[Khel'Anhor] widir'arc - der Dämmerwald

  • In den Legenden heißt der widir’arc Dämmer- oder Flüsterwald. Man nennt ihn "das große Grab" oder "Reise ohne Wiederkehr". Niemand, der ihn je betrat, kehrte zurück. Niemand, der seine uralten Geheimnisse jemals zu Gesicht bekommen hatte, konnte über sie erzählen. "Traumfänger" und "alter Atem" sind seine Namen... die Sonne verirrt sich nur selten durch das dichte Blätterdach und selbst dann hat sie es schwer die vielen Meter durch Zweige, Lianen und Gewächse, die auf den breiten Ästen wachsen, zu kommen. Ein immer währendes Zwielicht, das mehr Schatten wirft, als dem Licht Geschenke verteilt. Ein Wald, so alt und so mächtig, dass er von den Anfängen der Zeit stammen musste und somit auch bewohnt war von den Wesen am Anfang der Zeit.


    Hier tief verborgen im Herzen des Westwaldes, des großartigen widir’arc, seiner wilden Schönheit und seiner Tödlichkeit, wächst der Sohn des Yggdrasil... der zweite Weltenbaum. Er wird beschützt von jenen, die man unter den Trollen des Westens nur die Schattenspringer nennt, während die alten Legenden der Elben sie nur die Khel’Anhor nennen, jene die in die Wildnis gingen, um zu wachen... und nie wieder zurückkehrten.


    „...einen gebrochenen Knochen... für jeden zerbrochenen Zweig...“

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  • Sie läuft... ohne das Gepäck, ohne die Taschen an ihrem Gürtel, die störenden Stiefel mit den Dolchen darin... ohne die fließende Kleidung unter ihrer Wildlederrüstung...


    Ohne Bänder, die ihr Haar zurückhalten, ohne Schmuck, der verräterisch in der Sonne glitzert. So viele Zeitalter waren vergangen, dass sie kurz Angst hatte, den Weg nicht zu finden, jenen, den sie einst vollständig hinter sich gelassen hatte, weil das Schicksal sie zu Marek getrieben hatte und sie dann durch sich selbst verriet.


    Kein Zweig bricht unter ihren nackten Füßen, sie findet das weiche Moos oder die feuchten Blätter. Je weiter der Westen herannaht, desto schneller wird sie, desto sicherer werden ihre Bewegungen... so viele... so endlos viele Sternenläufe. Wie kann man vergessen, wie Tau schmeckt... wie kann man vergessen, wie der Ruf eines Hyazintara klingt... wie kann man vergessen, wie der Wald riecht, wie sein Herz schlägt. Vergiss es und du vergisst dich selbst... wenn du ihn nicht mehr spürst, spürst du gar nichts mehr.


    Die nackte Haut ihrer Arme und Beine offenbart die spiralförmigen Tätowierungen ihres Körpers...die Zeichen der Wächter.


    Sie folgen ihr schon seit einige Zeit...Wolfsrücken streifen durch die Büsche, passen sich ihrer Laufgeschwindigkeit an, zeigen sich nicht aber sind immer da... sie hat ihre Fährte in ihrer Nase. Große Wölfe...Wandler wie sie... da ist auch eine Katze unter ihnen, ein Puma... fremdartiges Vertrauen...


    Plötzlich wird sie gestoppt, es ist kein Wolf, der sich ihr entgegenstellt, nachdem er aus dem Dickicht sprang... es ist ein Pfeil, unsichtbar, irgendwo abgeschossen aus den Blattkronen. Die Feder ist blutrot, durchdrungen von schwarzen Punkten, die Pfeilspitze aus schwarzem geschliffenen Obsidian.


    Ihre Füße rutschen über das nasse Laub, dann steht sie, einen vielleicht zwei Schritte vor dem Pfeil. Ihr türkisfarbener Blick geht nach oben, einen kurzen Moment erscheinen ihre Pupillen violett und sie sucht mit purer Absicht die Kehle freilegend den grünen Himmel ab.


    Sie spürt nur den geringen Luftzug, nicht das Geräusch... dann erheben sich dunkel Schatten, links neben ihr, rechts, zwei hinter ihr. Bögen heben sich, Pfeilspitzen zeigen auf ihr Herz... eine jede davon. Sie dreht sich langsam um, prüft den Kreis, der sich um sie gebildet hat.


    Violette Pupillen, dunkles Haar... Blicke wie Feuer... Blicke wie Eis. Raubtiere, uralte...Raubtiere... schweigsam und doch alles sagend. Sie sieht wieder nach vorn, ihr langes Haar fällt den fast nackten Rücken hinab. Ihre Hände öffnen sich, deuten an, das sie waffenlos ist... sie weiß, das ihre Gegenüber wissen, dass das nicht wehrlos bedeutet.


    Eine Vibration auf dem Boden...dann kommt etwas aus der Hocke vor ihr auf die Beine. Er ist schön, schöner als alles, was sie bisher sah. Edel... uralt...wild... sein Wesen kennt keine Geheimnisse. Sein Bogen keine Gnade... wenn man seinen Blick erwidert... verschlingt er dich. Er trägt alle vier Tätowierungen, er hat alle Prüfungen überlebt. Einer der ältesten, einer der ersten... er kommt selbst... das macht ihr Angst... genauso viel Angst, wie die Stimme, die plötzlich, ohne das ihr Gegenüber seine Lippen bewegt, in ihrem Kopf, ihren Schädel zu zerplatzen droht.


    Es ist nur ein einziges Wort... das sie trifft und sie geht augenblicklich in die Knie und presst ihre Hände auf die Schläfen... ein einziges Wort... das alles widerspiegelt...


    *WARUM*

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  • Sie wagt es nicht ihren Kopf zu heben, nachdem das echauffierende Senden in ihrem Kopf verklungen ist und der Schmerz sich zu einem dumpfen Pochen hinter ihren Schläfen zurückgezogen hat. Ihr Gegenüber war das Alpha... nicht nur seit ein paar Zeitaltern...sondern so lange... ihre Geschichte andauerte und die Geschichten vieler anderer hier und überall in Khel’Antharas. Seine Anwesenheit lies sie fröstelnd, Furcht empfinden vor der Unergründlichkeit seines Seins. Der Hüter der ersten Halle, er ist so unermesslich alt...


