[Alanis Quest] "Spiel im Schatten"

  • Enige aus dem Schankraum beäugten sie, manchen offensichtlich andere versteckt... was in erster Linie damit zusammenhing, dass sie hier fremd war und das Gasthaus nicht wirklich viele fremde Gäste hatte.


    Nur der Mann im Schatten am Schachtisch teilte sich so gar nicht das Verhalten mit den anderen. Er war auf das Spiel fixiert, dass er auch nur selbst spielte - ein Gegner fehlte.


    Nach ein paar Minuten kam die Magd aus der Küche und war mit einem Tablett samt Suppe und Brot bewaffnet.


    "So das ist dann ma fertig, wa?!

  • "Ich führ euch," kommt die knappe Antwort der Magd, ehe sie erneut knickst und Alanis mit nichten das Tablett in die Hand drückt. "Dat Zimmer könnt'da abschließen, nur is'n Schloss in Kephram... eher watt zur Zierde."


    Die Magd führt Alanis die knarrende Holztreppe nach oben und bis nach hinten durch. Auf der linken Seite ist ein geradezu winziges Kämmerchen mit nicht mehr als einem Regal und einem Einzelbett.


    Das Stroh als Matratze war nicht mehr das frischeste, was zu dieser Jahreszeit eigentlich überraschte... und das Tuch das sie darauf gespannt hatten hatte möglicherweise mal eine weisse Färbung innegehabt. Jetzt waren ein paar eingewaschene Flecken darauf zu sehen.


    Eine dicke Wolldecke, kein Kissen runden das Bild des Bettes ab. Die Magd stellt das Tablett auf dem Bett ab, während sich eine Spinne zwischen die Wandbalken verzieht.


    "Sonst noch watt, wenn nisch lass ich euch ma allein... Schlüssel iss drinne im Schloß."


    Sie deutet zur Türe und behält mit ihrer Aussage recht. Ein gusseiserner Schlüssel hängt halbherzig im Schloss.

  • "Danke. Du kannst gehen", sagte die Priesterin matt. Im Gegensatz zu dem, wo sie herkam, war das hier ein Palast. Und vor allem: selbst gewählt.


    Als die Magd gegangen war, schloß Alanis ab, in einer direkten, aber dann doch sehr zögerlich werdenden Geste. Das Klacken des Schlosses löste einen Schauer aus, der ihre Schultern erneut verkrampfen ließ. Dennoch war es nötig. Sie hatte bisher einmal den Fehler gemacht, als Frau allein in diesem Land zu reisen. Noch einmal würde sie ihn nicht begehen.


    Vorsichtig setzte sie sich auf das Bett und zog das Tablett auf ihren Schoß, um etwas zu essen.

  • Die Suppe schmeckt besser als erwartet, es mochte sein das die Betreiber dieses Haus nicht die saubersten waren aber sie konnten kochen. In der Suppe befinden sich dicke duchwachsene Speckstücke, Kartoffeln und Herbstgemüse.


    Das Brot war frisch gebacken, wenn auch nicht warm und bot ein eine gute Alternative zu dem Fett.


    Das kleine Fenster nicht mehr als eine Elle breit und zwei hoch war milchig und wenn nicht die von der Magd entzündete Kerze gewesen wäre, hätte Alanis komplett im Dunkeln gesessen.

  • Alanis aß, soviel sie konnte und stellte dann das Tablett auf dem Boden ab. Anschließend legte sie sich hin und starrte auf die Kerze, die auf dem schmalen Regalbord vor sich hin rauchte. Ihr Kopf war ebenso leer, wie er voll war, sie war zu keiner klaren Entscheidung fähig, die sie nun hätte treffen sollen.


    Wohin sollte sie sehen? Zurück nach Renascân? Nein, das konnte sie nicht. Nicht nach dem, was ihr geschehen war. Obwohl sie wußte, dass ihre einzige Schuld an dem, was geschehen war, in ihrer Naivität lag, hatte sie das Gefühl, doch Anteil zu haben an den furchtbaren Dingen und alptraumhaften Erinnerungen, die sich ihrer bemächtigten. Sie hatte in Renascân momentan einfach keinen Platz. Geschweige denn dass sie dort niemandem würde in die Augen schauen können, so, wie sie Damorg behandelt hatte.


    Dargaras? Vermutlich würden die Nebel sie nicht einmal durchlassen. Dorlónien? Da würde man ihr vermutlich den Kopf abschlagen, wenn man merkte, dass sie unter einer Beeinflussung stand - so sie das denn wirklich tat.


