Die Wälder von Renascân

  • Gerion nickte. Und irgendwie konnte er den Vater verstehen. Ist er doch selbst gerade dabei, an alledem, was er erlebt hat und durchlebt hat zugrunde zu gehen. Doch diese Mädchen war nun noch einsamer als er, desshalb musste er seine Nöte und Probleme hinten anstellen und ihr eine helfende Hand sein.


    "Weißt du, meine Mutter sagte immer, dass die Kraft die man aus seine Familie schöpf ähnlich ist , wie der Halt den eine Kiefer im Gebirge hat. Die Kiefer kann ihre Wurzeln so tief in das Gestein schieben wie sie möchte, wenn das Gestein nicht fest und stark ist, sondern porös und rissig ist, dann wird die Kiefer fallen."


    Gerion seufzte.


    "Doch wenn sie mal gefallen ist, kann es dennoch sein, dass ihre Samen einen anderen Ort finden, einen Ort an dem eine neue Kiefer gedeihen kann und Halt finden wird."


    Gerion war sich der vollen Bedeutung der Worte seiner Mutter nie ganz klar geworde, doch jetzt ergaben sie Sinn.

  • Isabell wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Das was Gerion gerade gesagt hatte, traf voll und ganz auf sie zu. Sie hatte so oft versucht mit allen Mittleln die Familie zusammen zu halten, doch letztenlich waren die Risse zu groß und sie fiel....


    "Als dann meine Mutter im sterben lag, musste ich ihr versprechen mein Zuhause zu verlassen, damit ich irgendwo wieder glücklich werden konnte. Sie hatte Angst, das ich das Schicksal mit ihr teilen würde, wenn ich bei meinem Vater bliebe. Nach ihrem Tod merkt ich dann erst das meine Familie nicht mehr war. Ich hielt mein Versprechen, packte ein paar Sachen zusammen und verließ das Haus."


    Sie wischte sich die nächsten Tränen aus dem Gesicht


    "Ich wusste nicht wohin, also ging ich erst einmal zu meinem ältesten Bruder. Doch für ihn war ich nur ein Klotz am Bein. Er hatte eine neue Familie und zu der zählte ich nicht. Also beschloss ich, meinen anderen Bruder zu suchen. Lange Zeit lief ich durch das Land, doch niemand hatte ihn gesehen. Es ist wirklich seltsam, fast so als hätte er sich in Luft aufgelöst. Nirgendwo auch nur der kleinste Hinweis. Stattdessen fand ich eine alte Frau, die mir Antwort auf die Herkunft meines Anhängers geben konnte. Und so bin ich nun hier her gekommen."


    Isabell griff unbewusst an ihre Halskette.

  • "Und Isabell ? Bist du hier um das Versprechen deiner Mutter einzulösen, oder bist du hier, weil du Kraft schöpfen möchtest für deinen weiteren Weg ? Bei beiden werden dir die Leute hier gern helfen."


    Gerion sprach mit ruhiger Stimme weiter. Er fragte sich nun endgültig was es mit diesem Anhänger auf sich hatte, doch solche Details konnte er später immernoch erfragen.


    "Und dass du mich und die anderen gesucht hast, soll nicht umsonnst gewesen sein. Das letztemal, als wir dir, oder eher deinem Land geholfen hatten, war die Aufgabe um einiges schwerer und gefährlicher, da werden wir, oder besser ich dir mit Vergnügen weiterhelfen soweit es geht."


    Gerion machte an einem Brombeerstrauch halt, andem die Früchte schwarz in der Sonne leuchteten, die gerade durch das Grün der Blätter brach. Er zupfte eine Hand voll vom Strauch, wartend, ob sie weitersprach.

  • Isabell schaute Gerion an. Zum ersten Mal nach langer Zeit spürte sie so etwas wie Geborgenheit, auch wenn sie sich nicht erklären konnte warum.


    "Das Versprechen meiner Mutter würde ich nur zu gerne einlösen. Aber glücklich werden kann man nicht planen."


    Sie machte eine kurze Pause. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als das ihre Reise endete, aber ein neues Zuhause fand sich nicht so schnell.


    "Aber ich brauche erst einmal ein paar Tage um mich auszuruhen. In der Zeit werde ich dann meine weiteren Schritte überlegen."

  • Gerions Lachen erfüllte sie mit Wärme, auch sie musste lächeln. Sie steckte sich eine Brombeere in den Mund und schloss kurz die Augen. Ihre Mutter hatte sie früher immer mit Brombeeren bestochen, wenn sie nicht ins Bett wollte. Isabell musste bei dem Gedanken lachen. Es hatte ihr wirklich gut getan mit jemanden über ihrer Sorgen zu reden.


    "Ich weiß gar nicht, wie ich dir für all das danken soll"


    Sie sah Gerion in die Augen

  • "Uff."


    Gerion spürte den Zug, als Isabell stolperte und versuchte ein Fallen mit der Hand zu verhindern. Gleichzeitig blieb er natürlich stehen. Den restlichen Weg wird man wohl eher im gemütlichen Tempo zurücklegen müssen, dachte sich Gerion doch etwas amüsiert.

  • Isabell fing sich dank Gerion wieder und kam schwankend zum strehen.


    "Entschuldigung, ich bin ein bisschen tollpatschig. Habe ich dir weh getan?"


