Auf dem Weg zurück nach Magonien - Irgendwo auf dem Meer

  • Nach wie vor recht blass um die Nase saß Ashaba in einen Mantel gehüllt auf einer Kiste an Deck. Das Blut, das sie verloren hatte, schien sich nur widerwillig neu bilden zu wollen. Ab und an hob sie die Hand an ihren Hals um sich zu vergewissern, dass die Wundmale nicht mehr da waren. In der Nacht vor ihrer Abreise war sie einige Male aufgeschreckt und hatte die Hände in ihre Decke gekrallt. Hatte dort jemand nach ihr gerufen? Bildete sie sich das Bedürfnis nach draußen zu gehen nur ein? Nach einiger Zeit sank sie wieder in einen unruhigen Schlaf.


    Sie konnte nicht einmal sagen, dass die Wunden noch weh täten. Keine Nähte, keine Narben. Nichts. Die Magier hatten großartige Arbeit geleistet. Aber ohne die Heiler im Lazarett wäre sie an diesem Abend gegangen. So viel war sicher. Das letzte, an das sie sich erinnerte war, wie die Vampire ihre Zähne in ihre Handgelenke schlugen, in ihren Hals. Und dann war da Dunkelheit.

  • Damorg der nur widerwillig eingesehen hatte aus Fornlond abzuziehen, sich aber am Ende doch der Weisheit der Göttin Akestera ergeben musste, war auf dem Schiff noch etwas ruhiger und schweigsamer als sonst. Sie waren ihrem sicheren Tot entkommen, doch dabei auf das Wohlwollen von Wesen angewießen zu sein, deren Seelen längst durch den Hammer Kapals zerschmettert sein sollten, war ihm eine Schmach.


    So ging auch er einmal mehr in Gedanken versunken über das Deck. Als er Ashaba bei einem mehr beiläufigen Blick zur Seite entdeckte, änderte er die Richtung seiner Schritte ein wenig. Als er bei ihr angekommen war lehnte er sich schweigend an die Reling, nur wenige Schritt entfernt von seinem ehmaligen Serganten.

  • "Der Kapitän sagt, dass wir noch etwa eine Woche unterwegs sein werden."


    Sie legte die Arme um ihren Körper. Wie so oft in letzter Zeit war ihr kalt. Die Heiler hatten gesagt, dass das vom Blutverlust käme und wieder vergehen würde.


    "Wenn du wüsstest, wie ich mich auf festen Boden freue. Ein nicht schaukelndes Bett, den schnarchenden Köter.."

  • "Das kann ich mir sehr gut vorstellen."


    Damorg musste etwas schmunzeln und verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken. Seine Nackenhaare stellten sich ein wenig auf, als ihn eine kalte Windböhe erwischte.


    "Wie geht es dir?"


    Seine Stimme klingt ernst und ein Unterton von Sorge schwingt mit.

  • Ashaba zuckte mit den Schultern.


    "Ich denke ganz gut."


    meinte sie.


    "Den Bericht zu schreiben wird kein Spaß. Aber das hebe ich mir auf, bis wir wieder zuhause sind."


    Sie hob ihre Hand, so dass Damorg sehen konnte, wie ihre Finger zitterten.


    "Wir können sehr gespannt sein, was weiter in Forlond passieren wird. Diese... Vampire.. keine angenehmen Zeitgenossen."

  • Damorg schüttelte seinen Kopf.


    "Sicherlich nicht. Aber Amonlonde müsste verrückt sein, wenn sie diese Kolonie weiter halten wollen. Aber das sollte zunächst nicht unser Bier sein, hoffe ich."


    Er räusperte sich.


    "Und was machen deine Gedanken? Deine Gefühle? Das es deinem Körper langsam wieder besser geht sehe ich. Aber diese Vampire hatten ihre dunklen Finger bis tief in deinen Geist ausgestreckt."

