Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (4)

  • Mordenkainen machte sich abschliesende Notizen nachdem er einiges wieder durchgestrichen hatte und sortierte die inzwischen 3 Pergamentblätter in die richtige Reihenfolge bevor er alles zusammenräumte und die Bücher wieder im Gästezimmer sicher verstaute.


    Zurück in der Küche stopfte er sich die Pfeife neu und ging zum Flur um seinen Stab und die Gugel zu nehmen um dann vor die Tüer zu treten.


    Dort blieb er erstmal für einige Zeit stehen und paffte einige Rauchringe in die Luft und schaute sich um und lies die Natur der Elemente auf sich wirken.

  • Tage später kam Alanis nach einem Abstecher über den Hafen, wo sie sich eine Passage nach Amonlonde gebucht hatte, in ihr Haus und packte. Alles, was von Wert war und Heilkunde und ihren Glauben betraf ebenso wie die Beweise in der Hospitalaffäre, packte sie in ihre Kiepe und zwei Umhängetaschen. Was sie an allzu persönlichen Gegenständen besaß, die sie nicht mehr brauchte, verbrannte sie im Herd. Ihren Altar zerlegte sie nach einem langen Gebet in seine Einzelteile und entließ die Elemente in den Kreislauf - bis da nur noch eine leere Schale war und die ferne Erinnerung, dass dies mal ein heiliger Ort gewesen war.


    Zwei Stunden später gab es nur noch die Möbel, Geschirr und abgelegte Kleidung in ihrem Haus. Sie wußte, dass Eile geboten war, dennoch nahm sie sich die Ruhe ihres Heims, um vier Briefe zu schreiben. Einen an Damorg, einen an Pater Luicatus, einen an Emerald di Lorenzo und einen an Veit von Saarweiler.


    Alle enthielten denselben Kern: Alanis schilderte den Verlauf der letzten Tage, wie sie sie erlebt hatte, welche Beobachtungen sie gemacht und welche Schlüsse sie gezogen hatte, als Edric verhaftet worden war. Sie erklärte zudem, die Zeichnung der Prostituierten mit sich zu nehmen, diese aber jederzeit zur Verfügung zu stellen, falls danach verlangt würde. Sie formulierte keine klare Anklage, sondern überließ es ihren Worten, für sich zu stehen. Eindeutig wies sie darauf hin, dass keiner der Mitarbeiter des Hospitals Kenntnis von der Affäre hatte außer ihr und Edric und dass diese sich in der Krise vorbildlich verhalten hatten. Und sie nannte Amonlonde als ihren Aufenthaltsort.


    Für jeden der Rezipienten fügte sie eine persönliche Note hinzu. Für Damorg eine Entschuldigung, dass sie ihn mit dieser Affäre belastete und wieder einmal nur ein Schreiben hinterließ, dass sie aber eine Verhaftung fürchtete. Für Luicatus die eindringliche Bitte, die Heiler des Hospitals zu unterstützen. Für Veit von Saarweiler eine Entschuldigung, dass sie ihn bei seinem letzten Besuch in Amonlonde gegen seinen Willen mit der Hilfe der Elemente geheilt hatte. Und an Emerald die Zeile, dass sie in sein weises Urteil in dieser Sache vertraute.


    Für beide Priester schloss sie einen Hinweis auf den jeweils anderen Priester als Empfänger ein, ebenso die Notiz, an wen in der Obrigkeit die beiden anderen Schreiben gegangen waren. Den Priestern versicherte sie jedoch auch, dass die Empfänger im Adel keinen Hinweis darauf erhalten würden, wer die anderen Empfänger der Briefe waren, geschweige denn, dass es andere Briefe gab.


    Sie verschloss und siegelte die Schreiben sorgfältig, dann ging sie ein letztes Mal durch ihr nunmehr fast leeres Haus. Sie hatte Magenschmerzen, so heftig, dass ihr übel war. Nagende Schuldgefühle und das Wissen, dass sie feige war, waren ihre Feinde in diesem Augenblick, ihr Willen, aus der Sache herauszukommen, ihr einziger Freund. Und wenn sie in Daynon eins gelernt hatte, dann, dass sie im Endeffekt immer ganz allein war und sich nur auf sich selbst verlassen konnte.


    Schließlich machte sie sich auf den Weg zum Hafen, wo sie die vier Nachrichten kurz vor ihrer Abfahrt nach Amonlonde mit einem charmanten Lächeln und einigen Münzen an den Hafenmeister gab mit der Bitte, diese schnellstmöglich an die Empfänger ausliefern zu lassen.


