Die Taverne "Zum Zaunkönig" ( 8 )

  • "Ein Glückskind also."


    stellt Hadra fest und betrachtet ihren Gegenüber über den Rand ihres Bechers, lässt es aber ansonsten unkommentiert.


    "Was mir dieser Ort bietet? Nun, Heimat wäre zu viel gesagt."


    Sie zuckt mit den Schultern. Für einen kurzen Moment sieht man ihr möglicherweise die Sehnsucht nach der echten Heimat an, die sich auch für einen Augenblick in ihrer Stimme niederschlägt und dann wieder verschwunden ist.


    "Möglichkeiten. Ja, das ist es wohl. Möglichkeiten."


    meint sie dann zufrieden.


    "Und Ihr? Ist sie Eure Schwester und Ihr wollt den Lump endlich kennenlernen, der sie in die Ferne führte?"


    Eine Augenbraue zuckt nach oben, als sie ihn keck anlächelt.

  • "Meine Schwester?" Liams Lippen zucken kurz. "Nein, wir haben ein eher ungeschwisterliches Verhältnis zueinander." Er räusperte sich und nahm noch einen Schluck Wein, den er sich auf der Zunge zergehen ließ. Dann fixierten seine blauen Augen Hadra wieder. "Gibt es denn einen Lumpen?", erkundigte er sich, ein fast zu harmloses Lächeln auf den Lippen.

  • "Ah, interessant. Ungeschwisterlich, ja?"


    Innerlich schiebt Hadra die Unterlippe vor und möchte schmollen. Spontan will sie das Interesse verlieren an ihrem Gegenüber. Schließlich hat er ja scheinbar auch keines an ihr.


    "Ob es diesen .. Lumpen gibt, kann ich Euch nicht sagen. Es wäre sicherlich bekannt geworden, wenn eine Andersgläubige einen Renascâner geheiratet hätte. Die Schankmaid kann Euch sicherlich sagen, wo sie wohnt. Dann könnt Ihr sie selbst fragen."

  • Liam musterte Hadra für einen Moment, dann lächelte er spitzbübisch.


    "Ihr müßt mir auf jeden Fall noch helfe, die Schankmaid die richtigen Fragen zu fragen. Was, wenn ich etwas falsch mache?"


    Seine Augen funkelten amüsiert.


    "Ich wäre Euch ewig dankbar."

  • "Ich bin mir fast sicher, dass Ihr das auch ohne meine bescheidene Hilfe könntet."


    antwortet Hadra und lächelt nun auch wieder. Dann sieht sie aber doch zu Jolante und hebt die Hand um ihre Aufmerksamkeit zu kriegen.


    "Aber man tut ja was man kann, damit ein Reisender sich hier in unserem bescheidenen Renscân wohl fühlt. Das ist doch das Mindeste, nicht wahr?"

  • Liam lächelte in seinen Weinbecher hinein.


    "Ich fühle mich geehrt, dass eine Frau wie Ihr Euch eines armen, suchenden Reisenden annehmt." Er stellte den Becher wieder auf die Tischplatte ab. "Ganz zu schweigen davon, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid. Man hat nicht immer das Glück, so freundlich empfangen zu werden."

  • "Das Volk hier ist bekannt für seine Freundlichkeit und Offenheit gegenüber Fremden. Nein, wartet..."


    Sie macht eine kurze Pause, strahlt ihn dann an.


    "... das war eine Lüge."


    Langsam wiegt sie den Kopf hin und her, lehnt sich zurück.


    "Man hat es hier recht leicht, wenn man keine seltsamere Hautfarbe als Menschen hat und die Ohren nicht auf eine denkwürdige Weise lang gezogen sind. Wenn man weder Flügel hat noch Echsenschuppen oder mögen die Götter wissen was auch immer es da draußen noch gibt. Da Ihr auf den ersten Blick nichts davon zu haben scheint, seid Ihr hier sehr willkommen. Jeder Reisende bringt Geschichten. Und nicht zu vergessen: Geld."

  • Liam lachte ein dunkles, grollendes Lachen.


    "Ihr seid sehr ehrlich, das gefällt mir. Gut, ich werde mich bemühen, meine dunklen Geheimnisse für mich zu behalten und sie niemandem zu offenbaren, der nicht damit umgehen kann."


    Er streckte sein verletztes Bein ein wenig aus und verzog kurz das Gesicht.


    "Vielleicht bleibe ich ein wenig. Vielleicht auch nicht. Mal sehen, wie sich mein Glück an diesem Ort ausnimmt."

  • "Das vorerst nicht. Aber ich hätte eine Frage. In Tavernen weiß man doch so eine Menge. Man hört viel, begegnet einigen Menschen. Wisst Ihr möglicherweise, wo Alanis Tatius wohnt? Da sie so oft hier ist, muss sie doch eine Wohnstatt haben."


    'In einer Taverne weiß man so einiges' denkt sich Hadra, 'Hoffentlich weiß sie das auch.'

  • Hmmm.
    Die Frau nimmt mit einer Hand ihren linken Zopf in die Hand und beginnt, ihn gedankenverloren um den Finger zu wickeln; immer und immer wieder. Ihr Blick wandert kurz neben sich. Der Punkt, den sie mit den Augen fixiert, ist jedoch leer. Nach einigen Augenblicken wirkt sie wieder anwesender und beginnt dann auch zu sprechen.
    Genau weiß ich das nicht, ich war noch nie da. Aber ich habe gehört, dass sie irgendwo in der Nähe des Waisenhauses wohnen soll, den Hügel hoch. Ich kann euch leider nicht besser weiterhelfen. Hmmm... Sie arbeitet doch im Hospital. Dort kann man euch sicher Genaueres sagen oder vielleicht ist sie ja gerade da.
    Jetzt wirkt Jolante wie ein Kind, das gerade eine schwierige Rechenaufgabe gelöst hat. Sie schaut die beiden Gäste an und wartet auf mögliche weitere Fragen.

