Das Hospital von Renascân (2)

  • Dania untersuchte gerade mit kundigen Händen den Bauch einer hochschwangeren Frau. Das Kind ließ sich nun bereits mehr Zeit als erwartet und die Mutter konnte sich immer weniger bewegen. In der Nacht hatten die Wehen eingesetzt. Plötzlich trat ein erleichterter Gesichtsausdruck auf das Gesicht der jungen Frau.


    "Es liegt richtig."


    sagte sie und legte ihre Rechte auf die schweißnasse Hand der Mutter. Die hatte nur einen winzigen Augenblick Zeit für ein erleichtertes Lächeln bis eine erneute Wehe einsetzte.


    Das war nicht Danias erste Geburt, die sie hauptverantwortlich betreute. Aber es war schon seltsam, dass ihre Meisterin diesmal nicht im Haus war um wenn nötig einzugreifen.

  • Alanis betrachtete Mutter und Heilerin für eine Weile, dann zog sie sich zurück und schrieb rasch einen Zettel mit dem Hinweis, dass Dania in dem Schrank mit den Dreieckstüchern nachsehen sollte, falls Alanis verhaftet werden sollte. Und die Bitte, das, was sie dort fand, m Fall eben dieser Verhaftung dem Kestor des Kapaltempels zu übergeben und nur ihm. Diesen Zettel steckte sie Dania dann zu, sprach noch ein paar beruhigende Worte zu der werdenden Mutter und machte sich dann auf den Weg.


    Sie trug ihre Priesterrobe und ihre entschlossendste Miene zur Schau.

  • Delpior saß derweil im Empfangsraum des Hospitals. Auch er hatte wieder deutlich mehr Farbe im Gesicht und war nicht unglücklich darüber, nicht mehr untätig und im Nachgewand bekleidet den Tag verbringen zu müssen. Sein Veilchen, sich an den Rändern schon bräunlich-grünlich abklingend, leuchtete Alanis keck an, als sie sich verabschiedete und auf den Weg machte wollte.


    "Gibt's irgendwas, was ich tun kann, damit das alles wieder in Ordnung kommt?" fragte er, als sie fast schon an der Tür angelangt war. Er sah besorgt aus.

  • Alanis straffte ihre Schultern und lächelte Delpior herzlich an, so herzlich, wie sie es in den vergangenen Monaten nicht mehr getan hatte.


    "Ich bin mir sicher, dass alles über kurz oder lang wieder in Ordnung kommt", sagte sie mit fester Stimme, auch wenn sie sich nicht wirklich sicher war. "Was Du tun kannst, ist, den Laden am Laufen zu halten, falls es weitere Probleme gibt. Und ein kleines Gebet im Tempel wäre auch gut."

  • Der Heiler nickte


    "Mach' ich. Das mit dem Gebet. Das andere lass' ich lieber erstmal, denn ich hoff' einfach mal, dass keine weiteren Probleme kommen. Und dann alles in Ordnung kommt. Über kurz. Nicht über lang. Am liebsten über ganz kurz."


    Als Alanis das Hospital verlassen hatte, starrte er noch eine ganze Weile an die Tür.


    "Hoffentlich ist's nicht auch wegen mir..." murmelte er noch zu sich selbst, denn jemand anderes war ja gerade nicht im Raum.

  • Alanis kehrte ins Hospital zurück und verbat sich jede weitere Störung für die nächsten Stunden. Sie nahm sich die Zeit, einen detaillierten Behandlungsplan für die Syphilis zu erstellen, den sie dann an Delpior und Dania übergab. Sie erklärte den beiden, dass es für sie notwendig werden würde, Renascân zu verlassen und dass die beiden am besten nicht zu viel wissen sollten. Ihr Bedauern war ihr anzusehen, aber sie sah auch seltsam entschlossen aus. Für weitere Konsultationen empfahl sie noch einmal wärmstens Pater Luicatus. Danach nahm sie die Beweise, die sie hatte, an sich und verließ das Hospital, um sich zu ihrem Haus zu begeben.

  • Einige Zeit war vergangen, seit Alanis gegangen war. Delpior hatte die Leitung übernommen. Aber was sollte er mit einer Gruppe halb ausgebildeter Heiler denn schon tun?


    Gestern hatte Dania einen Mann zu den Gardeheilern schicken müssen, dessen Frau in den Wehen lag. Wie sie wusste, hatte es Schwierigkeiten gegeben. Die Nabelschnur musste sich um den Hals gewickelt haben und noch war nicht ganz sicher, dass es einen guten Ausgang geben würde.


    Dania vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte. Eigentlich wusste sie, dass es nicht ihre Schuld gewesen war, dass sie auch nichts hätte tun können. Trotzdem sagte ihr eine Stimme, dass sie hätte da sein müssen. Die Heiler der Garde waren keine Hebammen. Sie war eine. Das wäre ihre Aufgabe gewesen. Sie wünschte sich, dass Edric wieder da wäre. Sie hoffte inständig, dass sich die Tür öffnen würde und Alanis herein käme. Aber beide waren weg und würden vielleicht nie wieder kommen.

  • Die Zeit geht ins Land. Die Tage werden wieder kürzer. Noch ist es zwar warm, aber Mensch und Tier spüren, dass die sengende Hitze des Sommers vorbei ist und der Herbst bereits naht.

