Das Bad

  • Schwerer Kräuerduft hängt in der Luft. Klein-Fellis wird im Zuber mit Kräuterölen und Kräutersalzen massiert. Wer reinkommt merkt sofort, dass das Atmen in dieser Luft leichter fällt.

  • Die Tür zum Badezimmer öffnet sich und Alanis tritt ein. Der Tag ist trübe, der Tag schon weiter fortgeschritten, als sie gedacht hat und unter den schweren Vorhängen vor dem Fenster tritt nur noch wenig Licht hervor. Mit einem Zündholz entzündet Alanis die Kerzen in den beiden Leuchtern auf dem Waschtisch. Milder, goldener Schein breitet sich in dem Raum aus. Alanis verschließt die Tür und streift ihre Kleidung ab, sie ordentlich auf einen der Hocker ablegend, während sie auf einem anderen, den sie an die Wanne heranrückt, das Handtuch ablegt. Aus dem Beutel, den sie mitgebracht hat, holt sie Schwamm, Seife und eine Haarbürste hervor und legt sie auf dem Waschtisch ab. Sie zieht an der Schnur neben dem Drachenkopf, der das Ende der Leitung für heißes Wasser darstellt und sofort sickert heißes Wasser plätschernd in den hölzernen Zuber. Einige Tropfen der kostbaren Badeessenz, die Moschus, Rose und Iris in sich vereint, in das Nass gegeben, schon verbreitet sich ein weicher, eine stumme Verheißung in sich tragender Duft im Zimmer.


    Während die Wanne volläuft, stellt sich Alanis vor den Spiegel und löst ihr Haar, um es durchzukämmen, bis es weich über ihre nackten Schultern fällt. Mit einem leisen Seufzen betrachtet sie ihr Gesicht und ihren Körper in der blankpolierten Oberfläche des Spiegels. In den vergangenen Wochen sind einige Falten um ihre Augen und auf ihrer Stirn entstanden, die sie jetzt erst bemerkt. Mit den Fingerspitzen fährt sie darüber und muss lächeln. Es helfen eben alle Tinkturen, Schminken und Salben nicht, um das Älterwerden aufzuhalten. Zumindest steht es mit ihren Narben gut. Die weißen bis roten Spuren, die ihren Rücken und Schultern zieren, manche schon Jahre alt, einige noch sehr frisch, sind allesamt gut verheilt. Die Wochen in Renascân in relativer Ruhe hatten ihrem Körper die Zeit verschafft, mit allen Verletzungen des letzten Jahres fertigzuwerden. Dafür ist sie dankbar, doch wenn sie sich die Zeichen vergangener Kämpfe ansieht, muss sie sich auch mit gemischten Gefühlen auseinandersetzen.


    Sie legt die Bürste ab, dann nimmt sie Schwamm und Seife zur Hand und geht zur Wanne hinüber. Mit einem Fuß prüft sie die Temperatur und nickt zufrieden. Sie steigt in den Zuber, legte das, was sie in der Hand trägt, auf dem Brett zwischen den beiden Wasserhähnen ab, und lässt sich mit einem wohligen Seufzer nieder. Das zart duftende Wasser entspannt ihre Muskeln und lässt die leichten Kopfschmerzen, die sie seit Wochen begleiten, einfach abperlen wie das warme Wasser von ihrer Haut. Sie schließt die Augen und treibt eine Weile dahin, den Kopf bis auf das Gesicht unter Wasser. Ihre Haare treiben träge im Wasser und hin und wieder sanft gegen ihre Schläfen, wenn sie sich bewegt.


    Würde es so einfach sein wie sie sagte, den Verzicht auf ihre Reisen? Es steht außer Frage, dass sie in ihrem gegenwärtigen Zustand nichts mehr auf den Schlachtfeldern der Welt zu suchen hat. Unter dem Schutz der Elemente hat sie mancherlei Situation überstanden, die jeden normalen Menschen das Leben gekostet hätten. Doch nun ist sie nur noch eine schutzlose Heilerin, ein bisschen zu dick, ziemlich langsam und von zahlreichen Ungeschicklichkeiten fest im Griff gehalten. Ein Hemmschuh für ihre Freunde, die sie ohne Zweifel beschützen wollen würden - nein, das will sie auf gar keinen Fall werden. Und wenn sie ganz tief in sich hinein blickt, wie in der Meditation mit Thalion, die sie ganz bewußt abgebrochen hat, dann ist dort furchtbare Angst. Würde sich Damorg, wenn er sie in Zukunft in derselben Gefahr wüßte wie sich selbst, davon ablenken lassen, dass sie eben nicht mehr von anderen Mächten als den irdischen beschützt werden würde? Vermutlich. Und eine Ablenkung in seinem Tun würde ihn sicherlich über kurz oder lang das Leben kosten.