    Irgendwann hat sie ihre Gedanken wieder unter Kontrolle... auch wenn sie die Gedanken aller anderen, die sie umkreisen und ihre Pfeilspitzen auf ihr Herz gerichtet lassen, mehr als deutlich hören kann.


    ...*das Blut der Khel’Greyh ist zurückgekehrt*...
    ...*was will sie hier*...
    ...*sie hat versagt*...


    Niemand spricht. Das tun die Khel’Anhor nie... Sprache ist ein verräterisches Gut... sie sagt vieles aus... und gar nichts... Im Senden liegt keinerlei Lüge, deshalb ist es auch so schmerzhaft...manchmal. Eine einzige Handbewegung bringt alle zum Schweigen. Schritte nähern sich ihr und der Hüter der ersten Halle geht vor ihr in die Hocke. Er neigt seinen Kopf ein wenig zur Seite, wie ein lauerndes Raubtier, das überlange Haar fällt ein wenig in die leuchtenden violetten Augen, die keine Sonne brauchen, um ihre Kraft und die damit einher gehende Macht zu zeigen.



    *Du brichst die Regeln, Welpe.*


    Sie will antworten aber sie kann nicht, etwas hält sie davon ab, eine unsichtbare Mauer, die ihrer sendenden Stimme keinerlei Töne und Bilder verleiht.


    SIE BRICHT SIE NICHT, SIE ERSCHAFFT SIE NEU


    Der hockende Elb springt auf und geht einen Schritt zurück. Er trifft dabei keine Pflanze, kein Zweig knickt um. Sein Blick wandert über den Wald hinter ihm, Unruhe im wachenden Rudel entsteht.


    WIR HATTEN VIEL FRÜHER MIT IHR GERECHNET ABER SIE TUT SICH IN VIELEREI DINGEN SEHR SCHWER


    Die fremde Stimme hatte keine Gestalt und vereinbarte doch alle Lebewesen in sich. Vom kleinsten bis hin zu den Komplexesten...Der Herzschlag von Toril. Irgendwo in der Ferne knackt ein Zweig... ein Tapir streift den Platz seitlich. Es stört sich nicht an den Elben. Vier weitere folgen und verschwinden wieder im Dickicht. Die Elben senken ihre Bögen, aber die hockende Elbe, das Ziel der Waffen zeigt keine Entspannung, noch immer liegt die Aura des Hüters auf ihr und droht sie zu ersticken. Die anderen, die mit ihm wachen mussten erst ertragen lernen, wer mit ihnen jagte. Sie hatten hunderte von Zeitalter dazu Zeit gehabt... sie nicht.


    DIE DINGE LAGEN LANGE GENUG IM UNSTETEN WANDEL
    DIE STRUKTUREN DER DINGE VERLIEREN IHRE GÜLTIGKEIT
    GROßE SCHLACHTEN WERDEN KOMMEN UND SIE IST EINER IHRER BOTEN
    SIE IST
    aber auch jene...


    Dann beginnt der Hüter seine Lippen zu bewegen. Keinerlei Töne entweichen. Er hat vergessen, wie man seine Stimmbänder benutzt aber sein Senden ist ungebrochen stark...seine Farben vermischen sich mit denen des unsichtbaren Sprechers, bis sie eins sind und An’hor Einsicht erhält durch den Sohn seines Vaters.


    *die uns allen zeigen wird, wieviel man aushält.
    Wie oft man fällt und sich immer wieder erhebt.
    Wie man aus alten Irrtümern lernen kann*

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  • Es dauert nicht lange und die Stille wird nicht ein einziges Mal durchbrochen, dann sind der Zweitgeborene und die Elbe mit dem Blut zweier Welten alleine. Zwei Extreme... doch jeder kennt seinen Platz.


    *Ich bin nicht glücklich, dass du hier bist, Zweiblut.*


    Sie fixiert die sich zersetzenden Blätter auf dem Erdboden und verharrt in der Hocke. Er tut es ihr gleich aber sein Augenmerk ist auf ihr Haupt gerichtet, sie spürt seine Gedanken wie brennende Nadeln in ihrem Kopf. Dann zuckt sein schöner Kopf erneut zurück, das Violett färbt sich kurz in eine Farbe, die er einst inne hatte, ehe sie wieder den amethystfarbenen Glanz annehmen.


    Sie geht aus der Hocke in die Knie und schlägt ihre Hände auf ihr Gesicht, verbirgt es und die bald wieder sichtbaren Zeichen der Khel’Greyh. Sie hat schon lange nicht mehr geweint, es wird Zeit, sie würde gerne schreien aber sie kann nicht, womöglich wie nieder.


    *Du bist zum Sterben zurückgekommen.*


    Seine Hände legen sich erst auf ihren Kopf, dann um ihre Schultern und schließlich um ihre Hüften, heben sie hoch als würde sie nichts wiegen. Unendliche Zeitalter liegen zwischen seiner Geburt und der ihren. Sie sind so unterschiedlich aber vom selben Blut... fast.


    Er drückt sie an sich und führt sie fort, sie will sich nicht mehr bewegen, sie will nur noch schlafen und vergessen. Sie war lange genug für alle anderen stark, bis nichts mehr für sie übrig blieb, außer Lügen.


    Irgendwann hat er die Stelle erreicht, zu der er wollte, ein Bett aus Moos im Schatten unglaublicher Wurzeln... sie wird begrüßt, ohne zu grüßen. Er streicht ihr noch einmal über die Schläfe, eine ungemein sanfte Berührung für den Khel’Anhor, der allen anderen voran ging. Sich abwendend, muss er nicht sehen, was dann geschieht, er kennt die Prozedur. Der gewaltige Baum, dessen Schönheit und Ehrfurcht in keine Worte zu fassen sind, bleibt hinter dem Schattenspringer zurück, der sich einreiht in das uralte Rudel der Wildelben und die große Lichtung verlässt, die in einen sonderbar leuchtenden Schein eingebettet ist.


    Ranken umschließen den Körper der Wildelbe, doch sie sind erst der Beginn... nicht ihr Körper wird überleben... sondern ihre Seele muss es irgendwie... aber der Weltenbaum weiß, dass auch Tear’asel letztlich den Gesetzen der Natur unterworfen ist...


