Tief im Wald bei den Wölfen

  • Tief in den Wäldern des daynitischen Reiches liegen die Gebiete der Wölfe. Waldläufer, Druiden und Eigenbrödler gehören ihnen an und bilden die lose Gemeinschaft, die von allen Dayniten nur die Wolfsrudel genannt werden.
    Im Jahre der Tränen 668, zur Zeit der großen Schwemme entstanden in diesen Wäldern unzählige versteckt gelegene Wehranlagen um den einfallenden Untotenheeren Einhalt gebieten zu können. Einige waren nur vereinzelte Behausungen in den Bäumen. Andere große, hervorragend an das Gelände angepasste Verteidigungsanlagen. Errichtet aus dem Hölzern der Wälder waren sie mit unzähligen Fallen und Fluchtausgängen gespickt um dem Feind das Eindringen so unangenehm wie möglich zu machen. Nun, 29 Jahre danach, sind die Wälder von den meisten Spuren dieses Albtraums befreit. Die Forts sind jedoch erhalten geblieben und dienen den Waldläufern nun als Wohnstätte oder als Durchgangslager. Nur wenige die nach diesen Lagern suchen werden je eines von ihnen finden wenn sie nicht genau wissen wo sie suchen müssen. Sollte jedoch jemand eines von ihnen entdecken, so wäre es sicherlich besser wenn er die Erlaubnis der Wölfe besitzt ihr Territorium zu beschreiten...

  • Mit einem kurzen Seufzer nahm Almur die Hand von Urs Stirn und öffnete die Augen. "Dir fehlt nichts mein Junge!"
    Der Druide hatte den jungen Waldläufer nun schon mehrere Stunden in Beschlag nachdem dieser von Jasper zu ihm gebraucht worden war.


    Eine ungläubige Erleichterung breitete sich in Urs Gesicht aus und vertrieb seinen sorgenvollen Blick mit dem er gestern hier aufgetaucht war.


    "Ich konnte noch Spuren einer sehr hässlichen Präsenz vernehmen, aber diese werden mit Tasmias Hilfe in den nächsten Tage auch verschwinden. Was auch immer Deinen Körper gebeutelt hat, es ist bald nicht mehr da!"


    Mit einem weiteren Seufzer stand der alte Druide auf und bedeutete Urs es ihm gleich zu tun. "So, und jetzt macht Euch weg! Ich muß das restliche Tageslicht noch nutzen!"


    Urs unterdrückte ein Lachen und blickte zu Jasper herüber, der sich auch am Riemen reissen mußte. Almurs knorrige Art hatte immer etwas von einem bissigen Bären, der sich über seine eigene Gutmütigkeit ärgerte.


    Als sie die Hütte des Druiden verlassen hatten machten sie sich wieder auf zum Fort. Eine gute Weile gingen sie schweigend nebeneinander her bis Urs die Stille brach.
    "Einige der Leute mit denen ich dort untergebracht war meinten es war magischer Natur!" Er blickte Jasper an, doch der schritt nur wortlos weiter neben ihm her. "Zu allem Übel wimmelte es dort nur so von Untoten, Drow, feindlichen Soldaten und was weis ich noch alles!"


    "Und was waren das für Leute mit denen Du dort unterwegs warst?" Jasper blickte kurz zu ihm herüber.


    "Sehr unterschiedlich! Ich habe noch nie vorher solch ein bunt zusammen gewürfeltes Lager gesehen. Selbst die Leute bei denen ich genächtigt habe waren alle unterschiedlich. Mischlinge wie bei uns, Fahrendes Volk, arkan Bewanderte, normale Krieger und sogar eine Schamanin!"


    Er blieb stehen und Jasper tat es ihm gleich. "Es waren sogar zwei Dayniten unter ihnen. Ich glaube daß sie unter dem Einfluss der Krähe standen."


    Jasper hob kurz die Brauen. "Dann hättest Du sie töten sollen...!" kam es fast schon gelassen aus seinem Mund.


    "Ich..." Urs stockte kurz während sich sein Blick mit Jaspers traf. "Ich töte nicht auf Verdacht!" Einen Moment dachte Urs er könne dem Blick des Waldläufers standhalten, doch dann sah er weg.


    "Aussserdem haben sie uns geholfen aus dieser Sache wieder heraus zu kommen!" Die Bilder, die sich in der letzten Nacht in Luxburg in sein Gedächtnis eingebrannt hatten tauchten wieder vor seinem geistigen Auge auf. Hatten sie das wirklich? Oder haben sie es nur für alle schlimmer gemacht?


    Sie nahmen den Schritt wieder auf und den restlichen Weg zum Fort sagte keiner von ihnen mehr ein Wort.