  • "So wie sich das angefühlt hat, hast du sie mit sehr viel Nachdruck aufgefordert, ihre Finger wieder aus selbigem zu nehmen."


    Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse.


    "Nein, mal im Ernst. In der Nacht vor unserer Abreise.. ich weiß nicht, ob es ein Traum war oder echt. Ich glaubte, dass etwas mich nach draußen ruft. Aber ich konnte denken, ich konnte dem widerstehen. Es war ein widerliches Gefühl."


    Leicht zog sie die Schultern an und erschauderte.


    "Wenn ich jetzt in mich hinein horche, antwortet nichts mehr davon. Es ist einigermaßen seltsam, wenn dich jemand halb ausweidet und du trotzdem Verständnis für ihn aufbringst. Es sogar irgendwie bedauerst, dass er sein Werk nicht zu Ende gebracht hat."


    Nüchtern versuchte sie ihre völlig irrationalen Gefühle bzw. die Erinnerungen daran in Worte zu fassen. Es war irgendwie angenehm gewesen, sich den Vampiren zu ergeben. Die Müdigkeit, die sich in ihren Gliedern breit gemacht hatte, war in eine wattige Dunkelheit übergegangen, angefüllt mit einem süßen Glücksgefühl und der Einladung loszulassen. Doch bevor sie die Hand nach der Einladung hatte ausstrecken können, war sie bewusstlos geworden.

  • Von hier kommend....dann folgte das Amonlonde 10....

    An diesem Morgen hat sich die Priesterin nur recht kurz mühsam aus ihrer Koje gequält, um ihre Prellungen, die ihr die Kreaturen vor allem an Armen und Rücken zugefügt haben, mit Salbe zu bestreichen. Der Schutz, der von den Elementen ausging, war dafür verantwortlich gewesen, dass keine der Waffen wirkliche Wunden geschlagen hatten. Sie hatte tatsächlich nicht einen Tropfen Blut verloren, dennoch hatte sie beim Blick auf ihren bloßen Rücken, der nur mit der Hilfe eines kleinen Standspiegels möglich war, verstanden, wie knapp die Kämpfe gewesen waren. Schwarzblau unterlaufene Spuren von Klingen und Klauen verunzieren die weiße Haut und werden wohl noch eine ganze Weile dort zu sehen sein. Dazu kommt ein taubes rechtes Bein - irgendwo in ihrem Rücken hatte es recht hässlich geknackt, als sie versucht hatte, Aalok vom Schlachtfeld zu zerren - und nicht zu vergessen ihre Hände, die so sehr jucken, dass sie sie wieder bandagiert hat, um sich nicht die neu gebildete Haut herunterzukratzen.


    Nach der morgendlichen Bestandaufnahme hatte sie sich ihren Flachmann gesucht, ihren Pegel vom Vorabend wieder aufgefüllt - nichts half besser gegen Schmerz und Erinnerung als ein leichter Dusel -, und war wieder mit Hilfe des Schemels in die obere Koje geklettert, immer vorsichtig darauf bedacht, Ashaba nicht zu wecken, die in der unteren Koje einem unruhigen Schlaf erlegen war. Sie hatte dem Sergeanten angeboten, mit ihr eine Kabine zu beziehen, um ihr als Heilerin zur Verfügung zu stehen, was Ashaba dann auch angenommen hatte.


    Nun, einige Stunden später, ist Alanis wach und wieder nüchtern, aber nicht unbedingt gut gelaunt. Mit seltsam steifen Schritten überwindet sie die hölzernen Stufen zum Deck und verflucht jeden einzelnen Schritt, den sie tut. Als sie schließlich auf Deck ist, atmet sie tief durch und sieht sich um. Damorg und Ashaba in einiger Entfernung erblickend, will sie schon dem Impuls ihrer Beine nachfolgen, zu den beiden hinüberzugehen, doch sie überlegt es sich anders. Ihr dunkles Schultertuch enger um sich schlingend, geht sie in die Offiziersmesse, in der die Mahlzeiten eingenommen werden, um dort in Ruhe etwas zu lesen.