    Der Stärkere überlebt, der Schwächere nicht... und die Elbe hatte viel zu viel von sich selbst in der Welt außerhalb zurückgelassen.


    Als sich der Kokon schließt ist von ihrer Anwesenheit nichts mehr zu spüren, alle Verbindungen brechen ab, hat sie derlei überhaupt noch zu den Herzen irgendeines Wesens, alle Gedanken versiegen.



    ........................Die Welt ist voller wilder Gärten.
    ........................Ein Geheimnis reiht sich an das andere.
    ........................Oh wir beneidenswerten neugierigen Entdecker des Lebens.
    ........................Wir Traumdeuter, wir Tänzer... mit Inbrunst wandern wir zu den höchsten Gipfeln, mit der Seligkeit des
    ........................Unbefangenen in die tiefsten Höhlen...


    ...und lassen beständig einen Teil von uns auf den Wegen, die wir gehen, zurück.

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  • Die Fenyar hinterlassen auf dem Boden aus Waldgras und Moos keine Geräusche. Ihre nackten Füsse finden lautlos den Weg zu der kleinen Höhle, eingebettet in meterdicke Wurzeln, in dem eingeschlossen ein sanft leuchtender kokon aus grünem pulsierenden Licht hängt.


    Die amethystfarbenen Pupillen der Fenyar, umrahmen schneeweisem Haare, selbst unter den Khel'Anhor wirken sie fremdartig. Sie hinterlassen in den Herzen und den Seelen, all jener, denen sie begegnen ein seltsames Gefühl aus Furcht und Hoffnung. Sie sind eine Macht, die weitergeht... die hinter die Dinge blickt. Bindeglied zwischen den Strömen des Lebens und dem Sein der Khel'Anhor. Traumweber... Seelenwanderer. Geistfänger. Fast selbst Geister ihrer eigenen Art zu Leben.


    Wortlos lassen sich zwei der vier Fenyar auf den Wurzeln im Schneidersitz nieder, die anderen beiden auf dem Boden vor dem Kokon. Sie folgen seid Urzeiten den Träumen ihrer Brüder und Schwester, sie sind die Wächter des Unterbewußten, tückische Hüter der Wünsche des Schlafes, verbrennende Waffen des wachen Geistes.


    Sie sind die tödlichen Schwingen einer freigelassenen Seele, ein Gedanke von ihnen kann Leben erschaffen... ein Gedanke von ihnen kann Leben nehmen.


    Selbst An'hor, der nichts zu fürchten hat, bleibt respektvoll zurück. Von seinem Rudel ist nichts zu sehen. Sie ertragen die Aura der Fenyar nicht, zu groß ist die Ehrfurcht ihrer Anwesenheit. Nur er, der Khel'Emiril kann bleiben und ertragen.


    Die Fenyar senken ihr Haupt, so dass es fast ihre Brust erreicht, stumme augenblicke vergehen. Keiner von ihnen hat einen Namen, ihre Geschlechter finden sich nur in ihren Traumlandschaften wieder. Die grauen Gewänder sind wie Nebel, die um sie wehen.


    Als sie ihre Köpfe gleichzeitig wieder heben und die Augen öffnen, pulsiert das Licht des Kokon vor ihnen stärker auf. Ein Gefühl weht über die endlose Lichtung auf der der Weltenbaum steht... Ehrfurcht.


    Die Fenyar haben keine Pupillen mehr, das strahlende Weiss ihrer Augen ist von einem inneren Leuchten durchdrungen. Wind verweht ihre überlangen weißen Haaren in alle Richtungen und scheint zu zeigen...warum man die Fenyar auch die Geister der Träume nennt... dann beginnt das leichte Vibrieren um die Wurzel und den Kokon herum...


    ...die Fenyar haben begonnen zu weben...

  • Stumme Stunden gehen ins Land, aus ihnen wird ein Tag, dann eine Nacht. Die Fenyar bewegen sich nicht aber das heisst nichts. Ihre Körper sind nur Hüllen der Macht. Ihre Kräfte bewegen sich ausserhalb von Materie und Physik.


    An'hor ist fort, er blieb solange es ihm möglich war, solange er es wollte. Sein Geist kennt die Wildelbe, die war, nicht mehr. Er lebt wieder und jagt im Jetzt, er ist wieder Instinkt, er ist wieder wild.


    Niemand...fast niemand nimmt Notiz von den vier Traumwebern, als sie irgendwann, ungezählte Zeit ist ins Land und den Dämmerwald gegangen, ihre Augen schließen, wieder öffnen und dem Violett in ihren Pupillen wieder Platz machen. Sie erheben sich lautlos, ihre nackten Füsse hinterlassen keine Spuren, noch Geräusche auf der Lichtung. Weiße Gewänder verschwinden in die Nacht, bis nichts mehr an sie erinnert. Niemand weiß woher sie kommen, wohin sie gehen. Niemand soll es wissen.


    Da ist nur Blattspiel, welke Blätter säumen ihr Haupt aus Rinde. Es sitzt im Schneidersitz auf einer Wurzel des Weltenbaums, das Kinn auf seine Hände gestützt und sieht auf den erloschenen Kokon hinunter, der noch immer im Mossbett gebettet, nun wie ein Fremdkörper daliegt.


    Kein pulsierendes Licht, einem Herzschlag gleich, das in leuchtenden Grüntönen aus dem Kokon in die Nacht hinaufstrebt. Kein Geräusch, das Leben aufzeigt.


    Wind rauscht durch die ewig grünen Blätter des Yggdrasil, lässt Unmengen von Glühwürmchen aufsteigen.


    "Ich kann dich nicht mehr hören Mutter, wieso kann ich dich nicht mehr hören?"

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  • Der kehlige Laut eines Vogels durchbricht das leichte Rauschen der Blätter, durch die der Wind tanzt. Ein zweites gurrendes Geräusch reiht sich ein. Dann hört man Schritte, zwei nackte Füße, die sich rennend über den mit Laub und Moos bedeckten Erdboden bewegen. Dann werden dichte Zweige zweier nebeneinandergewachsener mannshoher Büsche geteilt und schlagen wie Peitschen zurück. Ein kurzes Aufleuchten von dunklem langen Haar, in dem Federn aus Perlmutterbhühnern eingeflochten waren, Lederbänder, Knochenperlen. Dann herrscht wieder Stille. Auf der immer grünen Lichtung voller Hügel und dichtem Moosgras laufen zwei Khel‘Anhor. Sie jagen einander aber darum geht es im Grunde nicht… es geht um das Gefühl, das man verspürt, wenn man Gras unter den nackten Füssen spürt, kalter Stein, wenn Farnblätter die Haut streicheln.