  • "Hier alter Mann!" Urs stubste Jasper mit einem vollen, schaumbesetzten Krug an die Schulter.


    Verärgert drehte der Waldläufer sich um. "Du verdammter Jungspu....! Nein! Sag bloß der alte Orloff ist mit dem Brauen fertig!" Der Ärger in seinem Gesicht verwandelte sich in ausgiebige Freude als er die Bierkrüge in Urs Händen sah.


    "Ja! Seit gestern Abend!" Meinte Urs nur und setze sich seinen Krug an die Lippen.


    Jaspers Miene verschlechterte sich wieder zusehendes. "Na das sieht Dir ähnlich Du riesen Eberarsch!" Barsch riss er Urs einen Krug aus den Händen. "Und wahrscheinlich hast Du bis eben da gelegen ohne mir auch nur ein Wort davon zu sagen.


    Ärgerlich grummelnd führte er sich den Krug zum Mund und nahm einen tiefen Zug des kühlen Naß. Nachdem die beiden ihre Krüge schweigend geleert hatten war Jaspers Laune (wohl aufgrund des Biergeschmacks) wieder so gut wie hergestellt.


    "Es wäre vielleicht besser wenn Du bis Ende der Woche verschwunden bis. Sie bringen wieder junge Rekruten!" Urs schien nicht ganz zu bergreifen und blickte den alten Waldläufer nur fragend an.


    "Die Gehörnten! Sie wollen wieder ein paar dieser Jungspunte ausbilden lassen um den, in die Trollsümpfe geschlagenen, Handelsweg zu sichern!"


    "Na damit hätten diese verdammten Bastarde aber noch gut ein paar Tage mit warten können!" Verärgert kippte Urs den schalen Rest, der noch den Krugboden benetzte, in die Blätter.


    "Weiß die Göttin warum Thorben ihnen das damals zugesichert hat!"


    In Jaspers Gesicht bildete sich ein verschmitztes Lächeln.
    "Aber es hat schon was für sich wenn die hier alle mit Kapuzen auf den Köpfe ankommen. Zumindest geht´s sie bis heute nichts an wo wir unsere Lager haben!"


    "Das letzte Mal hat sie so ein junger Leutnant angeführt. Fand der gar nicht so lustig, daß seine Hände auf den Rücken gefesselt waren. Hatte jedenfalls `nen hochroten Kopf als sie ihm die Kapuze abgenommen haben." Er kicherte leise. "Ist `ne weite Strecke von Asbraven Keep bis hierher!"


    Eigentlich hätte sich Urs genauso darüber amüsiert wie Jasper. Doch konnte er nicht hier bleiben. Er würde den Wölfen durch seine Anwesenheit nur Unannehmlichkeiten bereiten.

  • "Was? Morgen schon!?" wütend trat Urs einen nahe gelegenen Schemel in die Ecke.


    Einige der anderen Waldläufer sahen kurz auf, widmeten sich dann aber wieder ihrem Bier.
    Nachdem Urs und Jasper ihre Krüge draußen geleert hatten waren sie schnurstracks zu Orloffs Unterkunft, eine in den lehmigen Boden getriebene Höhle, gegangen um sich dort noch eines zu genehmigen.


    Es passierte selten genug, daß Orloff zum Bierbrauen kam. Wenn er jedoch fertig war konnte man davon ausgehen, daß sich alle Läufer der Umgebung innerhalb weniger Tage hier einfanden.


    Eigentlich versprach der Abend, alleine schon aufgrund des hohen Alkoholkonsums, für Urs ein schöner zu werden. Dann jedoch kam einer der jüngeren Läufer in die Höhle gestolpert und verkündete, daß Späher den angekündigten Trupp der Gehörnten mit den Rekruten gesichtet hatten. Sie würden wohl schon morgen hier eintreffen.


    Urs gute Laune war mit einem Schlag dahin und sein, wie so oft, viel zu hoher Alkoholkonsum machte die Sache nicht wirklich besser.
    Mit einem lauten Poltern knallte der Schemel, der gerade noch vor seinen Füssen gestanden hatte gegen eines der Fässer und zerbrach.


    "He Junge! Wenn Du hier weiter mein Bier trinken möchtest, dann halte Dich gefälligst zurück!" Wütend blickte Orloff zu Urs herüber. Er hatte wohl keine große Lust darauf einen auszugeben, nur um dafür die halbe Einrichtung zertrümmert zu bekommen.


    "Was willst Du alter Mann? Sei froh daß wir Deine Wieselpisse überhaupt trinken!" Urs war wieder mal an dem Punkt, der ihm dauernd in Schwierigkeiten brachte.


