das neu gedrehte Uhrenglas betrachtete. Sie hatte eine geringere Dosis des Derivats gewählt und hatte vor, erst einmal damit weiter zu experimentieren.


    Schließlich entschied sie, dass es genug war, notierte sich noch kurz etwas und stellte das Schälchen mit dem Mondschein auf den Boden, um es Vladim mit dem Schürhaken zuzuschieben, peinlich darauf bedacht, dass er das Eisen nicht zu fassen bekam. Mit Hilfe eines solchen Werkzeugs würde er noch gefährlicher werden, als er es im Moment schon war.

  • Als das Schälchen dem Hexer zugeschoben wurde, war Vladim schon da und nahm direkt den Mondschein auf und stürzte ihn augenblicklich hinunter.

    Dieses Mal war es keine Ohnmacht, sondern einfach Stillstand. Der Hexer blieb knien, hielt immer noch die Schale in Händen und war wie erstarrt. Wobei dies nur ein, vielleicht zwei Minuten anhielt, dann stellte er die Schale hin und atmete tief aus. Die Augen hatte er geschlossen und öffnete sie alsbald und strahlte Ruhe und Gelassenheit aus.

  • Rieke beobachtete sehr genau, wie sich Vladim nach der neu berechneten Dosis verhielt. Wenn sie eins über Süchtige gelernt hatte, dann, dass man ihnen nicht trauen konnte. Es blieb also nur die Provokation, um herauszufinden, woran sie bei ihm war.


    "Symptome?", fragte sie daher kalt, wohl wissend, dass die Nachfrage beim letzten Mal einen Ausbruch bei ihm bewirkt hatte. "Irgendwelche Veränderungen? Du bist wirklich ein interessantes Versuchskaninchen."

  • Mit völliger Ruhe und Entspannung sah der Hexer zur Alchemistin hinüber. Es dauerte einen Augenblick, bis er antwortete, so als wenn er sich die Worte erst im Geist zurechtlegen müsste.

    "Ich verspüre Ausgeglichenheit und Harmonie. Keine Wut, keine übermässige Aggressionen. Übelkeit ist nach wie vor nicht vorhanden."

    Mit einem Blick völliger Gleichgültigkeit blickte er sie lange an, bevor er antwortete.

    "Warum glaubst du, dass ich ein interessantes Versuchskaninchen bin?"

  • "Ach, das habe ich nur gesagt, um Dich zu provozieren", murmelte Rieke und stützte das Kinn in die Hand, Vladim betrachtend und sich Notizen machend. "Tatsächlich schnurrst Du gerade wie ein Kätzchen, scheint mir."


    Sie runzelte die Stirn und drehte die Sanduhr ein weiteres Mal.


    "Ich vermute nicht, dass Dir gerade nach Gewalt und Monstertöten ist, oder? Will heißen - kannst Du negative Gefühle gerade irgendwie greifen oder erzwingen? Es wäre ja dumm, wenn ich aus einem Hexer einen friedensliebenden Melitelepriester gemacht habe. Schlecht für unser beider Geschäft."

  • Vladim nickte Rieke zu.

    "Ja, das wäre schlecht fürs Geschäft. In der Tat."


    Dann schloß der Hexer kurz die Augen und versuchte zu ergründen, ob da noch entsprechende Gefühle und Emotionen hervorzuholen waren.

    "Das Zeug unterdrückt gut die Gefühle, aber es macht mich nicht impotent. Ich will damit sagen, dass es mich schon erdet und die blutige Art meiner Arbeit stark unterdrückt, aber nicht vollständig ausschaltet. Also alles gut."


    Damit sah er die Alchemistin an und legte den Kopf schief.

    "Mich zu provozieren solltest du dir nicht erlauben, wenn ich auf dem Trip bin. Ich bezweifle, dass der Eisenring noch länge hält."

  • Riekes Augen hefteten sich auf den Ring.


    "Hm, Du hast wohl recht. Für den Fortgang meiner Experimente sicherlich nicht von Vorteil."


    Sie lächelte schmal.


    "Irgendwelche Vorschläge, wie ich Dich am besten fixieren kann, ohne dass Du mir die Einrichtung kurz und klein schlägst?" Die Alchemistin erhob sich wieder und beugte sich über ihren Versuchsaufbau. Dabei rutschte ein kleines silbernes Medallion an einer Kette aus dem Halsausschnitt ihres Kleids, das sie rasch zurück schob. "Ansonsten können wir es beim Experiment mit dem Mondschein so belassen, wie es ist. Allerdings garantiere ich nicht für Spätfolgen, wenn Du es dauerhaft nimmst."

  • "Ich bin kein Maurer, falls du das fragst. Und selbst mit diesen Fesseln," dabei schaute der Hexer auf das Eisen, dass ihn noch hielt, "glaube ich nicht, dass ich nicht irgendwelche Dummheiten anstelle und sie um deinen hübsche Hals mit dem Medaillon bekomme, um dir das Leben rauszuquetschen."

    Damit stand er auf und hob die Fesseln in ihre Richtung, damit Rieke diese aufschloß.

    "Wenn du also so nett wärst? Abgesehen davon, bin ich durchgefroren und müde. Egal, was ich vorher gesagt habe. Mondschein scheint zu funktionieren, also..."

    Wieder hielt er ihr die eisernen Fesseln hin.

  • Riekes Fingerspitzen ruhten kurz auf dem Stoff ihres Kleids, genau dort, wo das Medallion nun lag. Als sie sich bewusst wurde, dass das vermutlich genau die Reaktion war, die sich Vladim ausgemalt hatte - herauszufinden, was das Schmuckstück bedeutete -, verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. Sie atmete tief durch.


