Hage? (oder: Der Wolf im Elbenwald)

  • Es ist Winter. Der Wald liegt im dunkelblauem Dämmerlicht des späten Nachmittags. Schnee hat sich auf Bäume und Sträucher gelegt und auf wenig benutzten Straßen und Waldlichtungen zu Verwehungen recht eindrucksvoller Höhe aufgetürmt.
    In Kleidung, die in jeder anderen Jahreszeit tarnen mag, in diesem Wetter aber eher den gegenteiligen Effekt erzielt, huscht die Wandlerin, halb in zweibeiniger Menschengestalt, halb wölfisch gebückt und mit verzerrter Fratze, ziellos durch den Wald, witternd, lauschend. Sie lässt sich treiben, vom Wind, von Geräuschen, von Ahnungen.
    Nachdem sie sich eine ganze Weile so zwischen den Bäumen herumgetrieben hat, findet sie, was sie gesucht hat: Beute.
    Eine ganze Weile folgt sie dem jungen Bock, der einsam durch den Wald streift. Sie beobachtet, wartet, auf eine günstige Gelegenheit.

  • Ohne es ahnen zu können, kreuzt ihr Weg eine der Routen, die die mondelbischen Patrouillen auf ihren Rundgängen verwenden. So dauert es nicht lange, bis ebensoeine Patrouille die Spuren der Wandlerin bemerkt.
    Shaifëa hebt eine Hand, um Endúneath zurückzuhalten, deutet auf die Spuren und sieht mit einer hochgezogenen Augenbraue zu ihm.

  • *Ungewöhnlich... Das einzige Wesen das ich kenne das so eine Fährte hinterlassen würde ist deutlich größer.*
    Mehr sendet er nicht, für die weitere Kommunikation würden Handzeichen genügen. Ein eben solches signalisiert der Wächterin gemeinsam die Verfolgung aufzunehmen. Vorsichtig.

  • Jetzt. Der Bock hat sich zwischen einige dornige Sträucher gewagt, wo der Schnee nicht allzu hoch ist und beginnt, nachdem er mit nervös zuckenden Ohren noch einmal auf etwaige Gefahr gelauscht hat, sorglos damit, den Schnee mit den Hufen beseite zu scharren und zu äsen.
    Langsam, vorsichtig, jeder einzelne Muskel in froher Erwartung gespannt, der Körper glühend im Adrenalinrausch der Jagd, schleicht die Wandlerin sich näher. Vorsichtig, unendlich vorsichtig. Ihre Augen funkeln.

  • Sie nickt und geht ein Stück in die Knie, um die Zweige näher anzusehen die den Weg säumen. Sie sind nur bis zu einer gewissen Höhe abgeknickt, nicht so hoch wie ein aufrecht gehendes Wesen es verursachen würde - worauf sie Endúneath durch weitere Gesten aufmerksam macht. Erst dann biegt sie vom Weg ab um den Spuren zu folgen, selbst ein wenig geduckt um möglichst nichts zu übersehen, auch wenn sie nicht die beste Fährtenleserin ist.

  • Die Fährte im frischen Schnee ist mehr als leicht zu verfolgen, jetzt da die Abenddämmerung schon weit vorangeschritten ist. So kommen die beiden Wächter zügig voran - offensichtlich zügiger als das Wesen dass die Spuren hinterlassen hat, denn nach einiger Zeit schon machen sie in einiger Entfernung eine kauernde Gestalt im lichten Unterholz aus, die sich ansonsten regungslos verhält. Endúneath gibt Shaifëa ein Zeichen sich von der linken Seite zu nähern, während er nach rechts ausschwenkt.

  • So leise es ihr möglich ist, pirscht sie sich in angemessener Entfernung von links an das Wesen heran. Gleichzeitig versucht sie zu erkennen, was sie da eigentlich vor sich haben.

  • Plötzlich, bevor sie die beiden Mondelben bemerken kann, schnellt die Wandlerin vor, wie ein von der Sehne gelassener Pfeil, angespannt knurrend - dann verpasst sie dem jungen Bock einen klatschenden Klaps auf das Hinterteil, bevor dieser in wilder Panik die Flucht ergreift.
    Leise lachend richtet sie sich auf, ihre Züge glätten sich, ihr Körper streckt sich und Atemwolken stehen vor ihrem Gesicht, als sie sich mit Eisfingern durch die dunklen Haare fährt. "Lass es dir eine Lehre sein", murmelt sie leise.