    Bevor er sich versah war Orloff heran gekommen, packte ihn mit einer verblüffend kräftigen Faust am Kragen und stemmte ihn von der Bank hoch.
    "Für jemanden, der sich gerade noch so auf der Bank hält sind das aber ganz schön große Worte!" Orloffs Gesicht war hochrot und je nach dem wie Urs nächste Antwort ausfiel hatte er wohl gleich seine andere Faust mitten im Gesicht.


    Jasper konnte sich nur unter Mühen zwischen die beiden stemmen. "Mann Orloff!" langsam versuchte er Orloffs, bereits zum Schlag erhobene Faust sanft nach unten zu drücken.


    "Du siehst doch daß der Junge wieder total voll ist!"


    Einige Sekunden standen sie da wie angewurzelt während Orloffs durchdringender Blick in das trotzige Gesicht von Urs traf. Dann schubste ihn der Alte mit einem energischen Ruck zurück auf die Bank.


    "Sieh zu, daß er keinen Ärger mehr macht!" meine er an Jasper gerichtet und entfernte sich mit einem letzten grimmigen Blick der Urs galt.


    "Verdammt Junge!" Jasper ließ sich mit einer Mischung aus Ärger und Erleichterung wieder auf die Bank sinken. "Irgendwann bekommst Du wegen Deiner Sauferei echt mal so richtig die Schnauze voll!"


    Urs sagte nichts weiter dazu. Für Vernunft war es sowieso schon zu spät am Abend. Er stand auf und holte sich noch ein Bier...




    Am nächsten morgen packte unter fürchterlichen Kopfschmerzen seine Sachen. Nachdem er alles zusammen hatte ging er zu Jaspers Lager.
    Der alte Läufer bedachte ihn nur mit einem geknurrten Gruß. Er war wohl noch immer über Urs Benehmen gestern Abend verärgert .
    Also er jedoch mit einem Blick auf sein Gepäck bemerkte, daß der junge Läufer das Lager verlassen wollte reichte er ihm seine Hand. "Pass auf Dich auf Junge!"


    Urs nahm seine Hand, schüttelte sie schweigend, wandte sich um und verschwand im Wald.

  • Aus einiger Entfernung konnte Urs die fast unsichtbaren Palisadenwälle des Forts erkennen. Nachdem er mit der Halbelfe Gonrihl fast einen Monat in Lupien zugebracht hatte, war er froh endlich wieder Heimatluft zu wittern.


    Während er zügig auf das Fort zuschritt dachte er an die Leute, die er in dieser kurzen Zeit kennen gelernt hatte. Vor allem den Waldläufer Dural, der ihm das verlockendes Angebot gemacht hatte einem Bund von Läufern in Lupien beizutreten.


    Zu Anfangs war er ihm noch sehr unsympatisch gewesen. Ein Läufer der andere so sehr mit Fragen löchert war ihm vorher noch nie untergekommen. Hier hielt man ganz einfach den Mund wenn der andere nichts von sich erzählen wollte. War ja fast schon klar, daß sie sich nach spätestens einem halben Tag gegenseitig auf´s Maul gehauen hatten.
    Aber was soll´s! Danach waren die Fronten geklärt und man hatte zusammen einen getrunken und sich im Kampf beigestanden...


    Er hob den Kopf als er den Schrei eines Eichelhähers vernahm und grinste still in sich hinein. Man hatte ihn im Fort also bemerkt!


    Als er an dem halb geöffneten Tor ankam stellte er erstaunt fest, daß sich das ansonsten so gemächliche Treiben des Lagers in ein hektisches Hin und Her verwandelt hatte. Gruppen von jeweils acht Mann hatten sich auf dem Hauptplatz versammelt und hörten gespannt den Einweisungen ältere Läufer zu, während sie von Pfeilschäftern und Gerbern mit Ausrüstung versorgt wurden.


    Urs wußte sofort, daß eine größere Bedrohung in den umliegenden Wäldern aufgetaucht sein mußte. Mit Sicherheit waren wieder Trolle aus dem Osten zu weit in ihr Gebiet vorgedrungen.


    Urs versuchte einen seiner Freunde in dem Tumult zu erkennen. Er erspähte Jasper, der gerade aufsah während er einer Gruppe von Läufern mit der Hand einen Punkt in Richtung der tieferen Wälder zeigte und sein Blick sich mit dem von Urs traf.


    Hektisch winkte er Urs zu sich. Nachdem er den anderen in der Gruppe noch einige kurze Befehle aufgetragen hatte, schritt er energisch auf den jungen Läufer zu.


    "Man Junge! Du hast Dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht!" Sein Gesicht war ernst und selbst der Schalk, von dem Urs dachte, daß er wirklich immer in Jaspers Gesicht zu finden sei, war verschwunden.


