Auf dem Weg zurück nach Magonien - Irgendwo auf dem Meer

  • Ashaba sperrte Mund und Nase auf.


    "Nicht wirklich, oder? Meine Güte, ich habe jetzt irgendwas dramatisches erwartet. Sowas wie ein armer, armer Matrose kurz vorm Verrecken. Oder eine beliebige Seuche an Bord. Aber das?"


    Dann wurde sie plötzlich ernst und legte den Kopf schief.


    "Aber wenn es dich dazu bringt, Licht zu machen, dann kann es ja nicht nur ein kleines Unwohlsein sein, was die Dunkelheit dir bringt?"

  • Alanis zögert einen Moment, der zwar klein, aber dennoch erkennbar ist.


    "Ich glaube, wenn ich mit Gnade der Elemente jemanden geheilt hätte, hätten sie mich nicht über Bord geworfen." Sie schluckt kurz. "Ich habe panische Angst vor dunklen, engen Orten. Deswegen sind mir Schiffe so ein Gräuel."

  • "Ah." sagte sie. Jetzt wurde so einiges klarer.


    "In die Kajüten Fenster einzubauen ist schwierig und eine andere Art über das Meer zu reisen gibt es nicht. Also musst du es wohl oder übel auf dich nehmen. Ich verstehe."


    sagte sie, mehr eigene Feststellung als Belehrung.


    "Ich habe einmal eine Art kalte Lampe gesehen. Leuchtende Käfer in einem Glas. Das Licht war eher grünlich-weiß. Wäre so etwas denn nichts? Und angeblich haben die Zwerge auf der Insel ein Gestein, das leuchtet und ihre Minen erhellt. Gesehen habe ich das noch nie. Aber man könnte Gimrid fragen, ob da was dran ist. Vielleicht macht dir so etwas den Aufenthalt unter Deck leichter."

  • Interessiert lauscht die Priesterin.


    "Das - klingt ziemlich gut. Solange die Käfer bei stärkerem Seegang nicht auf einmal grün leuchten oder den Seeleuten so unheimlich sind, dass sie sie freilassen." Sie lächelt schwach, aber nicht ohne Humor. "Gimrid war der Zwerg, der mit beim Manöver der Amonlonder war, oder?"

  • Sie nickte.


    "Richtig. Gimrid ist noch nicht lange da, macht sich aber sehr gut, so dass man sich möglicherweise etwas überlegen muss für seine Zukunft. Aber das ist nur ein Gedanke. Aber woher man diese Käfer bekommen könnte, wüsste ich gerade auch nicht. Dieses Gestein ließe sich wohl irgendwie beschaffen, wenn es auch ein paar Kosten verursachen würde. Vorausgesetzt das ist nicht nur Humbug sondern es gibt es wirklich."


    Vor einiger Zeit hatte sie mit einem Schiff an einer Insel angelegt. Dort hatte es große Glühwürmer gegeben. Sie waren so lange friedlich gewesen, wie man sich ihnen gegenüber friedlich verhielt. Sie waren aber ebenso vernunftbegabt. Es wäre also ganz und gar nicht gut, sie in ein Glas einzusperren. Obwohl der eine, der sie versetzt hatte, es durchaus verdient hätte.

  • "Ich werde mich mal umhören, danke Dir. Nicht, dass ich mal wieder über Bord gehe und dieses Mal nicht auf einer Sandbank lande. Es wäre doch zu schade." Alanis streckt sich und gähnt dann leise hinter vorgehaltener Hand. "Das Schlimmste ist der wenige Schlaf, den ich Nachts bekomme. In unserer Kajüte ist es zwar ohne Licht auch dunkel, aber am Tag stört es mich nicht und ich kann zumindest ein wenig schlafen. Aber sobald es Nacht wird, geht es los." Sie schaut unzufrieden drein. "Ich sollte weniger durch die Weltgeschichte gondeln."

  • "Oder über Land reisen. In einem Eselskarren. Das könnte dann dazu führen, dass du immer zu spät ankommst, aber hey, das Reisen musst du nicht lassen."


    meinte Ashaba und zwinkerte Alanis zu.


    "Auf Deck schlafen wird auch keine Möglichkeit sein. Zu kalt, zu nass, zu viele Seeleute."

