Der Tempel der fünf Gottheiten (2)

  • "Ah, ja, die Zeit, in der die Männer wieder ohne Hemd arbeiten. Ich gebe zu, dass mich das abgelenkt haben mag", gibt Johanna trocken zurück und verschränkt dann die kräftigen Arme vor der Brust. "In meiner Familie war die Sache ein wenig einfacher. Zu viele Münder zu stopfen und da fiel die Wahl dann auf mich."

  • Schüchtern betrat ein Junge von vielleicht acht Jahren den Tempel. Vorsichtig schaute er sich um und trat dann ein. Leise schloß er die Tür, die dabei ein wenig knarrte. Ohne einen Schrein vorzuziehen, verneigte er sich rasch in Richtung der Schreine und tappelte dann etwas nervös von einem Fuß auf den anderen. Unschlüssig schaute er sich um.


    "Hallo?" rief er schüchtern und zuckte dann zusammen, als seine eigentlich nicht allzu laute Stimme die Stille zerschnitt.

  • Johanna, die sich gerade erhoben hat, um sich noch einen Becher Tee einzugießen, stutzt kurz, als sie eine sehr leise Stimme hört, die über die Flur, der zum Hauptraum führt, klingt.


    "Wartet mal gerade" , sagt sie zu Enril, die noch immer nicht vollends bekleidet ist und schlüpft dann aus der Tür, um nachzusehen, wer im Tempel die Stimme erhebt. Mit raschelnden Röcken geht sie den Gang entlang und betritt dann den Hauptraum, um den Verursacher des Geräusches auszumachen.

  • Johannas Blick wird weich, als sie das Kind sieht.

    "Ja, ich bin Johanna. Du hast etwas für mich? Vielen Dank."


    Ihre Stimme ist sanft und weich. Sie nimmt die Botschaft zunächst ungelesen entgegen, dann greift sie in ihre Tasche und holt einen kleinen Beutel mit buntgestreiften Bonbons hervor.


    "Hier, das ist für Dich. Als Belohnung für soviel Zuverlässigkeit."

  • Die Augen des Jungen werden groß und ein Strahlen breitet sich über sein Gesicht aus. Dann greift er nach dem Beutel.


    "Danke Frau Johanna." sagt er. "Einen schönen Tag noch, Frau Johanna." meint er noch und geht dann zur Tür. Kaum hat sich die Tür hinter ihm geschlossen, fängt er an zu rennen um seinen Freunden stolz seine Beute zu präsentieren.

  • Schmunzelnd sieht sie ihm hinterher und öffnet dann das Schreiben. Freude und Vorfreude gleiten über ihr Gesicht, dann kehrt sie zu Enril zurück.


    "Ich habe gerade eine Nachricht von Miriel bekommen. Es gibt wohl eine Aufgabe, bei der ich helfen kann. Wenn Ihr mich entschuldigen würdet -?"


    Sie nickt ihr zu und macht sich dann auf den Weg zum Dorfplatz.

  • Als der Morgen graute, schlug Nela ihre Bettdecke zurück. Leise stellte sie ihre nackten Füße auf den Holzboden und tapste dann zur Tür. In ihrem weißen Nachthemd schlich sie den Gang hinunter und trat dabei auf eine knarzende Diele. Kurz hielt sie inne. Die Gedanken an Bartcreme und kleine bärtige, grummlige Männer hielt sie immer noch in ihrem Bann. Dass Damorg kein Zwerg war, war ja nun hinreichend geklärt. Ob dieser Mann mit dem dreieckigen Hut ein Zwerg war, war noch zu klären. Er war laut, bärtig und nicht sehr groß. Aber um auf die Beschreibung zu passen, lachte er viel zu viel. Nicht grummlig genug. Reichten möglicherweise schon ein paar dieser Aspekte um einen Zwergen zu machen?


    Die ganze Nacht hatte sie wach gelegen und gehofft, dass doch bald die Morgendämmerung Licht durch die Ritzen der Fensterläden schicken möge. Dann könnten sie aufbrechen zur .. na da wo die Zwerge eben waren. Johanna würde schon wissen wohin sie zu gehen hatten.


    Vorsichtig legte sie eine Hand auf die Türklinke zu Johannas Zimmer und drückte sie nach unten.

  • Johanna liegt in ihrem schmalen Bett und döst vor sich hin, halb wach und noch ein wenig unwillig, aufzustehen.. Gerne hätte sie in den vergangenen Tagen noch an der Feier zur Eröffnung des Waisenhauses im Zaunkönig teilgenommen, doch die Einrichtung der Zimmer für die Kinder war nun einmal vorgegangen. Sie bedauert ein wenig, nicht die Möglichkeit wahrgenommen zu haben, mit den Gästen aus allen Teilen der Welt näher zu reden. Als die Tür leise quietscht, setzt sie sich auf und seufzt leise. Vom Schleppen von Tüncheeimern hat sie einen Muskelkater, der sich sehen lassen kann.

