Überfahrt nach Yerodin/Assynth

  • Connar sah die Freude bei seinen Gefährten, sah, wie sehr sie sich nach der Heimat gesehnt hatten, wie Scrum seinen Sturz geradezu genossen hatte. Er stand oben an der Planke, Kapitän Tarn hinter ihm, und zögerte. Er nahm den Duft auf, den Anblick des Himmels und der Bäume. Er schloß die Augen und sog die Luft tief in seine Lungen. Einen Augenblick stand er nur so da, als er eine hand auf seiner Schulter spürte. Connar drehte sich herum und blickte Kapitän Tarn in die Augen. Dieser blinzelte eine Träne aus dem Augenwinkel. Die Mannschaft des Seedrachen sah schweigend zu den beiden Männern. Dann kniete Kapitän Tarn erneut nieder und sagte zu Connar:


    Willkommen zu Hause, mein Herr. Das Land braucht euch und die Menschen brauchen euch. Holt euch das Land zurück, gebt ihnen Freiheit und das zu Hause zurück.


    Connar sah den alten Seemann an. Dann nahm er ihn wieder bei den Schultern, zog ihn hoch und sah ihm in die Augen:


    Nicht ich, alter Freund - wir holen uns unser Land zurück und dies ist der Anfang!!!


    Dann nahm er den Kapitän in die Arme und drückte ihn an sich, worauf ein lauter Jubel erklang. Die Yerodin - Rufe wollten nicht mehr aufhören, bis Tarn die Männer mit einem Wink zum Schweigen brachte.


    Connar blickte noch einmal in die Runde und bedachte die Seeleute mit einem anerkennenden und auch dankbaren Blick, dann drehte er sich herum und verliess das Schiff. Unten wandte er sich sofort an die Schotten und wechselte einige Worte mit ihnen.
    Dann drehte er sich zu Scrum und Darian um und lächelte:


    Da sind wir also, zu Hause.

  • So ist es, sagte Scrum. Doch ich denke, dass wir nicht viel Zeit haben werden zu verweilen. Sonst geht nachher die Kunde um, dass Du im Land bist. Zu viel Aufmerksamkeit dürfen wir nicht erregen, sonst bekommen wir nachher Probleme.


    Zwischenzeitlich hatten einige Schotten zwei Flußkähne aus dem Gebüsch und neben den Seedrachen ins Wasser gezogen. Sofort begann die Besatzung des Seedrachen damit das Gepäck sowie diverse Kisten in die Flußkähne umzuladen. Gleichzeitig rollten die Schotten einige Fässer aus dem Gebüsch auf brachten diese auf den Seedrachen.
    Scrum ging zu einem der Schotten und sagte


    Ist es das, was ich meine zu glauben?


    Der Schotte lachte auf und entgegnete: Ja, es ist Drachenblut!


    Kapitän Tarn trat die Planke herunter und stellte sich neben Scrum.
    Es ist etwas aufwändig die Fässer in den Norden zu transportieren, doch hier oben können wir sie problemlos aus Yerodin herausschmuggeln. Sie sind nach wie vor ein wertvolles Exportgut. Mit den Erlösen unterstützen wir den Rabenflug. Die Bauern in den Drachenweinbergen haben einige geheime Weinberge in höher gelegenen Regionen geschaffen, die es ermöglichen eine größere Menge Wein zurückzuhalten, um mit dem Verkauf den Widerstand zu unterstützen.


    Scrum war hocherfreut. Gestattet Ihr, dass ich etwas koste?


    Tarn ließ ein Fass auf Deck aufbocken und anschlagen. Er füllte einen Glas mit ein wenig der dunkelroten - ja fast schwarzen - Flüssigkeit. Scrum nahm das Glas begeistert entgegen und hielt es gegen das Licht. Er konnte den unnachahmlichen Schimmer des Drachenweines sehen. Seine Nase nahm einen tiefen Zug aus dem Glas und dann nahm er einen kleinen Schluck, ließ ihn durch seinen Mund gleiten, zog etwas Luft darüber und schluckte ihn dann herunter. Hochbefriedigt gab er Tarn das Glas zurück.


    Man schmeckt, dass der Wein in höheren Regionen angebaut wurde. Der Untergrund ist dort felsiger und die Sonne heißer. Sagt, wie alt ist dieser Jahrgang?


    Er ist bereits drei Jahre im Fass gereift. Schon bald nach der Invasion begannen die Weinbauern mit der Anlage der geheimen Weinberge. Dies ist bereits der dritte Jahrgang, den wir nun verkaufen können. Er ist gutes Gold wert. Gold, welches wir gut gebrauchen können. Der Rabenflug ist gut in Schuss.