    Freiheit... ist das Freiheit?


    Das Mädchen ist langsamer, sie verliert an Boden, während sich der Junge beeilt, noch schneller über die Lichtung zu laufen, um im schützenden Dickicht des Waldrandes ein Versteck vor ihr zu finden. Siegessicher sieht er über die Schulter zurück und grinst… Die Wurzel, die sich ihm derweil in den Weg stellt… sieht er nicht. Er strauchelt, sein Grinsen verwandelt sich in Schrecken, dann stolpert er und fällt zu Boden. Er tut sich nicht wirklich etwas, das Gras und die dunkle Erde ist viel zu weich. Die Elbe nutzt die Gunst der Stunde, sie beschleunigt, schlägt einen Haken und springt ab, in dem Moment, wo sich der Junge wieder aufrappelt. Er sieht sie aus den Augenwinkeln und reißt die Arme hoch, fängt sie auf und wird noch einmal – diesmal von ihr umgeworfen.


    Jetzt...ist das Jetzt?


    Man hört ein Lachen, während sie sich überschlagen und dann von einer weniger zu übersehenden Wurzel aufgefangen werden. Der Junge schlägt mit dem Rücken an die dunkle Rinde und löst ein Zittern im Weltenbaum aus, das sich nur ein wenig in die tiefhängenden Äste fortsetzt. Ein Blatt streift das Haupt des Jungen, als dieser sich ausatmend anlehnt und das Mädchen, mit seinen Armen auffängt. Aus der Jagd ist eine innige, ruhesuchende Umarmung geworden.


    Vertrauen... ist das Vertrauen?


    Völlig still geworden genießen sie die Strahlen der Sonne, die sich hier und dort ihren Weg durch das dichte Blattwerk suchen, das Kitzeln des Lichtes auf den mit Mustern bemalten Gesichtern. Für andere archaische Zeichnungen, für sie Zeichen der Verbundenheit mit den Wald und der Erde, denn es sind ihre Farben.


    Frieden... ist das Frieden?


    Die Elbe hebt ihre Arm und mit ihrem Kopf an die Brust ihres Spielgefährten gelehnt betrachtet sie die Sonne, die zwischen ihren Fingern auf beide hinab scheint. Ihre Beine ausstreckend, berührt sie einen kleinen ovalen Erdhaufen hinter sich, wühlt sich mit den nackten Zehen durch das dichte Gras, die zarten weißen Blumen und die Sprösslinge von Farn, die sich zwischen Ranken, die dort liegen und wachsen, in Richtung Himmel kämpfen.


    … irgendwo in der Dunkelheit… auf der fast ebenmäßigen Wasseroberfläche… wird ein Licht wiedergespiegelt, winzig klein und im freien Fall begriffen. Als es auf das Wasser trifft, entstehen zwei Laute. Zwei leise tropfende Geräusche. Kreise wühlen sich mit erstaunlicher Sanftheit über die ruhende Oberfläche, bringen sie in Schwingung. Das Licht leuchtet noch eine ganze Zeit im Wasser, während es sich dem unbekannten Grund entgegensenkt...bis es schließlich in der Finsternis verschwindet.


  • ***
    Als die Welt noch jung war und der Krieg unter den Göttern sich dem Ende neigte,
    gebar Tasmia zum Zeichen des ewig währenden Kreislaufs aller Dinge einen Weltenbaum,
    dessen Lebenskraft niemals versiegen sollte und der allen Jahres-zeiten widerstand,
    allen Ängsten, allen Krankheiten und selbst dem Tod, der sonst allem innewohnt.


    Und als sich die Strahlen der Frühlingssonne zum ersten Mal auf seine Blätter legten,
    erklang aus den Weiten der Sterne eine Melodie und er begann zu blühen.
    Tausende regenbogenfarbene Blüten sprossen aus seinen Zweigen hervor und neigten sein mächtiges Haupt der braunen gebärenden Erde entgegen.
    Tau fing sich in den Blütenkelchen, nährte die Erde unter ihm und erschuf vielfältiges Leben.
    So vergingen viele Zeitalter und seine Wurzeln spannten sich weit über die ganze Welt.


    Das Lied der Sterne aber wurde lauter und fordernder und lies in der Dämmerung des siebten Zeitalters den Traum an den Wurzeln des Weltenbaumes erwachen.
    Tasmia, die große Mutter nannte den Traum der Sterne die Khel’Emiril, denn sie waren aus ihrem Licht geboren und von ihrer Melodie geführt.


    Sie waren Magie, sie gaben Anmut und Reinheit einen Namen.
    Sie waren so lebensbejahend wie die Erde,
    rein wie das Wasser,
    sanft wie die Luft,
    kraftvoll wie das Feuer und
    sie kannten weder die Dunkelheit, noch den Tod.


    ***



    So begann die Schöpfung, die keine wahr, sondern nur eine Veränderung. Im ewigen Kreislauf liegt alles der Veränderung zu Grunde. Kein Lebewesen, kein Stern ist davor gefeilt. Unsterblichkeit ist nur ein Wort, dem viele Bedeutungen zu kommen können. Wann sind wir unsterblich, wenn es unsere Körper sind, unser Geist…vielleicht unsere Seele? … vielleicht ist es aber etwas völlig anderes.


    Wer sind wir noch… lange nachdem wir gestorben sind oder zu den Sternen zurückkehrten, wenn sich andere , die zurückgeblieben sind unser nicht erinnern? Wenn der Geruch nach frischer Erde, auf die Regen gefallen ist, nur ein Geruch bleibt, der keinen Traum fängt, keine Sehnsucht… kein Vermissen.


    Wenn ein Blick sich nur in die Ferne richtet, ohne etwas zu finden, dass sich nur in seinen Erinnerungen finden lässt.


    Was bleibt zurück, in den Herzen anderer, wie viel muss man geben, damit etwas zurückbleibt, wie muss man es geben, dass sich erinnert wird. Wer muss man sein… wer nicht.


