Der Tempel Kapals

  • "Ich bleibe noch etwas, danke", gab Alanis zurück, dankbar für die Gelegenheit, die sich ihr hier bot und schenkt Growin ein Lächeln, das auch die Novizin mit einschloss. Die kleine Auseinandersetzung mit Lira war nun schon über ein Jahr her, sie fragt sich, was die junge Frau wohl gerade denken mochte. "Gehabt Euch wohl."

  • Alanis blieb vor der Feuerschale zurück und atmete warme, trockene Luft ein. Ihr Herz raste und für einen Moment warf sie einen Blick zurück zum Portal, so als stände ein Hinausrennen in den Regen zur Diskussion.


    Schließlich atmete sie durch, fuhr sich in einer vollkommen sinnlosen, eitlen Geste über die Haare und ging dann in Richtung der hinteren Räume, um es endlich hinter sich zu bringen. Sie horchte, ob sie noch Hammerschläge hören konnte.

  • Der Hammer war verklungen.
    Der junge Priester war wohl mit der Novizin in die Küche gegangen und dort geblieben.
    Zumindest war aus diesem Raum Geräusche zu hören die hin und wieder die Monotonie des knackenden Feuers und des leise prasselnden Regens auf dem Dach durchbrachen.

  • Alanis atmete durch und versuchte, die aufkommenden Magenschmerzen zu ignorieren. Eigentlich war das, was sie vorhatte, ebenso egostisch wie idiotisch, aber andererseits konnte man ja nicht immer in Angst leben vor den Dingen, die man versaut hatte.


    Sie straffte ihre Schultern und ging dann in Richtung der Küche, wo sie im Türrahmen stehen blieb und hineinsah.


    "Jemand zuhause?", fragte sie schon auf dem Weg dorthin, um sich anzukündigen.

  • Damorg war dabei leere Kisten und andere Vorratsbehälter aus der Speisekammer zu räumen, damit später die neuen Lebensmittel schnell verstaut werden konnten.
    Als er die Stimme hinter sich vernahm stutzte er kurz und richtete sich auf. Langsam drehte er sich um und blickte in die Richtung der Tür.
    War das die Stimme der Person die er vermutete oder war es nur ein Wunsch, vielleicht auch eine Angst?


    Leichte Gänsehaut bildete sich in seinem Nacken.


    "Ja hier."

  • Alanis blieb im Türrahmen stehen und hoffte, dass ihre Stimme sich nicht weiterhin so unsicher anhörte, wie sie in ihren eigenen Ohren klang.


    "Ich -." Sie lächelte schmal und verkniff es sich so gerade, direkt mit allem, was sie zu sagen hatte, herauszurücken. "Hallo. Der Regen hat mich in Deinen Tempel gespült. Ich hoffe ich störe nicht?"


    Sie verschränkte die Arm miteinander.

  • Der Priester war in schlichte Kleidung gehüllt. Braun und beige waren die überwiegenden Farben, der Verschleiß war Weste, Hose und Hemd deutlich anzusehen.
    Als er die Priesterin erblickte schien ihm die Luft im Hals stecken zu bleiben, als wenn er sich an einem Stück Apfel verschluckt hätte. Dennoch war er bemüht Gleichgültigkeit an den Tag zu legen. Um dies zu unterstreichen zog er seine linke Augenbraue nach oben und musterte die Frau die ihm so lange so viel bedeutete von oben bis unten.


    "Nein. Du störst nicht. Setz dich doch."


    Mit zwei Schritten war er bei dem Stuhl der zwischen ihnen stand und zog ihn ein Stück vom Tisch weg, damit sie sich setzen konnte.

  • Die Musterung ließ die Priesterin stumm und scheinbar unbewegt über sich ergeben und wußte, dass es so einiges gab, was er bemerken würde. Die neue Vorliebe für die Farbe Grau - grauer Mantel, graues, hochgeschlossenes Kleid. Dummerweise auch ein paar graue Haare und Schatten unter den Augen. Ein neues, goldenes Elementeamulett, das an einer Lederschnur an ihrem Hals hing.


    Als er ihr den Stuhl anbot, sah man ihr deutlich an, dass sie diese Geste verdutzte. Zögerlich, so als wolle sie den Schutz des Türrahmens, der ja praktisch das Tor zur Flucht war, nicht verlassen, trat sie schließlich in die Küche und ließ sich nieder.


    Sie musterte Damorg einen Moment lang, setzte an, etwas zu sagen und schloss dann den Mund wieder. Röte schlich sich in ihre Wangen, die, obwohl es Sommer war, ätherisch bleich waren wie der Rest ihres Gesichts. Die vielen Nachtschichten im Hospital blieben eben nicht ohne Folgen.


    "Danke." Ja, das Wort schien unverfänglich genug und war gerade noch so herauszubekommen, weil ihr die Kehle ziemlich eng war.