  • Alanis hebt eine Augenbraue.


    "Ich wünschte, ich könnte Deinen Humor teilen", gibt sie zurück, doch ihr ist anzumerken, dass auch sie diesen Teil des Gespräches mit mehr Amüsement erfüllt, als man meinen könnte. "Ich werde wohl wirklich auf einen Eselskarren umsteigen müssen - und darauf verzichten, Magonien nochmal zu besuchen. Obwohl mir Letzteres nicht schwerfällt, wie ich zugeben muss. Rokono ist zwar umwerfend, aber die Überfahrt ist die Hölle."

  • "Da gibts ein paar wunderschöne Ecken. Hab ich mir sagen lassen."


    Sie musste Alanis ja nicht unbedingt auf die Nase binden, dass sie selbst sehr wenig gesehen hatte von der Heimatinsel. Im Grunde beschränkten sich ihre Kenntnisse auf den Weg von Shyr nach Maranakar.


    "Bist du dir sicher mit dem Esel? Wer weiß, was passiert wäre, wenn du mit einem Karren über Land nach Forlond gezuckelt wärest. Vermutlich wärst du fünf Wochen nach unserer Abreise angekommen und hättest dich gewundert, wo denn alle hin sind. Und dann..."


    Sie fuchtelte mit den Fingern und bleckte die Zähne.


    "... hätten die Herren und Damen Vampire mal Guten Tag gesagt."

  • Die Priesterin grinst vor sich hin.


    "Also, ganz ehrlich, Sergeant, ich glaube der Blutverlust ist Dir ein wenig auf den Kopf geschlagen. Aber mach Dir nichts draus, das gibt sich wieder. Ein Trunk aus rohem Fleisch, rohen Eiern und Rotwein wird alles wieder richten."


    Provokant blickt sie Ashaba an.

  • "Nein, nicht direkt. Ich habe nur erkannt, dass ich trotz des letzten Jahres einen starken Lebenswillen habe."


    sagte Ashaba mit einem sanften Lächeln. Sie genoss es, einmal wieder gelöst sein zu können. Und mit den wenigsten Menschen konnte sie wirklich albern sein. Bei dem Gedanken an einen Trunk aus rohem Fleisch, rohen Eiern und Rotwein winkte sie aber lachend ab.


    "Aber ehm, nein Danke. Ich glaube mir gehts schon wieder gut soweit. Keine Notwendigkeit für rohes Fleisch, Eier und Rotwein."

  • Alanis stützt die Ellbogen auf den Knien ab, sich vorbeugend.


    "Verlier ihn nicht, den Willen." Aus dem Augenwinkel wirft sie Ashaba einen prüfenden Blick zu. "Und wenn Du bemerkst, dass Du ihn verlieren könntest, dann suche Dir etwas, das Dich wahrhaft festhalten kann." Obwohl die Worte ernst sind, lächelt sie, ein wenig wehmütig.

  • "Wenn ihn mir das letzte Jahr nicht nehmen konnte, dann werde ich ihn behalten. Und erst dann werde ich meinen Platz räumen, wenn meine Aufgabe erfüllt ist und die Götter rufen."#


    Sie erwidert den Blick offen.


    "Freunde sind es, die mich festhalten. Auch wenn sie es möglicherweise nicht einmal ahnen, wie sehr sie es tun."


    Ashaba hatte in langen Stunden des Nachdenkens einen Frieden mit sich ausgemacht. Sie hatte hier eine Aufgabe und sie würde sich daran festbeißen, so lange ihr Herz schlug. Aber irgendwann würde diese Aufgabe erfüllt sein. Dann wäre ihre Zeit zu gehen gekommen.


    "Was hält dich?"


    Bei Alanis war sie sich nicht sicher, wie sie antworten würde. Ihr Glaube? Damorg? Eine echte Heimat konnte es wohl kaum sein.

  • Alanis richtet sich wieder auf. In ihrem Rücken knackt es vernehmlich und sie legt die Hände auf ihr schmerzendes Kreuz, das in den vergangenen Tagen mehr als einen derben Schlag hat einstecken müssen. Sie verzieht leicht das Gesicht, als ihre Finger durch die Kleidung eine Schwellung ertasten.