    Und wenn sie an die Narben denkt, die sie verunstalten, so muss sie sich ehrlich gestehen, dass sie es satt ist, sich weiter verletzen zu lassen. Es mag in höchstem Maße egoistisch sein, aber sie ist die Schmerzen leid, für deren Linderung sie bisher stets hatte beten dürfen, die nun aber ungestillt bleiben würden. Sie ist nun fast dreißig Jahre alt und ihr Körper würde nichts mehr vergeben, das spürt sie nur zu deutlich. Für ein paar gute Jahre, die sie haben konnte - mit Damorg haben konnte, so die Elemente und die Götter es geben mochten - würde sie alles unternehmen.


    Mit einem tiefen Ausatmen taucht sie vollends unter, lässt es zu, dass ihre Wahrnehmung mit im Wasser untergeht, bis nur noch ein Summen ihren Kopf erfüllt, monoton, das Geräusch des Alleinseins mit sich selbst. Sie erinnert sich an eine andere Zeit, an einen Badezuber in einem namenlosen Land, in der Nähe einer namenlosen Burg, in der ihr das Grauen unter die Haut gekrochen war, in ihren Kopf und in ihre Seele. Auch damals hat sie so im Wasser gelegen und überlegt, wie das wohl wäre, nun einzuatmen und sich dann sinken zu lassen, immer tiefer, bis ihr Körper auf dem Boden des Zubers aufkommt und ihr Sein aufstieg, in einer alles erlösenden Gegenbewegung zu ihrem leiblichen Dasein.


    Die Priesterin setzt sich abrupt auf, hustet und wischt sich das Wasser aus den Augen. Kopfschüttelnd greift nach der Seife und beginnt, sich die Haare zu waschen. Hoffentlich würden ihre Meister in den nächsten Tagen eintreffen. Das, was sie braucht, ist jemand, der ihr sagt, was sie tun soll, denn keiner der Wege, den sie für sich sieht, ist vollends befriedigend, auch wenn sie für jeden bereit ist. Mit einem entspannten Geräusch lässt sie sich wieder in das Wasser gleiten, spült ihre Haare aus und greift dann zum Schwamm, um den Rest ihres Körpers abzuseifen und abzuspülen.


    Alanis bleibt in der Wanne, bis das Wasser kühl geworden ist, dann erhebt sie sich und streift das Wasser von sich ab, bevor sie nach dem Handtuch greift, um es um sich zu hüllen und aus dem Zuber zu steigen. Sie lässt das Wasser ab, trocknet Haut und Haare ab und kämmt sich, dann sammelt sie ihr Eigentum zusammen und kehrt in ihr Zimmer zurück.

  • Kassandra hat aus der Küche einen Leuchter mitgenommen als sie Alanis voran uns Bad gegangen ist. Mit Hilfe der Kerzen steckt sie jetzt die Leuchter im Bad an.
    "Du kennst dich ja aus," wiederholt sie die Worte von eben.
    "Warmes Wasser, kaltes Wasser, Tücher im Schrank..." Sie macht eine allumfassende Geste.
    "Und wenn du danach gleich ins Bett fallen willst... dein Zimmer ist das gleiche wieletztes Mal."

  • "Klar", gab Alanis zurück und blickte sich in dem Badezimmer um. Es barg einige Erinnerungen, vor fast einem Jahr war sie das letzte Mal hier gewesen und damals hatte noch so vieles anders ausgesehen. Ein Seufzen entkam ihren Lippen. "Danke. Schlafen werde ich danach wohl nicht, aber ich habe mir viel zu Lesen mitgebracht aus Daragaras, was ich noch dort gelassen hatte."

  • Kassandra nickt.
    "Du kannst auch runter in die Bibliothek gehen, da ist es gemütlicher zum lesen. Mach wie du meinst. Tu so als wärst du zuhause..."
    Sie drückt Alanis noch einmal und unterdrückt dann ein Gähnen.
    "Ich geh wieder ins Bett. Bis morgen, Liebes."

  • "Bis Morgen, Mama Kassi!", gab Alanis mit einem Lächeln zurück und atmete dann erst einmal tief durch, als sich die Tür geschlossen hatte. Die Kälte der Reise durch die Nebel steckte ihr in den Knochen und so beeilte sie sich, sich heißes Wasser einzulassen. Wenig später saß sie dann in der dampfenden Wanne und nahm die Farbe eines Hummers an, genüsslich aufseufzend.


    Erst als das Wasser kühler wurde, stieg Alanis aus der Wanne, trocknete sich ab und stieg wieder in ihr Unterkleid. Ein Tuch um die nassen Haare geschlungen, ging sie hinüber in ihr Zimmer und stellte ihre Sachen dort ab. Dann nahm sie eines der Bücher aus ihrer Kiepe und ging in die Bibliothek.