Vittorias Hütte

  • Nikodemus zieht die Brauen hoch. "Ne, wußt ich nicht. Ob Vittoria das absichtlich verschwiegen hat?" Dann schüttelt er den Kopf. "Nö, sie hätte die Taverne vermutlich nichtmal bemerkt, wenn sie jeden Tag dran vorbeimüßte. Ich werd die mal testen - ein andermal."

  • Einige Wochen später


    Falls ein Wanderer vorbeikommt, sieht er/ sie, dass Vittoria nahe am neugegrabenen Bachlauf eine kleine Trauerweide einpflanzt, sich dann daneben lang auf dem Bauch ausstreckt und etwa 20 min reglos liegenbleibt, während sie leise vor sich hinmurmelt. Sollte der Zuschauer über Magiesicht verfügen, so sieht er/ sie, wie während dieser Zeit magische Kraft aus Vittorias Körper durch die Erde in die Weide fließt und diese veranlasst, Wurzeln zu schlagen. Anschließend rappelt sich Vittoria langsam und mühselig auf und stolpert zur Hütte zurück, völlig erschöpft.

  • Ein Haufen Kinder macht den Garten und, in Begleitung von Vittoria oder Nikodemus, auch die Umgebung der Hütte unsicher. Mindestens einmal täglich schaffen es die Kinder, den Bach oder die Lehmgrube - oder beides - aufzusuchen. Darum ist die Leine im Garten auch immer mit trocknenden Kinderklamotten besetzt.

  • Früh morgens dürfen die Frühaufsteher des Kinderschwarms Vittoria in den Wald oder auf die Wiese begleiten, wo sie Kräuter, Wildgemüse und Wildobst sammeln. Vittoria erklärt den Kindern, was man essen kann und welche Kräuter welche Eigenschaften haben. Einmal nimmt sie die größeren Kinder sogar mit zur Jagd, klettert mit ihnen auf eine vorher gebaute kleine Plattform in der Krone eines Baumes neben einer beliebten Wasserstelle und wartet dann, ob sich ein jagbares Tier blicken läßt. Aber da die Kinder nicht längere Zeit wirklich leise sind, kriegen sie nur einige Kaninchen zu sehen. Und da die Kinder im kleinen Stall im Garten eine zahme Kaninchenfamilie haben, scheint es nicht angebracht, die wilden Verwandten vor den Augen der Kinder zu erschießen. Also wird ein Beobachtungsmorgen daraus.

  • Aus irgendeinem Grund scheinen diese Kaninchen es gerage Hagen angetan zu haben. Er verpaßt nie die Fütterungen der Tiere und wenn man ihn mal sucht ist er häufig vor dem Käfig zu finden, in intensivem Studium der Hoppas versunken, häufig sogar eins davon auf dem Schoß.


    Lina scheint wenig Vertändnis für die Vorlieben ihres Zwillingsbruders zu haben, am liebsten verwickelt sie Fellis oder Alexander in wilde Rauf- und Nachlaufspiele, denen zu entziehen sich Ancale und Hagen, die die kleine Wilde länger kennen, mittlerweile eine erstaunliche Geschicklichkeit entwickelt haben.


    Thyra, die älteste der vier, scheint es zu genießen, für eine Weile von den kleinen Verpflichtungen im Haushalt entbunden zu sein, zu denen ihre Mutter sie doch schon häufiger herangezogen hat.
    Über ihre Geschwister und den Cousin zu wachen ist ihr trotzdem so selbstverständlich, daß sie eigentlich immer weiß, wo die drei anderen sind.

