Die Anlegestelle von Renascân (2)

  • "Bist wohl nich' so gesprächig, hm?"


    brummt der Mann.


    "Hab auch eine Tochter. Ist wohl etwa so alt wie du. Aber die redet wie ein Wasserfall."


    Er grinst und entblößt dabei eine Zahnlücke.


    "Ach weiß'du was, nimm die. Aber teil sie mit deinen Geschwistern."


    Mahnend wackelt er mit dem Zeigefinger und reicht ihr die Tüte, in der noch einige weitere Würfel der goldgelben Klebmasse sind.

  • Das Kind strahlt noch mehr und nickt als es nach der Tüte greift.
    Eines seiner Geschwister kommt jetzt herüber, das größte der Kinder, ein Junge mit wildem goldblondem Haar. Die Kleine hält ihm die Tüte hin und macht ein paar verschlungene Bewegungen mit der freien Hand. Der Junge zieht anerkennend die Augenbrauen hoch und greift in die Tüte um sich ebenfalls ein Stück Karamell in den Mund zu stecken.
    "Danke", erinnert er sich dann zu sagen und das ist an den Hafenangestellten gerichtet.
    "Hast du Danke gesagt?", fragt er die Kleine, die ihn daraufhin empört ansieht und einmal kurz und heftig nickt. Er grinst und dreht sich, die Tüte in der Hand, um, um zu den anderen zurückzulaufen. Auf halber Strecke wendet er sich nochmal zu der Kleinen um und ruft: "Komm, Freya!"
    Das kleinere Kind winkt dem Mann zum Abschied zu und läuft hinter ihrem Bruder her.

    Das Problem ist nicht der Druck! Das Problem sind die Apachen!!

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  • An der Anlegestellt war derweil eine rundliche Frau in einem grauen Leinen Kleid unterwegs, die sich mit einem Fischer über seinen Fang unterhielt. Für ihr Interesse wurde ihr dann auch ein besonders prächtiger Fisch direkt für einige Münzen verkauft, was sie sichtlich freute, denn ihr Lächeln erhellte ihr blasses und ein wenig abgekämpft wirkendes Gesicht.


    Als ihr Blick auf das neu eingetroffene Schiff fiel und sie die Beflaggung sah, verabschiedete sie sich von dem Fischer, legte den Fisch in den großen Korb, den sie am Arm trug, und ging den Kai entlang.

  • Lina ist die Erste der Gruppe, die die Priesterin erkennt. Sie hat sich vergewissert, daß ihr heulender Zwillingsbruder nicht schwer verletzt ist und sich dann aufgemacht zu untersuchen, womit sich ihr Cousin und seine kleine Ziehschwester da hinten so eingehend beschäftigen.
    "Hallo, Alanis", sagt sie ganz selbstverständlich im Vorübergehen.

  • Ganz am anderen Ende des Hafens saß ein gewohnt-schmuddlig aussehender Gardist und gönnte sich, auf einem großen hölzernen Poller sitzend, eine Pause.


    Mit einem breiten Grinsen betrachtete er eine große Wurststulle, die er gerade aus seiner Tasche geholt hatte.


    "Wohl bekomm's!" murmelte er zu sich selbst, dann biss er herzhaft hinein und kaute laut schmatzend. Das Grinsen hielt an. Ja, er schien gut gelaunt.

  • "Hallo Lina", schmunzelte Alanis und sah dem Mädchen nach. War sie etwa schon wieder ein Stück größer geworden? Die Priesterin seufzte, wenngleich lächelnd. Das eigene Altern erlebte man nicht im Spiegel, sondern im Fortschritt der nächten Generation.


    Dann machte sie sich auf die Suche nach Kassandra, die sicherlich Kern des Gewusels sein musste.

  • Kassandra findet sich in der Nähe des Gepäckstapels.
    "Ja", sagt sie gerade zu den beiden Leuten in den Farben des Handelshauses. "Laßt das in den Zaunkönig bringen. Wenn Talinor uns nicht unterbringen kann gucken wir von da aus weiter."
    Thyra, mit neun Jahren die Älteste der Kinderschaar und doch schon von Ancale an Körperlänge überholt, hat ihr den kleinsten Sproß abgenommen. An der Hand seiner goßen Cousine marschiert der Stöpsel munter auf den Mann mit der Stulle zu. "Ham. Esse habe."

