Überfahrt nach Yerodin/Assynth

  • Scrum zögerte nicht lange und machte sich überhastet auf den Weg. Dabei kam er an einen Topfstiel und warf diesen herunter. Es gab ein großes Geschepper, doch er ließ sich davon nicht abhalten und folgte dem Piraten auf dem Fuße.


    Dieser ging schnurstracks in die Kapitänskajüte, deren Tür offen war. Scrum trat auf ein Kopfnicken des Piraten ein, der die Tür zur Kajüte hinter sich schloß. Scrum war nun alleine mit dem Kapitän. Bevor er diesen jedoch ins Auge fasste, warf er einen Blick in dessen Reich.


    Die Kabine war sehr geräumig und verfügte über einen großen Tisch mitten im Raum. Auf diesem lagen einige Karten sowie einige merkwürdige Instrumente, mit denen Scrum nichts anfangen konnte. Ein Gegenstand sah aus wie ein Zirkel. Auffällig war nur, dass sie offenbar aus Gold bestanden. Der Kapitän war wohl kein Anfänger in seinem Beruf.


    Die Kabine war selbst vom letzten Licht der untergehenden Sonne erhellt, die durch die kleinen Butzenscheiben hindurch fiel. Dennoch war es hell genug.
    Auf einem Beistelltisch konnte Scrum noch Reste des von ihm zubereiteten Mittagessens - frittierter Stockfisch mit Stampfkartoffeln und Gurken - sehen. Daneben stand eine Karaffe aus edlem Kristall sowie ein prunkvoller Weinpokal, der rötlich schimmerte. Ein wenig Wein war noch darin.
    Schließlich fiel Scrum´s Auge auf die Bettstatt des Kapitäns, die jedoch mit Vorhängen zugehängt war. Diese waren jedoch aus gut gearbeiteten Brokat. Offensichtlich waren die Beutezüge der letzten Jahre meist erfolgreich verlaufen.


    Scrum blickte nun auf den Kapitän, der ihn aller Ruhe beobachtet hatte, wie dieser die Kabine in Augenschein genommen hatte.
    Scrum deutete eine kleine Verbeugung an. Kleiner Schleimer, schoss es ihm durch den Kopf, als er sagte:


    Ihr habt mich rufen lassen?

  • So, Du feiner Koch. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Heute Abend hast Du frei. Wir werden heute Nacht auf Kaperkurs gehen und die Männer sollen hungrig bleiben, damit sie besser die Beute eintreiben können. Wollen doch mal sehen, ob wir diese Kaperfahrt nicht wieder erfolgreich abschließen können.

  • Scrum nickte knapp und sagte dann:


    Ich habe verstanden. Braucht Ihr mich noch?


    Der Kapitän gab ein missbilligendes Grunzen von sich und machte eine wegwerfende Handbewegung. Scrum verlies die Kajüte auf schnellstem Wege, bevor der Kapitän noch merkte, wie aufgeregt er war.


    Dann ging er in die Kombüse und schnürte ein paar Dinge in einem Beutel zusammen. Er hatte ja nichts mit an Bord gebracht, doch mittlerweile hatte er zumindest seine Komponentensammlung wieder etwas vervollständigen können. Außerdem hatte er sich ein Proviantpaket zusammengestellt, in dem neben etwas Brot und Käse auch einige Früchte sowie ein Weinschlauch Platz gefunden hatten. Damit konnte er ein bis zwei Tage überbrücken, sofern er nicht sofort auf Menschen traf. Doch zunächst ließ der das Päckchen noch versteckt liegen. Lediglich einen Beutel mit dem nun sorgfältig gereinigten und vorbereiteten Schlafsand hatte er an seinen Gürtel gehangen.


    Um sich jedoch erst einmal selbst zur Ruhe zu bringen ging er in den Mannschaftsraum und beschwatzte einen Piraten ihm Rasierzeug sowie einen kleinen Spiegel zu leihen. Letzterer sollte ihm vielleicht noch gute Dienste erweisen. Mit den Worten:


    Die Sachen bekommst Du morgen beim Frühstück wieder, ging er von dannen.


