Das Wohnheim der Akademie zu Renascân

  • Niro sah sie lange an. In seinem Geist arbeitete es fieberhaft. Er hatte jemanden im Panoptikum getroffen, der Ihr ähnlich sah... Aber das war eine Illusion gewesen. War da nicht in Mythodea... ?

  • ... oder war es noch länger her?


    Da war doch in den Landen der Drachenkrieger...
    Eine Frau aus dem Dorf, von den Orks verschleppt. Sollte geopfert werden...
    Wäre gestorben, wenn er sie nicht gerettet hätte...


    "Ich glaube, ich erinnere mich... Lange ist es her, scheint es mir. Dabei sind es erst 1,5 Jahre... Die Orks... Entschuldigt... Ich hatte Euch erst für jemand anderen gehalten. Was kann ich für Euch tun?"

  • "Ja, richtig. Ihr habt mich damals vor den Orks gerettet"


    Isabell atmete tief. Wie so oft an diesem Tag brodelten die Erinnerungen in ihr hoch. Dunkelheit, Kälte, Schmerzen. Sie bemerkt, wie sie sich langsam verkrampfte.


    "Und ohne eure Heilkunst wäre ich wohl in dieser Nacht auch nicht mehr erwacht."


    Sie machte eine kurze Pause und räusperte sich. Ihr Stimme war etwas zittrig geworden.


    "Ich habe euch gesucht, weil ihr mir das Leben gerettet habt und ich mich für das alles bedanken möchte"

  • Niro wollte schon schnell antworten, dass das doch selbstverständlich gewesen sei, aber dann hielt er inne. Die ganze Anspannung, die in ihr steckte... Er war eine Weile ganz still, den Blick nach innen gekehrt und die Bilder kamen wieder.


    Der Ankunftstag in den Landen der Drachenkrieger... Mulumulu der Orks im Wald... Die aufgeregten Dorfbewohner, die berichteten, dass eine Frau von Orks entführt wurde.
    Eine Gruppe der Reisenden, die mit Niro in den Wald stürmten. Dieser fürchterlicher Todesschrei, als die Orks vor den Augen der Reisenden die Frau abstochen... ins Herz... Niro war sofort vorgestürmt um ihr Leben zu retten. Die anderen Reisenden kümmerten sich um die Orks.
    Es war äusserst schwierig und anstrengend gewesen, aber er hatte sie zurück geholt... Lange war sie bewusstlos gewesen, Stunden... aber dann wachte sie endlich wieder auf.
    Schließlich sagte er zögernd:
    "Nun... nur wenige bedanken sich. Nur weniger begreifen den Wert des Lebens, wenn in einer Schlacht Dutzende Heiler dafür sorgen, dass die Krieger nicht sterben... Selten hört man Dank und noch seltener bekommt man sogar etwas dafür.Und es gibt nicht wenige Krieger, die der Heilung gar nicht bedürfen, da sie so schnell regenerieren, dass man fast dabei zusehen kann.


    Nur wenige haben heute noch Ehrfurcht vor dem Leben. Man muss wohl schon vor der Schwelle des Todes stehen, seine Hand schon gedrückt haben... wie bei Dir... und ihm dann noch einmal entrissen werden.


    Ich glaube, ich kann nur ansatzweise verstehen, was Du empfunden haben muss.

  • Isabell hatte fast den Tee vergessen. Als sie die Tasse an die Lippen hob und einen Schluck trank, viel ihr auf das ihre Hände leicht zitterten. Schnell senkte sie die Tasse, doch ihr war klar das Niro es bemerkt hatte. Sie hatte eigentlich gedacht, das seit sie mit Gerion geredet hatte, ihr das alles viel einfacher fallen würde. Aber so war es nicht. Es war fast so, als würde Niro sie ganz besonders an damals erinnern. Für einen Moment schloss sie die Augen und versuchte sich auf das hier und jetzt zu konzentrieren und nicht auf die Erinnerungen. Als sie Niro wieder ansah versuchte sie weiter zu sprechen:


    "Mir war und ist es wichtig euch meinen Dank auszusprechen. Wie ich schon sagte: Ohne euch wäre ich jetzt nicht hier und..."


