Die Anlegestelle von Renascân (2)

  • Erstaunt drehte der Zwerg seinen Kopf in Richtung des jungen Gardisten. So schnell sogar, dass sich der Bart mit seinen Zöpfen und dem kleinen in Silber gefasstem Bergkristall beinahe über die Schulter schwenkten.
    Etwas verwundert hört er sich die Wegbeschreibung des jungen Menschlings an und richtete dann seinen Bart wieder gemächlich in den richtigen Bahnen. Daher dauerte es einige Minuten, ehe der Zwerg einen Dank oder zumindest eine Antwort gab. Eine lange Zeit für einen Menschen, ein Wimpernschlag für einen Zwergen. Das wusste der Zwerg natürlich und hob während der fein geführten Bartpflege die Hand um seinen Gesprächspartnern zub zeigen, dass er bald wieder für sie da sein würde.


    "Nun... ich danke dir, Mensch. Gerne werde ich dir deinen Gefallen vergüten. Denn Osgi Stanwurt, Sohn des Graggi Stanwurt und Mineursmeister der Silberbärte begleicht seine Schulden immer."


    Aus einem gehärteten, reich verziertem Lederbeutel zieht der Zwerg eine Kupfermünze und übergibt sie dem alten Mann. In erster Linie ein eigintlich recht magerer Lohn, doch war die Sechseckige "Münze" so dick wie ein Teller und betrug dessen Durchmesser mindestens das doppelte einer normalen Münze. schwer wog sie in der Hand und ein grimmiges, stilisiertes Zwergengesicht starrte den alten timmes als Aufdruck an.


    "Natürlich möchte ich auch dem Gardisten seine Dienste entlohnen. Doch für dich habe ich einen Ratschlag, der dir in Zukunft mehr als nur einen kupferling einbringen wird.
    Der Tatendrang der jungen Flaumbärte hat so manche königliche Halle errichtet, doch waren es immer die Worte der Alten, welche sie führte. Daher sollte man seinen jugendlichen Tatendrang doch zumindest im Gespräch zweier Älterer zurückhalten und ihnen nicht das Wort nehmen. Wer nur redet kann schwerlich lernen."


    Der Gardist hätte schwören können, dass sich der Bart des Zwerges während dieses Rates zu einem amüsanten Grinsen verzog, doch ist die Mimik eines Zwergen immer schwer zu erkennen.


    "Ich wünsche euren Sippen noch eine erträgliche Arbeitszeit. Auf bald."


    Und mit diesen Worten drehte sich der Zwerg um und bewegte sich schnellen Schrittes in Richtung Norden.

  • Bertel ist damit beschäftigt, mit möglichst kantigem Gesichtsausdruck möglichst wichtig auszusehen. Stets wandern seine Augen hin und her, denn es könnte ja etwas passieren. Sein Zähneknirschen, das er dabei verursacht, stört Dorians Denkprozesse ein wenig.

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Mit einem leicht genervten Seitenblick auf Bertel geht Dorian weiter, bis er es nicht mehr aushält:


    Bertel bitte hör auf mit dem knirschen. Ich muss über den Fall nachdenken... und darüber, wie ich den Bericht formuliere.

  • Für einen kurzen, ganz kurzen Moment sah Bertel überrascht aus, dann antwortete er mit einem zackigem


    "JAWOHL, Herr Hauptmann. Ich bitte um Verzeihung, dass ich Herrn Hauptmann bei der dienstlichen Tätigkeit des Nachdenkungs beeinträchtigt habe! Worum geht es genau, Herr Hauptmann? Ich könnte ebenfalls Denkaufgaben übernehmen. Man hat mir schon öfter gesagt, dass ich im Denken nicht unbegabt bin, Herr Hauptmann! Und ein guter Gardist wächst mit seinen Aufgaben, das wurde uns beigebracht, Herr Hauptmann. Also wenn ihr mir eine schwerere Denkaufgabe anvertrauen wollt, dann bin ich stets bereit, Herr Hauptmann!"

    Thankmar Rhytanian
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  • Jetzt war es an Dorian überrascht zu sein. Für einen kurzen Moment blieb er stehen und mustert Bertel.


