Das Präfekturgebäude (4)

  • "Er wird uns selbstverständlich nach Kräften dabei unterstützen, sämtliche Unklarheiten zu bereinigen. Für die Dauer, die eine sorgfältige und umfassende Analyse natürlich benötigt, wird es leider nicht möglich sein, dass er seine Aufgaben im Hospital wahrnimmt. Ich habe ja bereits mein tiefes Bedauern ausgedrückt, dass ich noch nicht voraussehen kann, wie lange dieser unerfreuliche Zustand anhalten wird. Mit manchen Ereignissen kann man eben nicht rechnen, wie ihr selbst sagtet, Frau Tatius."


    Sein Lächeln wurde noch etwas penetranter


    "Umso glücklicher kann sich das Hospital schätzen, auf eure Dienste als provisorische Leiterin zählen zu können. Ich bin mir sicher, auch Herr Aristomachinaris baut auf euch und darauf, dass ihr uns nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt. Ich danke euch sehr, Frau Tatius. Das war ausgesprochen aufschlussreich, ihr habt mir sehr geholfen. Sollte ich noch weitere Auskünfte von euch oder einem anderen Mitarbeiter des Hospitals benötigen, so werde ich danach schicken. Richtet euren Heilern meine besten Grüße aus. Ich wünsche euch einen angenehmen Tag, Frau Tatius."

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • "Nach bestem Wissen und Gewissen. Schön gesagt." Alanis nickte dem Mann würdevoll zu und erhob sich. "Auch Euch einen schönen Tag."


    Sie bezähmte den Wunsch, ihm einfach ins Gesicht zu schlagen, sondern verließ das Zimmer scheinbar vollkommen ruhig und gelassen. Als sie draußen stand, fragte sie sich ernsthaft, ob sie absoluten Mist gebaut hatte oder ob seine Aussage, sie wäre sehr aufschlussreich gewesen, einfach nur dazu gedacht war, sie zu beunruhigen. Sei es drum.


    Alanis straffte ihre Schultern und kehrte ins Hospital zurück.

  • Alanis kam von der Dorflinde und blieb in einiger Entfernung des Präfekturgebäudes stehen. Sie sah die Wachen und spürte, wie auf einmal Blei in ihre Glieder zu fließen schien. Panik ballte sich in ihrer Magengrube tonnenschwer und heiß dräuend zusammen.


    Sie rief sich die magonischen Gesetze vor Augen und fluchte lautlos vor sich hin. Dann drehte sie sich abrupt herum und kehrte ins Hospital zurück.

  • Immer wieder hatte sich der Priester die Worte auf dem Papier durchgelsen bis er sie selbst fast nachsprechen konnte. Und selbst jetzt noch, als er seine Entscheidung schon getroffen hatte und auf dem Weg zum Präfekturgebäude war, ging er die Zeilen immer und immer wieder in seinem Kopf durch. Er hatte keine andere Wahl. Seine Schritte trugen ihn direkt zum Tor des steineren Gebäudes. Dort angekommen wechselte er ein paar rasche Worte mit den Wachen und wurde schlieslich eingelassen. Schon lange war er nicht mehr hier gewesen und auch diesen Anlass hätte er gerne vermieden.


    Erst einige Stunden später, es war bereits dunkel geworden, verlies der Priester das Gebäude wieder. Er sah müde und erschöpft aus. Die Wachen vor dem Tor hatte bereits vor drei Stunden gewechselt, als die Dämmerung eingebrochen war. Sie blickten ihm neugierig nach, doch mehr als ein: "Dem Fünfen zum Gruße. Ich wünsche euch noch eine ruhige Wache." Kam nicht über seine Lippen.


    Damorg wollte einfach nur in sein Bett, den Hunger den er vor einiger Zeit noch verspürt hatte war ihm vergangen.

  • Die Zeit geht ins Land. Die Tage werden wieder kürzer. Noch ist es zwar warm, aber Mensch und Tier spüren, dass die sengende Hitze des Sommers vorbei ist und der Herbst bereits naht.

  • In der letzten Zeit schien seine Exzellenz, Procurator Emerald di Lorenzo, sehr beschäftigt. Sicherlich hing es mit der Fertigstellung des Festungsturmes auf der Insel Lodur zusammen. Und dem tragischen Tod des Gardisten Aalok, war er ja der erste Soldat Renascâns, der bei einem Auftrag in einem fremden Land gefallen war. Hinzu kam selbstverständlich die Vorbereitung des Friedensfestes anlässlich des 10. Jahrestages des Friedens von Agash-Khor.


    Und so war es kaum verwunderlich, dass der Procurator nun auch oft spät nachts arbeitete, und selbst zu den spätesten Stunden engste Vertraute zu ihm in die Schreibstube gerufen wurden oder diese mit Depeschen verließen. Auch der Procurator selbst war oft in Renascân unterwegs, um Dinge zu regeln, die offenbar der Regelung bedurften.