    Isabell atmete wieder tief ein um die Tränen zu unterdrücken, die langsam in ihr empor kletterten.


    "Verzeiht, es ist für mich immer noch sehr schwer darüber zu sprechen"

  • Niro stellte seinen Tee ab und legte Isabell tröstend eine Hand auf die Schulter.


    "Isabell...", sagte er mit sanfter, tiefer Stimme. "Es ist alles gut... Es bedeutet mir sehr viel, dass Du gekommen bist, um Dich bei mir zu bedanken."


    Niro war etwas verursichert, er wusste nicht genau, ob er sie tröstend in den Arm neben sollte oder nicht. Er achtete sehr genau auf ihre Reaktionen und würde beim ersten Anzeichen von Ablehnung den Versuch sie zu umarmen abbrechen.


    "Normalerweise hätte ich gesagt, 'Nicht der Rede wert' oder 'Danke für den Dank'... aber ich fühle, dass das zu schwach für dass, was es Dir bedeutet..."


    Niro wusste nicht, ob dass was er sagte, die Gefühle für Isabell traf oder ob er es völlig mißverstanden hatte. Seine eigentliche Frage war: Warum bist Du jetzt zu mir gekommen? Was kann ich Dir geben oder sagen, damit Du Dich besser fühlst?


    Aber er spürte, dass dies die falschen Fragen waren. Was war es, was sie von ihm wollte? Möglicherweise Absolution - weil sie sich damals nicht richtig bedanken konnte?
    Wollte Sie quasi Ihre Schuld begleichen - ihm etwas zurück geben?
    Oder fühlte sie sich gar fehl auf der Welt, weil sie eigentlich tot sein sollte? Letztes war der schlimmste Gedanke. Jedes falsche Wort, welches er sagen würde, könnte ein Hornissennetz auslösen und alles nur schlimmer machen.


    "Vielleicht tröstet Dich das... wenn Du an Götter glaubst. Ich denke, es hat einen Grund, warum Du weiterlebst. Letztlich ist auch der beste Heiler machtlos, wenn die Götter den Tod einer Person beschlossen haben."


    Dann lächelte er, während sein Blick in die Ferne wanderte.


    "Mir fällt gerade ein: Er gibt sogar eine magonische Sage, die in etwa genau dies aussagt. Möchtest Du, dass ich sie Dir erzähle? Oder möchtest Du erzählen, was Dir auf der Seele liegt?"

  • Niros warme Hand auf ihrer Schulter gab ihr die Kraft die Tränen hinunter zu schlucken. So gerne sie auch die magonische Sage gehört hätte, gerade war es ihr wichtiger von sich zu erzählen.


    "Ich bin damals ohne ein Wort zu sagen einfach verschwunden. Als mir das klar wurde, war es schon zu spät: Euer Lager war verlassen. Durch Zufall erfuhr ich von Renascân und ich machte mich auf den Weg hier her, um mich für alles was ihr für mich getan habt zu bedanken. Das ist das Mindeste, was ich tun kann."


    Sie übersprang bewusst den Teil mit ihrere Familie in ihrer Geschichte. Diese Erinnerungen wollte sie jetzt nicht auch noch aufwühlen.


    "Mit Gerion und Damorg habe ich schon gesprochen und ich bin sehr froh, auch endlich dich gefunden zu haben.


    Sie nahm einen großen Schluck aus der Tasse.


    "Ich weiß auch nicht warum es mir so wichtig ist. Vielleicht um mein Gewissen zu beruhigen..... vielleicht aber auch um damit endlich fertig zu werden"

  • Das konnte nur die halbe Wahrheit sein, dachte Niro. Jemand, der eine so weite Reise auf sich nahm und so aufgewühlt war wie Isabell, musste noch einen anderen Grund haben. Aber sie war offenbar noch nicht bereit, ihm gegenüber davon zu sprechen und sich damit die Last von der Seele zu nehmen. Vielleicht halfen Fragen.


    "Du hast einen weiten Weg auf Dich genommen, nur um uns das zu sagen...
    Das ehrt Dich. Was ist in Deiner Heimat passiert, nachdem wir die Orks besiegt haben?"

  • Isabell hatte das Gefühl, das sie vor Niro nichts verbergen konnte. Die soeben noch dagewesene Beherrschung ihrer Gefühle kam gefährlich ins Schwanken.