    "Was mich hält?" Sie lächelt leicht. "Alles ist vergänglich, was ich habe, außer meinem Glauben. Und selbst er ist manchmal nicht stark genug, als dass er Kerze in einem dunklen Raum sein könnte."

  • "Hältst du die Menschen für so sprunghaft, dass sie dir kein Anker sein können?"


    Die Antwort hatte sie doch etwas verblüfft. Sie hätte erwartet, dass zumindest Damorg - zumindest für den Augenblick - etwas bewirkte. Aber gerade hörte es sich so an, als ob auch er nur ein Zwischenspiel wäre. Für einen kurzen Augenblick fragte sie sich, ob Alanis ihm wohl das Herz brechen würde. Diesen Gedanken schob sie aber wieder beiseite, denn das war nichts, was sie etwas anging.


    "Nicht einmal für den Augenblick? Was lässt dich durch die Dunkelheit gehen, wenn nicht mal dein Glaube das Dunkel erhellen kann?"


    Fragend schaute sie Alanis an.

  • Alanis legt den Kopf leicht schief und beginnt, ihren Zopf neu zu flechten. Ashabas Fragen geben ihr sichtlich zu denken.


    "Ich lebe in der Gewißheit, dass Menschen zwar ein Anker sein können - aber Menschen sterben. Als Heilerin sehe ich das jeden Tag und es zerreißt mir mit jedem Tag auf's Neue das Herz. Nicht, weil ich nicht weiß, was nach dem Tod ist. Dort warten Ruhe und Frieden und unendlich tiefe Erkenntnis - aber ist dort auch ein Wiedersehen? Ich sehe den Schmerz bei denen, die zurückbleiben müssen und die nicht glauben können, dass sie diejenigen, die sie verloren haben, wiedersehen werden."


    Sie blickt zum blauen Firmament, auf dem sich ein paar kleine, weiße Wolken jagen.


    "Und ich weiß ganz genau, dass es mich zerreißen wird, wenn jemand, den ich wirklich und wahrhaftig liebe, sterben sollte. Daher versuche ich, Menschen nicht als Anker zu sehen."


    Ein schiefes Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht.


    "Ist aber schiefgegangen, dieses Vorhaben. - Was meinen Glauben angeht, so habe ich nicht gesagt, dass er mich immer in der Finsternis allein lässt - nur eben manchmal. Ich bin ein Mensch. Ich sündige, ich zaudere, ich zweifele. Man muss den Weg manchmal verlassen, um sich darüber zu freuen, ihn wiedergefunden zu haben."

  • Hadra saß am Lagerfeuer. Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen und auf ihrem Gesicht lag ein seltsam entspanntes Lächeln. Sie trug ein weit fallendes rostrotes Kleid, das im Rücken mit einem goldgelben, leicht schimmernden Band geschnürt war. Wie ein Meer aus sich kräuselndem Sand breitete es sich um sie herum aus. Ihre Knie hatte sie angewinkelt, ihre Hände lagen locker in einer entspannten Haltung in ihrem Schoß. Sie trug keine Handschuhe. Nur die Ringe mit den Mondsteinen schimmerten an ihren Händen. Das Haar floß offen über ihre Schultern und wirkte, als sei es gerade erst aufwendig gebürstet worden, so dass es glänzte. Auf dem Kopf trug sie einen schmalen Reif aus matt gebürstetem Metall. Schweigend schaute sie in die Glut vor sich.


    Wie eine Flüssigkeit verbreitete sich das Feuer in der Schale und kräuselte sich sanft, als ob kleine Steine in eine Flüssigkeit geworfen würden. Hadra ruhte so tief in sich, wie sie es nie für möglich gehalten hätte. Für einen Moment verspürte sie den Wunsch die Hände auszustrecken und in die Flammenschale zu greifen, das Feuer mit beiden Händen zu schöpfen und zu trinken. Doch sie bewegte sich nicht, genoß die Ruhe.