    "Sag mal, was macht Ihr denn für einen Wirbel wegen ein paar Trollen?"


    "Trolle!? Sieh Dich mal um! Würde jemand wegen zwei Trollen so ein Theater veranstalten?" Es schien als wäre seine Miene nach Urs Frage noch etwas ernster geworden.


    "Gestern Nacht ist einer unserer Späher verletzt ins Lager zurück gekommen! Im Süden wurde ein Portal der Chaosmaid gesichtet! Und es ist aktiv!"

  • Keuchend sog Urs die Luft ein als er mit den anderen Mitgliedern seines Rudels durch die Dunkelheit stolperte. Vielleicht sollte man eher sagen, das was von dem Rudel noch übrig war. Ludger und Eodir, der Halbelf, waren tot und seine blutende Schwester, die Urs nun auf seinen Schultern trug würde es bald auch sein wenn sie nicht bald einen sicheren Platz finden würden um sie verbinden zu können.


    Sie waren in der Dämmerung auf diese Wesen getroffen. Jasper hatte sein Rudel noch vor diesen Kreaturen gewarnt. Sie mochten zwar nur wie Orks aussehen, doch waren sie weit mehr als das. Man mochte fast meinen, daß sie nur ihr Aussehen mit den Grünhäuten teilten und wenn man dem glaubte, was Jasper erzählt hatte war dem wohl auch so.


    Sie kamen aus den Chaosebenen. Auf der anderen Seite waren sie formlos, Schatten in einer Welt aus Schatten. Doch hier konnte sich dieser Dämonenlaich wohl nur in dieser Form manifestieren wenn sie aus den Portalen in diese Welt traten. Warum dies so war wußte wohl nur ihre wahnsinnige Göttin selbst.


    Der erste Kontakt mit diesen Wesen war schrecklich gewesen. Alle der jüngeren Läufer, hatten, wie Urs, diese Kreaturen nur aus Erzählungen gekannt und noch niemals vorher gegen diese chaotischen Ausgeburten gekämpft.
    Sie bewegten sich mit einer Schnelligkeit, die ihre massigen Körper lügen strafen und hieben mit ihren von Rost und Krankheit zerfressenen Klingen auf alles ein was nach einem denkenden Wesen aussah.


    Ein hoher Blutzoll war nötig gewesen um sich auf diese berserkerhaften Gegner einzustellen. Zumal ihre Handlungen nichts von rational denkendem Wesen an sich hatte. Das eine Mal stürmten sie dem sicheren Tod entgegen um das nächsten Mal, geschützt von ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit grundlos aufeinander einzuschlagen oder sich Waffe selbst ins eigene Fleisch zu treiben. Es war als repräsentiere ihre bloße Anwesenheit Chaos um des Chaos willens - Wahnsinn, der sich selbst gebar.


    Nachdem sie die halbe Nacht gekämpft hatten, waren sie nun den meisten Konfrontationen ausgewichen um den sinnlosen Blutzoll zu stoppen. Für jeden dem man erschlug kamen weitere aus der Dunkelheit. Das Rudel hatte nur eine grobe Vorstellung davon wo das Portal sein konnte. Doch je näher sie diesem Punkt kamen, desto mehr hörten sie die Schreie dieser Kreaturen, die mit ihrem infernalischen Gebrüll die Stille der Nacht zu vergiften suchten.


    "Hier! Das sieht gut aus!" zischte Jasper dem Rudel zu und deutete auf eine Erdmulde, die von einigen umgestürzten Bäumen verdeckt wurde.


    Keuchend kniete sich Urs in die Mulde und setzte vorsichtig die leise vor sich hin stöhnende Halbelfe ab. Sofort war Goddert, der Druide, bei ihnen und begann ihr die von Blut getränkten Leinenfetzen vom Oberkörper zu reissen um die Wunde näher betasten zu können.


    "Und?" flüsterte Jasper von Oben herab. Er war am Rand des Lochs geblieben um eventuelle Angreifer früh genug ausmachen zu können.


    "Was "und"!?" Goddert funkelte Jasper wütend an. "Du hast die Axt doch gesehen, die sie fast in zwei Teile gespalten hätte!"


    Das hatte Jasper wohl. Eodir, ihr Bruder, hatte den Hieb mit seinem Schwert noch ablenken können bevor ihm der zweite Hieb das eigene Leben aus dem Körper getrieben hatte.
    Mürrisch grummelnd drehte sich Jasper wieder zum Rand des Loches um.


    Alle waren extrem angespannt. Besonders Goddert. Auch er lebte erst seit einigen Jahren bei den Wölfen und nun lag das Leben von Niorèll, der Halbelfe in seinen Händen.

