Im Hafen von Rendor II

  • Ein Mann kam in die Taverne, den Michael schon viele Male beschäftigt hatte für gewisse Geschäfte. Leise saßen beide in einer Ecke und besprachen sich...


    Dann stand dieser Mann wieder auf und ging hinaus.


    Michael sah ihm nach. Vielleicht würde er mehr herausfinden, als er es vermochte...

  • Marie stand erst wieder von ihrem Gebet auf, als Fanny ins Zimmer, um Marie ins Nebenzimmer zu holen, wo die Wanne mit heißen Wasser auf sie wartete.


    Maries Körper fühlte sich schwer an. Sie war so müde, dass sie Mühe hatte, aufzustehen und stützte sich am Bett ab.


    Sie zog ihre Kleidungsstücke aus. Hier war es herrlich warm im Raum, brannte gar ein großes Feuer im Kamin, wo der große Kessel mit warmen Wasser hing.


    Als sie den ersten Fuß und dann den zweiten ins Wasser gleiten ließ und sich dann in die Wanne heineinsetzte kam es ihr so vor, als würde sie sich in ein warmes Bett legen. Genussvoll ließ sie sich völlig hineingleiten.


    Fanny setze sich neben sie an die Wanne und hielt einen Schwamm. Marie setzte sich wieder hin und ließ sich den Rücken waschen... hmm... dieser Duft. Rose. Ihr Lieblingsduft. Marie nahm die Seife und wusch ihr Haar gründlich. Es roch nach Meeresluft.


    Sie tauchte unter, um es auszuspülen. Marie dankte Fanny und bat sie, sie alleine zu lassen. Wieder ließ sie sich zurückfallen und genoss die volle Wärme der Wanne. Sie schloss die Augen und seufzte.


    Ihre Lider brannten vor Müdigkeit. Eben noch hatte sie an Clarisse gedacht, da war sie schon eingeschlummert in dieser wohligen Wärme...


    Fanny kam eine gute halbe Stunde später wieder herein, um nach ihrer Herrin zu sehen. Sie sah, dass Marie tief in die Wanne herabgeglitten war. Ihre Nase lag kurz vor der Wasseroberfläche. Schnell weckte Fanny Marie, bevor sie sich verkühlte, denn das Wasser war nurmehr lauwam.


    Schnell trockneten beide Frauen Maries Körper ab und zum Schluss wurde Marie in ein riesiges weißes Laken hineingewickelt. Ganz schnell ging man hinüber in ihr altes Schlafgemach, in dem es ebenfalls mittlerweile schön warm war, da auch dort ein Feuer im Kamin brannte. Ohne ein Wort zu sagen, oder ein Nachtgewand anzulegen, legte Marie sich in das große Bett und entglitt in die Welt der Träume.


    Fanny deckte ihr "kleines Mädchen", wie sie immer noch nannte, auch wenn dieses kleine Mädchen zu einer Frau herangewachsen war, zu und stand dort noch eine Weile, um sie zu beobachten. Ihr tat es unendlich leid, dass ihr Herr sie geschlagen hatte. Das war nicht Recht, denn jeder, der Marie kannte wusste, sie würde nie etwas tun, um jemanden zu schaden, sondern im Gegenteil. Aber sie wusste auch, warum Herr de Moriba so reagiert hatte. Seufzend drehte sie sich um und ging hinaus.

  • Drei Stunden später gab Michael de Moriba auf. Niemand hatte seine Nichte gesehen und zu finden war sie auch nicht.


    Er bat die Stadtwache, die Suche weiterzuführen und Augen und Ohren offen zu halten.


    Niedergeschlagen und erschöpft ging er zurück nach Hause.

  • Marie war vor einer Stunde aufgewacht. Sie hatte wieder diesen Traum wie in der Nacht gehabt. Sie wurde wieder im Nebel verfolgt und erreichte ihre Cousine nicht. Diese Augen, die sie ständig sah... warum wurde sie nur immer wieder von diesen Augen verfolgt?


    Nun ging sie in ihrem Zimmer auf und ab. Florentine Constanze von Bloom - kurz Flora - saß auf ihrem Bett und verfolgte sie mit ihrem Blick. Kurz zuvor war ihre Freundin bei ihr eingetroffen und bereit, mit ihr nach Kaotien zu reisen. Marie hatte ihr alles erzählt. Flora versuchte, ihre Freundin aufzumundern und versicherte ihr, dass ihrer Cousine bestimmt nichts passiert sei.