    Scrum schwirrte ein wenig der Kopf. Seine Baronie schien sich tatsächlich in tadellosem Zustand zu befinden, obwohl den Besatzern ein anderes Bild geboten wurde. Doch es galt weiterzuziehen.
    Er ging zurück auf den Seedrachen und unter Deck. Dort legte er seine Robe ab und tauschte sie gegen die Verkleidung ein, die Kapitän Tarn ihnen bereitgelegt hatte. Scrum schaute an sich herunter und verzog das Gesicht. Es wird wohl seinen Zweck erfüllen, dachte er, auch wenn er lieber das kostbare Samt an sich spürte.
    Er ging zurück ans Ufer und präsentierte sich den amüsierten Kameraden.


    Schaut nicht so, sondern zieht Euch besser auch um, damit es weitergehen kann, grummelte er.

  • Das war nicht schwer für Darian, schließlich war es jahrelang gewohnt gewesen einfache Kleidung zu tragen. Aber beim Anblick des Herzogs musste er schon ein wenig schmunzeln. Und dennoch war im Anblick des Herzogs als Ganzes soviel Erhabenheit, Sympathie und Persönlichkeit, dass Darians schmunzeln sich wieder in Respekt wandlete. "Selbst in Lumpen könnte er eine Armee und ein fremdes Volk auf seine Seite bringen." dachte Darian.


    Er versuchte in der Dunkelheit die Menge an Schotten auszumachen die Braemar Mc Cullen - ein guter Freund des Herzogs - zur Unterstützung geschickt hatte.
    Es waren vielleicht ein Dutzend kräftiger Burschen in ihren typischen Hemden und Röcken mit dem Schulterüberwurf in gleicher Farbe. Der Name wollte ihm gerade nicht einfallen und so sinnierte er weiter.


    Es waren gerade soviele Männer, dass zwei Flußkähne gefahrlos gelenkt würden können aber auch nicht zu auffällig!


    Er freute sich das es jetzt losging und schaute mit gespannter Erwartung seine Gefährten an.

  • Connar war in eine zerlumpte Hose gestiegen und trug ein einfaches Oberteil und festes Schuhwerk. Er fühlte sich recht unwohl. was aber nicht an der Kleidung lag, sondern an der Tatsache, dass er keine Rüstung tragen konnte und seine Waffen nicht bei sich hatte. Er hatte ein "Lumpenbündel" geschnürt, welches er leicht öffnen konnte um an sein Schwert zu gelangen. Lediglich die Schotten waren normal bewaffnet, was ihn wieder etwas beruhigte, denn er hatte die Krieger aus Alba schon kämpfen sehen, er war froh, dass sie auf seiner Seite waren. Der Anführer der sieben Schotten war Dunbar MacGarren.


    Connar grinste, als er Scrum in der Bauerntracht sah. Er wußte, dass der Magier lieber seine Kutte trug und das ihm Unbequemlichkeiten nicht wirklich behagten. Aber er würde dies genau so durch stehen, wie alle anderen.
    Der Seedrache hatte sich schon wieder vom Ufer entfernt und glitt majestätisch auf die See hinaus.


    Also Männer, wir sind hier definitiv im Feindesland. Wenn wir den Kampf umgehen können, werden wir das tun.


    Dabei blickte er auch zu Dunbar, der bestätigend nickte.


    Sollten wir aber kämpfen müssen, wird es keine Gnade geben!


    Connars Blick wurde kalt wie Eis, was unterstrich, dass er es genau so meinte, wie er es gesagt hatte. Das entsprach nicht seiner üblichen Einstellung.


    Damit bestiegen sie die Boote und hatten einige anstrengende Meilen vor sich, denn in der Mündung ist die Strömung eines Flusses am stärksten.

  • Scrum hatte in der Mitte des Kahns Platz genommen. Jetzt wo kräftige Männer an den Riemen gefordert waren, war er fehl am Platze. Doch seine Zeit würde schon kommen, dessen war er sich sicher.


    So nutze er die günstige Gelegenheit und überprüfte die vielen Beutelchen an seinem Gürtel, die er gegen die teuren Ledertaschen ausgetauscht hatte. Jeder der Beutel war mit irgendwelchen Komponenten gefüllt, die ihm das Zaubern erleichterte.


    Schlafsand, Ammonit, Spiegel, magische Heilsalbe, Räucherstäbchen, schwarze Kristalle, weiße Kristalle, Salzlösung... hörte man ihn murmeln. Die Aufzählung schien nicht enden zu wollen. Alles wurde geprüft und dann in den Beuteln verstaut. Seinen Stab hatte er unterdessen mit Lederbändern und Stoffresten umwickelt, damit man die Drachenschuppen nicht sah. Den Dolch hatte er zusammen mit seinem Schreibzeug in einen kleinen Rucksack gepackt. Wenn ein Kollege ihn sehen könnte, würde er wohl vor Scham im Boden versinken. Zum Glück kannte ihn hier keiner als der, der er wirklich war.