    Als sie sein amüsiertes Lächeln sah musste sie wieder lachen. Es tat so gut. Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen, hier her zu kommen.

  • "Oh, um mir weh zu tun, müsstest du schon um einiges gewichtiger sein."


    Da er nun das Tempo etwas senkte lief er neben ihr her und nicht mehr vor ihr. Er selbst sagte nichts, bis ihn wieder die Neugierde mit der Halskette packte.


    Also griff er sich unter sein Hemd und holte eine Kette mit einer Muschel hervor.


    "Hier schau mal. Die hat mir jemand geschenkt und seit dem begleitet sie mich überall mit hin. Die Geschichte die dahinter steckt macht sie unheimlich wichtig für mich und ich muss zugeben sie erinnert mich auch immer daran, was man als einfacher Mann alles erreichen kann, wenn man nur den Glauben und den Mut nicht verliert."

  • Isabell sah sich die Muschel an. Die Geschichte, die Gerion erwähnte, machte sie schon neugierig. Aber sie wusste, das meist diese Geschichten sehr persönlich waren. Wie so oft an diesem Tag umschloss ihre rechte Hand ihren Anhänger. Sie hatte Angst, das Gerion lachte, wenn sie ihm die Kette zeigte


    "Mein Anhänger ist nicht so schön wie deine Muschel. Aber er hat mir den Weg zu dir gezeigt und darüber bin ich sehr froh. Er war der Funken Hoffnung in den dunkelsten Stunden bei mir. Er gab mit Hoffnung und auch Mut das eine Ziel zu erreichen: Dich zu finden."


    Sie holte den Anhänger aus ihrer Bluse und öffnete die Finger. An der Kette hing eine magonische Kupfermünze. Isabell merkte, wie sie leicht rot wurde.


    "Als ich nach den Geschichte mit den Orks wieder zu eurem Lager kam und es verlassen war, dachte ich, ich würde euch nie wieder sehen. Ich wusste nicht, aus welchem Land ihr wart, nur drei eurer Namen hatte ich mir gemerkt und damit kommt man nicht all zu weit. Doch an eurer Lagerstelle fand ich diese Münze mit eurem Wappen darauf. Und das gab mir ein klein bisschen Hoffnung, euch damit zu finden - irgendwann."

  • "Eine Münze von uns ?"


    Gerion stand der Mund offen. Er hatte sich, wissen die Götter was, vorgestellt was das sein konnte, doch als er nun die wahre Geschichte hörte war er einfach nur sprachlos. Wie könnte ein Mädchen all ihr Hoffnung in drei fremde Männer legen, die sie nur flüchtig kannte und vermutlich niemals wieder sehen würde.


    "Ich weiß ganricht was ich dazu sagen soll ? Aber eins weiß ich. Ich bin froh, dass dir ein Stück meiner Heimat so sehr geholfen hat. Wer weiß, solang wie du sie nun über dem Herzen trägst, vielleicht wird es ja dann auch zu einem Stück deiner neuen Heimat werden."


    Gerion lächelte freundlich und warm. Er wollte ihr diesen Ort als neue Heimat schmackhaft machen, denn auch wenn es ihm vor wenigen Stunden selbst noch nicht klar war. Renascan ist ein Ort den man einfach gern seine Heimat nennt. Er ist ruhig, beschaulich, sicher und bietet Arbeit.

  • Isabell betrachtete ihren Anhänger. Seit sie ihr Zuhause aufgab und ihren Bruder suchte, hatte sie sich gefühlt wie eine streunende Katze. Sie wusste nicht wohin sie gehen sollte, nur das sie nicht länger als ein paar Tage einen Ort bleiben wollte. Nirgendwo hatte sie sich zuhause gefühlt. Doch als durch Zufall eine alte Frau ihr von der Herkunft dieser Münze berichten konnte, hatte sie das Gefühl das sie hier etwas erwartete.
    Isabell musste sich eingestehen, das dieser Ort wirklich was besonderes war. Sie wusste nicht warum. Hier fühlte sie so etwas wie Sicherheit, Geborgenheit und eine innere Ruhe. Ob das an Gerion lag?
    Sie steckte ihren Anhänger wieder zurück unter die Bluse und lächelte Gerion an.


    "Warum machst du mir eigentlich die ganze Zeit diese Stadt so schmackhaft? Ich meine, macht ihr das immer so mit Reisenden, oder bin ich eine Ausnahme?"

  • "Ne klare Ausnahme. Also es kommt aber ohnehin selten vor, dass ich einem die Stadt so anpreisen kann."


    Gerion kratzte sich am Kopf


    "Außerdem, hab ich jetzt ne ungefähre Ahnung von dem was dich hier her treibt und was dir wiederfahren ist. Da versuch ich dann mal einfach zu überlegen, was dir da helfen kann und da finde ich, ist Renascan schon ein guter Anfang um alle dem enteggenzuwirken."


    "Meinste nicht auch ?"

  • "Naja, ich bin gerade erst angekommen. Viel von der Stadt habe ich noch nicht gesehen. Aber was ich bis jetzt so gesehen habe gefällt mir"


    Sie schaute Gerion in die Augen und lächelte.


    "Wie gesagt, ich bleibe auf jeden Fall ein paar Tage. In der Zeit kannst du mich ja durch die Stadt führen und mir alles zeigen. Wenn du möchtest und sonst nichts zu tun hast"