  • Sie starben nicht wie normale Lebewesen. Nachdem Urs Pfeil mit einem leisen Knirschen in die Schädeldecke der Kreatur gefahren war, begann sie sich bereits im Fall zu zersetzten. Als der leblose Körper auf den Waldboden aufschlug hatte sich bereits ein großes Loch in seinem Brustkorb gebildet, das sich rasch nach Aussen fraß und anstatt toten Fleisches, grünlich schimmernden Staub auf dem Blattwerk hinterließ.


    Sie hatten Nioréll zusammen mit Goddert in der Erdmulde zurück gelassen. Nun waren sie nur noch zu viert. Jasper, Lars, Kelben, der zum Spähen voraus gelaufen war und Urs.


    Lars hatte Urs gerade noch mit einem leisen Zischen warnen können, als eines dieser Wesen einige Schritte hinter ihm wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Reflexartig hatte Urs den Pfeil von der Sehne sausen lassen und das orkartige Wesen damit niedergestreckt.


    Noch während er Tasmia mit einem kurzen Stoßgebet für diesen lebensrettenden Schuss dankte, hörte er ein weiteres Zischen, das von Jasper kam.
    Der alte Waldläufer winkte sie in seine Richtung heran und machte das Handzeichen für „feindliches Lager“ während Kelben hinter ihm aus dem Gebüsch auftauchte.


    Es konnte nur bedeuten, dass sie das Portal gefunden hatten. Urs fröstelte es. Sein Instinkt sagte ihm, dass er im Moment überall sein sollte, nur nicht in der Nähe einer solch dämonischen Präsenz. Einen kurzen Moment schossen ihm Erinnerungen an Luxburg durch den Kopf, doch er wischte diesen Gedanken schnell beiseite. Dies hier war jetzt nicht der richtige Moment für solche Überlegungen. Die Wölfe hatten ihn und viele andere junge Leute bei sich aufgenommen ohne Fragen zu stellen. Sie hatte ihnen gezeigt wie man im Wald überlebte und wie man hier draussen kämpfte. Wenn sich irgendetwas in seinem weggeworfenen Leben ändert sollte, dann durfte er jetzt nicht aus Furcht davon laufen.


    Er atmete tief ein, blickte noch einmal sehnsüchtig in die Richtung aus der sie gekommen waren und lief dann zu den anderen Läufern herüber.


    „Kelben hat das Portal gesichtet!“ begann der alte Läufer. „Es befindet sich ca. 500 Schritt in dieser Richtung! Es sind wohl gut zwanzig dieser Kreaturen dort versammelt. Zuzüglich derer, die dieses verfluchte Tor noch ausspucken könnte!“


    Er atmete tief ein. „Alleine richten wir hier nichts aus! Wir müssen in der Nähe des Portals einen Brandpfeil abschiessen! Dann wissen die anderen wo sich das Portal befindet und können uns zur Hilfe eilen!“


    „Das bringt uns aber gar nichts wenn sie keinen Lukranispriester dabei haben!“ zischte Lars dazwischen. „Die Kraft unsere Druiden reicht nicht aus um solch ein Tor zu schliessen!“


    „Ich weiß“ flüsterte Jasper gereizt zurück. „Wir können hier aber auch nicht mit dem Finger im Hintern herum sitzen und darauf warten, dass sie uns einen nach dem anderen umbringen!“


    Die drei anderen Läufer brummten zustimmend.


    „Wir werden folgendes tun: Drei von uns beschiessen sie aus der Dunkelheit mit Pfeilen um sie vom Portal in Richtung Westen zu locken. In dieser Zeit entzündet einer von uns einen Brandpfeil und schiesst ihn in der Nähe des Portals in den Nachthimmel. Mit etwas Glück setzt er beim Herunterkommen sogar noch etwas Waldboden in Brand. Dann sieht man die Stelle noch etwas länger.“


    „Erzähl das bloß nicht Goddert!“ wand Lars halb im Scherz ein.


    „Godderts Druidenherz wird das schon verschmerzen! Davon einmal abgesehen wird es hier bald keinen Wald mehr geben wenn sich diese Wesen erst einmal festgesetzt haben!“ entgegnete Jasper trocken.


    „Jetzt aber genug geredet! Lars und Kelben! Ihr kommt mit mir. Urs! Du schiesst den Pfeil ab! Denk daran, Du musst so nahe wie möglich an das Tor heran kommen!“


    Urs glaubt sich verhört zu haben. „Was Ich? Warum denn Ich!?“


    „Weil ich Dein dummes Gesicht am wenigsten vermissen werde!“ polterte Jasper, versuchte aber dabei zu lächeln, was ihm jedoch nur äußerst halbherzig gelang.