    Die Geschichte meines Lebens ist nicht besser, als die eines anderen. Sie ist nur anders. Sie hat ihre Höhen und ihre Tiefen gehabt. Sie weckte Zorn in mir und in anderen. Sie hat gezeigt, dass vieles, was unmöglich erschien, möglich wurde… sie zeigt aber auch, dass vieles was hätte möglich sein können, letztlich unmöglich blieb.


    Wir treffen irgendwann eine Entscheidung, wir halten uns eine, weil sie Gesetz ist. Macht es uns unsterblich, wenn wir an ihr festhalten, für sie Rechtfertigungen suchen, bis die Verhältnismäßigkeit der Mittel abhanden kommt – und der kurze flehende Gedanke unseres Herzens… es kann anders sein, wenn wir nur fest genug daran glauben, wenn wir nur fest genug darum kämpfen - ungehört verhallt.


    Mut zu haben bedeutet große Veränderungen und diese Veränderungen…sie machen Angst, manchmal wahnsinnige Angst. Fluchtbereit… laufen wir schließlich davon in die Einfachheit des Gewohnten.


    Ich habe in meinem Leben vieles überdenken müssen, ich bin in so viele unzählige Rollen geschlüpft, freiwillig und unfreiwillig, dass ich eine beeindruckendes Sammlung dessen erhielt, was möglich ist und was nicht.


    Ich habe große Wut gesehen und tiefe beispiellose Liebe. Ich habe Schmerzen gefühlt, in mir und in anderen, die weit über das Verständnis meines Volkes hinaus geht und genauso viel Mitgefühl und Hingabe. Viele Erinnerungen sind in mir… viel zu viele, als das ein Wesen mit meiner Alter in sich wirken lassen dürfte aber das Schicksal fragt danach nicht. Es lässt nicht entkommen, verhandelt nicht mit sich…


    Eine Wurzel kitzelt meinen Fuß… ich ziehe ihn zu mir, presse die Knie an meine Brust und halte die Augen geschlossen, weil die Dunkelheit so wunderbar still und umarmend ist. Von irgendwo her ist Lachen zu hören. Es wirkt dumpf, macht neugierig… ich will aber nicht neugierig sein. Ich will schlafen…


    Wach auf…


    Ich knurre, ich will nicht, es ist wunderbar warm hier, der Geruch frischer Erde und des Grases ist viel zu einnehmend.


    Wach auf…


    Ich erinnere mich an das Geräusch, das Wind macht, wenn er durch das Federkleid eines Vogels weht. Durst nach Wasser… Sonnenstrahlen auf meiner Haut.


    Wach auf…


    Schicksal…


    wer bin ich, dass ich es nicht trotzdem versucht hätte…

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  • Lebenszeit



    Es ist Zeit
    Sagt die Zeit
    Besinne dich


    Ich bin da für dich
    Sagt die Zeit
    Nutze mich


    Da ist ein Tautropfen, der über die filigrane Membran des Blattes in Richtung Erdboden wandert und sich
    schließlich mit einem eingefangenen Sonnenstrahl von der Spitze des Blattes löst. Ich fange ihn mit der Kuppe
    meines Zeigefingers, betrachte die prismatische Perle, so unendlich schön… und vergänglich. Ich trinke sie und
    genieße den kühlen Kuss auf meinen Lippen.



    Du hast mein Herz
    Sagt die Zeit
    Wärme mich


    Ich liebe dich
    Sagt die Zeit
    Meine Zeit ist dein


    Da sind Sonnenstrahlen, die wie die Hand eines Lichtgottes durch das dichte Blattwerk der Baumkronen stoßen
    und das Moos unter meinen Füssen streicheln. Ich wandere durch sie hindurch und genieße jeden Moment, in
    dem sie meine Haut berühren und wärmen. Wie weich die Erde ist, so dunkel… so viel Leben zusammengefasst
    in zwei sich schließenden Händen..



    Vergesse mich
    Sagt die Zeit
    Mein Atem ist still für Dich


    Zögere nicht
    Sagt die Zeit
    Ich bin kostbar


    Alles ist zeitlos hier, ich kann den Flügelschlag einer Dämmerelster sehen und das ihr langer Schweif fast den
    Zweig berührt, über den sie hinweg fliegt. Mein Haar streift einen winzigen Wasserfall, als ich über den Bach-
    lauf einer gerade aus dem Fels entsprungenen Quelle laufe, um ihr hinterher zu jagen. Wasser spritzt auf, ver-
    bindet sich mit der Erde an meinen Zehen.



    Lebe mich
    Sagt die Zeit
    Glück ist Gnade


    Sei dankbar
    Sagt die Zeit
    Ich muss weiter


    Finger streifen meine Schulter, sie fühlen sich an wie Grashalme, die über die Haut kitzeln. Schließ die Augen,
    sagt das Herz. Es riecht nach Regen. Ich verliere mich in der Erinnerung an die perfekte Blüte einer schneewei-
    sen Orchidee. Die Blüte der Orchidee verliert sich in meinen Händen. Dann setzt der Regen ein. Heb dein Haupt,
    sagt die Seele… spüre ihn.



    Vertraue mir
    Sagt die Zeit
    Ich komme zurück


    Mit Lebenszeit...

    Nein tust du nicht.


    Reinhard Lehmitz
    (mit Dank an Enyia)


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  • Die Füße der Fenyar senken sich langsam auf die Äste und nur kurz richtet sich das innere Auge des Weltenbaumes auf die Traumweber. Sie kommen synchron auf und ihr Geisterhaar, fällt wie vom Wind bewegte Spinnweben über die von fließenden weißen Gewändern bedeckten Schultern.


    Ihr stiller Blick ist auf die gewaltige Lichtung gerichtet, auf der der Weltenbaum wächst. Die violetten Pupillen fangen die Sonnenstrahlen des wolkenlosen Tages ein und verschlucken sie, ganz so, wie ein Hungriger Nahrung verzehrt. Unzählige Pollen tanzen wie winzige Wolken durch die Luft, ein Vogelschwarm zieht am Himmel vorüber und hinterlässt ein sanftes Muster auf den vom Wind wogenden Gräsern am Boden.