    "Nachdem die Orks verschwunden waren, ging es dem Dorf besser denn je. Doch für meine Familie war es erst der Anfang einer schweren Zeit. Ich weiß nicht, manchmal habe ich das Gefühl, ich wäre an allem Schuld gewesen"


    Ihre Stimme versagte und sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurück halten. Eigentlich war sie nur gekommen um Niro ihren Dank auszusprechen. Doch wieder hatten ihre Gefühle die Oberhand gewonnen, wofür sie sich langsam hasste. Ihren nächsten Gedanken sprach sie, soweit es möglich war, laut aus:


    "Ihr habt schon so viel für mich getan, ich möchte euch nicht noch mehr mit meiner Geschichte belasten"


    Mit diesen Worten stellte sie die Tasse mit zittrigen Händen ab und stand auf.

  • Als Isabell gerade im Aufstehen begriffen war, drückte Niro sie sanft aber bestimmt wieder zurück auf's Bett,


    "Isabell, das ist Unsinn! Wenn Du diesen weiten Weg zurückgelegt hast, um uns zu Danken, dann kann ich Dir wohl noch ein wenig Gastfreundschaft anbieten und zuhören. Ich sehe doch, dass Dir etwas auf dem Herzen liegt.


    Und wenn Du noch nicht die Kraft hast, darüber zu reden, so setze Dich zumindest noch ein Weilchen, und wir trinken zusammen in Ruhe den Tee aus. Und nachher kann ich Dir vielleicht noch die Stadt zeigen.


    Ich bin ein guter Zuhörer..."

  • Isabell wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen und starrte gedankenverlohren vor sich in. Nach einer Weile räusperte sie sich und startet einen neuen Versuch zu reden.


    "Es... es war wohl die letzte Zeit einfach etwas viel für mich. Ich habe mein Zuhause verlohren und bin seit dem kaum länger als ein paar Wochen an einem Ort geblieben.


    Sie nahm die Tasse wieder in die Hand und trank einen Schluck.

  • Isabell nahm das Tuch dankend an und wischte sich damit die nächsten Tränen von der Wange. Doch sie merkte, wie sie langsam ruhiger wurde.


    "Seit ich hier in der Stadt bin, werde ich ständig mit meiner Vergangenheit konfrontiert und damit muss ich auch erst einmal fertig werden"


    Sie sah Niro an. Er saß ihr still gegenüber und hörte ihr zu, doch sie konnte auch eine gewisse Unruhe in seinen Augen ablesen. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, wesegen sie zögerlich sagte:


    "Ihr könnt mir ruhig fragen stellen"


    Sie trank ihre Tasse leer und stellte sie ab.

  • "Du hast gesagt, dass Du Dein Zuhause verloren hast... Ist etwas passiert? Ich meine..."


    Niro's Stimme stockte. Er fiel ihm sichtlich schwer weiterzusprechen und er fiel, ohne es zu bemerken wieder ins Siezen.


    "Gab... gab es vielleicht... abergläubige Dorfbewohner, die... die Euch beschuldigt haben, nicht mehr leben zu dürfen, weil sie Euch... nun... geglaubt haben, Euch tot gesehen zu haben...


    Bin... bin ich sozusagen Schuld, an... dem, was Sie Euch... nun... was Ihr erleiden musstet?"

  • Isabell machte große Augen


    "Was? Nein... nein, nein, ihr habt keine Schuld an dem Ganzen. Weder ihr, noch die Dorfbewohner, noch sonst wer."


    Sie überlegte kurz wie sie das am Besten erklären konnte


    "Kurz nach meiner Entführung wurde ein Handelsposten in unserer Nähe von Untoten heimgesucht. Mein Vater war noch angeschlagen von den Ereignissen mit den Orks und kam mit diesem Erlebnis nicht mehr klar. Er versank immer mehr im Alkohol und daran ist letztendlich die ganze Familie zerbrochen. Meine Mutter ist tot, mein ältester Bruder weggezogen und mein anderer Bruder ist verschwunden."


    Wieder rollten ihr Tränen aus den Augen

  • Einerseits war Niro erleichtert, dass er nicht Schuld war. Aber dann trat ein schmerzvoller Ausdruck in seine Augen.