    Nach einigen Stunden hatte man das Delta verlassen und Dunbar hatte die Kähne in der Nähe des Flussufers unter tiefhängenden Bäumen ankern lassen. Die Schotten streckten die schmerzenden Glieder und ließen eine Runde Uisge kreisen. Auch die Gefährten durften einen Schluck kosten. Scrum schnalzte mit der Zunge und gab den Becher an Connar weiter:


    Ein feines Stöffchen. Doch nicht nur aus diesem Grund bin ich froh, dass die Schotten bei uns sind.


    Er kramte aus seinem Rucksack ein Brot und riss es in Stücke, die er unter den Schotten verteilte. Dann warf er einen Blick auf den Fluss. Hier war es ruhig...scheinbar zu ruhig, doch er wollte nicht schwarzmalen. So genoss er die leichte Brise, die auf dem Fluss herrschte und hörte den Vögeln zu, die sich reichlich in den Bäumen am Flussufer tummelten.

  • Darian erkannte Dunbar wieder. Er hatte den Anführer dieses kleinen Kriegshaufens vor einiger Zeit in einer Taverne kennengelernt. Er war mit Scrum dort gewesen und hatte bei dieser Gelegenheit auch den eigentlichen Chef der Truppe, Braemar Mc Cullen, kennengelernt und beide in angenehmer Erinnerung behalten.


    Ein wenig Vertrautheit tut ganz gut, dachte Darian und dennoch...


    ...was war das? Ihm war als hätte er ein Geräusch vom Flussufer gehört.
    Seine Nackenhaare sträubten sich und Gänsehaut war auf seinen Armen zu erkennen.


    Darian schaute die Anderen mit zusammengepressten Lippen an aber bei diesen war keine Regung zu sehen.
    Sollte ich mich so sehr täuschen? Ich werde alt....raunte es ihm durch den Kopf.


    Als Sie nach Stunden des Ruderns eine Rast einlegten schaute Darian seine Gefährten an und fragte leise: Habt Ihr auch das Gefühl, dass wir nicht ganz alleine sind - oder bin ich einfach nur zu aufgeregt?

  • Nein Darian, du hast recht, wir sind nicht alleine. Wir werden wachsam sein müssen.


    Die Schotten hatten ihre Waffen griffbereit, aßen aber scheinbar gleichgültig ihre Mahlzeit.


    Connar blickte sich verstohlen um, während er sein Brot kaute.


    Plötzlich raschelte es im Gebüsch und die Waffen schienen den Clansmännern wie von selbst in die Hände zu springen. Connar hatte schon zu seinem Bündel gegriffen.


    Dann lugt mit einem Mal ein Kopf aus einem Gebüsch:


    Danu mit euch allen!


    Die Situation war eher komisch als bedrohlich, weshalb auch die Spannung schon abflaute. Der Mann sah in die Runde, sah Raven, was sein Gesicht erhellte und sah dann Connar. Dem mann quollen fast die Augen über, er stürzte fast aus dem Gebüsch. Der Mann trug eine an vielen Stellen geflickte Rüstung des Rabenflugs und ging auf die Knie.


    Mein Herr, ihr seid hier und ihr seid am Leben. Raven hat es immer wieder behauptet, aber die Männer waren unsicher.


    Connar nickte. Ich verstehe das. Aber nun stehe auf. Ich lebe und bin bereit für den Kampf, der vor uns liegt. Ich bin hier, damit ich nicht nur ein Gerücht bleibe. Das Volk soll Bescheid wissen und der Rabenflug soll mich sehen. Und ich muss etwas vom Land sehen.


    Connar sah den Mann an. Sag mir deinen Namen.


    Mein Name ist Boars.


    Gut Boars, sind wir hier sicher?


    Boars nickte.


    Dann setzt dich zu uns und berichte.

  • Darian hatte vor Schreck sein Stück Brot fallen gelassen und schon den Griff seines Schwertes in der Hand als er erkannte das die Situation nicht bedrohlich war.
    Leicht verärgert hob er den Kanten auf und wischte Ihn leicht ab. Dann schaute er den Mann der sich Boars nannte an und lauschte gebannt seinen Worten.

  • Connar lehnte sich zurück und die Stimmung entspannte sich. Alle blickten gebannt zu Boars, der leise zu erzählen begann.


    Nachdem die Assynther ...


    Der Herzog, Darian, Scrum, Raven und Boars spuckten wie aus einem Guß auf den Boden, was den Schotten einen unsicheren Blick entlockte.