    Jeder der Seelenwanderer scheint zu begutachten. Sie folgen mit ihren Blicken akribisch jeder Bewegung der Elbe, die inmitten diesem Meer aus hohen Gräsern steht, die Hände von sich gestreckt und mit geschlossenen Augen, die Berührungen der Ären spürt, die der Wind auf ihrer Haut hin und her treiben lässt. Das offene dunkle Haar ist mit Federn, verschiedener Erdfarben geschmückt, nur ab und an schaut das Auge eines Pfaus aus ihnen hervor. Geflochtene Zöpfe halten ihr Gesicht frei und die Sonne bescheint die bronzefarbene Haut und lässt sie wie Messing funkeln.


    Zwischen den Fenyar landet eine fünfte Gestalt. Ein kurzer Ruck geht durch den Ast, er federt nach… der Wildelb findet Halt und kommt aus der Hocke, blitzschnell herausgebildete Krallen an seinen Füssen, verankern sich im Holz. Er bildet einen starken Kontrast zu den Fenyar mit seinem rabenschwarzen langen Haaren, den Federn im Haar, der wildledernen Kleidung. Der Weltenbaum stört sich nicht an seiner Anwesenheit, er hat seine Aufmerksamkeit, ebenso wie der Elb auf die Frau auf der Lichtung gelegt.


    *An wie viel wird sie sich erinnern?*


    Die Fenyar antworten nicht sofort, aber als sie es tun, echauffieren vielerlei klangvolle Stimmen mit unglaublicher Kraft und doch sanfter Güte durch seine Erinnerungen und Gedanken. An’hors Blick wird kurz betrübt.


    *Wo ist der Speicher?*


    Diesmal antwortet kein Senden. Einer der Fenyar weiter hinten hebt seine Hand und hebt sie in den Himmel, so als wollte er etwas mit seiner Handinnenfläche auffangen und tatsächlich löst sich aus dem nirgendwo der Blattkronen des Weltenbaumes ein glitzerndes Objekt. Es scheint unförmig, doch nur im ersten Moment, denn als es sich den Sonnenstrahlen, die es erleuchten, verflüchtigen, ist eine silberne Kette zu erkennen und in dem Amulett aus filigranen silbernen Mustern ist ein Kristall eingebettet. Der Traumweber fängt den Schmuck auf und gibt ihn weiter an den Wildelben, der die Kette durch seine Finger flechtet und dann weiter hinabblickt.


    Dann geht ein Ruck durch seinen Körper und er lässt sich fallen. Noch im Fall nahe der kräftigen Rinde, beginnt sich sein Körper zu verformen, Gliedmaßen verlängern und verkürzen sich und setzen sich unter einem grünlichem Schimmer neu zusammen. Aus Haut wird Fell, aus tiefem Bronze reines Schwarz, das unwirklich schöne Gesicht des Zweitgeborenen, wird zu den edlen Zügen einer gewaltigen Wildkatze. Die Krallen stoßen sich ab und landen wieder, im Zickzack über mehrere Äste, berührt der den Boden der Lichtungen und springt über ein paar Wurzeln, bis er neben der Elbe landet, die noch immer mit geschlossenen Augen die Berührung der verwehenden Gräser genießt. Sein schwarzer Rücken streicht über eine ihrer ausgestreckten Händen. Sie kann die gewaltige Aura spüren, die der Panther ausstrahlt. Doch sie hält ihre plötzlich aufkeimende Furcht unter Kontrolle. Ganz langsam, als müsste sie sich überwinden, öffnet die Elbe ihre Augen und ihre Pupillen sehen hinab zu dem Seelentier ihres Urahns.


    An’hor hat das Amulett aus seinen Krallen entwunden, es liegt wie ein Fremdkörper und von der Sonne wieder in prismatisches Licht getaucht vor der Elbe. Die Muskeln unter ihrer Haut und den Zeichnungen der Wächter spannen sich an, als sie sich bückt um die Kette aufzuheben. Wie selbst verständlich und tausendfach geübt, schließt sie sie um ihren Hals. Dann liegt ihre Hand wieder im Nackenfell des Panthers neben sich. Der Blick ist in die Ferne gerichtet und die Sonne wärmt ihr regungsloses Gesicht.

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  • Die bronzefarbenen Finger haben einige Schwierigkeiten durch das filigrane Geflecht mit Tiersehnen geflochte Band Federn einzufädeln, die auch Halt finden würden.


    Im Schneidersitz auf einer der gewaltigen aus dem Boden gewachsenen Wurzeln, die wie Wellen wirken, die hochtürmend aus dem Erdreich der großen Graslichtung in alle Richtungen wachsen, blickt ein angestrengt wirkendendes türkisblaues Augenpaar auf die für sie noch ungewohnte Handarbeit hinunter. Sie wirkt bei der Arbeit nicht unbeherrscht oder ungeduldig, doch man kann erkennen, dass sie mit so einigen Schwierigkeiten behaftet ist.


    Die langen Waldfasanenfedern scheinen zu biegsam zu sein, um sie angemessen in den Kopfschmuck verarbeiten zu können aber mit der entsprechenden Zeit würde sie beenden, was sie begonnen hatte...


    Sie...die der erste unter ihnen rûth'wannen nannte - mehr ein Gefühl, als ein Name... denn der Name spielte keine Rolle, er war ein Konstrukt, dass es den Dingen einfacher machte sie zu erkennen und zu kategorisieren aber Namen wurden den Dingen, denen man sie gab nie wirklich gerecht.


    Der aufkommende Wind, der die dichten hohen Gräser am Rand des Weltenbaumes hin und her bewegte und an die Oberfläche eines in Aufruhr versetzen Sees erinnern lies, verwehte auch das Haar der Wildelbe. Die darin eingeflochtenen filigranen Federn kitzeln über ihre Wangen.


    Ab und an sieht sie auf. Ihr Blick verharrt schließlich auf mehreren dunklen Punkten, die sich über die Lichtung bewegen. Ein synchrones Muster eines sich fortbewegenden Wächterrudels. Es ware nicht die Schattenspringer, ihre Aura wäre von ihr schon beim Betreten der Lichtung erkannt worden. Sie steuerten zu einem knappen Dutzend eine andere weiter entfernt liegende Wurzel an und verteilten sich schließlich. Wo immer sie hergekommen waren und was immer sie wollten...sie scheinen angekommen zu sein.