    Marie hörte die Kaminuhr schlagen. Drei Uhr am Nachmittag. Sie hoffte, ihr Vater würde bald erscheinen, da er angeordnet hatte, er würde sie in den Hafen zum Schiff begleiten wollen. Sie schaute immer wieder aus dem Fenster...


    Dann sah sie ihren Vater und einige seiner Männer die Straße heraufkommen. Aber keine Clarisse. Schnell ging sie aus ihrem Zimmer zur Treppe, blieb aber auf den ersten Stufen stehen. Flora folgte ihr.


    Marie traute sich nicht, zu ihrem Vater zu gehen.


    Er kam durch die Tür, zog seinen Mantel aus. Sein Blick wanderte unvermittelt auf Marie. Marie hielt den Atem an. Flora hielt ihre Hand.

  • Gleich beim Hereinkommen in sein Haus sah er seine Tochter oben an der Treppe stehen und sah sie an.


    "Nichts - wir haben sie nicht finden können! Hallo Flora, schön Dich zu sehen. Seid Ihr bereit? Wir sollten gleich aufbrechen."


    Auch wenn er müde war, wollte er seine Tochter zur 'Nebelfalke' jetzt bringen. Umso schneller war er wieder zurück und konnte sich ausruhen. Er merkte ganz deutlich sein Alter in den Gliedern.


    Flora und seine Tochter kamen die Treppe herunter. Er merkte, dass seine Tochter ihn nicht ansehen konnte. Er wusste, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte.


    Sie bestiegen die Kutsche, die vor der Tür stand und fuhren in den Hafen. Marie schaute schnurstraks aus dem Fenster. 'Oh, Rendor - nun werde ich Dich verlassen,' dachte Marie wehmütig. Direkt vor der 'Nebelfalke' blieb die Kutsche stehen und alle stiegen aus. Man beschritt die Planke hinauf zum Schiff, wo ein Wachtposten die Damen erkannte und sie sogleich durch ließ.

  • Marie ging an Bord und schaute sich um. Aus dem Augenwinkel kommend tauchte die Kapitänin auf. Marie schaute sie an und ihr wuchs wieder ein Kloß im Hals. Ob sie Herrn Bedevere etwas von heute Nacht erzählt hatte? Was er wohl über sie denken würde?


    Sie atmete tief ein und sah zu ihrer Freundin. Flora bestaunte das Schiff.

  • Der kaozische Reichsritter stand an Deck und begrüßte die Damen standesgemäß mit Handkuss.
    Rund um sie herum war die Mannschaft beschäftigt, die Nebelfalke fürs Auslaufen bereit zu machen, die Überfahrt würde auch schließlich etwas dauern.
    "Nun, Lady Marie", begann Herr Bedevere. "Abermals willkommen auf der >Nebelfalke<. Ich nehme an, Ihr seid bereit für die Überfahrt?"
    Er sah sie fragend an, anscheinend hatte die Kapitänin nichts erzählt, oder er wusste dies gut zu verbergen.

  • Abermals verneigte sich Herr Bedevere.
    "Es ist mir ein Vergnügen, Lady Florentina!"
    Er begrüßte die Dame mit einem Handkuss. Dann wies er zwei Mitgliedern der Besatzung an, das Gepäck der Damen an Bord zu bringen.
    Als er Michael de Moriba sah, neigte er kurz seinen Kopf.
    "Willkommen, Herr de Moriba!"

  • Nachdem Flora ebenfalls bekundet hatte, dass es ihr ein Vergnügen sei, endlich den kaotischen Ritter kennenzulernen und sich freue, mich einem solch schönen Schiff zu reisen, wurde Michael ebenfalls von Herrn Bedevere begrüßt.


    Er lächelte seinem Gegenüber an und erwiderte:


    "Ich danke Euch, verehrter Herr. Doch bevor ich Euch meine Tochter in Obhut geben möchte, möchte ich noch mit Euch unter vier Augen sprechen."

