Weit im Westen, irgendwo an der Valmur

  • Alessia muss lachen, als sie Merasins ermüdetes Geischt erblickt.


    Ihr glaubt, es lohnt sich nicht, darüber zu streiten, oder? Dabei habt ihr noch gar nichts gehört.
    Sie grinst.

    Dargaresische Frauen sind sehr ausdauernd.


    Dann wird sie wieder ernst.


    Si, Eniya, jeder der Sippe wäre auch dorthin gekommen.
    Aber genug. Auch du siehst müde aus. Was möchtest du? Möchtest du dich ausruhen, möchtest du, dass wir wieder zurück gehen?

  • Eniya setzt sich wieder ans Feuer und übernimmt Merasins bisherige Tätigkeit, darin herum zu stochern.


    Was genau meinst Du? Dass ihr wieder zurück geht, oder dass wir wieder zurück gehen? Ich denke, Du kennst das Gefühl, dass man Deine Probleme dort nicht ernst nimmt. Außerdem, was würde denn passieren, wenn ich Heim komme? Was würde Conner sagen? Dürfte ich überhaupt je wieder raus?


    Sie weist erneut auf ihre beiden Begleiter.


    Irush und Merasin haben immer ein Auge auf mich. Mir kann eigentlich hier nichts passieren. Wer weiß, ob ich euch zu Hause nicht sogar in Gefahr bringe...

  • Alessias Stimme ist ruhig.


    Ich meinte Rimas und mich.
    Und eins interessiert mich noch - warum glaubst du etwas falsches getan zu haben, weswegen dich auch nur irgenwer auf welche Weise auch immer bestrafen wird?

  • Ian hat mich darauf hingewiesen. Was würdest Du von einer Heilung von einer tödlichen Krankheit halten, durchgeführt von zehntausend Jahre alten Wesen, oder älter noch, die vor kurzer Zeit noch ein erbitterter, alles vernichtender Feind waren? Was würdest Du dazu sagen, dass uns nun - zumindest aus ihrer Sicht - ein freundschaftliches Band verbindet?


    Eniya vergewissert sich mit einem kurzen Blick bei ihren Begleitern, dass sie mit Alessia darüber sprechen darf, wartet aber keine Antwort ab.


    Du könntest es vielleicht verstehen. Aber können das auch Conner und Rimas? Können die Ahnen es verstehen? Sie fanden es noch nie amüsant, wenn ihre kleinen Mädchen in solche Dinge hineingeschlittert sind, non? Vielleicht sehen sie es nicht einmal als Strafe, mich von der Welt, wie sie außerhalb von Dargaras ist, fernzuhalten, aber für mich ist es das!

  • Eniya war es deine Schuld, dass diese Dinge dort passiert sind? Wird dich einer dafür verantwortlich machen können, dass du zufällig dort warst? Glaubst du wirklich, Conner, Rimas oder auch der Charu sind so engstirnig?


    Langsam scheint Alessia ihre Ruhe zu verlieren.


    Natürlich, sie werden sich darüber aufregen. Natürlich, sie werden diskutieren, sie werden regaieren, aber doch nur, weil sie Angst um dich haben.


    Alessias Stimme wird leiser.


    Aber genau darum geht es doch zur Zeit, Eniya. Dass die Ältesten verstehen, dass wir uns solchen Gefahren nicht mehr entziehen können. Dass die Mittellande immer mehr von solchem Grauen heimgesucht wird. Und dass Dargaras nicht verschont bleiben wird.


    Tränen stehen in Alessias Augen.



    Und du willst dich hier in Daynon verstecken? Anstatt das einzig richtige zu tun: Dich zu stellen und mir zu helfen, dass es in Dargaras endlich anders wird?
    Was ist falsch daran, eine Bindung zu jemandem einzugehen, der einem hilft?
    Eniya, all die Dinge, die du tust, stehst du nicht hinter ihnen?

  • Eniya schüttelte verwirrt den Kopf und lehnte sich nachdenklich zurück. So einfach würde es bestimmt nicht werden. Es war schwer, die richtigen Worte zu finden, ohne Alessia noch mehr zu verletzen.


    Natürlich wollte sie, dass sich etwas veränderte, aber Schuld an diesen Veränderungen zu sein, stand auf einem ganz anderen Blatt. Ihr Leben lang war sie vorsichtig gewesen und hatte sich ganz genau überlegt, was von ihren Ausflügen sie der Sippe erzählte, und was nicht. Und jetzt sollte sie einfach vor sie treten und sagen "Si, da draußen sieht es ziemlich übel aus, und ich stecke mitten drin."


    Eniya wählte ihre Worte mit Bedacht:


    Ich will mich nicht in Daynon verstecken, sagte sie langsam. Zumindest nicht vor der Sippe. Ich will zur Ruhe kommen und über das, was passiert ist, nachdenken. Ich will nicht mehr jeden Tag daran denken müssen, und der beste Weg dahin ist in meinen Augen, darüber zu reden, non? Und zwar am besten mit Menschen, die dabei waren, um nicht noch mehr Freunde hineinzuziehen.


    Sie machte eine kurze Pause in der Hoffnung, dass sie auch bei ihren nächsten Worten die Sensibilität nicht verließ.


