Die Küste von Renascân

Alanis hatte in den letzten Tagen alles für den Aufbruch nach Amonlonde gerichtet und machte sich an dem Tag vor der Abfahrt ihres Schiffes auf den Weg zum Kapaltempel, um auch Damorg Bescheid zu geben. Aber wie immer in letzter Zeit, als sie schon auf der Schwelle stand, zögerte sie, diese auch wirklich zu überschreiten. Stattdessen entschied sie sich, am Abend einen Brief an Damorg zu schreiben, den sie schon einige Tage nicht mehr gesehen hatte.

So nutzte sie das gute Wetter, um zum Hafen hinunter zu gehen und noch einmal beim Hafenmeister vorbeizugehen und die Restzahlung für ihre Passage zu leisten. Bevor sie jedoch das kleine Haus betrat, in dem die Hafenverwaltung untergebracht war, hörte sie in der Ferne bekannte Stimmen und blickte verdutzt über den Strand neben dem Pier.

Zwei bekannte Frauengestalten machten sich offenkundig daran, sich ein Plätzchen im Sand einzurichten. Alanis atmete erleichtert auf, als sie Kassandra erkannte, dann mache sie auf dem Absatz kehrt und machte sich daran, den Kai zu verlassen und über den Strand zu den beiden anderen Frauen zu gehen.

Ellemir sieht die Priesterin zuerst und winkt von weitem. Dann stubst sie ihre Cousine an. Kassandra hebt den Blick von ihren Erdbeeren und lächelt dann.
"Hallo Alanis", sagt sie als die Frau herangekommen ist.
"Ich wußte nicht daß du hier bist... Erdbeere?"
Im Gegensatz zur letzten Begegnung sieht sie gesund aus. Weniger belastet, fast entspannt.

Alanis hebt grüßend die Hand, als Ellemir winkt und lächelte beide Frauen herzlich an, als sie bei ihnen ankam.

"Tja, ich wohn hier ja schließlich", gab Alanis gut gelaunt zurück und nickte zu dem Erdbeerangebot. Mit gekreuzten Beinen ließ sie sich im warmen Sand nieder. "Hallo Ihr zwei. Wie geht's Euch?"

Ihr Blick ruhte zunächst auf den beiden, dann wanderte er zu Kassandra hinüber.

"Stimmt, tust du", nickt Kassandra und reicht ihr eine Erdbeere.
"Und ich hätt wohl die nächsten Tage mal geschaut ob dein Haus noch steht..."
Sie nimmt sich selber noch eine Beere und reicht den Beutel dann an Ellemir weiter.
"Gut geht's uns", sagt sie nachdem sie einen Blick mit ihrer Cousine gewechselt hat.
"Und dir?... Magst du dich setzen?"
Sie deutet auf den Sand neben sich.

Alanis rückte zu Kassandra hinüber und biss in die Erdbeere. Das angenehm süße Aroma zog sich in ihrem Mund zusammen und entlockte ihr ein zufriedenes 'Hmm'. Dann schmunzelte sie.

"Warum sollte mein Haus denn auch zusammenbrechen? Du kennst mich doch. Bei mir passieren solche Dinge nicht."

Ihre Augen funkelten amüsiert.

"Was bringt Euch her?"

"Ich erinnere mich, daß du in deinen eigenen Brunnen gefallen bist", grinst Kassandra und nimmt sich eine weitere Erdbeere von Ellemir.
"Vielleicht schaffst du's dann auch... Ach..." Sie schüttelt den Kopf und das Grinsen erlischt.
"Schon gut. Ich mußt zu Lila... Bellaria. Da waren..."
Ein Knoten krampft sich in ihrem Magen zusammen.
"Dinge... zu besprechen." Sie seufzt und sieht etwas weniger glücklich aus als noch eben.

"Also kein Vergnügungsbesuch", schloß Alanis und legte leicht den Kopf zur Seite. "Aber Du siehst besser aus als im Winter, als wir uns das letzte Mal gesehen haben."

Aufmunternd blickte sie die Schankmaid an.

"Ja. Seh ich wohl."
Kassandra starrt kurz aufs Meer.
"Wir haben... das Problem gelöst. Also die Sache mit den Visionen..."
Ob das nun wirklich eine Lösung war oder ob es nur wieder weitere Probleme aufgetan hat, da ist sie nicht so sicher. Zumindest ist da wohl jetzt noch das ein oder andere aufzuräumen.
"Doch, es war auch schon Vergnügungsbesuch. Aber nicht nur."

Alanis neigte leicht den Kopf.

"Das ist doch gut - oder?" Sie zog ein Knie an und stützte einen Ellbogen darauf an, um ihr Kinn dann sinnend in ihre Handfläche zu legen. Ihr Blick folgte dem von Kassandra hinaus auf die See. Sie erinnerte sich an das Versprechen, das sie Tear gegeben hatte und fragte sich in diesem Moment, ob das Sprechverbot auch für Kassandra selbst galt. Aber da Ellemir mit dabei saß, konnte sie wohl kaum frei entscheiden, was sie erzählen konnte oder nicht.

Ellemir hat sich das Rumgestotter jetzt lange genug angehört und steht nun auf.
"Ich sollte dann mal wohl... nach den Fischen gucken gehen... hm?", sagt sie, ohne sich große Mühe mit irgendeiner Ausrede zu geben.
Sie schaut Alanis noch einmal scharf an, dann legt sie die Hand auf Kassandra Schulter und geht.
Kassandra streicht sacht über ihre Hand und sagt nichts dazu.
Dann schüttelt sie den Kopf, lächelt.
"Sie macht sich immer noch Sorgen. Wahrscheinlich glaubt sie mir noch ein paar Jahre nicht, daß alles in Ordnung ist."
Dann wedet sie sich Alanis zu.
"Ja, ich hoffe daß es damit gut ist. Obwohl wir wohl übers Ziel hinausgeschossen sind. Mal wieder..."

