Der Tempel Kapals

  • "Dann könnt ihr nun ruhen. Es besteht keine Schuld oder etwas in der Art."


    Damorg blickte kurz zu seinen Begleitern und dann wieder zu Isabell. Erneut nickte er kurz.


    "Ihr entschuldigt mich dann bitte? Es gibt noch einige Dinge um die ich mich heute kümmern muss. Morgen werde ich bereits wieder aufbrechen müssen und die Siedlung verlassen."

  • "Natürlich. Ich wollte dich auch nicht zu lange aufhalten."


    Isabell rückte ihre Tasche auf der Schulter zurecht und lächelte Damorg an.


    "Dann wünsche ich dir eine gute Reise. Und vielleicht läuft man sich irgendwann wieder über den Weg"

  • Der Priester nickte Isabell zu.


    "Wenn die Fünf es so wollen. Ich wünsche dir eine gute und sichere Reise."


    Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf sein Gesicht, als er sich langsam wieder seinen Begleitern zudrehte.

  • Sehr viel später


    Es war Abend und zwei sehr unterschiedliche Gestalten saßen in der Tempelküche und starrten in die Feuerstelle. Diese war noch nicht oft in Benutzung gewesen und so hatte der Ruß des verbrennenden Holzes die steinerne Wand noch kaum geschwärzt. Aus dem Kessel über dem Feuer stieg der Geruch einer einfachen Mahlzeit, die Gorwin zubereitet hatte, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Liras Aussage, sie könne nicht kochen, wirklich und ehrlich der Wahrheit entsprachen.


    Die beiden Priester hatten schweigend gegessen, dann hatte Lira ihren Brustharnisch aus ihrem Zimmer geholt und machte sich nun daran, den winzigen Hauch Flugrost abzuschleifen, der sich während der Reise von Magonien nach Renascân darauf gebildet hatte. Irgendwann hob sie den Kopf.


    "Meinst Du er kommt wieder zurück?", fragte sie in die Stille des Raumes. Gorwin, der in seinem Brevier las, blickte auf, die Augen noch immer zusammengekniffen von der Anstrengung des Lesen in dem schlechten Licht. "Sollten wir uns darum kümmern, die Flamme herzuholen?"


    Gorwin seufzte, ein Laut, der seine breiten Schultern in Bewegung brachte.


    "Kind, Dir fehlt die Geduld. Es ist seine Aufgabe und sie wird es bleiben, bis wir etwas Anderes hören."


    Das war schon eine verdammt lange Rede für einen Mann wie ihn, aber sie konnte Liras Ungeduld dieses Mal nicht eindämmen.


    "Aber es muss doch langsam mal etwas passieren!" Sie warf das Poliertuch auf den Tisch. Ihre blauen Augen blitzten. "Ich will endlich damit aufhören, jeden Tag in den Holztempel zu laufen. Ich meine - dem Herrn Kapal gebührt endlich ein alleiniger Tempel! Aus Stein!"


    Gorwin hob eine Hand, die dunkel war von der Asche der Esse, an der er fast täglich arbeitete. Es war eine schlichte Geste, aber sie zeigte sofort Wirkung. Lira verstummte.


    "Erinnere Dich an Deinen Platz", sagte der ältere Priester und maß die Novizin mit einem langen Blick. Lira wollte aufbegehren, doch schließlich senkte sie den Kopf.


    "Verzeih mir", bat sie dann zähneknirschend und wandte sich wieder ihre Arbeit zu.

  • Damorg kehrte nach Renascân zurück. Seine Ankunft hatte sich um weitere Wochen verzögert, da er zunächst nach Amonlonde gereist war um dort der Wahl des neuen Rates beizuwohnen. Als er im Tempel angekommen war begrüßte er den anderen Priester und seine Novizin freundlich, aber blieb ihnen eine ausführliche Erläuterung der Reise schuldig. Für ihn war es nur wichtig wieder hier zu sein.


    Mit den weiteren Fortschritten bezüglich des Tempelbaus war er zufrieden, auch wenn er dies nicht zeigte oder sagte. Es vergingen zwei Tage nach seiner Ankunft in denen er sich um die wichtigsten Angelegenheiten kümmerte, die auf ihn warteten. Auch in dieser Zeit lies er selbst auf Nachfrage nicht viel über seine Reise verlauten. Allgemein war er schweigsam.