    ... sich in unserem Land nieder gelassen hatten und dabei eben zu Beginn auf wenig Widerstand stiessen, holten sie immer mehr Männer ins Land um ihre Position auch halten zu können. Sie besetzten die Städte und ernteten den Rahm dessen ab, was unter Herzog Eboreus noch gesät worden war. Der Rabenflug hatte sich, zunächst führerlos in den Wald zurück gezogen. Dort warteten sie ab und konnten sich nicht auf einen Anführer einigen. Es gab einige Einheiten, die gut geführt den Eindringlingen Schwierigkeiten machten, wo sie nur konnten, aber so waren sie keine ernsthafte Bedrohung für diese Schweine. Es war so wie es war, sie setzten sich erst einmal fest. Mit unseren Landsleuten ging man nicht zimperlich um, was den Rabenflug dazu brachte, sich zurück zu halten, denn sie wollten nicht, dass die Menschen an ihrer Stelle bluteten. Aber plötzlich änderte sich einiges. Die Hexe Skelmorlie ...


    ... wieder spuckten alle auf den Boden, woraufhin sich die Schotten feierlich anschlossen und ebenfalls strahlend ausspuckten.


    ... war verschwunden und überließ die Dreckskerle sich selbst. Gleichzeitig erreichten uns Botschaften aus Assynth ...


    ... spucken ...... die besagten, dass dort Ärger herauf zog. Die dort lebenden Orks hatten heraus gefunden, dass die Assynther ...


    ... spucken ...... nur noch wenige Soldaten im Land hatten und giffen immer häufiger Städte, Dörfer und Weiler an. Dann tauchte auch noch Raven auf, der damit begann, die Einheiten zu suchen und unter seinem Befehl zu vereinen. Dies wurde ihm nicht immer leicht gemacht, denn auch bei den Raben gab es einige, die ihre Macht behalten wollten. Aber Raven verfügt über erstaunlich überzeugende Argumente.


    Dabei deutete er auf die beiden schnellen Krummsäbel an Ravens Seite, der sich verlegen abwandte.


    Er hat sie alle überzeugt und der Rabenflug ist vereint. Nahezu 25000 Krieger sind bereit, dazu kommen noch einmal eine Vielzahl von Menschen, die für Raven und den Herzog in den Kampf ziehen wollen.


    Boars sah zu Raven hinüber und der Stolz in seinen Augen war unverkennbar. Boars machte eine Pause und blickte gedankenverloren auf das Wasser.


    Tja, und nun seid ihr alle hier. Danu lässt uns also doch nicht im Stich, Yerodin wird auferstehen!


    Damit hatte der alte Kämpfer vorerst wohl alles gesagt.

  • Darians Mund war recht trocken von der ganzen Spuckerei - musste dieser Boars denn so oft diesen wiederlichen Namen in den Mund nehmen?
    Was hatte dieser alte Recke gesagt? 25.000 Krieger und noch viele Menschen mehr?
    In Darian flammte Hoffnung auf, Hoffnung das sich bald alles zum Guten wenden würde in seinem geliebten Heimatland.
    Er brannte darauf es diesen wiederlichen Eindringlingen zu zeigen und endlich loszuziehen.


    Er schaute in die Runde und war begierug darauf die Blicke der anderen zu sehen und deren Meinung zu hören.


    Darian schaute zu Connar auf und meinte:"Was denkt Ihr, wann schlagen wir los und wie wollen wir es angehen? Wie ich Euch kenne habt Ihr doch sicherlich bereits einen Plan in der Hinterhand."

  • Er hat, er hat, sagte Scrum.


    Doch wir wollen uns nicht allzu lange hier aufhalten. Die Zeit drängt ein wenig. Zwischenzeitlich ist Talris auf Expedition und wir wissen nicht, was in Montralur los ist. Deswegen schlage ich vor, dass wir keine Maulaffen feilhalten und unseren Weg fortsetzen. Connar kann uns unterwegs immer noch von seinen Plänen berichten.


    Boars ging mit einem Lächeln und einer tiefen Verbeugung von Bord. Mit beschwingten Schritten verschwand er im Wald. Die Ankunft des Herzogs in Yerodin würde eine frohe Kunde unter den Mannen des Rabenflugs sein.


    Die Schotten legten die Riemen auf und flugs war man wieder auf dem Weg flussaufwärts. Linker Hand lagen die grünen Hügel. Man befand sich mitten in der Baronie Anluan. Die Strömung des Olko war eher ruhig, so dass sie zügig den Fluss heraufkamen. Gegen Abend erreichten sie dann die Flussgabelung, wo der Olko sich teilte. Hier war die Strömung so stark, dass die Schotten beschlossen, die Boote ein Stück über das Land zu tragen. Da jedoch die Dunkelheit sich näherte, beschloss Conner, dass es an der Zeit war, ein Lager aufzuschlagen.