    Lars und Kelben waren bereits im dunklen Gestrüpp verschwunden, als Jasper sich noch einmal zu ihm herumdrehte. „Pass auf Dich auf Junge!“

  • Vorsichtig schob Urs einen Ast aus seinem Sichtfeld. Nachdem er sich mit einem Übelkeit erregendem Gefühl in der Magengegend um zwei Gruppen der Chaosorks herum geschlichen hatte, konnte er endlich einen Blick auf die Lichtung werfen. Er konnte das Portal sehen. Es stand inmitten des, mit wilden Axthieben gerodeten Platzes. Zwei große, aufrechte Steinsäulen mit dämonischen Verziehrungen stützten einen Steinquader, der quer auf den beiden Menhiren auflag. Ein rotes Schimmern quoll zwischen den beiden Säulen hervor und tauchte die Lichtung in einen blutroten Schein. Fast konnte man meinen, daß die gierigen Ausläufer der Niederhöllen nun auch nach dieser Ebene greifen wollten.


    Einige Wolkenfetzen lösten sich von dem vollen Mond und tauchten die tumbe, dunkelrot pulsierenden Lichtung in einen gelblichen Schimmer. Fast so, als wollte Tasmia selbst diese dunkle Präsenz mit dem klaren Licht aus ihrem Reich bannen.


    Als wäre dies das Startsignal gewesen surrten Pfeile durch die kalte Nachtluft und trafen mit einem dumpfen Hämmern in ihre vorbestimmten Ziele. Urs konnte noch sehen wie sich eines der Wesen in einem Grünschimmer auflöste. Zwei andere brüllten vor Schmerzen auf.


    Ein ohrenbetäubendes Geschrei hallte wie eine grausige Antwort aus allen Richtungen hervor und sofort ließ sich Urs flach auf den Bauch fallen. Wildes Getrampel näherten sich und nur wenige Schritte von seinem Versteck entfernt krachte ein Pulk dieser Nachtmare durch das Unterholz. Auch aus anderen Richtungen schwappten kleinere Gruppen der Wesen auf die Lichtung, um in der Dunkelheit die neue Bedrohung auszumachen. Einige stürmten kopflos in die Nacht, während andere sich noch orientierungslos umschauten.


    Urs strich sich den kalten Angstschweiß von der Stirn und fingerte mit zitternden Händen seine beiden Feuersteine aus der Gürteltausche. Leise fluchend schlug er mit rasendem Herzen die Steine aufeinander um ihnen einen Funken abzuringen, der stark genug sein würde um die mit Zunder und öligen Pflanzensaft vorbereitete Pfeilspitze zu entzünden.

    Als er sich noch einmal umsah konnte er feststellen, dass die meisten der Wesen nun brüllend im Unterholz verschwunden waren und weit und breit keines von ihnen mehr zu sehen war.


    Sein Puls beruhigte sich ein wenig und nachdem er einige Male tief eingeatmet hatte, setzte er seine Versuche nun etwas ruhiger fort. Nach einigen weiteren Anläufen fiel endlich ein großer Funke auf den Zunder und erzeugte eine kleine Rauchfahne. Sachte vergrößerte er den kleinen Feuerring mit vorsichtigem Luftstößen und nach einigen Augenblicken konnte man das leise Knistern des Öls in den Leinenfetzen vernehmen.


    Gerade als er mit einem leichten Gefühl des Triumphes den lodernden Pfeil auf die Sehne legen wollte, hallte ein Brüllen über die Lichtung. Als der Waldläufer sich umwandt stand ein Chaosork in mitten des Portals. Er musste gerade herausgetreten und den Feuerschein im Gestrüpp wahrgenommen haben. Nun stand er, halb gebeugt und umhüllt vom roten Schein des Sphärenrisses in dem infernalischen Monument und sandte dem Waldläufer seinen, mit grausamer Wildheit durchtränkten Schlachtruf entgegen.

  • Urs sah wie das Wesen seine Muskeln spannte, sich aus der Portalöffnung abstieß und auf ihn zugerast kam.


    Die Zeit schien wie gefroren. Sein Herz schlug ihn wie ein dumpfer Gong bis den Hals hinauf als er lähmend langsam von der Kreatur wegblickte und den Pfeil auf die Sehne legte. Mit zusammen gepressten Zähnen richtete er den Blick gen Himmel um eine gerade Schussbahn auszumachen zu können.


    Selbst durch seine schweren Lederstiefel konnte er die leichten Erschütterungen spüren, die das massige Wesen verursachte als es näher gestampft kam.
    Er kniff die Augen zusammen, zog die Bogensehne bis an die Wange heran und entsandte den lodernden Pfeil mit einem kurzen Gebet an die Göttin in den Nachthimmel.