    Und dann ließ sie einige Minuten später Renascân hinter sich und fühlte sich, als würde gerade ihre Welt wieder einmal zusammenbrechen. Nachdem auch die Friedensinseln hinter dem Horizont verschwunden waren, ging sie unter Deck in ihre Kabine und betrank sich.

  • Aus dem Wachgebäude in der Unterstadt kommend ging Ashaba den Oberen Stichweg hinauf. Bei Alanis' Haus bog sie ein und klopfte an die Tür. Zwischendurch schob sie sich einen Keks in den Mund nur um zu ihrem Leidwesen festzustellen, dass der so trocken war, dass er ohne Getränk dazu eigentlich nicht zu genießen war.

  • Tatsächlich knarrte die Tür leicht, als Ashaba klopfte, und öffnete sich einen Spalt. Offenbar war kein Riegel vorgeschoben gewesen. Ein leichter Geruch nach verbranntem Papier drang unter der Türschwelle durch, nicht frisch, aber durchaus merklich.

  • "Alanisch?" rief Ashaba mit vollem Mund und verschluckte sich prompt. Hustend schob sie die Tür ein wenig weiter auf und spähte ins Halbdunkel.


    "Bischt du da?"


    Inzwischen hatte sie es geschafft den Keks zu einer klebrigen Masse zerkaut in ihren Backentaschen zu sammeln und dort zu lagern.

  • Die Küche war absolut leer. Man hätte meinen können, dass die Hausbewohnerin schlicht einfach nicht da war, wäre da nicht die Masse an Asche im Kamin gewesen, die sich auf den zweiten Blick als Halbverbranntes herausstellte. Waren das Bücher?

  • "Alanis?"


    rief sie noch einmal und ging einen Schritt in den Raum hinein. Sie hielt inne und lauschte ob sich irgendwo etwas regen mochte. Vielleicht war sie im Hospit.. nein, war sie wohl nicht. Da gabs ja gerade nichts zu tun. Vielleicht einfach unterwegs. Ob sie einfach den Tee machen sollte und auf sie warten?
    Auf ihren Unterarmen bildete sich eine leichte Gänsehaut. Mit gerunzelter Stirn sah sie sich um. Irgendetwas war anders. Es war nicht das Gefühl beobachtet zu werden, eher genau das Gegenteil. Hier war.. niemand.


    Sie legte Kekse und Pfefferminze auf dem Tisch ab und fragte sich, ob sie oben nachsehen sollte. Eigentlich sollte sie nicht schnüffeln. Aber was, wenn ihr etwas passiert war? Ach was, sie war einfach nicht zuhause. Ashaba rieb sich kurz über die Unterarme und beschloss dann einfach den Tee anzusetzen. Pfefferminze durfte ruhig lange ziehen und bei dem Wetter war es völlig in Ordnung, wenn er lauwarm oder kalt war. Sie würde warten.


    Ohne darüber nachzudenken schob sie sich einen weiteren Keks in den Mund. Leider mit genau dem selben Ergebnis von vorher. Also spuckte sie sich ihn wieder in die Hand nur um ihn dann etwas unschlüssig anzusehen. Wohin damit? Die angesabberten Krümel konnte sie ja wohl kaum auf den Tisch legen. Also schob sie sie sich wieder in den Mund. Vor der Feuerstelle ging sie auf die Knie um Holzspäne zu suchen. Dabei fielen ihr die halb verbrannten Schnipsel auf. Ohne darüber nachzudenken nahm sie einen und betrachtete ihn

  • Es war vielleicht das Viertel einer Buchseite, eng beschrieben mit einer Handschrift, die definitiv nicht das großzügige, unruhige Gekrakel der Priesterin war.


    "...ch der Nekyomant hauptsächlich mit der Erhebung seelenloser Körper, der Nekromant aber führt die 'Mantik', die Weissagung aus. Dieser Unterscheid wird oftmals nicht ges...."


    Offenbar war hier ein Lehrbuch verbrannt worden. Und so, wie die Asche im Kamin aussah, war es nicht das einzige Papier gewesen, das hier gebrannt hatte. Es waren auch Stoffetzen in der Asche. Und Glasreste.

  • Mit gerunzelter Stirn sah Ashaba die Überreste an. Hier hatte jemand eine Menge verbrannt. Sie erhob sich und rief noch einmal


    "Alanis?"


    Als keine Antwort ertönte, ging sie die Treppe hinauf um in die dortigen Zimmer zu sehen.