    Eine Elbe unter ihnen, mit rotem Haar und dunkler Haut springt in schnellen und geübten Sätzen auf eine der Wurzeln hinauf und scheint sich orientierend umzusehen, während ihre Gefährten zwischen anderen Wurzeln verschwinden.

  • Ein Hauch eines Sendens zu ihren Gefährten, die schon so lange an ihrer Seite waren, nur ein kurzer Moment, in dem sie das gemeinsame Gefühl eintaucht, angekommen zu sein. Freude, die Gemeinsamkeit schürt, denn ohne Gemeinsamkeit wäre ein Rudel nicht das, was es war.


    Dann verschließt sie ihren Geist und blickt sich um, erlaubt ihren Sinnen, sich mit vertrauten Dingen zu beschäftigen, doch wenngleich ihre Augen über den Hort schweifen, sind ihre Gedanken noch weit draußen in den Wäldern, bei kriechenden Schatten und anderen Dingen, die niemals ihren Weg zum Vaterbaum finden durften.


    Ihre Rudelgefährten verschwinden einer nach dem anderen, schlüpfen unter den Wurzeln des Baumes hindurch, um Freunde zu begrüßen, zu essen, zu meditieren. Sie selbst hockt sich schließlich hin, in einer fließenden Geste und versucht zu sehen, was sich in den vergangenen Monaten getan hat. Wer bei wem steht. Wer wo lernt. Ihre blauen Augen gleiten über die Szenerie, während ihre rechte Hand nachdenklich die schmale, weiße Narbe nachfährt, die sie bei ihrem letzten Besuch noch nicht getragen hat.

  • Ihr weit entferntes Gegenüber noch immer im Schneidersitz verharrend, neigt ihren Kopf ein wenig seitlich. Ein neugieriger Blick aus dem mit den Bemalungen der Wächter verziertem Gesicht huscht über ihr Gegenüber. Eine seltsame Erinnerung in ihrem Kopf, der sie zwar einen Namen aber kein Gefühl geben kann, lässt sie wenige Augenblicke nachdenklich blicken.


    Als sie ihren Oberkörper ein wenig verlagert, um gemütlich zu sitzen, streift ein Sonnenstrahl das verräterische Silber um ihren Hals. Metalle waren unter den Wildelben, besonders unter den Wächtern wenig beliebt. Die Sonne wurde durch ihren Glanz ein Feind in den Schatten. Als sie das Glitzern an sich selbst bemerkt, versteckt sie in einer einzigen geübten Bewegung das Amulett mit dem kristallinen Samenkorn unter dem schwarzen Wildleder ihrer Oberbekleidung.


    Es war das erste Mal, dass sie andere ihres Volkes sah, die nicht den Namen des Allerersten oder seines Rudels trugen oder das namenlose Gesicht der Fenyar hatten, deshalb war es in erster Linie Neugierde, die sie schließlich auf die Beine kommen lies. Mit einer vorsichtigen Berührung ihres Geistes machte sie schließlich auf sich aufmerksam, den Bogen in ihrer Hand ruhig haltend.


    *Welches Rudel, Ark'fearn dha Khel'Anhor?*

  • Shao'rai zeigt zunächst kein äußerliches Anzeichen, dass das Senden sie erreicht hat, doch dann wendet sie leicht den Kopf in die Richtung, aus der die Frage sie erreicht hat. Mit einer jähen Geste drückt sie sich von der Wurzeln hinunter und landet einige Schritt weiter unten auf dem Waldboden, leicht in die Knie gehend, federnd, eine Hand vorschnellend, um sich mit den Finger auf dem Waldboden abzustützen, falls es nötig sein sollte. Und dennoch ist die Konzentration nicht völlig auf den Fall gerichtet, den zu überstehen es dem elbischen Körper kaum eine Anstrengung abverlangt, sondern ruht auf allem und jedem, den die Wächterin zu erfassen vermag.


    Sie richtet sich auf, in jedem Zoll ihrer schlanken Gestalt kontrolliert und kraftvoll. Weiche Lederriemen umfassen die Ärmel ihrer schlichten Ledertunika und die Hosenbeine, um das Material eng an den Körper zu binden, so dass im Wald kein Ast, kein jäher Wind ihren Lauf stören kann. Auch ihr Haar ist streng gebändigt, doch in den Mustern, die rote Flechten, Lederbänder und wenig, kleine weiße Perlen aus Bein bilden, liegt in all der Strenge auch liebevoll arrangierte Schönheit. Ein Gürtel mit großen und kleinen Taschen, an dessen Rückenteil sich zwei unterarmlange Klingen in ihren Futteralen befinden, komplettiert das schlichte, zweckmäßige Erscheinungbild.


    *Nachtaugen.*


    Eine Information, gesendet in all der Neutralität, die eine Information haben kann. Doch Shao'rai nähert sich der Fragenden, ihre nackten Füße hinterlassen keinen Abdruck auf dem weichen Waldboden, bis sie schließlich vor der anderen Elbin steht und sie anblickt.

  • Die dunkelhaarige Elben rührt sich keinen Fingerbreit, auch dann nicht als die andere Khel'Anhor, die Wurzel erreicht hat und mit wenigen geübten Sprüngen vor ihr steht. Dann jedoch huscht ein kurzes Lächeln über ihre Züge, flüchtig, wie der matte Schimmer auf ihren türkisfarbenen Augen. Sie war schon älter, jedenfalls sagten das ihre Pupillen aus. Sie trug zwei der Wächterprüfungen in spiralförmigen Hautbildern aber noch nicht ganz klar, doch schon im Erkennen begriffen, kristallierte sich zwischen ihnen ein Dritte hervor.


    *Sanya ark'faern dha una'rai*


    Ein sachtes Nicken folgt. Das Senden ist nun kraftvoller geworden, da sie die Erlaubnis durch den begonnen Dialog hatte. Als sie sich vorstellt erreicht ihr Gegenüber denkbar wenig an Gefühlen und Gedankenbilder, die das Verständnis über ihr Gegenüber erweitern kann. Entweder hielt sie diese Informationen mit Absicht zurück - was seltsam gewesen wäre oder es gab schlicht nichts, das ihr Selbst erklären konnte. Besonders als sie ihr Rudel erwähnt, spürt die andere Elbe, dass sie auch damit nichts verbindet, keine Einheit, keine bedinungslose Liebe, wieder nur eine schlichte Information... dessen, was scheinbar einmal gewesen war und jetzt im Nebel liegt.