  • - - später - -
    Es herrschte tiefe Nacht, als der Bedienstete sich seinen Weg durch die Gänge der Präfektur bahnte. Zweimal wurde er von Wachen aufgehalten: Ein kurzes, leises Gespräch, ein Nicken, dann ließ man ihn weiter. Seine Schritte waren vorsichtig, die weichen Ledersohlen wurden so aufgesetzt, dass er sich nahezu lautlos bewegte. Er hatte keine Kerze oder Lampe bei sich, so dass die sporadischen Leuchten seltsam lange Schatten warfen. Wie Geister schienen sie den Mann zu begleiten - geräuschlos, mit verschwommenen Konturen, aber entschlossen und zielsicher.


    Schließlich war er vor den Gemächern des Procurators angekommen. Er hielt inne und lauschte, seinen Kopf mehrmals von links nach rechts drehend. Es war niemand in der Nähe. Nun galt es also. Er zog seine dünnen Handschuhe zurecht, dann griff er in sein Wams, um ein letzes Mal zu überprüfen, ob noch alles da sei. Seine Finger fühlten das, was sie gesucht hatten, und er presste die Lippen aufeinander. Jetzt galt es also.


    Seine Finger umschlossen die Türklinke und drückten diese quälend langsam nach unten. Er öffnete die Tür nur so weit, wie unbedingt nötig, dann schlüpfte er hinein, um diese wieder von innen zu schließen. Leise, nur leise.

  • Wieder verharrte der Mann im nur von einer an der Wand hängenden Öllampe kärglich beleuchteten Raum, um zu lauschen. Aus der Ecke, in der einige schwere Sessel standen, drang ruhiges, aber deutlich hörbares Atmen. Langsam, Schritt für Schritt, kam der Mann näher. Er erkannte, dass ein offenes Buch auf dem Tisch abgelegt worden war, eine ebenso dort stehende Kerze war heruntergebrannt. Wie lange sie wohl schon erloschen war? Der Bedienstete legte den Kopf etwas schräg und fixierte die Kerze, während seine Mundwinkel leicht nach oben zuckten. Manche Dinge enden eben, so war dies nun einmal.


    Eine Handbreit über der Lehne des Sessels, der mit dem Rücken zu dem Mann stand, war der obere Teil eines Kopfes zu sehen, der sich - nur ein wenig - im Rhythmus des Atmens hob und wieder senkte.


    Und wieder, Schritt für Schritt, lautlos, vorsichtig, näher heran, bis er schließlich schräg hinter dem Sessel zum Stehen kam. Dort saß der Procurator, seine Exzellenz Emerald di Lorenzo, die Hände in den Schoß gebettet, die Augen geschlossen.

  • Der Bedienstete rührte sich nicht von der Stelle


    "Verzeiht, Exzellenz. Es war mir nicht früher möglich. Ich wollte sicher gehen, Exzellenz."


    Auf einen Wink des Procurators trat er nun schräg vor dessen Stuhl und holte aus seinem Wams einige versiegelte Dokumente hervor


    "Das sind alle. Sie hätten heute die Präfektur verlassen sollen. Und dies hier..."


    er fügte noch weitere Schriftstücke hinzu


    "...sind die Abschriften. Und die Erlasse, die vorbereitet wurden. Noch undatiert, Exzellenz."

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Der Procurator nahm die Dokumente entgegen.


    "Mehr Licht."


    Der Bedienstete nahm zwei nahe Lampen von der Wand, entzündete diese an der kärglich brennenden und erhellte so den Raum etwas mehr.


    Emerald studierte bei den versiegelten Stücken die Adressaten, ohne eine Regung zu zeigen.


    "Wie von dir berichtet. Alle."


    Er ließ die Depeschen ungeöffnet, dann überflog er die anderen Dokumente. Bei einigen zuckte eine Augenbraue nach oben, bei anderen spitzte er leicht die Lippen. Dann nickte er dem Bediensteten zu.


    "Tritt näher."


    Der Bedienstete tat, wie ihm aufgetragen, dann reichte der Procurator ihm ein prall gefülltes Beutelchen, das beim Ergreifen ein metallisch-klimperndes Geräusch von sich gab


    "Gut gemacht. Ich bin mir sehr bewusst, dass dies alles andere als einfach war. Du wusstest, dass dich das den Kopf hätte kosten können. Vielleicht kann es das jetzt noch. Es soll daher dein Schaden nicht sein, aber ich würde dir raten, nun gut auf deinen Rücken Acht zu geben."

  • "Ich habe dir zu danken. Alles Gute. Mögen die Götter ihre schützenden Hände über dich halten."


    Noch einmal nickte er dem Bediensteten zu


    "Du kannst gehen."


    Der Mann verneigte sich leicht, dann verschwand er mit leisen Schritten aus der Tür.


    Der Procurator atmete tief ein und wieder aus. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück, dann ging er die Dokumente genauer durch. Eines nach dem anderen. Die Depeschen ließ er weiterhin versiegelt. Die Zeit verging. Schließlich erhob er sich, und ging zur Tür, vor der mittlerweile einige Gardisten Position bezogen hatten. Der Procurator winkte einen herein und gab ihm einige leise Anweisungen, was mit einem kurzen, zackigen Nicken quittiert wurde.


