Die Taverne "Zum Zaunkönig" (6)

  • "Danke." meinte sie und legte eine behandschuhte Hand auf die Lehne eines Stuhles, hielt dann jedoch inne.


    "Jedoch möchte ich Euch nicht stören. Ihr hattet bestimmt einen langen Weg..."


    Patuljak ließ sie erst mal kurz stehen bis sie sich versichert hatte. Sie hätte es verstehen können, wenn beide, der Vinländer und die Frau, sich zunächst in Ruhe entspannen wollten. Und ganz davon abgesehen ging sie davon aus, dass beide einen Grund hatten hier zu sein.

  • "Oh, Ihr stört nicht, Ashaba!" meinte Herr Berkenbrecht, schaute sich aber kurz in der Taverne um und bemerkte mit einem Schmunzeln die zahlreichen Blicke.
    "Aber ich kann es gut verstehen, wenn Ihr Euch erst ausruhen möchtet. Vielleicht habt Ihr Lust, Euch später zu uns zu gesellen, ich für meinen Teil würde mich freuen. Entscheidet selbst, ob und wann Ihr dies wahrnehmen wollt, Ihr seid an diesem Tisch gerne willkommen!"
    Dann meinte er zum Wirt:
    "Besten Dank, Meister Wirt, aber ich glaube, meine beiden Knappen war schon so frei, alles zu veranlassen und von Euren sicherlich vorzüglichen Köstlichkeiten zu bestellen. Ich danke Euch!"
    Dann wandte er sich wieder Dunja zu:
    "Ich war zwar nicht oft hier, aber ich mag den Zaunkönig als Gasthaus wirklich sehr!"

  • Noch einmal nickte sie.


    "Da später noch einiges an Arbeit auf mich wartet, nehme ich die Einladung gerne direkt in Anspruch."


    Sie zog den Stuhl vom Tisch weg und setzte sich nachdem sie das Schwertgehänge gelöst hatte und hinter sich an die Wand gestellt.


    "Patuljak, einen Kräutertee für mich, bitte."


    meinte sie dann zu dem Schankjungen. Mit einigem Stolz hörte sie um den guten Ruf des Zaunkönigs.

  • "Zumindest eine sehr lange Zeit. Ich rätselte auch bereits, wie lange genau."


    Sie grinste und nahm von Patuljak den dampfenden Becher entgegen. Dann wurde sie unvermittelt wieder ernst.


    "Und es ist viel passiert in dieser Zeit. Man möchte schon fast sagen zu viel. Ihr habt sicherlich die Palisade gesehen, die man um die Siedlung hoch gezogen hat. Auch die Kontrollen an den Toren kommen nicht von ungefähr. Seit vielen Monaten ist es ruhig, doch wir können nie ganz sicher sein."


    Sie hatte die Lederhandschuhe ausgezogen und ihre Hände um den Becher gelegt. Zum Vorschein kamen überraschend schlanke Hände.


    "Eine lange Geschichte, die hoffentlich ein gutes Ende nehmen wird. Ein Irrer, der vermutlich genug Macht hätte, hier einigen Schaden anzurichten. Doch trotz aller Bemühungen bekommen wir ihn nicht zu fassen. Alles, was wir derzeit tun können ist wohl die nötigen Vorkehrungen treffen für das, was kommen mag. Die Einwohner jedoch leben damit und bereiten sich ebenfalls vor. Ansonsten gedeiht Renascân und vergrößert sich rasend schnell. In den warmen Monaten sah man an jeder Stelle die Bauarbeiten voran schreiten. Das Hospital steht, ebenso die Akademie und das Waisenhaus wird derzeit noch fertig gestellt. "

  • "Es ist schade", meinte Herr Berkenbrecht mit einem ehrlichen Bedauern in der Stimme, "dass so schöne Orte wie dieser auch Gefahren anheim fallen. Doch Torog Nai ist nicht allzu weit und die Einflüsterungen des Bösen korrumpieren jene, die zu schwach im Geiste sind."
    Er lehnte sich zurück, derweil brachten die Knappen Speis und Trank.
    "Wenn ich irgendwie helfen kann, so lasst es mich wissen - vielleicht kann man diesen Üblen doch habhaft werden. Ansonsten muss ich anerkenned gestehen, das Renascan sher gewachsen ist, seitdem ich das letzte mal hier war."