    "Nun gut", murmelte sie und holte die Schlüssel. Sie näherte sich Vladim vorsichtig, schien abzuwägen, ob er sie mit seinem friedlichen Verhalten zu täuschen versuchte, doch schließlich nickte sie leicht, um sich selbst zu bestärken und machte den Hexer los.


    "Du weißt, wo das Bett ist", erklärte sie dann kurz, aber nicht unfreundlich. "Ein wärmendes Feuerchen kann ich Dir nicht anbieten. Mach Dir warme Gedanken."

  • Das Grunzen, das Vladim von sich gab, klang nach einem Danke. Dann tappte er in den abgehängten Alkoven und sah sich kurz um und ging wieder zu seinem Zellenplatz zurück, um die Decke vom Boden mitzunehmen. Unterwegs sagte er:

    "Gib mir noch Mondschein mit, damit ich nichts da hinten kurz und klein schlage." Den Kopf hatte er zur Seite gedreht, schaute die Alchemistin bei den Worten aber nicht vollends an.


    Als Rieke ihm eine Portion des Tranks gab, grunzte er wieder ein Danke und durch den Vorhang, um es sich dann auf dem Bett bequem zu machen. Kurze Zeit später konnte Rieke leises Schnarchen vernehmen.

  • Die Alchemistin seufzte leise und ließ den Hexer schlafen. Als sie sich sicher war, dass er nichts mehr mitbekam, machte sie sich daran, ein wenig von seinem Blut abzufüllen und die kleine Phiole in dem Hohlraum hinter einem losen Stein in der Wand in einem Kästchen zu verbergen. Man konnte nie wissen, wozu man es noch brauchen konnte. Sie besah sich die Demeritium-Fesseln, fand dort aber keine Haare des Mannes - vermutlich würde sie diese später von der Decke sammeln müssen.


    Nicht, dass sie sich mit Chaos auskannte. Aber das war auch nicht wirklich nötig, wenn man die entsprechenden Menschen kannte.


    Dann ließ sie sich wieder an ihrem Platz nieder und beschäftigte sich mit dem restlichen Blut, das Vladim ihr hinterlassen hatte. Interessiert zog sie ein Vergrößerungsglas hervor, um sich im trüben Licht die Ergebnisse anzusehen, die sie bisher erreicht hatte.


    Nach einer Weile stand sie wieder auf, streckte sich und suchte etwas zu Essen zusammen, das sie auf einem Teller auf einen Tisch stellte, der ein wenig von ihrer Arbeitsbank entfernt stand - keine gute Idee, dort zu essen, wo ein Alchemist arbeitete. Selbst für Hexer.

  • Nach einiger Zeit der Ruhe wurde Vladim unruhig. Vermutlich lag es an dem fehlenden Fisstech - jedenfalls wachte er auf und war schlecht gelaunt. Es war Zeit für die nächste Portion gewesen an die sich sein Körper schon gewöhnt hatte. Verschlafen schaut er sich um, erinnerte sich an den Mondschein und trank die Schale leer.
    Es dauerte einen Augenblick, bis sich sein Körper beruhigte und er legte sich wieder hin, um weiterzuschlafen.

    Stunden später - draußen war es sicherlich immer noch Nacht - wachte er auf und rieb sich die verklebten Augen. Müde tappte er vom Alkoven in die Grabkammer und traf dort auf Rieke, die immer noch über ihren Utensilien gebeugt saß und arbeitete. Schlaf schien sie nicht zu kennen.

    "Alles klar bei dir?" fragte der Hexer und ging an ihrem Tisch vorbei. Dabei zog er sich den Gambeson an. "Muss pissen." war die Antwort auf das Stirnrunzeln der Alchemistin. Damit ging er zum Eingang der Gruft.

  • "Ja, danke für die Information", murmelte Rieke und verdrehte die Augen. Männer. Stolz auf ihre noch so geringen Körperfunktionen. Apropos Körperfunktionen. "Wenn Du wieder da bist, würde ich gerne mehr über Deinen Körper erfahren." Sie stockte kurz, als ihr bewusst wurde, wie das klang. "Heildauer von Wunden. Wachstum von Haaren und Fingernägeln. Erkrankungen, die Du bekommen kannst - oder auch nicht. Kannst ja darüber nachdenken, während Du - was auch immer."


    Sie wedelte mit der Hand, um ihn hinauszuscheuchen, denn in einem kupfernen Topf brodelte inzwischen eine scharf riechende Flüssigkeit, in die sie nun ein Pulver gab.

  • "Klar." das war alles, was er ihr antwortete, als er durch die Tür nach draußen verschwand. Tatsächlich war es draußen immer noch dunkel und Vladim ging einige Schritte, um sich die Beine zu vertreten.

    Als er sein Geschäft erledigt hatte, schaute er sich kurz um. Hier auf dem Friedhof war gar nichts los, bis auf die üblichen Nachtgeräusche in einer urbanen Umgebung. Nach ein paar Schritten war er wieder am Mausoleum und trat durch die Tür, um in die stickige Kammer dahinter zu kommen.


    Schwerfällig setzte er sich auf einen der Sarkophage.

    "Also, was willst du wissen?" dabei lächelte er Rieke freundlich an.

    "Wundheilung solltest du aus erster Hand wissen, die ist schnell. Haare und Fingernägel wachsen normal - also wie bei einem Menschen. Erkrankungen?" Vladim überlegte kurz. "Hatte ich seit der Kräuterprobe nicht mehr, was nicht bedeutet, dass ich nicht von magischem Scheiß angegriffen werden kann. Und Gift wirkt - mit höherer Dosis."

    "Sonst noch was Frau Doktor?"