    "Gut. Das wäre dann der nächste Schritt Deiner Ausbildung. Dann erkläre mir bitte, was Du von diesem Fall hälst und wie Du ihn rechtlich bewerten würdest. Trägt Tauron irgendeine Schuld?"


    Er schaut sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass niemand ihnen zuhört. Dann nickt er Bertel zu.

  • Bertel dachte nach - das konnte man deutlich sehen und hören. Das Knirschen der Zähne klang unangenehm. Es daurte eine Weile, dann nahm er eine noch förmlichere Haltung an als ohnehin schon


    "Ob Tauron Schuld trägt, diese Beurteilung steht mir nicht zu, Herr Hauptmann. Ein Urteil steht einzig und allein der hochehrenwerten Obrigkeit zu. Ich halte folgendes von dem Fall, Herr Hauptmann. Jeder hat dafür Sorge zu tragen, dass sie Gesetze eingehalten werden. Hat ein Kaufmann seine Waren oder seine Lieferwege nicht im Griff, dann riskiert er, dass Gesetze dabei gebrochen oder unterlaufen werden. Eine strenge Einhaltung von Maß, Gewicht und Qualität schützt die Bürger und den Ruf von Renascân, Herr Hauptmann."


    Er machte eine Pause und dachte weiter nach - wieder dieses widerliche Zähneknirschen


    "Außerdem, Herr Hauptmann, der Sekrä...Säkt...der Bedienstete hat zu viel geredet, Herr Hauptmann."

  • Ein kleines Grinsen liegt auf Dorians Lippen als er antwortet:
    Sehr gut Bertel. Du hast meine Fangfrage erkannt. Die meisten anderen wären wohl darauf rein gefallen und hätten Tauron entweder verurteilt oder frei gesprochen. Ich bin wirkliich stolz auf Dich.


    Er klopft seinem Kameraden kurz auf die Schulter bevor er weiter spricht.


    Deine Einschätzung gefällt mir. Du denkst an den Schutz der Renascâner Bürger und die Einhaltung der Gesetze. Aber man muss auch den Schutz des guten Rufes des Kaufmanns beachten, der durch den Artikel im Landboten beschädigt wurde. Vor einem öffentlichen Urteilsspruch sollte solch ein Artikel nicht erscheinen. Die schwere Aufgabe, die jetzt auf unsere hochvereehrte Obrigkeit zukommt ist nun abzuwägen, in wie weit die Verfehlung durch den bereits entstandenen Schaden abgegolten wurde. Das natürlich nur, wenn ein Schuldspruch erfolgt.


    Er hält kurz inne und starrt ins Leere.


    Ich danke den Göttern, dass diese Entscheidung nicht auf meinen Schultern lastet.

  • Bertel stand nun noch strammer


    "DANKE SEHR, Herr Hauptmann!" blökte er "Für die Götter und die Obrigkeit werden wir unsere Pflicht erfüllen, Herr Hauptmann!!!"

  • Gerion kam an den Anlegern an. Doch es viel ihm erst auf, als sich der Boden unter seinen Füßen plötzlich in Holz zu verwandeln schien. Er hob den Blick und lies ihn über das Meer schweifen.


    Immerwieer schüttelte er schweigend den Kopf, ehe er nach einer guten Stunde umkehrte und zu seiner Unterkunft lief.

  • Mit eiligen Schritten und ohne auf seine Umgebung zu achten kommt Dorian wieder vom Wachgebäude zurück. Diesmal ohne Bertel.


    An der Hafenmeisterei angekommen ordnet er zunächst seine Kleidung, bevor er eintritt. Nach einer Sekunde der Orientierung, in der Dorian sich davon überzeugt, dass keine zufälligen Beobachter anwesend sind, geht er zielstrebig zu Solera:
    Die Fünf zum Gruße. Ich habe noch einige Fragen zum Fall Tauron van Daik. Hättet ihr einen moment Zeit für mich?


    Auch bei dieser Frage wird am Tonfall klar, dass Dorian nur ein ja als Antwort akzeptieren will.