  • "Diesmal ist es vermutlich nicht TorogNai, denen wir Schuld zuweisen können. Menschen sind schwach, egal woher sie kommen. Und diese Gefahr kommt vermutlich aus Magonien selbst. Der Insel. Niemand ist gefeiht vor den Versuchungen, die man uns zeigt und jeder kann ihr verfallen. Nichtsdestotrotz müssen wir mit dem Beistand der Götter dagegen angehen."


    Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee.


    "Aber ich wollte Euch nicht den Tag durch solch trübe Kunde versauern. Ich danke Euch für Euer Angebot, doch derzeit lässt sich vermutlich nichts anderes tun, als warten. Die Leute hier fangen an, Renascân Heimat zu nennen. Und eine Heimat verteidigt man mit allem, was man aufbieten kann. Natürlich konnten die wenigen Jahre nach dem Krieg die ererbten Vorbehalte gegen die anderen Provinzen nicht ausnahmslos wegwischen. Doch inzwischen gehört es zur Normalität, dass fünf Provinzen gemeinsam an einem Tisch sitzen und sich dabei nicht die Köpfe einschlagen. Ganz im Gegenteil."

  • "Wenigstens eine gute Nachricht, dass Einigkeit unter den Siedlern herrscht, das ist sehr wichtig. Wir können gegen die Gefahren der Mittellande nicht bestehen, wenn wir nicht zusammen stehen, das ist unabdingbar."
    Herr Berkenbrecht schenkte sich einen großen Krug Wasser ein.
    "Und trübe Kunde gehört zu meinem alltäglichen Brot, darum würd eich mich nicht allzu sehr sorgen. Im Gegenteil, ich bin froh, so etwas davon zu hören, denn so kann ich vielleicht Hilfe anieten."
    Er machte eine kurze Pause udn schaute Ashaba genauer an.
    "Aber wie ist es Euch persönlich ergangen die letzten Jahre?"

  • Dunja hatte zu Herrn Berkenbrechts Äußerung über die Taverne nur zustimmend genickt und ist dessen Gespräch mit Frau Ashaba dann interessiert gefolgt ohne sich weiter daran zu beteiligen. Irgendwie hat sie das Gefühl die Kriegerin schon einmal gesehen zu haben, aber sie kann sich nicht erinnern wo...

  • "Persönlich?" meint sie nachdenklich und unglaublich viele Bilder blitzen in ihrem Gedächtnis auf. Dann hebt sie den Kopf und schaut ihrem Gegenüber direkt in die Augen. Ein leichtes Lächeln verzieht ihre Lippen.


    "Eure mahnenden Worte von damals habe ich mir zu Herzen genommen und verinnerlicht. Und ich möchte das fast als einen Anfang einer Entwicklung bezeichnen von der Göre, die ich damals war zu dem, was und wer ich heute bin. Man ließ mir die Ehre zuteil werden, mich zu befördern. Derzeit bekleide ich den Rang eines Sergeanten in der Garde."


    Sie machte eine kleine Pause.


    "Die letzten Jahre waren schwer, aber ich möchte sie auch auf keinen Fall missen. Und mein neuer Rang bringt neben der besseren Bezahlung zumindest einige Vorteile mit sich: Ein ungestörter Schlaf in einem Einzelzimmer."

  • Die Tür öffnete sich und herein trat eine junge Frau von kleiner, fülliger Statur, in einen beigen Wollmantel gehüllt. Als sie die Kapuze zurück warf, kamen blonde lange Haare zum Vorschein, die sie heute offen trug. Als sie den Mantel abnahm, sah man ihr schlichtes dunkelblaues Wollkleid. Sie schien keine Waffen zu tragen. Auffallend waren einige Amulette, die sie um ihren Hals trug, die wachsamen grau-grünen Augen und die Ausstrahlung, die sie umgab.


    Ohne sich in der Taverne umzusehen, setzte sie sich an einen Tisch.


    Patuljak, bring mir doch bitte einen Eintopf und ein scorisches Dunkles - das brauche ich jetzt.



    Tief atmete sie durch, schloss die Augen und lehnte ihren Kopf gegen die Tavernenwand.

  • Der Schankjunge tat, wie ihm geheißen, und schon kurz darauf stand ein tönerner Krug mit Scorischem Dunklen, gekrönt von einer feinporigen Schaumkrone, samt einer Schale duftendem Eintopf vor Bellaria


    "Bittschön, es möge munden!"