    Ich konnte nicht einfach zurück kehren. "Hier bin ich bunt, hier kann ich sein!" So einfach war es für mich auf einmal nicht mehr. Bevor ich wieder Spaß an Musik, tanzen und Shishas habe, muss ich einige Dinge verarbeiten und nicht mehr jede Nacht mit Alpträumen aufwachen...

  • Alessia überlegt lang.


    Si. Du hast recht, Eniya. Du musst deine Entscheidungen allein treffen und deine Erfahrung nur selbst aus deinen Erlebnissen entwickeln. Ih kann nicht von dir verlangen, mein Wissen zu deinem zu machen.


    Und ich bin deinetwegen hier... ich möchte einfach nur, dass du mir glaubst, wenn ich dir sage, dass du keine Angst vor einer Heimkehr haben brauchst.


    Und ich möchte dich bitten, mir eines Tages zu helfen. NIcht nur du hast schlimme Dinge gesehen und wolltest nicht mit jedem in der Familie darüber sprechen. Das ist in Ordnung.

  • Helfen... bei der Herbeiführung von Veränderungen? Das würde niemand lieber tun, als ich! Außer Ian vielleicht.


    Eniya versucht, ein Lächeln aufzusetzen.

  • Einen Moment lang hat Alessia zu Rimas gesehen und nickt ihm kaum merklich zu. Wurde Rimas zwischendurch deutlich unruhiger, so sitzt er jetzt wieder gelassen auf seinem Baumstumpf.


    Conner wird von dieser ganzen Geschichte vorerst nichts erfahren.

  • Endlich lacht Eniya wieder.


    Non, vorerst wird nicht genügen, fürchte ich! Am besten erfährt er es nie!


    Dann fällt ihr noch etwas ein.


    Und um Himmels Willen, sag Ian nicht, was ich Dir alles erzählt habe! Wir haben uns geschworen, dass es unter uns bleibt.

  • Alessia grinst.


    Der gute Ian hat schon mehr Mist gemacht als das.
    Es wird Zeiten geben, in denen Conner und die anderen Ältesten solche Dinge erfahren müssen... aber diese Zeiten sind noch weit und es werden andere sein.


    Eniya, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst hier - und das würde ich nicht mögen. Dieses Land macht mir Angst...


    Sie blickt entschuldigend in die Richtung der Männer, die Eniyas Weggefährten geworden sind.


    ... nicht zuletzt weil Jari hier vor langer Zeit fast ihr Leben gelassen hätte und manche Landstriche vor Traumlosen und Dämonenkroppzeugs nur so wimmelten.


    Sie wendet sich Merasin zu.


    Ihr enstchuldigt, aber jemand, der aus Dargaras kommt, kennt den Kreig gegen so etwas nicht und empfindet eine solch tägliche Bedrohung doch als nicht normal.


    Sie sieht Eniya wieder an.


    Du könntest deine neuen Freunde in die Heimat einladen und dich mit ihnen in die Wälder zurückziehen. Niemand würde euch stören, das verspreche ich dir.


    Wenn du dem Braten nicht traust...
    Sie grinst.


    ... dann musst du dich wohl mit Rimas auseiandersetzen, dass du hier bleiben willst.

  • entschuldigung angenommen... ich hörte jedoch das auch Dagaras eine andere... ...Seite... hat. Das soll mir aber auch egal sein, für den Moment zumindestens.


    Ich verstehe also richtig das Eniya frei entscheiden darf ob sie nun mit Euch kommt oder nicht und das wird keine weitere konsiquenzen für sie haben??


    Merasin war sehr träge, sprach langsam und immer noch schwermütig.

  • Auf diese Frage antwortet das erste Mal Rimas:


    Jede Tat hat Konsequenzen.


    Er grinst kurz und wird dann wieder ernst.


    Aber sie hat definitiv nicht mit einer Bestrafung und schon gar nicht mit so etwas wie Einsperren zu rechnen. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Du mit uns kämest.


    Den letzten Satz hat er sehr ruhig und freundlich zu Eniya gesprochen.


    Aber es ist Deine Entscheidung.

  • Welche tat hat sie den begangen.. eine Straftat... bestimmt nicht... oder?


    welche konsequnezen meint Ihr genau, welche die Eniya betreffen, oder welche die allgemein für Dagaras entstehen...


    Ist Eniya eine freie Fahrende...?



    Merasin klang nicht mehr schwermütig. Er redete klar betont, aber nicht herausvordernd.

  • Rimas antwortet:


    Ein Fahrender hat frei zu sein, alles andere wird ihn töten. Und das mit der Tat war ganz allgemein. Alles, was man tut, hat Konsequenzen. Was Eniya getan hat, was sie nicht getan hat. Ob sie nun nach Dargaras geht oder ob sie bleibt. Aber sie hat nichts von mir oder einem anderen Dargaresen zu befürchten.

  • Eniya blickt Merasin mit großen Augen an.


    Ich... weiß nicht.


    Sie zögert.


    Würdet ihr beiden... darüber nachdenken, mich nach Dargaras zu begleiten? Ich will noch nicht auf euch verzichten...


    Dann sieht sie zu Boden.