An Bord der Nebelfalke II

  • "Oh... das wusste ich nicht..." Clarisse wirkt ein wenig zerknirscht, nicht sicher, ob sie jetzt mit ihrer Frage etwas Falsches gesagt hat. Dann nickt sie und entgegnet zuversichtlich, "Ich würde mich dahingehend Eurer Führung anvertrauen. Kaotien ist mir fremd und ich kenne mich dort nicht aus, Euch allerdings ist es Heimat und Ihr werdet mir sicher nicht schlecht raten!" Sie lächelt ihn an, dann scheint ihr noch etwas einzufallen und mit etwas bangem Gesichtsausdruck fragt sie vorsichtig, "Herr Ritter... wenn ich doch nun Euer Freund bin... darf ich dann auch ehrlich sein und Euch sagen, wenn ich vielleicht doch nicht zurechtkomme, dort..." Sie bricht ab und senkt den Blick.

  • "Gemach, Clarisse, so schnell erringt meine Freundschaft nicht. Dies ist eine Begriff, den ich sehr, sehr hoch in Ehren halten. Nennt mich einen guten Bekannten. Und sagt, wenn Euch etwas bewegt..."

  • "Verzeiht, Herr Noyau de Guet-Clermont, ich wollte nicht..." erschrocken schaut Clarisse zu dem kaozischen Ritter auf. Sie hatte es nicht böse gemeint und da sie gemein von heiterem Naturell war, immer schnell Freundschaften geschlossen mit den anderen Kindern & Halbwüchsigen ihres Alters. Nun aber, da sie bemerkt, dass ihr die Zurückweisung des Kaoziers einen kleinen Stich versetzt, zieht sie sich instinktiv zurück. Sie hatte für eine Weile vergessen, dass Herr Noyau de Guet-Clermont ein adliger Herr war und sich ihm gegenüber so wie gegenüber einem Freund verhalten. Als ihr das bewußt wird, zwingt sie sich zu einem höflichen Lächeln und bittet etwas bang, "Bitte seid mir nicht böse, Herr Ritter! Ich wollte Euch wirklich nicht beleidigen!"

  • "Das habt Ihr nicht getan, junge Dame, noch bin ich Euch böse!" Er lächelte sie an.
    "Macht Euch da keine Gedanken..."
    Er stand dann auf.
    "Ich werde Euch ab und an hier besuchen und etwas zu essen und zu trinken bringen. Verlasst diesen Raum nicht."
    Er zog aus einer Ecke Decken und Kissen hevor.
    "Damit könnt Ihr es Euch gemütlich machen. Die Überfahrt wird sicherlich nicht angenehm für Euch, aber daran kann ich leider nichts ändern."

  • Die Erleichterung über die Versicherung des Ritters ist Clarisse anzusehen und so nickt sie mit einem kleinen, verwegenen Grinsen, "Das wird schon gehen, ich brauche ja nicht viel." Sie wirft einen Blick auf die Decken und fügt dann noch an, "Vielen Dank, Herr Noyau de Guet-Clermont!"

  • Zwei Tage und Nächte lang fieberte Marie in ihrem Bett. Sie wurde verfolgt von wirren Träumen und so sprach sie im Schlaf, während sie sich hin- und herwälzte. Flora war stets bemüht, sie festzuhalten, damit ihre Wunde nicht wieder aufplatzte. Dann erwachte Marie am dritten Tag... es war bereits Nachmittag.


    Flora stand sofort von ihrem Stuhl auf und gab ihr etwas zu trinken: "Wie gut, dass Du wieder wach bist. Das Fieber ist gesunken und die Wunde verheilt auch schon besser. Du bist verrückt gewesen, nichts zu sagen," schimpfte Flora mit ihr.


    Marie mühte sich ein Lächeln ab: "Es tut mir leid, dass ich Dir soviel Kummer gemacht habe. Ich dachte doch wirklich, ich hätte sie gesehen... haben wir sie gefunden? Ich weiß es nicht mehr..."


    Flora schüttelte den Kopf.


    Marie hatte sich also geirrt... enttäuscht lief ihr eine Träne über die Wange. Sie hatte doch so gehofft... Illusion... wieder eine... wann hörte das endlich auf?


    Flora stand auf. Sie schenkte Wasser in eine Waschschüssel ein. Marie sollte sich erstmal waschen und dann etwas essen. Als Marie ihre Füße aus dem Bett schwang und den Boden berührte, fühlte sie sich komisch... in ihrem Kopf schwirrte es - doch nach einigen Minuten verging es wieder.