    Es wurde ein kleines Feuer entzündet auf dem die Fische, die man tagsüber im Fluss gefangen hatte, gebraten wurde. Scrum langte hungrig zu. Die viele frische Luft hatte ihr Übriges getan. Er schaute in die Runde und sah viele fröhliche Gesichter.
    Was doch die Gegenwart Connars alleine auslöst, dachte er.


    Scrum erhob sich und ging hinüber zu Darian, der gedankenverloren auf seinem Essen herumkaute. Er setzte sich neben ihn und wenn man sie nicht kennen würde, hätte man gedacht, dass zwei Bauern sich ein Abendmahl teilten.


    Ich bin gespannt, wann wir auf Feinde treffen. Endweder sind sie erheblich in der Unterzahl oder aber sie warten auf eine günstige Gelegenheit. Wir sollten jederzeit achtsam sein. Ich will Dir ein Geheimnis verraten. Ich schlafe leider sehr fest. Wenn Du also etwas hörst, musst Du kräftig an meiner Schulter rütteln, denn selbst ein Vampir könnte sich bei mir im Schlaf gütlich tun. Connar weiß ein Liedchen davon zu singen.


    Er grinste zu Connar hinüber und dachte an die Begebenheit in Scato, als er nachts von ihm geweckt worden war und nach der Frage "Haben wir was gegen Vampire?" mit "Nein" geantwortet hatte. Danach hatte er sich rumgedreht und selig weitergeschlafen.

  • Connar hing seinen eigenen Gedanken nach. Sein Leben stand an einem Wendepunkt, es galt schwere Entscheidungen zu treffen und Erwartungen zu erfüllen. Er wünschte sich, Aleyna wäre hier. Sie hatte immer neuen Mut und Kraft in ihm geweckt.
    Er war noch vor keinem Feind davon gelaufen, aber jetzt hatte er Angst. Was, wenn er die Hoffnungen und Erwartungen der Menschen nicht erfüllen konnte, wenn er versagte und unzählige Menschenleben sinnlos verschwendet hätte. Obwohl seine besten Freunde bei ihm waren, fühlte er sich in diesem Augenblick so allein, so allein wie bei Aleyna's Tod.


    Morgen würden sie in Richtung der Eiszinnen fahren. Sie konnten dann verstärkt auf Assynther treffen und auf Trolle.

  • Die Nacht war kalt aber ruhig. Sie hatten einen unruhigen Schlaf, da die erste Nacht in der Heimat doch ungewohnt für sie war. Nichtsdestotrotz waren sie von den Schotten gut bewacht worden.
    Alle saßen um ein kleines Feuer herum und wärmten sich. Es herrschte ein leichter Wind, der aus Richtung der Eiszinnen kam und sie frösteln ließ. Es flatterten einige braune und rote Blätter durch die Luft...der Herbst war da.


    Nach einem kleinen Frühstück machte man sich auf den Weg. Die Schotten trugen die Boote ein Stück am Ufer entlang, um sie nach der Flussgabelung wieder ins Wasser zu setzen. In einigen hundert Schritt Entfernung konnte man ausmachen, wie sich der Olko zwischen hohen Felsbrocken teilte und zum einen Richtung Delta und zur anderen Seite Richtung Assynth floss. Scrum musste innerlich ausspucken, doch er konnte sich noch beherrschen.


    Als die Boote im Wasser waren, ging es zügig voran. Der Olko war an dieser Stelle flach und breit und hatte kaum Strömung. Zu beiden Seiten war der Wald sehr dicht. In dieser Gegend gab es kaum Besiedelung. Rechter Hand lag der Sidhe-Log, welcher sich in allen Farben des Herbstes präsentierte. Linker Hand lag hinter Kilometern von dichtem Wald Tevil, die Hauptstadt der Baronie Anluan. Hier war noch alles ruhig, doch je näher sie den Eiszinnen kamen, desto unruhiger wurden sie. Die Trolle waren gefürchtet und man sah besser zu, dass man diese Gebiet zügig passierte. Doch es sollte noch mindestens ein weiterer Tag vergehen, bis sie den Fuß der Eiszinnen erreicht haben sollten.