    Sofort richtete er seinen Blick wieder auf den heranstürmenden Chaosork, während er dem Köcher bereits den nächsten Pfeil entnahm und auf die Sehne legte.
    Der Ork war noch etwas weiter entfernt als er vermutet hatte und ein hämisches Lächeln huschte über sein Gesicht, als er erkannte, dass er noch die Zeit für einen weiteren Schuss hatte. Er zielte kurz und ließ den Pfeil auf seinen Gegner lospfeifen.


    Das Geschoss zischte zielsicher auf die Brust des Monsters zu, doch der Ork wischte es im Lauf beiseite als sei es nur ein lästiges Insekt.


    Das Lächeln auf Urs Lippen gefror zu einer Schreckensmaske als das Monster den Pfeil fortschlug und unaufhaltsam weiter auf ihn zupreschte. Mit einem neuerlichen Schrei auf den Lippen hob es den von Rost zerfressene Stahl hoch in die Luft und ließ ihn auf den Waldläufer niedersauste. Zerschnittene Kettenglieder, Stofffetzen und Blut wurden von der schartigen Klinge durch die Luft getragen als die Waffe des Ungetüms ihr Ziel fand.
    Die Wucht der Klinge war so gewaltig, dass die Rippen, welche nicht sofort von ihr durchtrennt wurden mit einem feuchten Knacken zerbarsten.


    Der restliche Schwung des Schlages hob den Waldläufer von den Füssen und trug ihn halb betäubt durch die Luft.
    Als er zwei Meter weiter auf den Waldboden aufschlug, glaubte Urs vor Schmerz fast wahnsinnig zu werden. In seiner Brust wütete ein Feuer aus Qualen das er nie für möglich gehalten hatte. Instinktiv griff er sich an den Brustkorb, in einem naiven Versuch das rotwarme Leben am Ausfließen zu hindern.


    Taumelnd rappelte er sich auf seine Knie, benommen in dem quälendem Versuch bei Bewusstsein zu bleiben. Auch wenn er wusste, dass er diesem überlegenen Gegner nichts mehr entgegen zu setzten hatte, versuchte er ihn verzweifelt durch einen Schleier brennender Agonie auszumachen. Er wartete nur noch auf den finalen Schlag, der alles beenden würde. Aber er erfolgte nicht.


    Langsam gehorchten seine Augen wieder seinem Willen und er erkannte den Chaosork, der fast regungslos vor ihm stand. Seine massige Brust hob und senkte sich unter seinen Atemzügen als er Urs betrachtete und der Waldläufer glaubte so etwas wie ein grausames Lächeln in den entstellten Zügen der Kreatur erkennen zu können. Er realisierte, dass diese kurze Pause keine Gnade, sondern einzig ein widernatürliches Ergötzen an seinem Leid war. Diese kranke Ausgeburt hatte neben seiner Wildheit anscheinend noch einen subtilen Hang zur Perversion eingepflanzt bekommen.


    Der Chasoork war sich allem Anschein vollkommen darüber im klaren, dass sein Opfer nicht mehr entkommen konnte. Er konnte voll Genuß abwarten wie sich der verletzte Lungenflügel seines kleinen Spielzeugs langsam mit Blut füllte und der Waldläufer an seinem eigenen Lebenssaft ertrank.


    Kalte Wut kämpfte sich in Urs hoch, die seinen Schmerz für einen kurzen Moment vergessen machte. Seine Hand, die den verletzten Brustkorb hielt ballte sich zur Faust und seine Rechte fuhr an den Dolch in seinem Gürtel. Mit einem heiseren Knurren riss er die Waffe hervor und warf sie hasserfüllt nach der Kreatur.


    Die Klinge drehte sich einige Male um ihre eigene Achse, stabilisierte sich kurz und versenkte sich mit einem saugendem Geräusch in der Flanke des Orks. Dieser warf im Angesicht des überraschenden Schmerzes den Kopf nach hinten und brüllte laut auf.


    Knurrend griff sich die Kreatur an die Seite, während sie Urs mit gefletschten Zähnen ansah.
    Doch anstatt sich sofort auf den Waldläufer zu stürzen, umschloss die Kreatur das Heft des Dolches. Ein seltsames Feuer begann in den Augen der Kreatur aufzuglimmen und Urs glaubte ein fast schon hämisches Lächeln auf ihren Zügen wahr nehmen zu können, als sie die Waffe fast demonstrativ langsam heraus zog.