    Als sie wenig später in der harten Bank sitzt und ihr einer der besorgten Maate eine Tasse Tee organisiert hat - es ist auf dem Schiff nicht unbemerkt geblieben, was die Passagiere nach Renascân wohl hinter sich haben - , ist jedoch an Lesen nicht zu denken. Das Buch mit Sprachlektionen liegt unangetastet vor ihr auf dem Tisch. Alanis Blick geht in die Ferne.

    "Meister, wo bist Du nur?"
    , murmelt sie leise vor sich hin, dann verliert sich ihre Aufmerksamkeit wieder im Nichts, während sie die Teetasse mit dem langsam erkaltenden Inhalt in ihren bandagierten Fingern hält.

  • Ein Grinsen bildete sich auf Damorgs Lippen, es war weder Spot noch Belustigung, es war Resignation.


    "Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht einfach gehen lasse. Und du hast mir einen Schrecken eingejagt, den ich so bald nicht vergessen werde. Ich danke den Göttern, dass ich dich erst bei den Heilern gefunden habe. Ich hätte nicht gewusst was ich getan hätte, wenn du mir auf dem Schlachtfeld begegnet wärst."


    Der Priester Schluckte trocken.


    "Wir stehen tief in der Schuld von Alexandre."

  • Ashaba nickte, als Damorg sprach. 'Lieber tot als Vampir.' waren ihre Worte gewesen und das hatte sie auch so gemeint. Niemand hätte es ihm nachtragen dürfen, wenn er sie am Ende getötet hätte. Es wäre ihr Wunsch gewesen. Als er aber Alexandre erwähnte, hob sie den Kopf und sah Damorg irritiert an.


    "Wem?" fragte Ashaba. "Was hat der denn damit zu tun?"

  • Damorg schaute Ashaba nun ebenfalls irritiert und zugleich etwas fragend an.


    "Nun ich dachte du wüsstest was passiert sei. Ihm verdankst du wohl dein Leben. Alanis konnte nichts mehr gegen deine schweren Verletzungen ausrichten, ohne die Element um Hilfe zu bitten. Dies hattest du aber ausdrücklich verboten. Also nahm Alexandre all den Schmerz und die Wunden von dir, um an deiner Stelle zu bluten. Ich habe dann nur noch die Fäulnis und die Dunkelheit aus deinem Leib gebannt."


    Seine kurze Erzählung war ruhig vorgetragen nur hin und wieder wurde ein Wort vom Wind davongetragen und klang undeutlich.

  • Ashaba starrte Damorg mit einem unglaublich dämlichen Gesichtsausdruck an.


    "Nein, das wusste ich nicht. Einige Bilder sind mir in Erinnerung geblieben, Eindrücke, aber was genau und.. wer.. das weiß ich nicht."


    Sie hatte ihm nicht mal gedankt.

  • Damorg schürzte kurz die Lippen.


    "Es wird sicherlich eine Gelegenheit geben, bei der du dich bei Alexandre bedanken kannst und ich bin mir sicher er wird es dir nicht nachtragen. Du sahst in der Tat zum Erbarmen aus, nachdem wir dich wieder zu uns geholt hatten."


    Dann zuckte er nochmal mit den Schultern.


    "Was soll´s. Ich bin froh das du hier bist."

  • "Ich hoffe doch, dass es die Gelegenheit gibt. Es wäre unverzeihlich, wenn ich mich nicht bedanken könnte."


    Sie schüttelte den Kopf und zuckte etwas zusammen, als sie sich reckte und einige Prellungen am Rücken sich meldeten.


    "Diesmal war es scheinbar wirklich knapp. Und diesmal warst nicht du es, der völlig verbeult im Lazarett lag."


    Sie krauselte die Nase und grinste Damorg von unten an.


