[Alanis Quest] "Spiel im Schatten"

  • Die Feuchtigkeit des Raumes durch das warme Wasser und die vielen Kerzen tuen ihr übriges.


    Ein paar der Kerzen flackerten... treiben seltsame Schattenspiele an den Wänden. Auch der schwarze Dolch mit den violetten Marmorierungen bekam eine anmutige Schönheit durch das warme und unstete Licht.


    Die Welle an Wut und aufkeimenden Hass kommt so schnell, dass die Priesterin sich nur schwer darauf vorbereiten kann. Ein erstickendes Gefühl... ein Gefühl, dass sich tief aus ihrem Innern nach draußen wälzt... und mit ihm Eindrücke... Rückblicke... auf die Zelle, die Gerüche, die blanke Wut weniger klarer Stunden, ehe die Droge ihr den unheiligen Segen temporären Vergessens schenkt.


    Es sind nicht nur ihre Erinnerungen... es sind viele Stimmen... zornige, traurige, bettelnde Stimmen... andere Schicksale, gleiches Ergebnis... und sie hört sich zwischen ihnen... irgendwo... ehe die Wut wieder alles hinfortwischt...


    Wieviele... WIE VIELE...?!

  • Einer der Flakons auf dem Schminktisch zerplatzte in Alanis Hand, noch bevor sie dazu gekommen wäre, ihn an die Wand zu werfen. Blut und Öl tropften hinunter auf die Tischplatte und ihr Kleid, dann weiter auf den Boden. Den Schmerz bemerkte sie zunächst nicht, gefangen von der Kakophonie der anklagenden Stimmen der anderen Opfer in ihrem Kopf, die sich mit den groben Witzen ihrer Bewacher mischten.


    Die Priesiterin hatte sich nicht erhoben, denn das konnte sie auch gar nicht. Ihr Körper krampfte, verhangen in Erinnerung und loderndem, mörderischen Zorn. Sie erinnerte sich an alles, was geschehen war. Kein Detail war ihr entgangen, so sie denn nicht geschlafen hatte. Ihr Kopf war nicht so gnädig, bestimmte Dinge einzuschließen und nie wieder ans Tageslicht bringen zu wollen. Und sie spürte sie erneut, die Stimmen der anderen Frauen und Männer, die durch jene Kerker gegangen waren und immer noch gingen. Die Last der Anklage auf ihren Schultern, der Erwartung, dass sie all dem ein Ende machen könnte, wenn sie wollte. Sie hatte immerhin das Instument dafür. Ihr unsteter Blick fiel auf den Dolch.


    Lange zurückgedrängte Bilder schoben sich in ihren Kopf. Hatte sie geglaubt, in Renascân vor all den schrecklichen Dingen, die sie getan hatte - und viele davon im Zorn - sicher zu sein? Nicht mehr behelligt zu werden? Das abstreifen zu können, was sie in ihrer Jugend gewesen war und was sie nun in einen Kokon von Anständigkeit, Rücksicht und Mäßigung eingesponnen hatte?


    Sie lacht auf, es klang verzweifelt und bitter.

  • Ein kleiner Dämon, der sich ab und angemeldet hatte, wenn sie etwas unbedingt gewollt hatte, mit den Mitteln ihrer Wahl und nicht der der aktuellen Gesellschaft... bejahte ihre Gedankengänge und schenkte ihr das passende Gefühl dazu... irgendwas zwischen Zerstörungswut und der Bestrafung des eigenen Ichs.


    Sie hatte es geschafft, da war sicherlich das eine oder andere, dass sie getan oder gefühlt hat... das ihr Namen gegeben hatte... die irgendwo zwischen Hure und Abschaum gelegen haben, zwischen Miststück und falscher Schlange...


    Wieder das glockenhelle Lachen... das in ihrem Innern echauffiert und sie bestätigt.


    Das schwarze Gesicht im Spiegel irgendwo hinten am anderen Ende des Raumes...