  • Der Reichsritter nickte und lächelte freundlich.
    "Natürlich gerne, Herr de Moriba, Ihr könnt gerne mit mir in meine Kajüte kommen!"
    Er wies seinem Gast den Weg in eine eher beebgte Kabine.
    "Verzeiht, aber auf einem Schiff ist es leider immer ein wenig eng."

  • Michael lächelt ihm zu und nickt:


    "Ja, das kenne ich zu genüge. Deswegen habe ich mein letzten Schiff - die Marielle - auch etwas 'komfortabler' bauen lassen. Man wird ja nicht jünger."


    Er sieht sich in der Kabine kurz um.


    "Warum ich mit Euch sprechen wollte... ich möchte eine sehr persönliche Bitte an Euch richten. Ich wäre sehr viel erleichterter, wenn ich jemanden an Maries Seite wüsste, der... wie soll ich sagen... ein Auge auf sie hat, denn sie wird mir momentan zu sehr flügge. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass sie soviele andere Ländereien besucht hat und dort solche Unarten aufgeschnappt hat, die sie leichtsinnig in Schwierigkeiten bringen könnten. Sie ist noch jung und unerfahren... Ich könnte einfach beruhigter schlafen. Und ich schätze Euch - habt Ihr meiner Tochter doch schon öfter beigestanden, wofür ich Euch äußerst dankbar bin."

  • Bedevere hörte aufmerksam zu, dann antwortete er:
    "Gerne helfe ich Eurer Tochter, das ist selbstredend. Indes wird die Fürstin selber auf Lady Marie achten, ich werde Eure Tochter auch sicherlich nicht allzu oft sehen."
    Er lächelte.
    "Lady Marie kann durchaus auch auf sich selber aufpassen, denke ich. EUre Sorge ehrt Euch, ist sie doch die Sorge eines Vaters. Aber seid beruhigt, der kaozische Hof wird sich Lady Marie annehmen und auf sich achten, daher muss es nicht sein, dass ich ständig an ihrer Seite bin. Meine Pflichten ließen das auch nicht zu."

  • Michael lächelte.


    "Nein, Ihr missversteht mich. Ich meinte während der Reise. Am Hofe gehe ich sehr wohl davon aus, dass die Fürstin und andere auf sie aufpassen werden. Es beruhigt mich, dass Ihr mich versteht. Ich wünsche Euch auf jeden Fall eine gute Reise!"

  • Der Ritter zog eine Augenbraue nach oben.
    "Ah, ich verstehe. Nun, das ist selbstverständlich, Herr de Moriba. Es liegt in meiner Verantwortung, dass Eure Tochter heil nach Alesia kommt."
    Dann neigte er knapp sein Haupt.
    "Ich danke Euch für Eure guten Wünsche! Ich bin mir sicher, dass die Reise adäquat wird."

  • Marie war sehr traurig, als ihr Vater ihr nur eine sehr kurze Umarmung gönnte. Sie wusste ja, dass er nicht gut auf sie zu sprechen war. Aber sie konnte doch nichts für Clarisse's Verschwinden...


    Er ging von Bord und Flora und sie standen an der Reling und schauten ihm nach. Marie seufzte laut. Flora streichelte ihr den Rücken.


    Unten am Pier stand abgehetzt Fanny und Prya, die ihr winkten. Wenigstens die beiden waren da... Isabell war nicht mitgekommen. Eigentlich sollte nun da unten Clarisse stehen... sie schaute in die Ferne und ließ ihren Blick über ihre geliebte Stadt wandern. Wo sie wohl war? War sie wohl noch hier? Oder war sie schon weit weg?


    Der Wind frischte auf und sie zog sich ihr Cape enger an den Hals.


    Flora und sie winkten ihrem Vater, Fanny und Prya zu. Ihr Vater erwiderte nur kurz und stieg in seine Kutsche ein, die dann wieder Richtung zuhause fortfuhr, während die anderen beiden noch immer dort unten standen.

  • Kapitän Fernandez überwachte derweilen das Ablegen der >Nebelfalke<. Die Besatzung arbeitete schnell und effizient und schon bald segelte das Schiff aus dem Hafen von Rendor. Dort ließ die Kapitänin volle Segel setzen - elegant legte sich das Schiff in den Wind und machte sich auf dem Weg nach Kaotien.