    Amonlonde?

  • Weder die Stille, noch die Nacht draußen geben ihren Fragen Antworten, noch irgendeine Beweiskraft, sie überhaupt stellen zu müssen. Der Docht der Kerze flackert hin und her und russt die Wand entlang.


    Draußen beginnt es zu regnen und auch wenn die Kerzen ein wenig Wärme spendet bleibt es in dem kleinen Raum doch empfindlich kalt.


    Es gibt jedoch auch keinerlei Ablenkung in Form eines Buches oder Kurzweil anderer Art, die sie von ihren Gedankengängen, dem Selbstmitleid oder den ausgemalten Erinnerungen, die vielleicht irgendwo in ihr wohnten abzulenken.


    So geschieht es früher oder später immer wieder, dass ihr die Erinnerungen in den Kopf kommen, die sie zumindest mit offenen sehenden Augen erlebt hatte und die Dinge, die sie von jenem Ort mitgenommen hatte.

  • Es blieb die Frage, was sie nun tun sollte. Sie würde Geld brauchen, um eine Überfahrt zu bezahlen. Und ihr Geld war nunmal in Renascân, zumindest der größte Teil davon. Eine gewisse Summe war auch bei Alexandre und der war, wie sie wußte, bei Thalion. Also konnte sie sich entweder an die daynitischen Behörden wenden, um zu erfahren, wann die Expedition zurückkehrte (falls sie zurückkehrte) und dann warten oder wieder einmal für ihr Geld anfangen zu arbeiten.


    Sie verzog kurz das Gesicht, als sie das wenige Geld zählte, das sie noch hatte. Für einen Moment kam ihr auch der Gedanke, dass ihr der Dolch sicherlich die Fähigkeit verleihen würde, sich bei denen Geld zu beschaffen, die andere Menschen dafür knechtete. Als ausgleichende Gerechtigkeit, also.

  • und mit diesem Gedanken kam auch gleichzeitig das Gefühl, dass dieser Dolch, dann beschmutzt war... stand er doch für die Gerechtigkeit, die sie durch ihn und mit ihm geübt hatte... Er war nicht irgendein Zeichen von Macht, sondern etwas, dass ihr die nötige Größe und den Mut verliehen hatte... das zu tun, was nötig gewesen ist...


    Eine Art seltsames schlechtes Gewissen... draußen klatschten immer häufiger dicke Regentropfen gegen das Fenster.

  • Irgendwann nahm Alanis die Waffe wieder zur Hand und betrachtete sie sinnend. Oh ja, sie war neugierig zu erfahren, was hinter dieser Waffe stand. Sie begriff das Wesen des Schattenmannes nicht, ebenso wenig wie sie ihm glaubte, dass ihm das, was er getan hatte, nicht gefiel.


    Er mußte etwas bezwecken, doch was? Wenn er ihr hätte helfen wollen, hätte er es getan und zwar zu den Bedingungen, die ihr nicht soviel abverlangt hätten. Also erhoffte er sich etwas aus der Lehre, die er ihr erteilt hatte. Einen Gefallen vielleicht? Sie war sich sicher, dass er durch seine Art alles schaffen konnte, was er wollte.


    Warum also dann sie? Warum keiner der anderen Gefangenen, deren Schreie in ihrem Kopf rumgeisterten?

  • Wieder bekommt sie keine Antwort und auch keinen Besuch, falls sie ihn mit ihren sinnierenden Gedanken provozieren will... doch das fettige Essen, die Geräusche des Regens und das relativ gemütliche Bett fordern Tribut...


    Immer öfter und länger fallen der Priesterin die Augen zu... doch mehr als ein paar Mal öffnet sie sie wieder, weil die Dunkelheit die hinter ihren Lidern schlummert zu gleichen Teilen Fazination und Hingabe auslösen, wie das Grauen, dass nur noch ein Stückchen weiter als die Finsternis die Erinnerungen sitzen.

  • So durchlebte die Priesterin eine mehr als unruhige Nacht, immer wieder geweckt von fetzenhaften Erinnerungen. Irgendwann war auch die Kerze heruntergebrannt und sie war mit der Finsternis alleine. Sie rollte sich zusammen und machte sich ganz klein, die Arme um sich geschlungen.