  • Als Edric auftauchte, blieb Danias Herz beinahe stehen. Doch dann quoll es über vor Erleichterung den Hospitalleiter wiederzusehen, der ihr so viel beigebracht hatte. Fast hatte sie schon nicht mehr daran geglaubt, dass er jemals lebend zurückkehren würde. Als all die Anspannung der letzten Monate von ihr abfiel, sackte sie zusammen und ihre Schultern bebten, als sie ungehemmt schluchzte.
    Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, wischte sie ihre Tränen mit der Schürze weg und versuchte ein Lächeln. Sie rappelte sich wieder auf und ging in die Küche um die Hühnersuppe aufzuwärmen. Edric sollte möglichst rasch wieder zu Kräften kommen.

  • Indis war völlig verwirrt von den Vorgängen im Hospital...ihr Hilfsangebot war freundlich aber bestimmt unter den Teppich gekehrt worden so das die kleine Elfe mehr den je in dem winzigen Zimmer verbrachte..sie sah wie aus Sommer Herbst wurde und endlich...als die ersten Schneeflöckchen zu Boden rieselten erhielt sie einen Brief.. " nach Hause...nach Hause....endlich nach Hause " sagte sie in die Stille des Zimmers....dabei wippte sie vergnügt mit ihren Beinen " nach Hause...nach Hause...die paar Tage schaffe ich noch..." Dann schlurfte Indis wieder ans Fenster wo sie sich hinsetzte und vor lauter Langeweile die Blätter zählte die an ihrem Fenster vorbeisegelten,dann tappte sie zum Spiegel und streckte sich selbst die Zunge heraus ehe sie wieder zurück ans Fenster ging und wartete....sie wartete voller Sehnsucht auf ein Zeichen das das Elbenschiff anlegte und sie gehen konnte..am liebsten wäre sie zum Hafen gerannt und sich dort hingesetzt.. " Wäre doch eh keinem aufgefallen wenn ich weg wäre " sagt sie verbittert und ballt ihre Hand zu einer Faust..sie hatte ihre Lektion zum Thema Menschen gelernt und zwar genau auf diese Art und Weise wo die hohe Dame Lady Nienna sie beschützen wollte...Indis seufzt leise...hätte sie doch nur auf diese weise Dame gehört....

  • Alanis öffnete die Tür des Hospitals, die ihr prompt von einem heftigen Wind, der über den Dorfplatz fegte, aus der Hand gerissen wurde und gegen die Wand knallte.


    "Ups", sagte sie leise, schloss die Pforte wieder sorgsam und trat dann in den Vorraum, um zu sehen, ob einer ihrer ehemaligen Kollegen zu sehen war.

  • Heidlinde steht in der Eingangshalle und fegt. Als die Tür zuknallte schreckte sie zusammen und sah richtung Tür.
    Als sie Alanis erblickte, schaute sie erleichtert drein und grüßte: "Die fünfe zum Gruße, Frau Alanis."

  • Sie nickte.
    "Ja ich habe mich hier schon eingelebt. Danke. Ich denke der Meister müsste in seinem Büro sein. Aber so genau weiß ich es leider nicht." Sie zuckte bei dieser Aussage leicht mit ihren Schultern.

  • "Dann sehe ich dort nach, danke." Alanis nickte knapp und trat dann den kurzen Weg zu dem Büro, das für ein paar Tage mal sowas wie ihr Büro gewesen war. Zum Glück nur für einen wirklich kleinen Zeitraum, wie sie sich sagte. Vor Edrics Büro angekommen, klopfte sie an die Tür.

  • "HEREIN!" schallte es von drinnen. Edric saß hinter seinem Schreibtisch. Seine Gesichtsfarbe hatte wieder einen deutlich gesünderen Farbton angenonmmen, seine Wangen waren jedoch immer noch etwas schmaler. Hatte er etwas mehr Falten bekommen? Man konnte ihn guten Gewissens und nach wie vor als gutaussehend für einen Mann seines Alters bezeichnen, aber seine Gesichtszüge schienen einen Deut härter geworden zu sein. Vielleicht war es jedoch auch nur das dämmrige vorwinterliche Licht, das die Stube nur mäßig erhellte, so dass eine Öllampe auf dem Schreibtisch brannte.

  • Alanis holte tief Luft, ließ diese wieder zischend entweichen und trat dann ein.


    "Guten Tag, Edric", sagte sie freundlich. Nicht unbedingt in einem Plauderton, aber dennoch abseits jeglicher bedeutungsschwangerer Betonung.

  • Edric sah auf, dann kam ein kleines, kaum merkliches Lächeln in seinem Gesicht auf.


    "Alanis."


    Mehr sagte er zunächst nicht. Er erhob sich, ging auf Alanis zu und nahm mit der Rechten ihre Hand, um dann seine Linke auf beide Hände zu legen und sie dort einen Augenblick ruhen zu lassen.


    "Es freut mich, Euch wohlbehalten zu sehen."

  • Alanis Hand war eiskalt, was sowohl an ihrer Aufregung als auch dem Herbstwind liegen konnte, der sie ins Hospital zurückgeweht hatte und sie zitterte kaum merklich.


    "Ich -", begann sie, brachte aber das, was sie sagen wollte, nicht zu Ende. Stattdessen schluckte sie kurz trocken und räusperte ihre Kehle frei, weil ihr im Schein der Lampe die neuen Schatten und Linien in Edrics vertrautem Gesicht aufgefallen waren und sie urplötzlich ein nur noch schlechteres Gewissen hatte. "Das kann ich nur zurückgeben, Meister Edric." Das war höflich. "Und ich hatte fast nicht damit gerechnet." Das war ehrlich.