Dinge der Nacht

  • Schwarz wie der Flügel einer Fledermaus ist die Nacht. Sie bringt uns allen Erlösung, die wir uns kriechend und schlurfend davonstehlen, wenn der Hahnenschrei unseren Feind, die Sonne, ankündigt. Die Leute haben uns viele Namen gegeben: Geister und Leichenfledderer, Gespenster und Nachtwandler, Vampire und Werwölfe und so weiter. Doch wir gehören alle der gleichen Familie an. Wir sind die gequälten Seelen, die in alle Ewigkeit zu den Schauplätzen unseres verlorengegangenen Menschenseins zurückkehren müssen. Ihr könnt Knoblauch oder ein Kruzifix über eure Betten hängen, Silberkugeln herstellen, um damit auf uns zu schießen, ja sogar heilige Männer bitten, uns aus euren Wohnungen zu vertreiben - wirklich besiegen könnt ihr uns nie.


    Unsere Namen sind Legion, und wir sind zu viele für euch, wir, die bösen Kräfte, die das Böse in euren eigenen Seelen wiederspiegeln. Auch wenn ihr laut schreiend in die Dunkelheit hinausrennt, werden wir euch fangen, denn das Böse in euch selbst wird euch verraten. Ihr wißt genau, das wir nicht nur in der Dunkelheit der Nacht leben, sondern auch in der Dunkelheit eurer Herzen. Wer wagt es, allein zu mitternächtlicher Stunde über einen Friedhof zu wandeln? Kein Sarg ist stabil genug, um uns festzuhalten, und die Erde ist nicht schwer genug, um uns in der Tiefe zu halten, ja noch nicht einmal ein Grabstein. Wir hassen das lebenswarme Blut in euren Adern und mißgönnen es euch ebenso wie die Liebe und die Hoffnung und die Freude, die wir aufgaben. Eingeschlossen in eine Ewigkeit voller Verzweiflung, erleben wir nur flüchtige Befriedigung, wenn wir eure lebendige Wärme in einen eisigen Schrecken der Seele verwandeln können. Wer einmal auf einen von uns gestoßen ist, wird niemals mehr derselbe sein. Einige von uns haben ein durchaus angenehmes Äußeres, man denke nur an die zahllosen Wesen, die von Draculas Fangzähnen angesteckt werden. Deren Erscheinung ist blühend und gereift, ernähren sich doch Nacht für Nacht mit frischem Blut. Wir sind annehmbare und charmante Wesen, und ihr heißt uns in eurer Wohnung willkommen, nicht wissend, welche Fehler ihr damit begeht, bis ihr am Morgen bleich und erschöpft aufwacht. Natürlich könnt ihr eure Kräfte wiedererlangen, wenn ihr euch eigene Opfer sucht. Doch zu uns gehören auch andere. Sie sind dem Auge nicht so gefällig.


    Schließlich ist es kein Vergnügen, im Dunkeln um eine Ecke zu gehen und einem lebenden Leichnam gegenüberzustehen. Das ist nicht möglich? Wer das glaubt, kann sich von den Unglücklichen, die zittern und winseln, sobald die Sonne untergeht, eines Besseren belehren lassen. Wir leben ewig und überall, doch wir zeigen uns nur, wenn es uns selber paßt.