    Nachdem alle Sachen wieder ihren gewohnten Lauf genommen hatten, verbrachte der Priester die meiste Zeit in dem gemauerten Raum unter dem eigentlichen Tempel, in Stille, oder vor der Feuerschale Kapals, in laute Gebete versunken. Den Tempel verlassen zu wollen, kam ihm nicht in den Sinn.

  • Schnee fällt auf das Dach des beeindruckenden Gebäudes, als Alanis über den Dorfplatz kommend, darauf zugeht. Mit jedem unsicheren Schritt, den sie tut, wird sie langsamer, bis sie schließlich vor der Pforte stehenbleibt. Sie atmet durch, die warme Luft vor ihrem Mund bildet kleine Wolken. Die Hände in den Ärmeln ihres Wintermantels bergend, zögert sie. Es gibt nichts, was sie Damorg sagen könnte, denn nichts ist gerade sicher. Aber sie vermisst ihn, was ihr eigentlich Antwort auf ihre Fragen sein sollte. Schließlich seufzt sie leise und wendet sich um, um zu gehen.

  • Während sich die Priesterin noch in der Drehung befand, öffnete sich laut die Pforte des Tempels. Beide Flügel wurden zügig bewegt und kurz darauf hörte man das bekannte Geräusch eines Besens. Der Dreck des vergangenen Tages wurde von der jungen Novizin Lira in hohen Bogen an die frische Luft befördert. Die warme Luft die dem wehrhaften Bau entweichte, trug den Duft von verschiedenen Harzen und Kräutern mit sich, die scheinbar im Inneren verbrannt wurden. Die junge Frau warf einen kurzen, verwunderten Blick auf Alanis und wendete sich dann wieder ihrer Arbeit zu.

  • Alanis wendet sich halb um und mustert die Frau, die in der Pforte auftaucht. Keine Frau - eher noch ein Mädchen, entscheidet sie nach einem Blick. Aber ein ausnehmend hübsches Mädchen, mit kupferroten Haare und durchdringenden, blauen Augen. Alanis verzieht kurz den Mund. Dies muss also die Novizin sein. Rothaarige entsprechen offenkundig Damorgs Vorliebe, was ihr bei dem Zwischenfall mit der Vampirin aufgegangen ist.


    Sie will schon wieder gehen, als ihr der Gedanke kommt, dass sie, da sie nicht im Hospital arbeiten war, gar nicht hatte überprüfen können, ob Damorg zur Nachsorge bei einem Heiler war. Sie seufzt und wendet sich wieder um.


    "Entschuldigt. Wäre der Kestor zu sprechen?"

  • Aufmerksam musterte Lira die andere Frau. Etwas kleiner als sie selbst, älter und nicht mit dem gestählten Körper einer Kapalpriesterin. Fußvolk.

    "Nein."
    antwortete sie dann kurz angebunden und ohne einen Grund dafür zu nennen. Das ging die Frau schließlich auch nichts an.


    "Wenn ihr mit einem Priester Kapals sprechen wollt, dann ist Gorwin für Euch zu sprechen."


    Dann fegte sie in ihrem stets gleichbleibenden Rythmus weiter während ihr Atem in weißen Wölkchen vor ihrem Gesicht schwebte. Seelsorge war nicht ihre Sache.

  • Alanis beißt sich auf die Lippe, um sich eine scharfe Antwort zu verkneifen. Aber die Novizin tut ja auch nur ihre Pflicht. Und sie war so schroff, wie es einem Kapalpreister wohl zustand.


    "Ich brauche keinen priesterlichen Beistand, vielen Dank." Das klingt dann doch spitzer, als sie es gewollt hatte. "Wann wird er wieder zu sprechen sein?"

  • Lira hielt aprupt in ihrem Tun inne, stellte den Besen aufrecht hin und straffte unbewusst die Schultern. Den Besen hatte sie wie eine Hellebarde neben sich gestellt.


    "Wenn Ihr keinen priesterlichen Beistand sucht, dann solltet ihre diese geheiligten Hallen auch nicht mit Eurer grundlosen Anwesenheit beleidigen."


    Wegen Wasauchimmer einfach durch einen Tempel..? Sie war einigermaßen entrüstet.


    "Euer Anliegen wird warten müssen. Er ist nicht zu sprechen."


    beharrte sie und musterte Alanis aus kühlen, blauen Augen. Einige Strähnen ihres Haares hatten sich einen Weg aus dem Zopf gesucht und hingen ihr ins Gesicht.

  • Alanis hebt eine Augenbraue.