  • "Hallo Kassi", sagte Alanis fröhlich, nachdem sie das Gespräch mit den Dienstmännern abgewartet hatte. "Willkommen in Renascân. Was treibt Dich und die Bande her?"


    Sie öffnete die Arme zu einer Umarmung.

  • Kassandra dreht sich überrascht zu der Priesterin um.
    "Alanis. Hey..." Sie schließt die kleinere Frau in die Arme und drückt sie herzlich.
    "Wir mußten mal raus", antwortet sie dann und mustert die Freundin. Sie grinst. "Seßhaftigkeit ist die Pest. Wie geht's dir so? Bist du grad länger hier?"

  • "Alles bestens bei mir!", gab Alanis zurück und diese Antwort hatte tatsächlich sehr viel von dem Elan, an dem es ihr in den letzten Jahren ein wenig gefehlt hatte. "Ich bin seit zwei Wochen aus den Drachenlanden zurück und habe mich für einen ruhigen Herbst hier eingerichtet, bevor ich dann zur Jahreswende - aber lassen wir das. Später!"


    Sie lachte über das ganze Gesicht.


    "Wollen wir heute Abend im 'Zaunkönig' Abendessen?"

  • "Das verspricht dann also auf jeden Fall ebenso lecker wie unterhaltsam zu werden", nickte Alanis und wies dann auf den Korb, den sie am Arm trug und in dem ein fangfrischer Fisch in ein Tuch eingeschlagen lag. Kopf und Schwanzflosse ragten darunter hervor.


    "Ich bringe den hier nach Hause und muss ihn einlegen, bevor er schlecht wird. Ist ja doch noch ganz schön warm geworden. Sollen wir sagen - sechs Uhr?"

  • Der Herbst hatte Einzug gehalten in Renascân, und so wurde auch das Meer unruhiger. Sehr bald schon würden wieder deutlich weniger Schiffe anlegen, aber noch war das Treiben im Hafen geschäftig. Jeder schien darauf aus, die letzten einigermaßen schönen Tage nutzen zu wollen, um sich auf den nahenden Winter bestmöglich einzurichten.


    Es war einer dieser letzten schönen Tage. Die Herbstsonne schien von einem leicht bedeckten Himmel, aber ihre Strahlen reichten nicht mehr aus, um die Kälte zu vertreiben. Die Segel eines kleinen Handelsschiffes zeigen sich am Horizont, das vor geraumer Zeit in Maranakar in Richtung Renascân abgelegt hatte. Am Bug war in strahlend-türkisblauer Schrift der Name "Elkorin" zu lesen. Leider war der Rest des Schiffes weit weniger strahlend, es schien die besten Tage schon lange hinter sich gelassen zu haben.


    Als es festmachte warteten am Kai schon einige Händler in Erwartung ihrer Ware sowie die üblichen Tagelöhner in Erwartung, beim Löschen der Ladung ein paar Münzen verdienen zu können. Die Planken wurden herübergeschoben, die "Elkorin" war also angekommen.

  • Zwischen Gedränge von Händlern, ihren Waren und anderen
    Passagieren kommen auch zwei Frauen an Land. Ihrem Aussehen nach zu urteilen
    sind sie von der Reise etwas mitgenommen, ob dies dem Seegang oder dem
    schlechten Geschmack des Proviantmeisters geschuldet ist, ist schwer zu
    sagen. Jedenfalls wirken die beiden Frauen leicht benommen, haben die Arme
    untereinander eingehakt und betreten nun langsam festen Boden. Eine der Frauen
    wirkt etwas älter und auch schnell wieder gefasst als sie Land betritt. Der Kleidung
    nach scheint sie etwas wohlhabender zu sein, vielleicht eine Handelsreisende
    auf dem Schiff. Die Frau an ihrer Seite, Alvina Regennacht, wirkt recht jung,
    auch ein bisschen unsicher. Gekleidet ist sie sauber, aber sehr schlicht. Außer
    einem kleinen Säckchen hat sie kein Gepäck dabei. Zunächst bleibt Alvina
    unsicher stehen und schaut verwirrt auf das unübersichtliche bunte Treiben am
    Hafen. Je länger sie dort steht desto mehr wandelt sich ihre Unsicherheit in
    Erstaunen über die vielen Menschen und die Geschäftigkeit. Mit großen Augen betrachtet sie ihre neue Umgebung.
    Aus ihrer Starre reisst sie ein unachsamer Passant - der im Gedränge und beladen mit einer sperrigen Obstkiste, gegen die beiden Frauen poltert. “He
    pass doch auf!!" daraufhin Alvina. Sie schaut ihn an, auf eine Entschuldigung wartend.