    Dann rasierte er sich in Ruhe, wusch und kämmte seine Haare und zog sich danach ein Piratenhemd an, welches ihm ein anderer Pirat dankenswerter Weise überlassen hatte. Scrum hatte es gründlich gewaschen und für diesen Tag zurückgelegt. Schließlich wollte er in Amonlonde nicht wie der letzte Heckenpenner auftauchen.
    Danach entschloss er sich auf Deck zu gehen. Oben standen einige Piraten an der Reeling und schauten sich den Sonnenuntergang an.
    Ein letzter romantischer Anflug, bevor sie die Menschen in Stücke reißen, dachte Scrum und schüttelte innerlich den Kopf.


    Er stieg auf das Achterdeck hinauf und sagte zum Steuermann:


    Soll ich das Ruder einmal halten?


    Er wußte, dass dies vielleicht die letzte Gelegenheit war, mehr darüber zu erfahren, was ihn diese Nacht erwartete.

  • Kein Problem, dann kann ich mal in Ruhe eine rauchen.


    Er nahm seinen Tabaksbeutel von seinem Gütel, entnahm diesem eine Pfeife und stopfte sie langsam und bedächtig. Dann ging er kurz vom Achterdeck und kam einige Minuten später mit schmauchender Pfeife zurück.


    Ich habe schon gehört, dass Du heute nix davon mitkriegen sollst, wenn wir mal wieder fette Beute einstreichen. Naja, Du wirst es irgendwann auch einmal erleben. Der Käp´n ist halt misstrauisch.


    Er zog genüsslich an seiner Pfeife und ließ diese im Mundwinkel hängen.


    Beim letzten Mal haben wir ordentlich Zeug eingefahren und einige dieser Landratten haben sich die Radieschen von unten angeguckt.


    Zur Demonstration hatte er seinen Säbel gezogen und einige Hack- und Stechbewegungen gemacht. Dann steckte er den Säbel weg, zog an seiner Pfeife und sagte dann:


    Also hör gut, was der Käp´n gesagt hat. Doch vorerst kannst Du noch was das Steuer halten. Die Männer werden jetzt unter Deck gehen. Ein wenig Schlaf vor dem Kampf kann nie schaden. Wir werden ja erst kurz vor dem Morgengrauen angreifen. Meist haben wir dann noch etwas Nebel und wir können in dessen Schutz unerkannt anlanden.

  • Scrum konnte sein Glück kaum fassen. Nicht nur, dass das Deck in den nächsten Stunden komplett frei sein würde, er wusste nun auch, wie die Piraten vorgehen wollten.


    Zufrieden hielt er das Steuerruder in der Hand und blieb noch eine ganze Weile auf dem Achterdeck stehen. Die Sonne ging unter und das Deck räumte sich zusehends. Lediglich der Steuermann war noch bei ihm. Scrum war zu neugierig:


    Wann haben wir denn Amonlonde erreicht?

  • Wenn Du genau hinschaust, kannst Du in der Ferne einige Lichter sehen. Warte mal, ich gebe die mal das Fernrohr.


    Er drückte Scrum ein Fernrohr aus Messing in die Hand und deutete gen Westen.


    Dort hinten siehst Du Amonlonde. Wir werden erst später näher segeln, bevor wir die Beiboote ins Wasser lassen. Ansonsten wären wir zu sichtbar, wenn sie Wachen in Türmen aufgestellt hätten. Doch von hier aus sind wir nahezu unsichtbar. Hüte Dich jedoch davor ein Licht anzumachen. Das kann Dich auf Kaperfahrt immer Deinen Kopf kosten. Ich kann mich noch an den Anfänger vom letzten Sommer erinnern, der sich im Beiboot eine Pfeife anmachte und dabei ein Feuer entzündete. Es war nur kurz hell, aber die Wache an Land hat uns direkt gesehen. Der Kapitän hat keinen Herzschlag gezögert und den Kleinen abgestochen und ins Meer geworfen. Sei also kein Dummkopf.
    Dabei warf er einen Blick auf das Stundenglas. Diese war fast abgelaufen und er drehte es um, sobald es durchgelaufen war. Er wendete sich dem Küchenjungen zu als er die Worte


    NEX MAGIA PERDO MENTEM!


    hörte. Er spürte noch, wie etwas Sand auf ihn geworfen wurde und dann sank er auf das Achterdeck hinab.