    Scrum hatte sich seinen grünen Umhang umgelegt, der ihn wärmte. Auch Connar hatte sich eingewickelt. Doch gelegentlich hatte er ein Ruder übernommen, um auch etwas zu pullen. Ruhiges Herumsitzen war nicht seine Sache und so brachte er seine kalten Knochen etwas in Bewegung. Darian hingegen war gefangen vom Zauber der Landschaft, dem sich auch Scrum nicht entziehen konnte. In der Tat war dies eine der schönsten Zeiten in Yerodin. Scrum dachte an die Drachenweinberge, wo sich jetzt das Weinlaub verfärbte und die Berge in alles Farbschattierungen von goldbraun bis hellgelb strahlten.
    Während er so nachdachte, hörte er plötzlich, wie einer der Schotten einen leisen Pfiff ausstieß.


    Raven hieß die Boote Richtung Ufer fahren, wo man diese unter einigen Bäumen versteckte. Alle zogen die Waffen und Raven sprang mit drei Männern aus dem Boot und verschwand im Wald.


    Was ist los, wollte Scrum von Dunbar wissen, der nach einer kurzen Unterredung mit Raven zurück ins Boot gekommen war.


    Dunbar verzog das Gesicht und sagte:


    Jemand aus dem vorderen Boot hat Schlaggeräusche gehört, die hinter der nächsten Flussbiegung hervorkamen. Sie sind ausgestiegen um zu schauen, was dort vor sich geht. Vor etwa zwei Wochen war es hier noch still.


    Nach gut einer Stunde kamen die Späher zurück. Raven stieg zu ihnen ins Boot und setzte sich zu Connar.


    Hinter der Flussbiegung wird gerade ein neuer Posten des Feindes errichtet. Ich denke nichts Großartiges. Eher eine Zollstation. Es sind etwa fünfzehn Assynther - man hörte wie etwas ins Wasser klatschte - die den Bau überwachen. Wir können versuchen den Posten zu umgehen, doch ich glaube Yerodiner gesehen zu haben, die beim Bau bewacht wurden. Der Feind scheint sich einige Arbeitssklaven geholt zu haben. Jetzt ist guter Rat teuer.


    Man sah, wie es hinter Connars Stirn zu arbeiten begann.

  • Darian hatte den Ausführungen Dunbars gelauscht und stellte sich etwas näher an Connar und Scrum heran.
    "Das Problem besteht wohl darin, dass, wenn wir sie nicht alle fassen können unsere Ankunft nicht mehr länger ein Geheimnis sein wird. So sehr mich der Gedanke an versklavte Landsleute quält, so denke ich ist es das beste, wir versuchen den Posten zu umgehen. Wir werden uns diese verfluchten Assynther später holen und ihrer gerechten Strafe zuführen."


    Beim letzten Satz spuckte Darian verächtlich aus und die umstehenden taten es ihm gleich.

  • Connar sah Darian ernst an und versuchte abzuwägen, welche Handlungsweise nun angebracht wäre. Schließlich blickte er entschlossen auf und rief die Männer zu sich.


    Wir sind hier in meinem Land,


    Er blickte Scrum, Raven und Darian an ...


    ... und in eurem Land. Unsere Landsleute werden versklavt. Damit ist jetzt Schluß! Für die Menschen hier im Land kann es nicht schlimmer werden, als es schon ist. Im Gegenteil, sie werden Hoffnung bekommen und durchhalten oder sogar selbst aktiv werden. Mit Hoffnung läßt sich Unbill besser ertragen.


    Dann sah er zu Dunbar hinüber, der strahlend nickte. Die Clansleute kannten Unterdrückung.


    Dunbar, du gehst mit vier Männern am Fluss entlang auf die Assynther zu, Scrum, Raven Darian und William kommen mit mir, wir kommen von der Landseite. Keine Kompromisse!!


    Die Männer trennten sich und bewegten sich auf die Stelle zu, die Dunbar und Raven beschrieben hatten. Asu dem Dickicht heraus beobachteten Connar und die Freunde die Szene. Dort standen fünfzehn Assynther und beaufsichtigten sechs Arbeiter, die mitten im Fluß standen und Pfähle für eine Brücke in den Boden rammten. Das Wasser war eiskalt, denn es kam von den Eiszinnen herab. Die Arbeiter konnten sich im brusthohen Wasser kaum noch halten. Für Connar war bei diesem Anblick klar, dasss er die richtige Entscheidung getroffen hatte.