    Nach dem Waschen zog sie sich - trotz des Protestes seitens Floras - ein Tageskleid an und legte sich eine Stola um.


    "Bitte Flora, ich brauche etwas frische Luft... nur ein paar Minuten. Schau aus dem Fenster... die Sonne scheint... bitte."


    Flora seufzte... sie war eine sonst sehr resolute Frau... doch ihrer besten Freundin konnte sie kaum etwas abschlagen.

  • "Gerne doch, Clarisse", meinte der Kaozier und erhob sich.
    "Aber ich muss jetzt los. Ich werde regelmäßig vorbeischauen und etwas zu Essen und zu Trinken vorbei bringen. Und ein bißchen bleiben, um Euch Gesellschaft zu leisten, auch wenn es nicht lang sein wird. Auf bald!"
    Sie verabschiedeten sich voneinander und er verließ dann den kleinen Raum - und schloß hinter sich ab.


    Die nächsten zwei Tage beaufsichtigte er die Ausbesserungsarbeiten an der >Nebelfalke<, zudem machte er sich Sorgen um Marie-Babette, welche in ihrer Koje lag und fierberte. Dann und wann schaute er nach ihr, doch erst am Ende des zweiten Tage besserte sich ihr Zustand. Die Sonne war gerade dabei, glühend rot unterzugehen, als Marie an Deck kam.
    "Oh, Lady Marie!" begrüßte sie Bedevere freundlich mit Handkuss. "Es freut mich, dass Ihr wohlauf seid. Geht es Euch besser? Ich hatte mir Sorgen gemacht."

  • Marie lächelte den Ritter unsicher an.


    "Ja, danke, es geht besser. Es tut mir leid, dass ich solche Umstände gemacht habe - in jeglicher Hinsicht. Ich hoffe, Ihr könnt mir verzeihen."


    Flora stand neben ihr und stütze sie. Bei ihrer Bemerkung schnaubte sie nur leise. Verwundert schaute Marie zu ihr hinunter. Flora war wohl auch böse auf sie, weil sie sich so unvernünftig benommen hatte. Ihr tat es leid. Sie wollte niemanden Kummer bereiten. Alles, was sie momentan tat, war falsch. Vielleicht war sie doch nicht geeignet, eine Hofdame zu werden, wenn sie soviel falsch machte. Sie fühlte sich immer noch schuldig wegen ihrem Vater, Clarisse, nun auch noch gegenüber Flora und Herrn Bedevere. Sie hatte auf einmal gar kein Bedürnis mehr, die frische Luft zu genießen und wollte sich lieber in ihr Bett verkriechen.

  • "Wo denkt Ihr denn hin, Lady Clarisse. Ihr müsst Euch doch nicht entschuldigen, und Umstände macht Ihr auch nicht. Dass ein Piratenschiff es auf uns abgesehen hat, dafür könnt Ihr nun wirklich nichts. Im Gegenteil, ich muss mich bei Euch entschuldigen, da Ihr hier zu Schaden gekommen seid, etwas, was mich doch sehr betrübt."
    Er atmete tief durch.
    "Aber ich bin froh, dass es Euch nun ein wenig besser geht!"

  • Marie runzelte kurz die Stirn und sah zu Flora. Diese zuckte nur mit den Schultern.


    "Ihr seid mir nicht böse? Für das Piratenschiff könnt Ihr nichts, führwahr! Aber ich hätte vielleicht... ich meine... Ihr könnt doch nichts dafür, dass ich verletzt wurde... ich fühle mich so schuldig, dass es meine Landsmänner waren - zudem noch viel schlimmer... es war Herr Scheerer, der Mann aus dem Hafen, der es auf mich abgesehen hatte... und... und... dann dass ich dachte, meine Cousine sei an Bord des Piratenschiffes gewesen... und dass ich nichts gesagt habe wegen meiner Schmerzen und die Blutung... Mir tut das wirklich furchtbar leid - ich scheine das Unglück regelrecht anzuziehen. Was müsst Ihr nur von mir denken?!"


    Sie schaute ihn nur kurz an und sagte dann auf den Boden blickend: "Ich verspreche Euch, ich werde mich bemühen, keine Schwierigkeiten mehr zu machen. Sagt das bitte auch Eurer Kapitänin."

  • Marie schenkte ihm ein Lächeln, denn vor ihr stand jemand, der ihr mal nicht grollte - welch herrliches Gefühl. Dieses Gefühl von Zufriedenheit endete aber auch recht abrupt, als ihr ein stechender Schmerz in der Schulter eine verziehende Miene bescherte und sie sich auf die Zähne biss.