    Gerade als sich die, vor schwarzen Blut triefenden Klinge, aus dem dunkelbraunen Fleisch gelöst hatte riss der Ork die Waffe in die Höhe und trieb sie sich vor den Augen des Waldläufers in einer obskur verhöhnenden Weise in den eigenen Oberschenkel.


    Ein hohnumschlungener Schmerzensschrei quoll aus seinem Mund, als wolle das Wesen das eigene Fleisch, welches es seit ihrem Weltenübertritt einkleidete, mit diesem Akt der Erniedrigung schmähen. Als wolle es allem Leben um sich herum zeigen, daß der Wahnsinn über der Ordnung stand.


    Urs kam es vor, als wäre das bisschen gesunde Wahrnehmung, das ihm noch geblieben war, von dem gerade Dargebotenen wie eine überreife Frucht zerquetscht worden. Die Wut, welche noch vor wenigen Sekunden durch seinen Körper geflutet war, zerrann nun leise mit seinem Blut im Blattwerk.
    In der resignierenden Akzeptanz seines Schicksals hob er den Kopf um den nun folgenden Schlag, der ihn noch von Leben und Tod trennte, sehenden Auges beizuwohnen.


    Doch es kam nicht soweit. Erst als er den Pfeilschaft, der plötzlich aus dem Hals der Kreatur herausragte, wahrnahm, bemerkte er, dass das Wesen mit dem infernalen Gebrüll aufgehört hatte. Ein zweiter Pfeilschaft gesellte sich zu dem ersten hinzu und die Wildheit in den Augen des Chaosorks schien nun Ungläubigkeit zu weichen.


    Dann fand sich der junge Waldläufer in einem feinen Regen aus grünlich glimmender Aschestücken wieder. Wie verspielte Glühwürmchen tanzten die verglühenden Überbleibsel des Dämonenlaichs über sein Gesicht und trugen sein Bewusstsein in eine alles verschlingende Schwärze.

  • „Oh man! Der hätte ja fast wirklich ins Gras gebissen“


    „Was willst Du erwarten, wenn Du einen Grünschnabel alleine los schickst!“


    „Na, immerhin kann er `nen Pfeil in die Luft schiessen!“


    Das raue Gelächter schwabbte wogend, wie durch dicke Wattebäusche an seine Ohren.
    Trockener, metallener Geschmack von Blut klebte in seinem Mund und auf seine Augenlidern lag ein tonnenschweres Gewicht.


    Als Urs es endlich schaffte seine Augen einen Spalt zu öffnen war die gesamte Welt um ihn herum mit hellen Schlieren durchzogen. Er erkannte die verschwommenen Gesichter von Jasper, Lars und Kelben.


    Hinter ihnen konnte er die Lichtung erkennen. In dem gleißenden Licht des Morgenrots hatte sie gar nicht mehr die bedrohliche Aura von gestern Nacht. Sie sah nun aus wie ein ganz normaler Teil eines ganz normalen Waldes.
    Mehrer Gestalten, die in weiße Gewänder gehüllt waren intonierten dort einen leisen, gleichmäßigen Singsang. Es mussten die Lukranispriester von Asbraven Keep sein. Sie umringten, mit zum Himmel erhobenen Armen das Portal, dessen Licht nur noch sehr schwach aus dem Durchgang in diese Welt hinaus drang.


    Dann füllte von einem Moment auf den anderen Godderts Kopf sein gesamtes Sichtfeld aus und er schreckte instinktiv ein Stück nach hinten.
    Diese kurze Zusammenzucken reichte aus um seinen Körper zu veranlassen, ihn auf seine erlittenen Wunden aufmerksam zu machen. Seine Brust fühlte sich auf einmal an als hätte jemand mit einem glühenden Dolch darauf eingestochen, und er fuhr erneut zusammen worauf er ein leises Stöhnen von sich gab.


    Die drei Waldläufer, die bei ihm standen lachten wieder laut auf.


    „Haltet Eure verdammten Mäuler!“ fuhr Goddert sie an und betastete vorsichtig die durchbluteten Verbände auf der Brust des Verletzten. Dann legte er seine Hand auf die Verbände und umklammerte mit der anderen einen jungen Sprössling. Noch während er sein Gebet an Tasmia sprach begann der junge Baum zu verwelken und eine angenehme Kühle vertrieb den brennenden Schmerz in der Brust des Waldläufers.


    Als Goddert die Augen wieder öffnete blickte er zufrieden in Urs entspanntes Gesicht und lächelte etwas traurig. „Lass sein Vergehen nicht umsonst gewesen sein.“ Dann drehte er sich wieder mit ernster Miene zu den drei lachenden Läufern um.


    „Und jetzt ratet mal wer ihn zurück ins Lager trägt!“


    Das Lachen verstummte mit einem Schlag.