    "Einerseits ist das ja eine nette Abwechslung, andererseits hats echt weh getan."

  • "Nichts das man braucht, oder?"


    Auch der Priester musste schmunzeln.


    "Aber nun weiß ich wie ihr euch ab und an fühlen müsst."


    Er seufzte, dabei hoben und senkten sich seine Schultern deutlich. Seinen Blick senkte er bis er auf dem Boden bei den Planken angekommen war.

  • Sie warf Damorg einen seltsamen Blick zu.


    "Ja. Es ist unschön einen Freund vor sich liegen zu sehen, dessen Körper eher einem ausblutenden Schwein gleicht als einem Menschen."


    Mit einem müden Seufzen rieb sie sich über die Augen.


    "Was kann man jemandem geben, der nichts unbedingt zu brauchen scheint, das ein Dank für das eigene Leben sein soll? Alles was mir einfällt, erscheint mir zu... sinnlos."


    Zunächst hatte sie überlegt, Alexandre Geld zukommen zu lassen. Aber er war gut angezogen, schien keine Not zu leiden. Er könnte es als Beleidigung auffassen. Aber sie würde Informationen einholen. Ein Heiler konnte nicht von Luft und Ehre allein leben. Wenn sie ihm unbemerkt etwas zukommen lassen konnte, dann wäre das auch schon etwas. Jedoch was konnte das eigene Leben schon wirklich aufwiegen?

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • Damorgs Blick wanderte wieder ein Stück nach oben, bis er dem Serganten in die Augen sehen konnte, dann legte er seinen Kopf leicht schief.


    "Wenn die Fünf wollen, dass du ihm Wiedergutmachung leistest, dann werden sie dir eine Gelegenheit dafür geben. Außerdem denke ich das Alexandre ein sehr begnügsamer Mensch ist. Mach dir darum nicht zuviele Gedanken."

  • "Genügsam hin oder her, Damorg. Ich werde ihm zwar keinen Palast als Residenz schenken können und Aria wird sich vermutlich auch weigern, ihm als Geschenk verpackt zu willen zu sein, aber zumindest irgendeine Geste muss es sein."


    Sie grinste. Der kalte Wind hatten ihre Wangen gerötet, was ihr ein gesünderes Aussehen gab.


    "Ich weiß, ich soll mich in Geduld üben und warten, was die Götter vorgesehen haben."


    Forschend musterte sie Damorg.


    "Ist das alles, was du wolltest? Dir scheint noch etwas auf dem Herzen zu liegen."

  • Damorg schien überrascht und verwundert. Seine rechte Augenbraue hob sich leicht.


    "Nicht das ich wüsste. Ich wollte dir nur noch einmal gesagt haben, dass ich mir ernsthafte Sorgen um dich gemacht habe und froh bin, dass alles ein mehr oder weniger gutes Ende gefunden hat."


    Er nickte kurz um sich seine eigenen Worte zu bestätigen.


    "Oder gibt es noch etwas das du von mir wissen möchtest?"

  • "Ja."


    sagte sie und schaute Damorg mit völlig versteinertem Gesicht an.


    "Ich besorg dir ein wunderschönes, rothaariges renascâner Mädchen, das du angaffen kannst solange du willst. Aber bitte: Nie, nie wieder eine Vampirin. Solche Scherze in so einer Situation..."


    Sie stöhnte und schlug sich die Hand vor die Stirn, konnte sich dabei ein Grinsen aber nicht verkneifen.


    "Nicht, dass ich mich nicht freue, dass das alles sich in Wohlgefallen aufgelöst hat, aber.. meine Güte... das zum Thema Schrecken."


    Dann grinste sie offen.


    "Weißt du, was die mir angeboten haben? Das ewige Leben. Wie hätten sie wissen sollen, dass ich wohl diejenige bin, der das ewige Leben grade am wenigsten schmackhaft ist von allen, die da sind."