    Dieses Mal war es wirklich nicht die Dunkelheit, die ihr Angst machte. Die Dunkelheit kannte sie inzwischen und sie hatte ihren Schrecken verloren.Es waren die Einsamkeit und die Erinnerung, die sich ihrer bemächtigen wollten.


    Als zögerliches, erstes Tageslicht über den Horizont glitt, schlug die Priesterin die Augen auf und starrte in die Dämmerung.

  • Das Zimmer war leer und noch traten seine Konturen durch das triste Halbdunkel nicht hervor. Es war eiskalt im Raum.


    Wenn Alanis lauscht, kann sie zwar in weiter Ferne und irgendwo unter ihr Geräusche vernehmen, die vermutlich aus der Küche kamen aber ansonsten lag das Haus noch immer im nächtlichen Schlaf - sofern außer ihr noch mehr Gäste hier nächtigten.

  • Die Priesterin zog die Beine ein wenig an, um ihre Füße unter den Saum ihres Kleids zu ziehen und sah nachdenklich ihrem Atem nach, der kleine Wolken bildete. Ihre Augen brannten von dem wenigen Schlaf, den sie gehabt hatte und ihr ganzer Körper schien steif zu sein vor Kälte und von den Blessuren, die sie am Vortag erlitten hatte.


    Schließlich ermunterte sie sich selbst dazu, aufzustehen und ihre Glieder auszuschütteln. Noch so viele Stunden bis zum Abend, die sie überbrücken mußte - . Sie wußte nicht Recht, was sie mit sich anfangen sollte.


    Also ging sie hinunter in den Schankraum, bezahlte den Rest ihres Zimmers und beschloss, sich in dem Viertel umzusehen, in das sie das Schicksal verschlagen hatte.

  • Draußen zieht der Nebel und die klamme Kälte, die er mit sich brachte sofort in die Kleidung der Priesterin. Er wabert dicht über den nassen unebenen und von Tierfäkalien übersäeten Pflasterboden. Die zum großen Teilen baufälligen Häuser schmiegten sich aneinander und schufen sich begegnend enge Gassen, auf die wenig Licht fällt.


    Hier und dort zeigte ein windschiefes Haus ein Geschäft auf, doch die waren in der morgendlichen Düsternis sicher noch geschlossen. in weiter Ferne hört man ein Pferdewaagen, noch weiter entfernt das Läuten von Glocken.


    Glaubte man dem was man sah und seinen eigenen Erfahrungswerten war dieses Viertel oder die ganze Stadt, je nachdem wo sich Alanis befindet... den Ärmsten der Ärmsten vorenthalten. Ob sich hier irgendeine Garde verirrte und wenn ja ob man ihr vertrauen kann?


    Nein... hier wird niemandem vertraut... vertrauen ist der Anfang von Schwäche und Schwäche bedeutet vollgepinkelt in einer nassen Zelle zu sitzen und auf den Tod auf Raten zu warten...


    Irgendwo qietscht etwas und Alanis kann in einer noch engeren stinkenden Seitengasse eine feuchtglänzende Ratte ausmachen, die auf meinem maroden Seil sitzend erschreckt hatte.

  • Die Priesterin überlegte, ob sie wirklich an diesem Ort bleiben sollte, um den Schattenmann in diesem Abend in dem Badehaus zu treffen. Einerseits riet ihr der Instikt, das Viertel so schnell wie möglich zu verlassen und an dem Ort Schutz zu suchen, den Thalion ihr als Treffpunkt angegeben hatte. Selbst wenn er nicht mehr dort war, sie war sich fast sicher, dass man sie dort aufnehmen würde, bis ihre Freunde zurückkehrten.


    Doch andererseits verspürte sie auch ein gewisses, seltsames Interesse für das Wesen, das sie dann doch gerettet hatte, indem sie sich entschlossen hatte, auf seine Bedinungen einzugehen und sich damit praktisch selbst zu helfen. Es konnte nicht schaden, ihn noch einmal zu treffen, oder? Andererseits schuldete sie ihm ja eigentlich - nichts. Vielleicht aber auch alles.


    Sie ließ sich noch eine ganze Weile durch die Gassen treiben, die verwinkelsten Ecken meidend, dann kehrte sie in das Wirtshaus zurück. Morgen war auch noch ein Tag.


    So blieb sie den Tag über dort, bis sie sich zur Abendstunde wieder in das Badehaus aufmachte.