    "Wer hat Schuld an dem Schmerz... wer ist verantwortlich, wem gehört die Strafe?"

    Pink fluffy unicorns dancing on the rainbow..dummidudidummm

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  • Sie fuhr zusammen, so plötzlich, dass die Bewegung sie aus dem Karussell der Gedanken riß, das sie wie ein Mahlstrom hatte mit sich ziehen wollen. Blut tropfte zu Boden. Sie griff nach einem kleinen Handtuch, das auf dem Schminktisch lag und wickelte es sich um die Hand, die nach metallischem Blut und Haaröl stank.


    "Ich war immer Herrin meiner Entscheidungen", sagte sie, sehr leise, mit brüchiger Stimme. "Also wenn das hier meine Strafe sein soll - dann verdiene ich sie wohl."



    Sie sah die Gestalt im Spiegel an, ohne sich umzudrehen, die Schultern wie aus Marmor gehauen, weiß und kalt unter dem weiten Ausschnitt ihres Kleids, das eigentlich eines Unterkleids bedurfte, um sittsam zu wirken.

  • Er stört sich nicht an ihrem Äußeren, noch bewegt sich... und somit bleibt unsicher, wohin genau er seinen verschleierten Blick wendet.


    "Egoman... selbstbezogen... schon wieder..."


    Seine Hand hebt sich... die Geste ist nicht Teil seiner Worte... sie kommt danach, schnell, konzentriert, etwas unsichtbares werfend...


    Schattenspiele...


    Männer, die über knienden Frauen stehen... Konturen, Silhouetten, aufgerissene Mäuler, die Höhne, das Machtgefühl man kann das alles schmecken aus dem Sichtbaren... die Arroganz, die Überlegenheit.


    "Wer ist Schuld?"


    Ihre Krallen ziehen an Haaren, zerren sie hinaus in schlimmeres als die Dunkelheit der Zellen...


    "Wer trägt die Verantwortung?"


    Da sind Waffen sie vernichten Leben entgültig... Leben, dass sie vorher schon auf andere Art vernichtet haben.


    "Wer gibt diesem Hunger die Nahrung... immer... und immer wieder?"

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  • Alanis Hände, eine davon bloß, eine davon mit einem blutgetränkten Handtuch verbunden, schlossen sich so fest um die Tischplatte, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.


    "Frag genauer, wenn Du Genaues hören willst", brachte sie hervor, aber das klang mutiger, als sie sich fühlte. Die Bilder beschworen eine Gänsehaut herauf, die ihren ganzen Körper bedeckte und ihr Inneres mit Schüttelfrost überzog. "Wer Schuld ist am Unglück der Menschen? Den Dingen, die geschehen, wenn der Eine mehr Macht hat als der Andere und es diesen merken lässt? Am 'Bösen', wenn man es denn so nennen will?" Ihre Zähne knirschen aufeinander. "Es ist in der Seele der Menschen."

  • "sinnloser Pathos... nichtssagender Philosophien."


    Ein kleines mit schwarzer Tinte beschriebenes Blatt Papier segelt hinab und landet neben dem Hornkamm auf dem Tisch.


    "Die Wahrheit ist einfacher... finde sie, trag sie mit blutroter Farbe hinaus oder...kleines... mutloses Schaf... husch husch zurück auf deine Weide... mäh... und werde irgendwann geschlachtet. Nicht die Wölfe sind die Mörder der Schafe... sondern?"


    Er implodiert in Miraden von Schattenpunkten... so funktioniert es... eine Art Teleportation?


    Vielleicht Hybris... etwas einem Begrifflichkeit zu geben, damit man es nicht länger füchten muss.


    mäh mäh...

  • Alanis schüttelte den Kopf, um das Gefühl der Minderwertigkeit abzuschütteln. Es gelang ihm recht gut, ihr das Gefühl zu geben, dumm zu sein, doch sie wollte das nicht akzeptieren. Es war nur Teil der Verkleidung, die er wählte, um sich abzugrenzen, ein Bestandteil seiner Taktik.