    Flora schimpfte wieder leise, dass es nun für heute auch genug sei, und führte Marie sofort unter Deck. Marie widerstrebte es, sich ins Bett zu legen, doch wollte sie nicht wieder unvernünftig sein. Flora zog Marie wieder kurz aus und überprüfte den Verband... noch sah alles gut aus.


    Marie bat um etwas zu Essen und Flora eilte gleich los. Marie stand auf und schaute aus dem kleinen Fenster ihrer Kabine aufs Meer hinaus. Wie schön der Himmel in Rot gefärbt war. Eben konnte sie diesen Anblick gar nicht genießen.

  • Nachdem der Ritter gegangen war, hatte sich Clarisse in der hintersten, von der Tür her nicht einsehbaren, Ecke des Vorratsraumes mit den Decken & Kissen ein Lager aufgeschlagen. Und nachdem sie von dem Mitgebrachten gegessen & getrunken hat, kuschelt sie sich in ihr 'Bett' und schläft auch direkt ein. Die nächsten Tage verbringt sie meist schlafend oder vor sich hinträumend, dankbar für jeden Besuch des Kaoziers, den er ihr gewähren kann.

  • Die Reperaturen an der >Nebelfalke< waren fast vollendet, die Gröbsten Schäden nun beseitigt. Weitere Reperaturen würden dann im Heimathafen erfolgen.
    Bedevere, Kapitän Fernandez und die Offiziere zogen sich in die Messe zurück, um das Abendessen einzunehmen, während an Bord alles seinen gewohnten Gang nahm.
    Nach dem Wachwechsel besuchte der Ritter noch einmal Clarisse, erkundigte sich nach dem Wohlbefinden von Lady Marie und zog sich dann in seine Kajüte zurück.

  • Einige Tage später saßen Flora und Marie an Deck bei einer Tasse Tee an einem kleinen Tisch. Flora las wieder eine ihrer Kurzgeschichten vor, die sie auf Reisen immer mit hatte. In der Geschichte ging es um einen kleinen Zinnsoldaten, der sich in eine Tänzerin verliebte.


    Marie versuchte sich trotz ihrer Schulter an einer Stickerei. Doch Marie hatte in den letzten Nächten nicht besonders gut geschlafen und so war sie nicht bester Laune und hörte auch nur mit halben Ohr zu.


    Hin und wieder legte sie ihre Hand nieder und hielt aufs Meer schauend inne. Ihr gingen soviele Dinge durch den Kopf. Sie hatte gedacht, sie würde glücklich werden, wenn sie sich erst einmal auf dem Weg in eine neue Welt machte... doch mit soviel Altlasten aus der Vergangenheit wurde es ihr nicht leicht gemacht und sie war zutiefst unglücklich.


    Am schwersten hing ihr Herz wegen ihrem Vater, der von ihr enttäuscht und sehr böse auf sie war... dann Clarisse, um die sie sich noch immer Sorgen machte. Dann das Unbekannte, das sie erwarten würde und ob sie dem gewachsen sei... sie schien das Unglück anzuziehen - wer würde sich da schon gern in ihrer Nähe aufhalten?


    Sie seufzte...


    Flora erzählte gerade den Schluss und Marie dachte sofort an ihn, den sie auch nicht haben konnte. Das Leben war manchmal nicht fair. Sie fühlte sich wie der kleine Zinnsoldat, der im Feuer schmolz...


    "Wie traurig," sagte sie nur und begann wieder einen Stich zu vollenden. Flora sagte etwas zu ihr, doch sie war schon wieder weit fort mit ihren Gedanken... wenn sie nur diese Augen wieder los werden könnte, die sie immer wieder verfolgten...

  • Die weitere Reise verlief ruhig und ohne Störungen, selbst das Wetter spielte mit und war ausgesucht freundlich. Bedevere besuchte so oft es ging Clarisse in ihrem Versteck, zudem machte er Lady Marie so oft seine Aufwartung, wie er es konnte und wie sie es wünschte. Dann, nach einiger Zeit, kam Land in Sicht. Die >Nebelfalke< steuert den ziemlich neuen kaozischen Hafen am Delta des Gash Radal an.
    Die Überfahrt war zu Ende.

  • Auch wenn Herr Noyau de Guet-Clermont ihr die Zeit auf der >Nebelfalke< so angenehm wie nur möglich gestaltet hatte, ist Clarisse doch froh dem kleinen Lagerraum durch die Ankunft in Kaotien zu entkommen. Ähnlich, wie sie auf hoher See damals an Bord gekommen war, verläßt sie das Schiff auch wieder, um sich nun dem neuen Abschnitt ihres Lebens zu stellen.