    Dann traten aus einem Dickicht heraus fünf Männer auf den Platz, die in Röcke gekleidet waren. Jeder von ihnen hatte ein Fell über dem Arm. Sie sahen freundlich in die Runde und wurden umgehend zum Spott der Assynther, die offenbar noch nie Clansmänner gesehen hatten. Vier Assynther standen dicht am Ufer und waren den Clansmännern am nächsten. Diese ließen plötzlich die Felle fallen und hatten Waffen in den Händen. Die vier Assynther am Ufer waren so schnell tot, das ihre Kameraden noch mit offenen Mündern dastanden als die Schotten schon auf sie zustürmten.
    Sofort gab Connar das Zeichen zum Angriff und sie stürmten gemeinsam aus dem Dickicht und fielen die Assynther von hinten an. Ein Ball aus Feuer überholte die Gruppe und hüllte einen Assynther in Flammen, bis er sich brennend und schreiend auf dem Boden wälzte. Connar und Raven hatten schon bald zwei Gegner zu den Göttern geschickt. Darian und William taten das ihre. Der kampf war in kürzester Zeit gewonnen. Die Clansmänner schrien den Namen ihres Landes Alba hinaus und alle waren darüber erstaunt, nicht einen Kratzer erhalten zu haben.


    Connar stand schon am Ufer und rief die Männer aus dem Wasser.

  • Scrum war hocherfreut, dass dieser Angriff ohne Verluste für sie ausgegangen war. Die Yerodiner, welche im Wasser standen wurden herausgezogen und standen schlotternd und mit offenem Mund vor Ihnen. Einige erkannten Connar und fielen auf die Knie.


    Danke Herr, dass Ihr zurückgekehrt seit und uns gerettet habt.


    Connar, dem solche Situationen stets peinlich waren, hieß seine Untertanen wieder aufzustehen. Scrum nahm sich den Yerodinern an und untersuchte sie kurz. Doch abgesehen von leichter Unterkühlung und einigen Schrammen sowie mangelnder Ernährung waren die Untertanen des Herzogs wohlauf. Er liess ein Feuer schüren, damit sich alle aufwärmen konnten.


    Wie die Yerodiner berichteten, waren sie seit lediglich drei Tagen am Werk. Die Assynther hatten eine Flusssperre beabsichtigt, um zum einen Zoll einzutreiben und zum anderen Reisende zu kontrollieren.
    Dieses Vorhaben war nun eindrucksvoll verhindert worden.


    Scrum wies die Schotten an, den Assynthern ihre Wappenröcke auszuziehen und das Blut direkt im kalten Wasser des Olko auszuwaschen. Die Wappenröcke können eine hervorragende Tarnung sein, wenn es darauf ankommt, sinnierte Scrum.
    Zum guten Schluss mussten alle Spuren beseitigt werden, so dass der Eindruck entstand, dass alle spurlos verschwunden waren.
    Mit vereinten Kräften schafften sie es innerhalb von zwei Stunden die Assynther im Wald zu verscharren und alle Spuren zu verwischen.
    Sie hatten ganze Arbeit geleistet.


    Die Yerodiner waren alle aus der Baronie Anluan und wollten gemeinsam den Weg durch die Wälder Richtung ihres Heimatdorfes suchen. Mit reichlich Proviant aus den Vorräten der Assynther bedacht zogen sie ab.
    Bevor sie im Wald verschwanden drehten sie sich noch einmal um und riefen: Lang lebe der Herzog!


    Bevor sie verschwanden sagte Scrum:
    Verkündet unter den Landsleuten, dass der Herzog wohlauf ist, doch sagt dies nur hinter vorgehaltener Hand. Der Feind soll sich weiterhin in Sicherheit wiegen. Er erfährt noch früh genug, dass wir im Land sind.


    Die Gefährten stiegen zusammen mit den Schotten in die Boote. Die Stimmung war nahezu ausgelassen, doch Connar mahnte alle zur Vorsicht. Dennoch ließ Dunbar es sich nicht nehmen eine Runde Uisge auszuschenken.
    Dagegen konnte wirklich niemand etwas einwenden.


    Zwar war die Mittagsstunde schon lange vorüber, doch wollte man das gute Wetter noch nutzen, um den Eiszinnen näher zu kommen. Diese ragten in der bedrohlich Ferne auf. Die Bergspitzen waren zu dieser Jahreszeit bereits stark mit Schnee bedeckt und leuchteten hell in der noch kräftigen Nachmittagssonne. Sie bildeten einen harten Gegensatz zu den dunkelgrauen Berghängen. Ein beeindruckender Ausblick.


    Scrum war fasziniert von der Schönheit seiner Heimat, die er an dieser Stelle noch gar nicht kannte. Er setzte sich naben Darian und schlug diesem anerkennend auf die Schulter.


    Mein lieber Freund, ich erfreue mich immer mehr an Deiner wachsenden Kampfkraft. Viel zu lange habe ich gezögert, Dich zum Ritter zu ernennen. Deine Loyalität ist ein Quell der Freude für mich und ich möchte Deine Gegenwart nicht missen.