  • Alanis Arbeitszimmer war leer - nun, nicht vollkommen leer. Regale und Arbeitstische waren noch da, leere Phiolen und Tiegel standen herum. Doch alle Bücher und Schriftrollen waren fort, die Kräuter, die von der Decke gehangen hatten und die fertig gemischten Tränke und Elixiere verschwunden.


    Und wo sich der Altar befunden hatte, war nur noch eine leere, metallene Schale auf einem Podest. Die Pflanze, die sich im Altar gewachsen war und durch die fühlbar das Leben pulsiert war, war ebenfalls fort.


    Die Tür zum Nebenzimmer stand auf und offenbarte den Blick auf einen Berg Kleider, die achtlos auf dem Boden lagen. Hier war offenbar mit viel Hast ausgemistet worden.

  • Ein überstürzter Aufbruch. Langsam drehte sich Ashaba im Kreis. Äußerlich wirkte sie gefasst. Doch in ihrer Brust drückte ihr ein dumpfer Schmerz das Herz zusammen und nahm ihr den Atem. Sie nickte.


    Am Ende war Alanis gegangen. Ohne sich zu verabschieden. Ein Gefühl des verraten worden seins spülte über sie hinweg und hinterließ Übelkeit in ihrer Kehle. Hatte die Priesterin geglaubt, dass sie sie nicht gehen lassen würde wenn sie es nun schlußendlich wollte? Ashaba hatte damals Zeit von ihr erbeten. Bedenkzeit. Alanis hatte sich selbst diese Zeit lassen sollen, keine überstürzte Entscheidung treffen. Aber sie hätte sie ziehen lassen, wenn es ihre Entscheidung gewesen wäre. Hatte die Priesterin so sehr daran gezweifelt?


    Mit bedächtigen Schritten ging sie die Treppe hinunter. Kekse und Blätter blieben auf dem Tisch liegen, als sie allzu leise die Haustür hinter sich schloß und den Stichweg hinunter ging.

  • Die Zeit geht ins Land. Die Tage werden wieder kürzer. Noch ist es zwar warm, aber Mensch und Tier spüren, dass die sengende Hitze des Sommers vorbei ist und der Herbst bereits naht.

  • Der Herbst war schon weit fortgeschritten, als an einem sonnigen, aber eisig kalten Tag ein Ochsenkarren über den Stichweg rumpelte. Einer der Händler, der Waren von dem Schiff bezogen hatte, das Alanis an Land gesetzt hatte, hatte sich netterweise bereit erklärt, den Hausstand der Priesterin von der Anlagestelle zu ihrem Heim zu bringen.


    Vor dem mit kleinen Steinen bestreuten Pfad, der über zwei Stufen zur Haustür führte, blieb der Karren stehen und der Händler lud die Kiepe und die zwei großen Taschen ab, bevor eine Münze von Hand zu Hand ging und Alanis wenig später allein vor ihrem Haus zurück blieb.


    Sie ließ den Anblick auf sich wirken, bemerkte, dass der kurze Fußweg zum Haus schon halb überwuchtert war und dass Tonnen von Laub in ihrem verwilderten Garten lagen. Als sie zur Haustür ging, stellte sie fest, dass die Haare, die sie so unter dem Riegel eingeklemmt hatte, dass sie nur dann wegfliegen würden, wenn jemand ihr Haus betrat, fehlten. Dementsprechend vorsichtig war sie, als sie die Küche betrat. Doch sie fand nichts vor als einen verlassenen Raum und ein paar zerbröselte Kekse auf dem Küchentisch, die definitiv nicht von ihr waren. Also hatte sie wohl Besuch bekommen - einen Besuch, der wohl weniger Wert auf Heimlichkeit gelegt hatte.


    Die Priesterin entspannte sich ein bisschen. Sie schaffte ihre Habseligkeiten ins Haus, lüftete alle Räume durch und suchte nach Schäden, die die Witterung angerichtet haben mochte. Im Herd machte sie mit den Holzvorräten, die noch im Haus waren, ein kräftiges Feuer, nachdem sie den Muff aus den Räumen vertrieben und die Fenster wieder geschlossen hatte. Während bald Holzfeuerrauch aus dem Kamin stieg, zerkleinerte Alanis auf dem Holzbock vor dem Schuppen noch mehr große Holzscheite, die sie zu genau diesem Zweck an der Seite des Hauses für den Winter aufgestapelt hatte und brachte sie hinein.


    So vergingen zwei, drei Stunden mit Aufräumen und Einräumen.