    Ihre Lippen kräuselten sich zu einem schmalen Lächeln, als sie mit der blutverschmierten Hand das Blatt Papier zu sich zog, um es zu betrachten.

  • schnörkellose ja minimalistisch hingeschriebene Buchstaben:


    Tag 4 des 10 Mondes
    neunte Abendstunde
    hier

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  • Eine Verabredung für den nächsten Tag also. Alanis war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, dass sie hinging. Erst jetzt rieselte Schmerz durch ihre verletzte Hand und sie wickelte das blutige Handtuch ab, um zu sehen, welchen Schaden ihr Zorn an ihr selbst hinterlassen hatte. Ihre Hände zitterten immer noch leicht und in ihrem Kopf wirbelten die Gedanken wieder frei, ohne von Wut gelenkt zu werden. Es war ebenso verstörend wie erleichternd, dass sie nicht vollkommen Sklavin ihrer Gefühle war, jenes tief sitzenden Grolls gegen alles, was sie hasste.

  • Irgendwann klopft es an die Türe und eine blondhaarige Frau, die zwar hübsch anzusehen war aber durch ihren Dialekt und die einfache Wahl ihrer Worte, eher von der wenig intellektuellen Sorte Mensch war.


    "Die Madame lässt ausrichten ob d... ihr noch etwas haben wollt oder ob ihr nach ihr... wollt rufen lassen."

  • Alanis erhob sich, das Handtuch fest um ihre Hand schlingend, als die blonde Frau das Zimmer betrat und schenkte ihr ein mattes Lächeln. Nun, da das Bad so langsam seine Wirkung tat und die Spannung aus ihren Schultern wich, die sich beim Besuch des Schattenmannes dort gebildet hatte, merkte sie, dass sie müde wurde. Und unaufmerksamer. Sie wollte nicht unbedingt länger in diesem Haus bleiben als nötig.


    "Ich bin zufrieden, danke. Richte Ihr aus, dass ich morgen zur neunten Abendstunde wieder hier sein werde."


    Sie strebte in Richtung der Tür.

  • "Wie'de wünscht Mylady." Die Blonde nickt und geht Madame Sasari zum Bezahlen holen. Diese kommt auch nach kurzer Zeit, während sie ihre Mädchen und einen mager wirkenden Jungen nicht älter als sechszehn Winter mit blau geschwollenem Gesicht in den Badebereich scheucht um alles für einen nächsten Gast vorzubereiten.


    Die Bezahlung ist schnell abgewickelt, einzig aufgrund des blutigen Handtuches zieht die fette Alte eine ihrer nachgezogenen Brauen hoch aber lässt sich zu keinem Kommentar hinab, schließlich winkt seitens der Kundin eine morgige Rückkehr und damit Geld.


    Draussen ist es wieder empfindlich kalt. Ihr noch immer etwas feuchtes Haar brennt ein wenig vor Kälte am Ansatz, während sie draußen in die Gasse tritt.


    Zwei leichte Mädchen gekleidet in billigen und gewiss nicht sauberen Fummel unterhalten sich und rauchen... dem Geruch nach ist es etwas nicht allzu unbekanntes für Alanis. Es tropft und Nebel hat sich auf dem grauen und brüchigen Pflaster gebildet. Inzwischen ist es stockdunkel und die wenigen rußenden Fackeln an den Häuserwänden spenden durch den Wind nur wenig konstantes Licht.

  • Alanis zog die Schultern hoch. Nun vermißte sie ihr Unterkleid fast wieder, aber es hatte nur zu deutlich die Spuren ihrer Gefangenschaft getragen und der Ekel davor war um einiges stärker als die Kälte.