  • Die Wandlerin wirbelt herum, die Zähne gebleckt, die zusehends zu wachsen scheinen, sie knurrt leise.
    Doch nach der ersten Schrecksekunde richtet sie sich aus der instinktiv angenommenen gebückten Haltung auf und senkt die Klauen, nein, Hände, verschränkt die Arme vor der Brust.
    Sie verdreht die Augen, im Glauben, ihre Gegenüber könnten dies nicht sehen und nickt. Was für ein Held du doch bist. Dummkopf.


    "Ich mir wohl auch", sagt sie trocken.

  • Shai wartet mit einer bis zum Anschlag hochgezogenen Augenbraue regungslos ab was sich da gerade abspielt. Noch weiß sie ihren, beziehungsweise Endúneaths, Gegenüber nicht einzuschätzen und hält es deshalb für klüger, das Überraschungsmoment noch eine Weile auf ihrer Seite zu behalten.

  • "Nicht schlecht," kommt die Anerkennung, zusammen mit einem Kopfnicken von der Gestalt, die sich da fast lässig an einen Baumstamm gelehnt hat, einen Fuß an den Stamm gewinkelt. In seiner Wintergewandung, bestehend aus verschiedenen dunkelgrauen Schichten, verdeckt von einem anthrazitfarbenen, weiten Mantel, in dessen Ärmeln er seine Arme verschränkt hat, gekleidet macht der Wächter an sich nicht die imposanteste Figur, wenn da nicht die doch deutlich eindrucksvolleren Zwillingsklingen wären, die an seinem Gürtel lose befestigt griffbereit an seiner Seite hängen. Und noch etwas ist merkwürdig: Sein Blick ist nicht suchend, der Kopf nicht vorgestreckt um angestrengt etwas im Dunklen zu erkennen, nein, der Kopf ist zurückgelehnt und der Blick ruht zielsicher auf ihrer Gestalt.

  • "Wie man es nimmt", sagt die eher kleine Frau und zuckt mit den Schultern. Sie sieht nicht besonders viel und der Wind steht nun ungünstig für sie, aber die markanten Ohren der Gestalt, die dort so lässig am Stamm des Baumes lehnt, sind kaum zu übersehen.
    "Also seid Ihr einer dieser Elben, die sich hier niedergelassen haben." Eine Feststellung, nur der Hauch einer Frage liegt in diesen Worten.

  • Die Wandlerin schlingt die Arme um den Oberkörper, jetzt, wo sie - wenigstens ein wenig - zur Ruhe kommt, spürt sie die Kälte. Viel an hat sie nicht, gemessen an der Witterung: eine abgewetzte Fellweste über einem wollenen, dutzendfach geflickten Hemd, mindestens ebenso oft geflickte Hosen, derbe Schnürstiefel. Kein Gürtel, keine Taschen, keine Waffen. Nur ein kleines, etwa handlanges Messer steckt in ihrem rechten Stiefel.
    "Ein Besuch. Kommt nicht besonders oft vor." Überflüssigerweise fügt sie hinzu: "Ich bin nicht von hier."

  • Da von der Frau keine unmittelbare Gefahr auszugehen scheint, begibt sich Shaifëa zurück an einen Punkt der prinzipiell im Gesichtsfeld der Wandlerin läge, wenn sie in der Dunkelheit so gut sehen könnte wie die Mondelben. Von dort aus tritt sie zu Endúneath, langsam und mit nach außen gewendeten Handflächen, als Zeichen daß sie keine Waffe hält und keine Bedrohung darstellt.

  • "Neugierig für einen Elben", erwidert sie spöttisch, doch ohne eine Miene zu verziehen.
    "Eine Freundin aus der Stadt." Eine wage Handbewegung in die Richtung Amonlonde-Stadts unterstreicht ihre Worte.
    Sie hebt kaum wahrnehmbar eine Augenbraue, als eine zweite Gestalt aus dem Dunkel tritt. Du Narr!
    "Oh, nun sind wir schon zu dritt. Kommt noch jemand?"