  • Scrum hatte die Gunst der Stunde ergriffen und den Steuermann ins Reich der Träume versetzt. Er zog ihn vorsichtig, so dass er nicht wach wurde, zum Steuerruder und lehnte ihn dagegen, so dass es aussah, als ob er bei der Arbeit eingeschlafen wäre.


    Dann kam der gefährlichere Teil seines Plans. Auf Zehenspitzen schlich er hinab in die Kombüse und holte sein Päckchen aus der Vorratskammer. Danach ging es auf leisen Sohlen wieder an Deck. Glücklicherweise schlief alles noch tief und fest. Er kletterte kurz auf das Achterdeck und stellte sich ans Steuerruder. Scrum prüfte mit angefeuchtetem Finger, aus welcher Richtung der Wind wehte. Süden, stellte er erleichtert fest. Ganz langsam drehte er am Steuerruder und führte das Schiff hinter den Wind.
    Er hielt inne und lauschte. Kein Mucks war zu hören. Lediglich einige leise Schnarchgeräusche von unter Deck. Scrum ging zu den Beibooten und ließ eines vorsichtig nach und nach hinab. Einfach war es nicht, obwohl er es schon gesehen hatte. Doch jetzt war es dunkel und aufgeregt war er dazu. Letztlich gelang es ihm doch. Er rutschte langsam an einem Seil herunter und stand dann im Boot. Er atmete tief durch und schnitt dann die Seile mit seinem Messer durch. So einfach hatte er es sich nicht vorgestellt.
    Er ruderte ein Stück an der Bordwand vorbei, bis er zur Takelage des Hauptsegels kam. Eine kleine Kostprobe seiner Fähigkeiten wollte er den Piraten doch noch mit auf den Weg geben. Er holte tief Luft und rief dann:


    BALISTO FULUMBAR VAS PERDO MAGIA MORTIS CREO GALAD VAS MORTIS


    Ein gewaltiger Flammenstrahl schoss aus seinen Händen geradewegs in die Takelage, die sofort Feuer fing. Bevor die ersten Piraten wach wurden, setzte er sich schnell ins Boot, legte die Ruder auf die Riemen und legte sich ins Zeug Richtung Amonlonde. Ein leichter Nebel war bereits aufgezogen und nach einigen eiligen Ruderschlägen war er dem Schiff entkommen.
    Dann vergewisserte er sich, dass er in die richtige Richtung ruderte und gab sich dem Schauspiel der Flammen hin. Diese hatten sich die Takelage hinaufgezüngelt und hatten das Hauptsegel in Brand gesetzt. Er hörte noch aufgeregte Schreie, als die ersten Piraten an Deck kamen. Bis sie bemerkten, wer ihnen das eingebrockt hatte, war er längst in Sicherheit.


    Vorsichtig hielt er das Boot in der richtigen Richtung und ruderte nicht allzu viel. Die Gefahr, dass er sich im Morgennebel verirrte, war zu groß. Da wollte er leiber abwarten, bis die Sonne aufging und er Land sehen konnte.

  • Scrum wachte auf und schaute in den Himmel. Er schüttelte den Kopf und richtete sich auf. Er war eingeschlafen und auf dem Meer herumgetrieben. Erschrocken blickte er sich um. Erleichtert stellte er fest, dass die Strömung ihn Richtung Küste getrieben hatte. Ein paar kräftige Ruderschläge und das Boot glitt durch die spiegelglatte See.


    Mit einem kleinen Liedchen auf den Lippen ruderte Scrum seiner neu gewonnen Freiheit entgegen.


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  • Stürmisch ward die Überfahrt auf die große Doppelinsel und misstrauisch beobachteten die Assynther den Seeweg zwischen Montralur und Yerodin/Assynth.


    Unter der yerodiner Bevölkerung machte ein Gerücht die Runde und der assynthischen Besatzungsmacht gefiel dies nicht:


    Der Herzog von Yerodin ward in seine Heimat zurückgekehrt!


    Misstrauisch beäugten die assynthischen Wachen die Schiffe aus Richtung Montralur ...