  • Die Nase fest auf den Boden kam der kleine, struppige Hund den Stichweg entlang. Seine Ohren waren dabei grotesk aufgestellt und gaben ihm etwas koboldhaftes. Vor der Haustür von Alanis Haus lief er einige Male unschlüssig im Kreis und sah das hölzerne Bollwerk an. Er schob die Schnauze an den Spalt zwischen Tür und Boden und sog tief die Luft ein. Sein Schwanz wedelte sachte dabei und mit einem unwilligen Brummen kratzte er an der Spalte entlang.
    Die Nase noch immer an der Spalte ließ er sich erst auf die Vorderpfoten nieder und ließ erst dann auch den Hintern sinken. Sein Brummen ging in ein ungeduldiges Jaunern über.

  • Alanis hatte einige Eimer Wasser in dem großen Kessel über ihrem Herdfeuer erhitzt und nachdem erst sie selbst ein Bad genommen hatte, schnitt sie großzügig Seifenflocken in das heiße Wasser und warf ihre Reisekleidung hinein, die voller Schmutz war und auch einige Blutflecken aufwies.


    Der Geruch nach Lavendelseife breitete sich in der Küche aus und als Alanis, in ein altes, grünes Kleid geschlüpft und mit einem Korb dampfender, nasser Wäsche bewaffnet, die Hintertür aufdrückte, um zur Wäscheleine zu gehen, drang das kräftige, saubere Aroma auch aus dem Haus hinaus.


    Sie wuchtete ihre Robe und den triefend nassen Reisemantel auf die Leine und stutzte dann, als sie das seltsame Geräusch hörte.


    "Hallo?", rief sie in Richtung des Hauses.

  • Moclins Kopf fuhr hoch und für einen Moment vergaß er schier das Schwanzwedeln. Rasch sprang er auf und bog schliddernd um die Ecke um in den Garten zu gelangen. Seine Pfoten ließen dabei einige Dreckbrocken fliegen, als sie sich haltsuchend in die feuchte Erde krallten.


    Sich halb überschlagend hopste er auf Alanis zu und sprang völlig außer sich an ihr hoch. Dabei schien er ein unglaubliches Bedürfnis zu haben sich mitzuteilen. Wie es seine Angewohnheit war wühlte er sich durch ihre Rockschöße und genoß sichtlich, dass die freundliche Frau mit der warmen Hand und dem Essen wieder da war.

  • Alanis schmunzelte, als sie dem Hund eine große Einheit Liebe und Kraulen zugute kommen ließ und gleichzeitig versuchte, seine matschigen Pfoten von ihrem Kleid wegzuhalten, was sie nach einigen Versuchen schließlich aufgab.

    "Na, wo ist denn Dein Frauchen?"
    , fragte sie, mehr aus Gewohnheit denn aus wirklicher Neugierde - immerhin hatte der Hund bisher im Gebiet der Intelligenz nicht wirklich gut abgeschnitten.

  • Nach den ersten Begeisterungsstürmen warf sich der Hund auf den Rücken und streckte alle vier Pfoten von sich. Dabei nieste er vor Aufregung einige Male und ignorierte Alanis' Frage ziemlich. Wie es nicht anders zu erwarten war.

  • Alanis hockte sich hin und kraulte ihm also pflichtschuldig den warmen Bauch.


    "Wenn Du etwas zu Essen erhoffst, dann muss ich Dich enttäuschen. Ich habe nichts im Haus."


    Eigentlich war es ziemlich dumm, mit einem Tier zu sprechen, das wusste sie. Aber die Einsamkeit machte die seltsamsten Sachen mit dem Menschen.


    Schließlich erhob sie sich wieder und klopfte an ihr Bein, um ihm zu signalisieren, dass er mitkommen konnte. Dann machte sie sich auf den Rückweg zum Haus, den Korb unter den Arm geklemmt.


    "Ich gehe jetzt zum Markt. Vielleicht fällt ja was für Dich ab?"

  • Der Hund quittierte die Streicheleinheiten mit einem glücklichen Grunzen. Als Alanis ihm bedeutete mitzukommen, zögerte er nicht einen Augenblick. Zumindest ging es ja schon grob in Richtung der Speisekammer. Alanis Vorwarnung, dass sie nichts essbares im Haus hatte, ignorierte er geflissentlich oder begriff sie erst gar nicht. Ganz offensichtlich würde er ihr grade überall hin folgen. Naja, vermutlich nicht über eine schwankende Planke auf ein Schiff. Auch nicht in die Nähe einer Katze.