  • Der Weg war bekannt, doch es war dunkler als am Vortag und somit wurde sie nicht nur einmal von plötzlich auftauchenden Gestalten aus irgendwelchen dunklen Seitengassen überrascht, die aber den Göttern sei dank einfach an ihr vorbeizogen.


    Eine kleine schwarze Katze begleitet ihren Weg eine Zeitlang, ehe sie etwas interessanteres erblickend über einen Sims und dann eine niedrige Wand, womöglich die Abgrenzung zu einem Hinterhof springt und in der Nacht verschwindet.


    Die Huren hatten sich schon die Gasse entlang aufgestellt, wenn gleich sie sich die meiste Zeit in den Nischen und Türen der Häuser aufhalten, denn der Wind hatte schneidende Züge angenommen und man kuschelte sich in die verdreckten und zerrobten Pelze, die ihre Prämisse etwas edles darzustellen längst verfehlt hatten.


    Aus dem Badehaus dringt ein inzwischen bekannter Parfümöle und Seifegeruch, aus geöffneten Fenstern dringt feuchter Dunst und von innen hört das Geräusch eines Waschreibeeisens.


    "Na mach schon, das Zeug ist scheisse schwer..."


    "Ach halts Maul und memme nicht immer rum Toras, echt... der feine Pinkel will zu seinen Huren ne gute Flasche Wein und wenn Sasari dem dadurch in den Hintern kriecht... dann isses so... gibt fettes Trinkgeld!"


    Männer transportieren Kisten mit Lebensmitteln, Obst soweit Alanis durch die schlechtbeleuchteten Wege ausmachen kann und Wein, glaubte man dem Geräusch aufeinanderschlagender Flaschen.

  • Unwillkürlich versteifte sich der Körper der Priesterin bei den Bildern, die die Stimmen der Männer in ihr heraufbeschworen. Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre sie selbst vielleicht in einem Haus wie diesem gelandet und hätte den Rest ihrer Tage auf dem Rücken verlebt.


    Sie folgte den Männern in das Haus, sich sehr gerade haltend, obwohl sie die Arme dicht an den Körper und die Schultern hoch gezogen hatte. Sie fror erbärmlich, weil ihr Kleid zu dünn war, als dass es den Winter versprechenden Wind hätte wirklich abhalten können und sie wußte, dass sie schnellstmöglich eine Lösung finden mußte.


    Im Haus bat sie den oder die erste Bedienstete, den sie traf, sie wieder in den Raum zu führen, in dem sie in der vergangenen Nacht gewesen war.

  • Die Bedienstete, das blonde Mädchen vom gestrigen Abend prüft vorsichtig die Bücher am Empfangspult und hebt dann eine Augenbraue.


    "Könn'da nisch haben, das is schon reserviert zur neunten Stunde für Sir...Rich...,"


    "LEA!"


    Die Blondine wurde in einer Tonlage unterbrochen, die keinerlei Alternativen als Schweigen zulässt. Sofort zuckt sie zusammen und tritt von dem Pult weg. Madame Sasari kommt auf die beiden zugewalzt.


    "Schieb deinen knöchrigen Hintern in Raum 2, unser Kunde möchte eine Massage."


    "Wie'de wünscht Madame."


    Lea sieht zu, dass sie eiligst der Aufforderung von Madame Sasari nachkommt, die jedoch ihre Aufmerksamkeit auf Alanis gelegt hat.


    "Ich muss mich... entschuldigen," spricht sie die Priesterin mit falscher Sanftheit und Wohlgefälligkeit an und kann das Schleimerische nicht verbergen. "Wir sind hier im Haus zum weißen Schwan stetig darauf bedacht Diskretion zu wahren, es gibt ja soviel schlechtes in der Welt und man missversteht unser Etablissment zuleicht - dank... im Ansehen geringer Badehäuser als diesem hier... So Lady, wie kann ich euch zu Diensten sein?"

  • Alanis verspürte Ekel vor dieser Frau und machte ganz wie von selbst einen halben Schritt zurück. Ihre grünen Augen blieben jedoch mit Nachdruck auf die Besitzerin des Badehauses gerichtet und ihre Stimme klang fest und befehlsgewohnt, so, wie sie sich auf den zahlreichen Schlachtfeldern anhörte, die Alanis schon gesehen hatte.


    "Ich habe zur neunten Stunde eine Verabredung hier und bräuchte einen Raum dafür. Da der von gestern schon belegt zu sein scheint, brauche ich einen anderen Ort, an dem ich ungestört bin."