  • Vorsichtig drückt Nela die Tür auf und linst um die Ecke. Als sie Johanna im Bett sitzen sieht, öffnet sie die Tür grade so weit, dass sie eintreten kann und schließt sie hinter sich wieder.


    "Bist du schon wach?" flüstert sie leise. In Anbetracht der Situation nicht die hellste Frage. Aber nun gut, wer lernt, ist klug. Und zu lernen hatte sie wahrlich genug.


    Rasch huschte sie zum Bett und setzte sich. Ihre Beine zog sie wie gewohnt an den Körper und schob ihre Füße unter die noch warmen Laken. Dann legte sie vertraulich den Kopf an Johannas Schulter.

  • Johanna legt einen Arm um Nelas Schulter und genießt die vertraute Nähe einen Moment lang.


    "Hattest Du Deine Freude an der Feier, Liebes?" , fragt sie freundlich und denkt selber an gegebene Versprechen. Ein Lächeln erhellt ihre grauen Augen.

  • Nela nickte und hob den Kopf. Ihre Augen leuchteten. Leider hatte Mishra nicht lange bleiben können. Dieser andere, der mit dem Pferdeschwanz, war ihr ein wenig unheimlich gewesen. Da war es nicht so schlimm, dass er nicht so arg lang da gewesen war.
    Und da war da noch der andere gewesen. Der mit dem Essen. Den sie nicht pieken durfte ohne vorher zu fragen. Am Ende hatte er doch freundlich gelächelt und sie hatte ihm ihre letzte Schokolade geschenkt. Das war wahrlich ein Gunstbeweis gewesen.


    "Ja, das war schön. Die Mumme war lecker. Und Mishra und Lilis und... ich durfte Damorg pieken. Zwei Mal! Das Hühnchen war schwer zu essen. Aber ich habs geschafft."


    Die scheinbar zusammenhangslosen Sprünge in ihrer Aufzählung spiegelten wohl das Chaos der verbliebenen Eindrücke in ihrem Kopf wider. Aber sie schien glücklich.


    "Gehen wir jetzt Zwerge gucken?" fragte sie eifrig.

  • Johanna hört sich schmunzelnd die eilig hervorgebrachten Eindrücke an, die aus Nela heraussprudeln wie Wasser aus einer Quelle.


    "Damorg zweimal pieken? Er hatte anscheinend wirklich gute Laune." Sie streicht sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht weg und gähnt ausgiebig. "Hast Du das gemeinsame Gebet gesehen?"


    Die Frage mit den Zwergen übergeht sie zunächst.

  • "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht." Johanna zupft die rote Schleife an dem kurzen Mieder zurück, das sie zum Schlafen trägt. "Überleg doch einmal, wie wenig andere Priester der Fünfe wir in all den Jahren im Kloster gesehen haben. Jetzt fünf auf einmal vereint zu haben - das war etwas Besonderes. Ob das hier in Renascân aber öfter geschieht, weiß ich aber nicht."

  • Sie legte das Kinn auf ihre Knie und kaute an ihrer Unterlippe.


    "Das sollten sie alle machen. Den Fünfen gefällt das bestimmt gut. Glaubst du nicht? Sind sie nicht Geschwister? Und mit denen will man doch zusammen sein."


    Spielend drehte sie einen Zipfel der Decke in ihren Händen.

  • "Da hast Du sicherlich recht, Nela. Vielleicht war es vor dem Krieg so, dass man sich viel öfter getroffen hat, um den Fünfen gemeinsam zu huldigen. Aber das weiß niemand mehr." Sie streckt sich und gähnt noch einmal. "Also, Du möchtest die Zwerge besuchen? Warum das denn?"

  • "Na weil ich noch nie welche gesehen habe. Hast du denn? Ich pieke sie auch nicht. Und frage auch nicht, ob ich sie pieken darf. Oh bitte!"


    Mit großen Augen schaute sie Johanna an und hoffte mit klopfendem Herzen auf eine positive Antwort.

  • Johanna schmunzelt.


    "Nein, ich habe auch noch nie welche gesehen. Aber ich glaube, wir sollten erst in ein paar Tagen nachsehen. Es gibt wohl ein paar Problemen mit ihnen - Enril ist ziemlich wütend, weil die Zwerge wohl ohne Erlaubnis Bäume fällen, war Ellyris in ihren Geboten untersagt." Sie schenkt Nela ein verständnisvolles Lächeln. "Aber sie sagt uns sicherlich Bescheid, wenn die Angelegenheit geklärt ist. Dann gehen wir uns die Zwerge ansehen."