  • Liam hörte Jolante geduldig zu, er ließ sich nicht anmerken, ob ihre Art ihn irritierte. Im Gegenteil, als sie geendet hatte, reichte er ihr eine Münze hinüber.


    "Vielen Dank. Du hast mir sehr geholfen", beschied er ihr freundlich. "Das Hospital ist ein guter Hinweis."

  • "Das Hospital scheint nicht nur zur Informationsbeschaffung das richtige Ziel zu sein, wie mir scheint. Unsere Heiler sind gut. Einige Jahrhunderte Bürgerkrieg haben sie eine Menge gelehrt."


    Sie tut den letzten Satz mit einem Schulterzucken ab.


    "Was tut Ihr, außer reisen und Damen suchen, Liam Kincaid?"


    fragt Hadra unvermittelt. Noch möchte sie sich nicht geschlagen geben. Außerdem interessiert es sie nun doch, was dieser Liam von der Priesterin möchte. Alanis ist von Amonlonde nicht mit ihnen nach Renascân zurückgekehrt. Seitdem ist sie ihr auch nicht mehr über den Weg gelaufen. Hadra kann sich also recht sicher sein, dass sich Alanis derzeit nicht in Renascân aufhält. Es wäre ein Jammer, wenn dieser Liam etwas anderes vor hätte als amouröse Beziehungen auffrischen. Alanis hat scheinbar Kontakte und die will sich Hadra nicht verbauen.

  • Der große Mann nahm die Empfehlung des Hospitals mit einem gelassenen Nicken entgegen. Seine Bewegungen waren trotz seiner Verletzungen flüssig und elegant - so wie jemand, der sich viel bewegte, auf was für einem Parkett auch immer.


    "Vielleicht sollte ich das Krankenhaus wohl wirklich einmal aufsuchen - Schiffsreisen gehen einem in die Knochen, vor allem, wenn diese nicht mehr ganz die Alten sind."


    Er räusperte sich.


    "Nun, vor allem bemühe ich mich, Damen nicht mit meiner Krankengeschichte zu langweilen. Und auch das Suchen von Damen ist normalerweise nicht meine Art -. Ansonsten könnte man mich wohl als einen Universalgelehrten beschreiben."


    Seine Augen blitzten amüsiert auf. Ihre Nachfrage zeugte von Interesse, doch er würde sie zu gerne noch ein wenig zappeln lassen.


    "Ich verstehe viel von vielen Dingen."

  • "Eine ehrenvolle Verletzung, davongetragen im heldenhaften Kampf gegen .. irgendeine widerliche Bösartigkeit. Wie könnte man da nicht dahinschmelzen?"


    Hadra bedenkt Liam wieder mit einem huldvollen Augenaufschlag und einem leicht spöttischen Lächeln.


    "Universalgelehrter, das ist es also."


    Sie hebt ihren Becher an, schwenkt den Inhalt leicht und betrachtet Liam.


    "Ihr seht aus wie jemand, der es versteht zu leben."


    '... zu überleben.' setzt Hadra in Gedanken noch hinzu. ' .. aber gerade deswegen nicht ganz ohne Reiz.'.

  • Liam strich sich in einer sinnenden Geste über sein glatt rasiertes Kinn.


    "Haltet Ihr mich für so moralisch integer, dass Ihr mir zutraut, mich für irgendjemanden oder irgendetwas heldenhaft zu schlagen?" Ein jungenhaftes Grinsen glitt über sein Gesicht, so als habe man ihm gerade eöffnet, dass er einen Jahresvorrat Süßigkeiten gewonnen hatte. "Das ehrt mich dann doch, wo ich doch schon jegliche Schicklichkeit von mir weisen mußte."

  • "Sollte man nicht immer das Beste von seinem Gegenüber annehmen? Und zumindest kann ich mich noch der Vorstellung hingeben, einem wahren Helden gegenüber zu sitzen, da Ihr diese Theorie noch nicht entschieden von Euch gewiesen habt."


    Sie greift nach ihrem Fächer und dreht ihn gedankenverloren in den Händen.


    "Ich könnte sogar glauben, dass Ihr die Schicklichkeit nur aus Gründen der Demut und Bescheidenheit von Euch gewiesen habt."


    Jetzt hört Hadra auf den Fächer zu drehen und legt ihn sich in die Handfläche, wo er ruht. Sie lehnt sich mit einem koketten Lächeln zurück.


    "Oder ich könnte glauben, dass Ihr ein unmoralischer Herumtreiber seid, der jeder Frau hinterher steigt und Geld nimmt, wo er es kriegen kann."

  • "Was würde Euch denn besser gefallen, Hadra?" Er hob eine Augenbraue und neigte sich ein wenig über den Tisch zu ihr herüber. Seine Stimme war ruhig und freundlich, in ihren dunklen Untertönen vibrierten jedoch neben einer Herausforderung auch eine Spur Spott.

  • Hadra lacht leise und erwidert offen seinen Blick.


    "Vermutlich keins von beidem. Bei Ersterem müsste ich mir Gedanken machen, vor Eurem gerechten Zorn nicht bestehen zu können. Bei zweiterem müsste ich Angst um meine Börse haben."


    Sie fängt wieder an den Fächer zu drehen.


    "Also neige ich dazu Euch einfach zuzuhören und zu schauen, was Ihr preiszugeben bereit seid. Es liegt also in Eurer Hand, welches Bild Ihr mir gebt."