  • Wenige Tage später legte ein anderes Schiff ab, kleiner, aber durchaus tauglich für eine Überfahrt. Nach Maranakar sollte es gehen.


    An Deck stand eine Frau, stämmig, struppiges, halblanges Haar, das der Wind zauste. Ihr Gang zeigte deutlich, dass sie üblicherweise schwere Rüstung trug. Heute war sie in ein speckiges Lederwams gekleidet. Wollene Hosen bedeckten ihre Beine. Das selige Grinsen in ihrem Gesicht hob die gespaltene, vernarbte Unterlippe noch hervor. Sie fixierte den Horizont, der nichts zeigte außer graues Wasser und einen ebenso grauen Himmel.


    Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen herauszufinden, wo er sich befand. Jetzt war sie kurz davor ihn zu schnappen und sich dieses Kopfgeld zu holen. Wer auch immer ihn auch suchen sollte: Sie war ihnen allen voraus und hatte hinter sich genug falsche Fährten hinterlassen. Magonien, eine winzige Insel. Sie schnaubte abfällig. Das sollte das kleinste Problem sein. Sie würde ihn schon finden, ihn stellen und dann könnte sie alles haben. Alles, was ihr Herz begehrte.

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Die Antwort erfolgte dahingehend, dass es keine gab. Der Kerl drehte sich kurz um, sah Alvina ins Gesicht und leckte sich... über die Lippen. Eine obszöne Geste?! Oder möglicherweise nur trockenen Lippen geschuldet. Dann machte er sich davon.


    Zwei junge Burschen tauchten auf, vielleicht dreizehn Jahre alt.


    "Hey, soll'n wa euer Gepäck tragen?"


    Aus einem überraschend schmutzigen Gesicht schauten ein paar überraschend helle Augen die beiden Frauen an. Der andere kratzte derweil an seinem Handrücken herum und kaute an einem Stengel Süßholz.


    "Wir können euch auch alles zeigen. Was ihr wollt. Wir kennen hier jeden Stein." Das Lächeln des Wortführers war doch recht einnehmend.


    "Jop." setzte der andere bestätigend dazu.

  • „Hm, was denkst du?“ Fragt Alina ihre
    Begleitung. „Die beiden scheinen sehr hilfsbereit zu sein und gut erzogen, einfach ihre Hilfe anzubieten. Lass sie dich zum Gasthof und mich zum
    Tempel bringen, Gepäck habe ich kaum, aber in der Stadt sind sie uns sicher
    eine Hilfe.“





    „Ich sehe, du bist wirklich auf dem Land
    aufgewachsen“ – entgegnet die Händlerin. Und flüsternd: „Aber gut was soll`s,
    umbringen werden sie uns wohl kaum. Aber achte auf deinen Beutel, hier in der
    Stadt gibt es mehr Diebe als Kerzen in eurer Kirche! Wenn mir etwas Verdächtiges auffällt stoße ich dich in die Seite – das ist das Zeichen, dass
    du mir folgen sollst“.





    Alina schaut ihre Begleitung verduzt an, aber
    gut, Misstrauen gehörte wohl zum Wesen jeder Händlerin. Schließlich hat diese
    auch weit mehr Wertgegenstände dabei als Alina selbst. „Also gut, dann lass sie
    uns zum Gasthof bringen, in dem du mit deinen Geschäftspartnern verabredet bist!“
    – zur Händlerin – und zu den beiden jungen Männern: „schön, dann zeigt uns
    gerne, wie wir dorthin kommen!“ Die Warnung der Händlerin im Ohr instintiv nach ihrem Beutel greifend...