  • Nachdem sich die Priesterin gesetzt hatte, ging er zu der Anrichte der Küche um aus dem unteren Schrank einen Becher zuholen den er vor die Priesterin auf den Tisch stellte. Dannach ging er zur Arbeitsfläche auf der bereits zwei Becher und ein großer Krug standen. Letzteres und einen der Becher nahm er und stellte beides ebenfalls auf den Tisch. Bei all dem beeilte er sich nicht und lies die Stille im Raum stehen. Erst bevor er ansetzte die Becher zu füllen sprach er.


    "Wasser oder lieber Wein?"


    Seine Stimme war dabei ebenso trocken wie ein lorenischer Wein der schon viele jahre lang nicht die Dunkelheit eines Kellers verlassen hatte.

  • "Wein, bitte, falls es keine Umstände macht." Sie hatte an diesem Tag eh nichts mehr vor - es war eine lange Nacht im Hospital gewesen - und vielleicht baute der Alkohol die Hemmungen, sich auch nur verständlich mitzuteilen, ein wenig ab.


    Momentan lief alles auf einer Ebene ab, auf der sich zwei einander vollkommen unbekannte Menschen sicher bewegen konnten. Wenn man allerdings für eine ganze Weile Tisch und Bett geteilt hatte, bekam diese Ebene eine ganz neue Bedeutung. Spannend und erschreckend zugleich die Erwartung, wer wohl zuerst diese Ebene verließ.

    "Wie geht es Dir?"

  • Mit wenigen Schritten war Damorg wieder bei der Vorratskammer und verschwand zur Hälfte hinter dem Türrahmen. Mit einem Krug der nach oben schmal wurde und mit einem Korken verstopft war kehrte er dann an den Tisch zurück. Ehe er sich setzte zog er den Stopfen aus dem Hals und schenkte der Priesterin ein.


    "Etwas Liebliches, ich hoffe daran hat sich nichts geändert."


    Erst dann nahm er ebenfalls Platz.


    "Ich kann mich nicht beschweren. Es geht vorran.Meine Zeit lässt sich gut nutzen. Es war längst Zeit, dass ich mich der Novizin etwas mehr widme."


    Selbst schenkte er sich aus dem Wasserkrug ein, den er zuvor auf den Tisch gestellt hatte.


    "Und selbst?"

  • Nein, an ihrer Vorliebe für süße Weine hatte sich nichts geändert. Sie nickte dazu nur. Gewisse Dinge blieben, wie sie waren, während sich in anderen ein vollkommener Wandel vollzog.


    Bei den Worten über seine Novizin konnte sie nicht ganz verhindern, dass ein Zucken über ihr Gesicht lief, doch sie überspielte es, indem sie einen Schluck Wein nahm.


    "Gut", sagte sie dann und bemühte sich um ein Lächeln. "Ich habe einige Reisen unternommen, aber den Sommer über war ich hier und habe mich um das Hospital und mein Haus gekümmert, das ein bisschen vernachlässigt war."

  • Er nahm einen Schluck aus seinem Becher und stellte ihn dann wieder auf den Tisch und lehnte sich nach hinten.


    "So lange bist du schon hier? Ich dachte du wärst auf reisen und hättest dich schon eine ganze Weil nicht mehr in der Siedlung blicken lassen. Da denkt man, dass man als Tempelvorsteher so einiges mitbekommt und dann das."


    Seine leichte Überraschung war mehr gespielt als echt, vielmehr schien er traurig über die Tatsache.


    "Es freut mich. Ich dachte schon du hättest all dem was du hier aufgebaut hast den Rücken zugekehrt."

  • Hatte er sie im Auge zu behalten versucht? Möglich. Und ein wenig tröstlich.


    "Ich habe Renascân nicht verlassen - man kann nicht immer nur Geschirr zerschmeißen und hoffen, dass man niemals wieder drauftritt. Aber ich arbeite sehr viel und das meist nachts, daher bin ich nicht wirklich präsent in der Siedlung." Ihre Mundwinkel hoben sich leicht, aber ein echtes Lächeln wollte das nicht werden.

  • Er krübelte für ein paar Herzschläge. Dabei schien er weder unfreudlich noch sonderlich gut gelaunt.


    "Das hätte ich auch nicht von dir erwartet. Also eine Flucht. Aber das Letzte was ich von dir gehört hatte lies das fast vermuten. Umso schöne das du noch hier bist."


    Nach einem tiefen Atemzug seufzte er leicht.

  • "Du erinnerst dich an den Brief den du mir hast zukommen lassen? Warum würdest du mir das alles aufschreiben anstelle es mir direkt zu sagen, wenn du die Stadt nicht schon verlassen hättest?"


    Damorg zuckte mit den Schultern.


    "Bisher bin ich davon ausgegangen, dass du Renascân schon längst verlassen hattest."

  • "Ah", machte Alanis und iher Schultern sackten ein Stück nach unten. "Ja, da war ich auf der Reise nach Daynon und habe es vorher nicht über mich gebracht, mit Dir zu reden."


    Man sah ihr an, dass sie sich schämte.

  • Er lehnte sich wieder nach vorne und nahm einen Schluck Wasser aus dem Becher. Irgendwie war ihm war, aber das musste sicherlich an dem schwülen Wetter liegen.


    "Wie dem auch sei. Du bist noch hier. Aber du hast dich ganz schön verändert."