Alanis erwiderte Ellemirs Blick ruhig und nickte ihr dann zu. Sie schwieg für einen Moment, dann entschloss sie sich, die Sache mit Tear erst einmal ruhen zu lassen. Der Verrat der Elbin hatte wohl nur am Rande mit dem zu tun, was Kassandra getan hatte - oder? Die letzten Worte der Schankmaid verwirrten sie. Was mochte nach der Befreiungsaktion für diese Silia, von der Tear gesrpochen hatte, noch geschehen sein.

"Natürlich macht sie sich noch Sorgen. Du hast auf einer Klippe gestanden, , erinnerte Alanis Kassandra sanft an die Situation vor einem halben Jahr. Nun klang unverhohlene Besorgnis aus ihren Worten. "Was meinst Du mit - über das Ziel hinausgeschossen?"

Kassandra zuckt die Schultern.
"Was wir getan haben... Hm... Nein. Von Anfang an."
Sie versucht sich zu erinnern was sie Alanis erzählt hat und wann.
"Diese Visionen... sind von einer Verbindung zu Enduneath hergekommen. Die mußte zerstört werden."
Sie schaudert. Das war ziemlich verstörend gewesen und sie weiß nicht ob sie sowas nochmal mitmachen möchte. Nein, sie ist sich sicher, daß sie das nicht will.
"Was dabei so wie's aussieht noch mit draufgegangen ist ist die Verbindung zu dem Artefakt selber. Und damit das Artefakt, Lila hat nämlich auch keine Verbindung mehr."
Sie seufzt.
"Das hätte ich gerne vermieden. Aber so wie's aussieht ging das wohl nicht..."

Alanis hörte geduldig zu und erkundigte sich nach einem Moment des Nachdenkens:

"Das Artefakt war also dazu bestimmt, nur durch die Verbindung zu bestehen? Das heißt Enduneath wird also wissen, dass etwas geschehen ist, wenn es seine Wirkung verliert?" Fragend blickte sie Kassandra an. "Oder wird es weiterhin mit der Kraft bestehen bleiben, die ihr hinein investiert habt?"

"Das weiß ich nicht. Aber ich nehme mal an daß es nicht mehr funktioniert wenn mit meiner Verbindung auch Bellarias Verbindung zerstört ist. Aber das muß ich noch herausfinden."
Sie zuckt die Schultern.
"Ich hatte gehofft daß das Artefakt ohne die Verbindung bestehen kann. Oder daß die Verbindungen nicht ... ach, ich weiß auch nicht."

Der Priesterin war anzusehen, dass sie Kassandras Gefühle bezüglich des Amuletts nicht ganz nachvollziehen konnte.

"Warum hast Du irgendeine Hoffnungen auf einen Gegenstand, der Dir nur Ärger gemacht hat? Mir wäre das Ding, mit Verlaub gesagt, doch sch...egal gewesen, wenn ich durch seine Zerstörung genese."

Kassandra schaut zu Alanis.
"Ja... manchmal war es so", sagt sie nachdenklich. "So wie ich Endu manchmal gehaßt und ihm den Tod gewünscht habe."
Sie schaudert.
"Aber ein Teil von mir war da drin. Und einen Teil von sich selbst zu zerstören ist... ziemlich schrecklich."
Das klingt in ihren Ohren lahm und unvollständig, aber die vollständige Beschreibung wäre einfach zu ...langatmig gewesen. Und sie hatte kaum Worte dafür.

Alanis schüttelte den Kopf.

"Aber - warum? Ich meine, man kann doch Artefakte herstellen, ohne sich selbst so zu entblößen. Oder?"

Besorgnis vibrierte in ihrer Stimme.

"Gut, ich meine, ich bin keine Magierin und kann das sicher nicht beurteilen. Müssen persönliche Geschenke wirklich so - persönlich sein? "

Kassandra zuckt die Schultern.
"Vielleicht sind sie für Barden so persönlich..."
Sie muß an Salis denken und daran, des der so ein Artefakt auch mal eben herstellt um die Haushaltskasse aufzubessern.
"Vielleicht sind sie auch nur für mich so persönlich. Ich hab keine Ahnung."

"Das heißt Du hast das schon öfters gemacht?" Alanis Augen runden sich kurz einen verblüfften Moment.

Kassandra legt den Kopf schief.
"Es ist nicht das erste Artefakt, daß ich gemacht habe", sagt sie.
"Es ist nicht so, daß ich die Dinger täglich herstelle... Ich habe ein ähnliches Amulett für Liri gemacht..." Sie verstummt als sie darüber nachdenkt.
"Nicht ganz so mächtig. Nicht mit Lila zusammen. Und auch nicht so persönlich wie das von Endu..."
Vielleicht war das das Problem gewesen? Zu viel Herzblut dabei? War die Bindung des Amuletts an den Träger zuviel des Guten gewesen?
"Ich hab Liris Amulett nicht an sie gebunden..."
Sie beißt sich auf die Lippe.
"Je mächtiger so ein Artefakt ist desto verlockender ist es für Diebe... Wenn es an den Träger gebunden ist funktioniert es nur für ihn, für jeden anderen ist es wertlos. Man muß das abwägen..."