    Sie sog den süßen Duft des Kuuna, das die Huren rauchten, mit fast gieriger Macht ein und schämte sich danach dafür, weswegen sie ihren Schritt beschleunigte, um zu dem Wirtshaus zurückzukommen. Sie wollte nur noch schlafen, ihrem Kopf und ihrem Körper Ruhe gönnen, doch sie bezweifelte fast, dass es ihr gelingen würde.


    Es war der Anfang des zehnten Mondes. Sie bezweifelte, dass sie Thalions Expedition noch beitreten konnte. Sicherlich waren sie schon auf dem Weg. Und damit stellte sich die Frage - was nun?

  • Sie findet den Weg zurück ohne weitere Schwierigkeiten, weder geographische noch menschliche.


    Inzwischen war das Gasthaus gut gefüllt. Der Tavernenraum war geräumig und so verteilten sich die doch zahlreichen Besucher so gleichmäßig, dass es nicht überfüllt wirkte.


    Einige unlichte Gestalten spielten an einem runden Holztisch in der Ecke Karten, andere unterhielten sich bei einem Bier und Tabak über ihr Tagelöhnerhandwerk am Umschlaghafen. Einer schlief über seinen Feierabendtrunk, ein anderer im Schatten hinten am Kamin Sitzender, den Kopf auf seine Hand gelehnt in einem gemütlichen Sessel sinnierend über einem Schachspiel und mehrere Leute aßen einfach die noch immer in der Luft deutlich riechende fette Suppe.


    Die Wirte hatten den Kamin angezündet der durch das doch trockene Holz einen herrlichen Geruch verbreitete und wohlige Wärme.

  • Alanis sah sich sehr gründlich um, als sie den Raum betrat und atmete gleichzeitig auf, als sie von der wohligen Wärme des Schankraums umfasst wurde. Mit dem Handrücken wischte sie sich ein paar feuchte Haarsträhnen aus dem Gesicht, dann ging sie hinüber zur Theke, um sich zu erkundigen, ob ihr Zimmer inzwischen bereit war.

  • Der Wirt, im eigenen Klischee gefangen und mit einem schmutzigen Tuch einen Bierkrug trockenreibend sieht zu Alanis hinüber.


    "Türlich isses fertisch, woll't da gleich ruf oda noch watt essen und trinke?"

  • Alanis überlegte einen Moment, dann nickte sie leicht.


    "Könnte ich eine Portion Eintopf mit rauf nehmen?", erkundigte sie sich freundlich, obwohl ihr viel eher danach zumute war, in Tränen auszubrechen oder irgendetwas kurz und klein zu schlagen. Sie wußte nicht so recht, ob sie Hunger hatte und ob ihr Magen so fette Nahrung vertragen würde. Aber sie konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, etwas in den Bauch zu bekommen. Wer wußte schließlich, wann die Gelegenheit das nächste Mal wiederkam?

  • "Nu, klar könnt'da dat." Der Wirt nickt und stellt den leidlich sauberen Krug zurück auf die Theke. Sein Blick wandert kurz über den Schankraum und bleibt einen Augenblick am Kamin hängen. Erst nach einigen Momenten reisst er sich los und brüllt in die Küche.


    "MATHILDE MACH MAN TABLETT FERTISCH FÜR NEN GAST DER WILLL AUFM ZIMMER ESSEN?"


    Die Wirtin blickt kurz um die geöffnete Türe aus der Küche, fixiert erst ihren Mann, dann Alanis, nickt und geht wieder nach drinnen.

  • Alanis wartete also an der Theke, die verletzte Hand in den Ärmel ihres Kleids zurückgezogen, damit der Stoff das letzte Blut, das aus den vielen, kleinen Schnitten rann, aufsaugen konnte. Auch sie ließ den Blick über den Schankraum gleiten, erneut, weil ihr nichts Besseres einfiel und weil ihre Instinkte noch immer darauf aus schienen, ihr eine schnellstmögliche Flucht zu ermöglichen.


    Müde rieb sie sich mit der freien Hand über die Augen.