  • An einem Morgen zieht Vittoria mit allen Kindern schon früh los. Nach einem pausenreichen Marsch durch den Wald erreichen sie den größeren Bach, von dem der kleine Kanal abzweigt, der an der Hütte vorbeiführt. An einer geeigneten Stelle baut Vittoria mit den Kindern eine Fischfalle: eine Zaun aus kreuzweise verflochtenen Weidenstöcken über die ganze Breite des Baches und zwei Zäune, die etwa drei Meter bachabwärts von der Sperre an den Ufern beginnen und sich dann nach bachaufwärts zu annähren, bis sie etwa einen Meter unterhalb der Sperre einen nur 30 Zentimeter breiten Durchlass offenlassen. Ausserdem eine Gitterplatte, mit der die Öffnung verschlossen werden kann.
    Anschließend spaziert Vittoria mit den Kindern einige Hundert Meter bachabwärts, wo reichlich gepicknickt wird, denn inzwischen ist die Mittagszeit schon vorbei. Danach kriegt jedes Kind einen belaubten Ast und sie stellen sich so im Bachbett auf, dass sie eine Reihe quer durch den Bach bilden, die kleinen Kinder am Rand, Vittoria in der Mitte. Während sie alle bachaufwärts gehen, bewegen sie die Äste vor sich im Wasser hin und her. Immer wieder sehen sie Forellen und Saiblinge, die vor ihnen her auf die Falle zuflüchten. An der Falle angekommen, dürfen Ancale und 'Sander die Türplatte einsetzen. Die Fische in der Falle werden von allen bestaunt und Vittoria zeigt ihnen die verschiedenen Arten - auch einige kleinere sind dabei, die die Kinder im Bach kaum bemerkt haben - dann werden die großen Tiere mit einem Netz herausgefangen. Zuletzt wird das Türgitter geöffnet und die Falle aus dem Bach entfernt. Mit der Beute - von Vittoria ausgenommen - an Stöcken aufgefädelt, wandern die Kinder stolz nach Hause.

  • Eine große gewachste Holzplatte liegt eines Morgens im Garten über zwei Holzböcken. Daneben stehen drei Eimer, einer mit grauem Ton, einer mit rötlichbraunem Ton und einer mit Wasser. Die Kinder werden bis auf die Unterwäsche ausgezogen und dürfen kneten. Die Produkte stellt Vittoria zum Trocknen auf ein an der Aussenwand der Hütte befestigtes Regalbrett. Sie selbst formt auch einige Gegenstände, hauptsächlich Tier- und Menschenfiguren. Als die Kinder schließlich lieber wieder etwas anderes spielen, fertigt sie noch etwa ein Dutzend Teller und ebenso viele kleine Schalen und Becher, sowie einige größere Schüsseln und Platten an. Dann räumt sie auf. Anschließend scheucht sie die ton- uns sandvermatschten Kinder zum kleinen Bach, wo alle gründlich geschrubbt, abgetrocknet und angezogen werden.

  • An diesem Abend packt Ancale unvermittelt seine Sachen zusammen. Auf die Frage warum er das tut gibt er im Brustton der Überzeugung zur Antwort, daß seine kleine Schwester geboren sei und er jetzt nach Hause gehen müsse um ihr großer Bruder zu sein.

  • "Wirklich? Na, das freut mich für euch alle. Aber ich denke, es wäre vielleicht ganz gut, wenn du noch bis morgen früh hierbleibst. Dann bring ish dich ganz früh schon nach Hause. Auf dem Weg kannst du ja ein paar Blümchen pflücken. Sowas freut Frauen - deine Mama und deine Schwester ganz bestimmt. Wenn du jetzt direkt gehst, kommst du im Dunkeln an, wenn alle schon im Bett liegen. Und morgen sind auch die Fische, die du gefangen hast, fertig geräuchert, dann kannst du sie mitnehmen und damit richtig angeben. Wie wäre das?"

  • Amnächsten Morgen packt Vittoria Ancales Sachen fertig, auch seine Fische, und bringt ihn nach Amonlonde-Stadt zurück.
    Nikodemus geht mit den anderen Kindern zum Hafen, Schiffe gucken.

  • In den Tagen danach sammelt Vittoria mit den KindernRohrkolbenblätter und zeigt ihnen, wie man daraus Matten und Schalen flechtet, sie bauen eine Vorratsgrube mit Kuppeldach, beobachten Tiere im Wald, sammeln Früchte, Kräuter und Blumen.

  • Sechs Tage nach Ancale's Abreise packt sie die Sachen der Kinder ein, auch die von ihnen gefangenen Fische und die geflochtenen Sachen, verstaut die Sachen und die Kinder in ihrem Rucksack, dem Handkarren und den Tragetaschen der Ziege und wandert so nach Amonlonde-Stadt.

  • Der kleine Wald aus Junggehölz rund um die Hütte ist sehr früh ergrünt. Am Boden sind schon erste Veilchen und Buschwindröschen zu sehen. Und im Garten sind jeden Tag - ausser bei Regen - 5 Kinder zu sehn, 3 davon ungewöhnlich zierlich gebaute Mädchen mit leuchtend roten Haaren.