    Als Emerald die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, sah er noch einmal in Richtung der Dokumente.


    "Im Morgengrauen also." murmelte er, als er zu den Lampen ging, die den Tisch erhellt hatten. Er schickte sich an, diese zu löschen, dann hielt er inne und er schüttelte leicht den Kopf, während er die Lampen unverändert ließ. "Mehr Licht." flüsterte er, dann zog er sich in sein Schlafgemach zurück, wo er die Dokumente sorgsam verschloss.

  • Der Morgen hatte kaum gegraut, da wurde ein Teil des Präfekturgebäudes von einer ungewöhnlichen Geschäftigkeit erfasst. Vor den Gemächern des Präfekten hatten mehr Gardisten als sonst die Wache übernommen. Kurz darauf traf seine Exzellenz, der Procurator Emerald di Lorenzo, begleitet von einem seiner engsten Bediensteten, ein und kündigte sein Kommen den verdutzt dreinblickenden Dienern des Präfekten an. Ohne allzu langes Zögern betraten der Procurator, sein Bediensteter und zwei Gardisten die Gemächer.


    Die Zeit verstrich. Für einige Momente hörte man die Stimme des Präfekten drinnen poltern - die Gardisten vor der Tür blickten sich kurz an, dann behielten sie wieder die Gänge im Auge. Es wurde wieder ruhig. Es mochte über eine Stunde gedauert haben, dann trat der Präfekt heraus und schritt, begleitet von der Gruppe um den Procurator, durch das Gebäude in seine Diensträume. Wieder bezogen Gardisten davor Position und die Zeit verging.


    Währenddessen gab es auch im Keller des Gebäudes Bewegung. Edric Aristomachinaris, der Leiter des vorübergehend geschlossenen Hospitals, wurde aus seiner Zelle geholt. Er sah mitgenommen aus, sichtbar abgemagert mit einer bleichen Hautfarbe, Ringe unter den Augen. In einem Aufenthaltsraum der Garde gab man ihm die Gelegenheit, sich zu waschen, dann erhielt er frische Kleidung und ein üppiges Frühstück. Alles nahm er scheinbar gelassen hin, offenbar in der Erwartung eines Ereignisses, worauf er keinen Einfluss hatte. Er sah aus wie ein Mann, der bereit war, auch ein schweres Schicksal mit Würde zu tragen.

  • Die Zeit verstrich. Dann endlich wurde Edric nach oben geleitet und in die Schreibstube des Procurators gebracht. In den Gängen hielten sich nach wie vor ungewöhnlich viele Gardisten auf. Der Heiler war lange in der Schreibstube, und außer dem Procurator und ihm befand sich niemand im Raum.


    Auf ein Läuten hin öffneten dann zwei Gardisten die Tür und begleiteten Edric durch die Gänge des Präfekturgebäudes, hin zum Haupteingang.


    Als das Portal sich hinter ihm geschlossen hatte, stand er am Kopfende der Treppe. Mittlerweile war die Herbstsonne aufgegangen und sandte ihre wärmenden Stahlen herab auf Renascân. Der Heiler schaute in die Sonne und musste seinen Augen mit einer Hand Schatten verschaffen, zu hell schien das Licht, zu blau der Himmel - es würde ein klarer goldener Tag werden, das konnte man erkennen. Wann wohl der Winter käme?


    Dann machte er sich auf den Weg zum Hospital. Niemand folgte ihm.

  • In einem kleinen Innenhof des Präfekturgebäude herrschte Geschäftigkeit. Ein Ochsenkarren war hereingefahren und wurde mit Kisten und verschnürtem Gut aller Art beladen. Als er voll war, fuhr er heraus, und wenig später stand ein weiterer Karren an seinem Platz, mit dem ähnlich verfahren wurde. Den Trägern lief der Schweiß in Strömen. Wer Arbeit liebt und sparsam zehrt, der sich in aller Welt ernährt.

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Aus Richtung des Hafens kommend schreitet ein junger Mann in ordentlicher Kleidung auf das Präfekturgebäude zu, welches dank der Wachen nicht schwer zu erkennen ist.
    Vor dem Gebäude angekommen, bleibt er stehen und wendet sich an die Wachen.
    "Die Fünfe zum Gruße! Ich bin auf der Suche nach Chiara Marie Maillard aus dem Orden de la Tour des Roses, könnt Ihr mir sagen wo genau ich sie finde?"

  • Zwei Gardisten mit Hellebarden standen zu beiden Seiten des Eingangs. Etwas versetzt und erhöht befand sich ein Armbrustschütze, dessen Waffe locker in der Armbeuge lag. Aber nicht so locker, dass er sie nicht sofort hätte einsetzen können. Nachdem er einen Bolzen aufgelegt hatte versteht sich.


    "Die Fünfe zum Gruße."


    erwiderte der Rechte, während die beiden anderen nur nickten.


    "Euer Name zuerst, wenn es recht ist. Und was ist Euer Begehr? Die Procuratorin ist schwer beschäftigt. Ich hoffe, Ihr versteht, dass sie für Belange, die nicht von größter Wichtigkeit sind, ihre Leute hat."