  • Darian schaute Scrum verlegen an. Er hatte manchmal immer noch Schwierigkeiten zu verstehen das diese Respektspersonen ihn wie Ihresgleichen behandelten. Es war diese einmalige Mischung aus Vertrauen, blindem Verständnis, gegenseitiger Fürsorge und tiefer Dankbarkeit die sie zusammenschweißte.
    "Danke für Euer Vertrauen in mich, werter Scrum." murmelte Darian und er errötete.


    Eben noch hatte er befüchtet, dass ein Fehlschlagen dieses Unterfangens den ganzen Plan zunichte machen könnte und schon im nächsten Augenblick bewies Connar wieder einmal das er, wenn es darauf ankam die richtigen Entscheidungen zu treffen vermochte.


    Mit etwas festerer Stimme fügte er hinzu:"Ich habe Euch zu danken. Euch und Connar! Ich habe in Eurer Runde soviel gelernt wie ich es wohl sonst nie erfahren hätte."


    Sein Blick schweifte dankbar über die rauhe aber wunderschöne Landschaft. Er war dankbar für das neue Leben welches ihm die Gefährten beschert hatten. Er malte sich sein zukünftiges Leben als Weinbauer aus und ein kalter Schauer ließ ihn leicht frösteln.


    Dankbar nahm er den Uisge aus Dunbars Händen und nahm einen tiefen Zug. Wunderbar dieses Wasser des Lebens welches die Clansmänner in unnachahmlicher herzustellen vermochten.

  • Die nächsten zwei Tage zogen sich quälend langsam dahin. Der Olko hatte mittlerweile eine ordentliche Strömung, die das rudern beschwerlich machte. Die Pausen wurden immer häufiger und es näherte sich der Zeitpunkt, wo man den Weg zu Fuss fortsetzen musste. Assynther waren hier nicht zu fürchten, da man als lebensmüde galt, den Lebensraum der Trolle zu betreten. Doch dies war Connars Plan.


    Insgeheim musste Scrum dem Herzog Anerkennung zollen. Wenn er sich nicht täuschte, war nun Paarungszeit bei den Trollen und das Begehen der Eiszinnen dadurch etwas weniger gefährlich.


    Gegen Nachmittag erreichten sie dann den Fuss der Eiszinnen. Dunbar hieß die Schotten die Boote an Land zu ziehen. Nun mussten sie zu Fuss weitergehen. Der Wind pfiff ihnen kalt um die Ohren und Scrum war froh, dass er Gugel und warmen Mantel eingepackt hatte.


    Sie schlugen ein Lager auf, um an diesem Abend die Vorräte in einem kleinen Festmahl aufzuessen, die sie nicht mitnehmen wollten. Schnell war ein größeres Feuer entfacht und Scrum und Darian ließen es sich nicht nehmen, den Kochlöffel zu schwingen.
    Wer weiß, wann wir wieder Gelegenheit dazu haben werden, dachte Scrum und schaute mit einem Lächeln auf den Lippen seinem treuen Ritter zu. Für ein paar Köstlichkeiten unterwegs waren sie sich noch nie zu schade gewesen.


    Denkst Du auch gerade an das Fest der Drachen? sagte er zu Darian, der das letzte einigermaßen frische Gemüse in Würfel schnitt.

  • Darian schaute Scrum an und setzte ein breites Grinsen auf. Jetzt wo Ihr es erwähnt, ja. Es war ein Riesenspass zu sehen wie gut es der ganzen Meute geschmeckt hat. Wenn nur nicht immer diese Unterbrechungen wären, gerade wenn man sich mit einem vollen Teller an der Tafel niedergelassen hatte!
    Darian dachte mit Freude daran, denn er bekochte die Gefährten immer gerne zumal Scrum immer wieder ausgefallene Ideen hatte, die Speisen zu verfeinern.


    Er wurde ein wenig unsanft aus seinen Gedanken gerissen als von weit her ein großes Geheul zu vernehmen war. Es klang kehlig tief und irgendwie bedrohlich.
    Darian hatte aus Erzählungen davon gehört, es musste sich wohl um Werbungsrituale der Trolle handeln und er schaute Scrum und anschließend den Herzog fragend an:" Ist es das was ich denke?"


    Dann wandte er sich schnell wieder dem Topf zu denn fast wäre etwas angebrannt und das wollte er den Kameraden nun wirklich nicht antun.

  • Offensichtlich mein Lieber. Die Trolle sind brünftig. Doch das sollte sie so sehr ablenken, dass sie sich weniger mit uns befassen. Eín Glück, dass die...Scrum überlegte einen Augenblick...ähhh, der Gegner nichts davon ahnt.


    Beinahe hätte er die ganze Mannschaft dazu verleitet Ihr Essen zu beschmutzen. Er hatte noch so gerade die Kurve bekommen.