  • Als Frau Ashaba von sich erzählt, fühlt sich Dunja an ein lange vergessen geglaubtes Gespräch mit ihrem Vater erinnert. Wenn alles so gekommen wäre, wie sie es damals geplant hatten, ob sie dann nun auch nach ihrem Dienst in einer Taverne in Vardenheim sitzen würde... sie lächelt und versucht es sich vorzustellen, doch so recht will es ihr nicht gelingen...

  • "Ich danke Euch."


    meinte sie und schmunzelte ebenfalls. Es schien, als wäre es ein komplett anderes Leben, wenn sie sich daran erinnerte.


    "Doch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es Euch etwas gelehrt haben will. Ich muss gestehen, das macht mich neugierig."


    Aufmerksam schaute sie ihn an.

  • Der Ritter schmunzelte.
    "Ich hatte meine Schwertleite noch nicht lange hinter mir. Und auf der Fahrt hatte ich nur unbeirrbare, unverbesserliche Schlauberger kennen gelernt, die in Zeichen der Not sich auf die Ritterschaft verlassen, ohne aber auch nur ein bißchen auf deren Rat zu hören oder sich an die Ideale zu halten. Es war zum Verzweifeln. Ihr zeigtet mir aber, dass es sich immer lohnt, diese Ideale hochzuhalten, denn es mag immer einen Menschen geben, der einen Rat oder Hilfe braucht und diesen ernsthaft annimmt und sogar vielleicht etwas für sich ändert - dafür lohnt es sich, den alten Codex hochzuhalten!"

  • "Es ist immer wieder faszinierend, wie viele Menschen, die doch keine Kinder mehr sind und sich so auch nicht mehr auf die Unbesonnenheit der Jugend berufen können, dennoch - entschuldigt die klaren Worte - dumm genug sind einen klugen Rat nicht als das zu erkennen, was er ist. Dennoch fühle ich mich geehrt, Euch in eben dieser meiner jugendlichen Unbesonnenheit etwas zurückgegeben haben zu können. Auch wenn ich niemals etwas davon ahnte."


    Sie sah, wie Bellaria den Schankraum betrat und beschloß, sie später zu begrüßen, nachdem sie gegessen hatte. Dann wandte sie sich wieder Berkenbrecht und seiner Gefährtin zu.


    "Unwissenheit ist nichts, wofür man sich schämen müsste. Für Unbelehrbarkeit jedoch umso mehr."

  • "Da habt Ihr allerdings recht, werte Frau Ashaba!"


    Dunja nickt zustimmend, dann fügt sie noch an,


    "Aber sehr oft müssen jene bitter bereuen, dass sie wider besseren Wissens gehandelt haben..."


    Sie zuckt mit den Schultern und mustert ihr Gegenüber erneut aufmerksam, bevor sie vorsichtig fragt,


    "Vergebt mir meine Neugierde, aber ich bin zum ersten Mal hier in Renascân und vieles ist mir fremd..."


    Sie lächelt entschuldigend,


    "Ihr gehört der hiesigen >Stadtwache< an? Oder dem >Heer<?"


    Dunja benutzt beide Worte fragend, sind ihr die üblichen Begriffe dieser Lande doch unbekannt...

  • "Nun, so einfach ist das nicht zu sagen."


    meinte sie und lächelte.


    "Renascân ist ja vielmehr ein Außenposten der Insel. Insofern würde ich unsere Funktion eher als die der Stadtwache beschreiben. Wir halten hier Ordnung. Doch im Ernstfall wären wir auch das erste Bollwerk. Auch Botengänge zu für ihre Exzellenzen gehören zu unseren Aufgaben und die führen uns zuweilen ein gutes Stück weit weg von der Heimat. Und natürlich nicht zu vergessen die Begleitung ihrer Exzellenzen, wenn sie selbst Renascân verlassen und sich auf Reisen begeben. Unsere Aufgaben sind recht vielseitig und nicht so scharf abgegrenzt, wie man es zuweilen von anderen Ländern kennt."

  • "Das klingt recht vielseitig und interessant! Wie seid Ihr dazu gekommen?"


    Auch wenn es grundsätzlich für sie nicht allzu ungewöhnlich ist, dass Frauen das Kriegshandwerk erlernen, so muss sie doch zugeben, dass die Anzahl derer, die dann auch tatsächlich einen damit verbundenen Beruf ergreifen, doch eher gering ist. Um so interessierter ist sie an Frau Ashabas Antwort...