    "Ah", sagt sie dann trügerisch sanft. Röte steigt ihr in die Wangen, die nichts mit der Kälte zu tun hat. "Und da dachte ich doch, dass ein Tempel ein Ort des Schutzes und des stillen Gebetes sein kann, für das es einen Priester gar nicht braucht. So kann man sich irren."

  • Liras Augen verengten sich zu Schlitzen.


    "Ihr solltet aufpassen, wen Ihr wo zurechtweist. Dies ist ein Tempel Kapals und ich bin seine Novizin. Maßt Euch nicht an mir zu sagen, was hier richtig und was falsch ist."


    Jetzt zierte auch ihr Gesicht ein wölfisches Lächeln.


    "Wenn Ihr zum Beten hier seid, dann nur zu. Geht hinein, werft Euch vor der Feuerschale nieder und gebt Euer Blut. Aber dafür braucht Ihr ja auch nicht seine Eminenz, nicht wahr?"

  • Alanis lächelt weiter und ihre Stimme ist unendlich sanft und freundlich.


    "Nichts an meinen Worten war Zurechtweisung. Wenn Ihr es so auffassen wollt, tut es mir natürlich furchtbar Leid." Ihre Worte enthalten keinerlei Ironie, aber da ist eine unterschwellige Note in ihrer Stimme, die wie eine blank gezogene Klinge ist. "Und nein, ich bin nicht zum Beten hier. Ich gehe dazu lieber in einen Tempel meines Glaubens."


    Die Art und Weise, wie sie es sagt, ist fast genüsslich, weil es sie interessiert, wie die Novizin darauf reagieren mag. Obwohl sie zornig ist, ist das Gespräch doch das Interessanteste, was ihr seit einer Woche geschehen ist.

  • Für einen kurzen Moment entgleisten Liras Gesichtszüge, sie fing sich aber recht rasch wieder.


    "Dann verlasst diesen heiligen Ort auf dem schnellsten Wege und betretet Ihn nicht wieder. Eine Entweihung dieses Bodens darf ich nicht dulden."


    zischte sie scharf.


    "Und behelligt seine Eminenz nicht wieder. Seine Zeit ist zu kostbar, um sich mit Eurer Ketzerei herumzuschlagen."


    Gefechte mit scharfen Klingen oder den Fäusten zu lösen war sie gewohnt. Dieses Wortduell aber lag ihr nicht. Ihre Schultern waren deutlich angespannt, die Fingerknöchel, die sich um den Stecken des Besens schlossen, traten weiß hervor.

  • Alanis schüttelt leicht den Kopf.


    "Ihr müßt noch sehr viel lernen", erklärt sie Lira und es klingt nicht provokant, nur ein wenig traurig und mitleidig. "Aber ich respektiere natürlich, dass Ihr die Stellvertreterin Eures Gottes auf Erden seid und mir in seinem Namen die Tür weist." Ihre Augen blitzen auf. "Was Damorg angeht -." Sie benutzt seinen Namen absichtlich, nicht den Titel. "Sagt ihm, dass ich hier war. Mein Name ist Alanis. Er kann dann selbst über seine Zeit entscheiden."


    Mit diesen Worten dreht sich Alanis um und schickt sich an zu gehen.

  • "Darauf kannst du dich gefasst machen." knurrte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ihre Schultern hoben und senkten sich deutlich. Aus ihren Augen sprühten Blitze und hätten Alanis wohl erschlagen, wenn sie von Substanz gewesen wären.


    "GAH!" machte sie wütend. Sie wollte dieser aufgeblasenen Kuh noch eine Entgegnung hinterher werfen. Eine schneidende Bemerkung, etwas, was es auf den Punkt brachte. Aber frustriert musste sie feststellen, dass ihr nichts einfiel.


    Sie knirschte geräuschvoll mit den Zähnen und schleuderte dann den Besen mit einer schwungvollen Geste von sich. Der traf mit einem vernehmlichen Knacksen auf den Rand des Brunnens auf und schlidderte weiter über den Boden. Direkt vor Gorwins Füße.

  • Alanis sieht aus den Augenwinkeln einen Besen an sich vorbeifliegen und wirbelt herum, als die Reflexe aus unzählichen Kämpfen greifen. Sie hat die Hände erhoben, nimmt sie dann aber wieder herunter, als sie sieht, dass keine Gefahr droht. Entweder war die Novizin eine wirklich schlechte Werferin oder sie hatte sie gar nicht treffen wollen.


    Ihr Blick wandert zu dem älteren Mann, der sich nähert und der beim Anblick der Szene ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter zieht, dann huscht er zu der Novizin. Ob das -?