    "Oh... Das tut mir leid... Mein Beileid zum Tod Eurer Mutter... Das ist ja wirklich alles sehr traurig... So hast Du quasi alles verloren, was Dir mal etwas bedeutet hat. Deine Eltern und Geschwister und Deine Heimat, das Dorf..."


    Sanft berührte Niro mit seiner Hand Isabells Schulter und streichelte beruhigend ihren Arm, als er sah, dass seine Worte wieder drohten, weitere Tränen auszulösen. Er wollte sie am liebsten in den Arm nehmen und sie drücken, bis ihre Tränen aufhören würden zu fließen. Aber Isabell saß auf dem Bett und er würde sich ziemlich komisch verdrehen müssen, um so etwas zu tun.


    "Es ist gut, dass Du gekommen bist. Letztlich zu den einzigen anderen Menschen, die... nun... Euch zumindest einmal Hoffnung gegeben haben. Bleibe hier bei m... uns. Hier in Magonien scheint die Sonne heller. Seitdem der große Bruderkrieg vorbei ist, gibt es Frieden hier. Und solch ein Gesockse wie Orks und Untote gibt es hier nicht", sagte Niro und versuchte ihre Stimmung aufzuhellen.


    Er verschwieg wohlweislich den sogenannten Namenlosen.


    "Hier haben die Leute das Herz auf dem richtigen Fleck! Man hat Humor und man feiert gerne! Man ist hier sicher. Und die Garde beschützt uns vor allem, was da kommen mag. Das Schlimmste, worüber sich die Leute hier aufregen ist ein Magier, der einen Windstoß gegen die Wachen gezaubert hat.", lachte Niro freundlich.


    "Das Allerschlimmste sind eigentlich die Merquatorez-Schwestern", sagte Niro während sein Lachen leicht ins Hysterische abdriftete. "Aber das erkennen die Wenigsten..."

  • Isabell nahm die Gesten des Trostes von Niro dankend an. Als er ihr das Anbot zu bleiben machte, musste sie lächeln. Gerion hatte ihr auch die vielen Vorteile von Magonien aufgezählt. Scheinbar muss das hier ein wirklich schöner Ort sein, wenn so viele Menschen so gut darüber redeten. Aber erst einmal war sie froh über den Themenwechseln.


    "Wer sind denn diese Mera.. Mer.... also diese Schwestern, die ihr angesprochen habt?"

  • Niro machte einen zerknirschten Gesichtsausdruck. Hätte er das Thema doch nicht angeschnitten...


    "Ach... äh... unwichtig... Nur zwei häßliche, alte Schnepf... ähem... ich meine Renascanerinnnen, die die örtliche Zeitung herausgeben. Aber ansonsten ist es hier seeehr friedlich."

  • Isabell merkte, das sie etwas gefragt hatte, was Niro sehr unangenehm war, weswegen sie nicht weiter fragte.


    "Ja, hier in Renascân scheint es wirklich sehr ruhig zu sein. Ich habe auf meiner Reise schon ganz andere Orte gesehen."


    Sie war zwar noch nicht lange hier in der Stadt, doch von großen Unruhen hatte sie nichts mitbekommen. Doch da viel ihr der Zettel in ihrer Tasche ein. Etwas ungeschickt zog sie ihn heraus und faltete ihn auseinander. Vielleicht konnte Niro ihr sagen, was es damit auf sich hatte


    "Dieser Zettel hing an der Wand des Wohnheims. Ich habe ihn abgemacht, weil ich das Gefühl hatte, das er dort nicht hingehört. Könnt ihr damit etwas anfangen?"

  • Niro starrte eine Zeit lang der Zettel entgeistert an. Dann lachte er.


    "Keine Ahnung, was das soll. Schätze, dass ist so ein Müll von einigen amonlonder Studenten. Die haben eine Dämonkratie da. Stell Dir vor, der Landesherrscher wird dort von den Untertanen gewählt! So ein Blödsinn!"


    Dann sah Niro, dass Isabells Tasse leer war.


    "Noch einen Tee und quatschen, oder soll ich Dir die Stadt zeigen?", fragte Niro.