    *Tearian vom Sala der Windläufer*


    Der mit Federn geschmückte Bogen, wiegt ein wenig in ihrer Hand hin und her. Der Köcher mit Pfeilen, die die typischen roten Federn mit den schwarzen Punkten trugen, hing unweit ihrer Position an einem Astvorsprung. Dann ein fragendes Senden, damit ihr Gegenüber mehr über sich selbst offenbart.

  • *Sanya Tearian* , erklingt es durch das Band zwischen den elbischen Geistern und dies klingt nun freundlicher, wenngleich weder Erkennen noch Neugierde durch die Verbindung erklingen.


    Shao'rais Augen gleiten kurz über eine Wurzel nahe der anderen Frau, dann ist sie mit zwei, drei kräftigen Sätzen auf einen Ausläufer gesprungen, um sich auf Augenhöhe unterhalten zu können. Auf das sachte Anstubsen, mehr preiszugeben, reagiert sie mit einem wirklichen, ersten Lächeln, dann öffnet sie ihren Geist und sendet ein Bild.


    Kräftige, sehnige Gestalten hocken in den Baumkronen, ein gemeinsamer Geist, der auf das ausgerichtet hat, was sich am Boden nähert. Im Dämmerlicht eines gehenden Tages sind mehr als ein Dutzend Augenpaare beobachtend auf die Schemen gerichtet, die sich am Waldboden vorwärts bewegen.


    Ein Gefühl von Gemeinschaft begleitet dieses Bild, zurückhaltende Zufriedenheit und ein wenig Stolz. Ein weiterer Eindruck folgt, eher flüchtig, zeigt einen der Elben, einen schönen, dunklen Mann mit dunklen Augen, der unter den vielen, die warten und wachen, der Erste zu sein scheint. Der Name Shir'aras klingt mit diesem Bild, dazu Respekt und Anerkennung vor dem deutlich älteren Elben.

  • *Das Wächterrudel Shir'aras*


    Tearian wirkt kurz abwesend. Es scheint als würde sie nachdenklich über etwas in ihren Erinnerungen sinnieren, ehe sich ihr wieder wachsamer Blick erneut auf die rothaarige Elbe ihr gegenüber legt.


    Anerkennung und Respekt liegen in der Information, die in ihre Gedanken kommt und die sie an ihr Gegenüber weiter gibt. Shir'aras war alt, einige sprachen davon, er wäre der Sohn eines Zweitgeborenen. In seinem Rudel zu wachen war eine große Ehre, die nur wenigen Ark'Faern zu Teil wurde. Ark'Faern, die sich verdient gemacht hatten, jene gefährlichen Ausläufer des widir'arc zu schützen.


    Ihr Blick fällt über die Narbe, zu frisch um eine ferne Erinnerung zu sein. Ihre Augen werden fragend, während, der federne unvollendende Haarschmuck in der Hand, die nicht ihren Bogen hält vom Wind hin und her geweht wird.

  • Shao'rai neigt leicht den Kopf, als die Meldung über die Anerkennung für ihr Rudel sie erreicht, sie wirkt nicht offen geschmeichelt, sondern nimmt die Regung fast unberührt an. Mehr wirkt es wie eine bloße Bestätigung dessen, was ihr Gegenüber vermuten mag, doch es wirkt nicht arrogant.


    Als sie bemerkt, dass Tearians Blick auf ihrem verunstalteten Gesicht hängen bleibt, sendet sie ihr so etwas wie ein mentales Schulterzucken und ein weiteres gedankliches Bild, das mehrere Trolle, einen tiefen Sturz in unbarmherzig peitschende Äste und Shir'aras Gesicht enthält, der Schmerz und Zorn, den die Begegnung in Shao'rai ausgelöst hat, mit Kalkül und nicht mit Mitgefühl betrachtet hatte. Zum Glück nicht das Auge.


    Shao'rai blickt Tearian an.


    *Sind Deine Leute auch hier?*

  • Als Antwort deutet sie nur knapp zum Weltenbaum, auf dessen Wurzeln sie beide stehen.


    *Nicht wie die deinen*


    Das Rudel das sie einst angehörte, war in den Kreislauf zurückgekehrt oder sie war nicht mehr aktiv teil davon. Das schien seltsam, denn die Wächterprüfungen auf ihrer Haut sprachen eigentlich deutlich von einer aktiven Mitgliedschaft. Aber vielleicht erklärte das die Leere ihres Sendens eben, das so ganz gegenteilig zu Shao'rai, keine Bilder noch Gefühle enthielt, als sie den Namen ihres Rudels ausprach.


    Dann sieht sie wieder zu der Elbe.


    *Hilfst du mir?*


    Unterstützend hebt sie den unfertigen Schmuck in ihrer Hand.


    *Meine Hand gehorcht filigraner Arbeit nicht*

  • Shao'rai legt den Kopf zur Seite, als sie beginnt, sich die Dinge zusammenzureimen, doch sie erspart sich eine Nachfrage. Obwohl sie in ihrem Rudel manchmal alleine war, war es doch jene Art des Alleinseins, die man sich erlauben konnte, wenn man wußte, dass man aufgefangen werden würde, wenn man wieder zurückkehrte.


    *Schmuckarbeiten? Ich kann es versuchen.*


    Über die Pfade, die die verschlungenen Wurzeln bilden, geht sie hinüber zu Tearian, eine Hand ausstreckend, den Kopf leicht gesenkt, als ihr Weg sie nahe an den Stamm heranbringt. Ihre Fingerspitzen gleiten über das Holz des gewaltigen Leibes des Vaterbaumes und ein Prickeln durchschauert ihren Körper, als sie einen Gruß, der Liebe und unendliche Sehnsucht enthält, entbietet.


    Dann geht sie über die Wurzel zu Tearian hinüber und hockt sich neben der anderen Elbin ab.


    *Was soll es werden?* Das Ganze wird von einigen Bildern von Schmuck begleitet, den sie kennt und mit einem fragenden Unterton begleitet.