  • Eines Abends machte ein stattlicher Dreimaster nach langer Fahrt im Renascâner Hafen fest und wurde von der Strömung sachte an die Muringstonnen gedrückt, bevor die Leinen ausgeworfen wurden, um das Schiff festzumachen. Die Planke wurde ausgefahren, dann machten sich zwei Matrosen eilfertig daran, der einzigen Passagierin an Land zu helfen. Einer der Männer trug den Rückenkorb an Land, der andere Mann reichte Alanis die Hand und führte sie über die rutschige Planke an Land.


    Zwei Münzen wechselten den Besitzer, dann tippten sich die Matrosen an die Mütze und machten sich daran, zu ihrer Arbeit zurückzukommen. Alanis buckelte derweil ihren Schulterkorb und blickte zweifelnd zur Oberstadt hinauf. Der Weg nach oben war nur zu erahnen und lag zwischen der beleuchteten Unter- und Oberstadt da wie ein dunkles Band. Das würde anstrengend werden.


    Sie seufzte leise und machte sich dann nach fast dreimonatiger Abwesenheit aus Renascân auf den Weg zu ihrem Haus.

  • Solera war gerade im Gespräch mit einem Hafenarbeiter, das er aber unterbrach, als Dorian sich geräuspert hatte


    "Oh, verzeiht. Ja? Was denn noch? Ich hatte euch alles berichtet, was ich darüber weiß."

  • Nun, ich habe noch eine allgemeine Frage. Ist es üblich, dass die Versender einer Ware diese mit einem Zeichen versieht, das dem Handelszeichen des Empfängers sehr ähnlich sieht, aber doch einen Unterschied aufweist?


    Dorian schaut etwas unglücklich, weil er sich nicht sicher ist, ob er sich verständlich ausgedrückt hat.


    Plötzlich hellt sich seine Miene auf und er kramt in seinem Beutel nach dem Beispiel für das Handelszeichen von Tauron.


    Mit einigen flüchtigen Bewegungen versucht er zu verdeutlichen, wo der Unterschied sein könnte.

  • Der Mann der Hafenmeisterei zog beide Augenbrauen nach oben


    "Ich verstehe nicht ganz. Wieso Unterschied? Handelszeichen ist Handelzeichen, da gibt's keine weiteren Unterscheidungen mehr, wenn das mal drauf ist. Pro Handelshaus gibt's nur ein Handelszeichen, sonst hätten wir hier ja Kraut und Rüben!


    Im Grunde gibt's zwei Möglichkeiten: Wenn die Ware während des Transports noch dem Versender gehört, dann ist halt das Zeichen des Versenders drauf. Da kann man aber davon ausgehen, dass auch jemand vom Versender im Bestimmungshafen vor Ort ist, der das ganze in Empfang nimmt und dann erst an den weiterleitet, für den die Ware letzten Endes bestimmt ist. Oder es ist eben andersrum, die Übergabe findet schon im Ursprungshafen statt. Dann hat der Besteller einen Mann vor Ort, der die Übergabe abwickelt, erst dann kommt die Ware an Bord. Während des Transports gehört die Ware dann schon dem Besteller, also ist dann auch dessen Handelszeichen drauf."

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Gut, vielen Dank für die Informationen! Verzeiht, dass ich euch nochmal stören musste, aber wie ihr seht sind meine Kenntnisse im Handelsrecht etwas eingeschränkt.


    Mehr zu sich, als zum Hafenmeister murmelt Dorian:
    Eine Schande, ich muss das unbedingt nachholen...


    Nach einem kurzen Moment sammelt er sich wieder, verabschiedet sich höflich und verlässt die Hafenmeisterei wieder.

  • Vor der Hafenmeisterei standen zwei kleine Buben, die einen aus Stofffetzen zusammengeschnürten Ball dabei hatten und mit höchst unsicherem Gesichtsausdruck in Richtung Tür blickten. Als Dorian das Gebäude verließ, schubste der eine den anderen an


    "Da ist er...los."


    "Ich...aber..."


    "Na los!"