    Der Stand der Flammen in der Schale war unmerklich gestiegen und berührte jetzt fast den Rand. Die untere Wölbung des Metalls glühte unmerklich dunkelrot und schien ein wenig zu pulsieren. Hadra leerte ihren Geist und nahm nur noch das Feuer wahr, das jetzt begann, langsame Tropfen brennender Flüssigkeit über den Rand zu senden. Aus den wenigen Tropfen wurde ein Rinnsal. Auf ihrem Gesicht war nach wie vor nur das sinnende, entspannte Lächeln. Die Hände lagen nach wie vor bewegungslos in ihrem Schoß. Glutrot brach sich der Lichtschein in den Mondsteinen.


    Ein einsames, kleines Rinnsal bahnte sich langsam qualmend seinen Weg auf sie zu. Grünes Gras verbrannte zu weißer Asche und verging in Rauch. Zurück ließ es verbrannte Erde. Jetzt erreichte vereinte es sich mit zwei weiteren, langsam kriechenden Spuren von Feuer und berührte sanft die Ausläufer des blutroten Sandes. Mit leisem Knacken zersplitterten winzige Gesteinskörner in der glühenden Hitze, vergingen in Stichflammen und fraßen sich in Richtung der Frau, die nach wie vor mit diesem irritierenden Lächeln im Gesicht auf das Verderben sah, das sich mit steter Zerstörung den Weg bahnte zu ihrem Herzen.


    Als das Feuer an ihren Fingern leckte, wollte sie aufschreien und sich aus der Starre lösen. Doch das Lächeln war wie gemeißelt und ihre Haltung wie aus Stein. Das Blut in ihrem Körper schien zu kochen, zu brodeln und an allen Nervenenden zu zupfen bis sie wahnsinnig zu werden glaubte. Der Gestank nach verbranntem Horn und gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase und obwohl sie wusste, dass es ihr eigenes Fleisch war, stieg Hunger in ihr auf. Ihre Arme gerieten in Brand, auf ihren Beinen loderten kleine Flämmchen und überzogen die Haut mit flüssiger Glut. Schmerz peitschte durch ihre Adern bis sie glaubte, dass es nicht mehr schlimmer werden könne. Aber es wurde schlimmer. Mit jedem Augenblick, den sie ihren Schmerz nicht in Agonie herausschreien konnte wurde es schlimmer.


    Auch als ihre Haare Feuer fingen und in einer Stichflamme stinkend vergingen, lächelte sie. Ihre Lippen waren schon längst unter der Hitze weg geschmort und obwohl ihre Augäpfel in den Höhlen zu kochen schienen, sah sie so deutlich. Wahnsinnig vor Furcht und Schmerz versuchte sie sich zu lösen und wusste doch, dass es ein sinnloser Versuch war. Langsam löste sich schwarz verbrannte Kopfhaut vom Knochen und schlug Blasen.


    Mit einem erstickten Keuchen schreckte die Magierin auf und saß kerzengerade mit aufgerissenen Augen in ihrer Koje. Das Schiff schaukelte sanft auf den Wellen und auch Mira und Nuri, mit denen sie die Kajüte teilte, schienen zu schlafen. Ihr Nachthemd klebte schweißnaß an ihrem Körper und ihr Herz pochte rasend. Mit einer fahrigen Bewegung schob Hadra sich das nasse Haar aus dem Gesicht und versuchte ihren Atem zu beruhigen.

  • Mira schlug die Augen auf. Irgendetwas schien sie geweckt zu haben. Das Schiff schaukelte ruhig in den Wellen. Hier Unten war es stockdunkel und sie konnte nichts erkennen. Vorsichtig setzte sie sich auf und lauschte in die Dunkelheit. Dann hörte sie den keuchenden Atem aus Hadras Richtung.


    "Hardra, ist alles in Ordnung bei dir?", fragte sie möglichst leise um Nuri nicht aufzuwecken.

  • Erschrocken ruckte ihr Kopf zu Mira herum und starrte sie in der Dunkelheit an. Dann fing sie sich endlich wieder.


    "Ja. Ja, mir gehts gut. Alles in Ordnung."


    sagte sie und schluckte trocken. Dann legte sie sich leise wieder zurück und zog die Decke hoch bis ans Kinn. Trotzdem fror sie aus irgendeinem Grund. Mit einem alten Mantra, das sie in ihrem Kopf wandern ließ, versuchte sie ihren Atem und den Herzschlag zu beruhigen und hoffte, dass es ihr den Schlaf wieder zurück bringen möge.