Auf dem Kupferstück

  • Auf dem Kupferstück


    Wenn man von der Stadtmitte Amonlondes langsam in Richtung der untergehenden Sonne geht, wird einem auffallen, dass die Häuser nach und nach kleiner werden. Von den großen Prunkbauten am Markt über die bürgerlichen Häuser hin zu kleinen grasgedeckten Holzhäusern im äußeren Teil des Westviertels. Der gepflasterte Boden macht für einen einfachen Schotter platz und anstelle die wohl gepflegten Gärten erschienen wilde Hecken, Beerensträucher und Bäume.



    Wie in jeder großen Stadt, gibt es auch in Amonlonde jene, die nicht so viel Glück hatten, oder einfach nur noch nicht. Jene die neu in Amonlonde angekommen sind, jene die hierher geflohen sind, die sich erhoffen hier ein neues Leben zu beginnen, frei von allem was zuvor war. So wie ihre Schwester am Hafen mit den ganzen Tagelöhnern, hat sich hier eine Gemeinschaft gebildet so farbenfroh wie eine Blumenwiese und ein blauer Fleck.


    Diese vom Rat errichteten Bauten stehen nicht nur Neuankömmlingen zur Verfügung, sondern auch andere die schon länger in Amonlonde Stadt sind. Seien es nun die nach jedem Krieg neu angekommenen Flüchtlinge aus Forlond oder die neueingebürgerten Outilisten, viele finden hier ihre erste Bleibe.


    Da die meisten nur für eine recht kurze Zeit bleiben und die Anschaffung größerer Sachen für viele zu teuer ist, gibt es verschiedene "Allgemeinhäuser", wie eine kleine Stube in der ein Kerzenziehtisch steht oder eine mit einem Backes für normales Brot und Hartbrot. Auch ein Hüttchen in dem Flachs und Wolle verarbeitet werden ist für jeden offen.


    Auch wenn die meisten Stadtteile Amonlondes keine richtigen Namen haben, die über eine grobe Zuordnung hinausgehen, so hat sich unter den Leuten für diesen Teil des Westviertels doch ein Name eingeschlichen: Kupferstück. Warum mag man sich fragen? Tja, das liegt wohl auf der Hand oder eher im Beutel: Die wenigsten die hier leben haben mehr als ein paar Kupferstücke. Silber ist hier selten und Gold fast unauffindbar.


    Trotzdem sind die meisten die hier leben offen und herzlich, auch gegenüber Fremden, denn sie alle wissen, dass auch sie einst Fremde waren und hier eine Bleibe fanden.

    Det var øl
    berusende ord
    det var sommer det var sol
    det var hjerter i brann
    blikkstille vann
    alt på denne jord
    Og det var kjærlighet
    Kisiblog eifelkind - erneut reanimiert(mehr oder weniger) 1x pro Monat aus Belgien 8f

  • Amalia verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen, während sie die Straße auf und ab sah. Die nachmittagliche Sonne brannte unerbittlich. Selbst die Vögel waren zu müde zum zwitschern und die Hunde und Katzen, die Amalia sehen konnte, lagen wie erschlagen in der brütenden Hitze.


    An einem solch drückenden Tag sollte man sowieso nicht draußen im Hof arbeiten, dachte sie bei sich, während sie eine Wespe beobachtete, die vor ihr her schwirrte. Nach einiger Zeit zog selbst diese sich in den kühlen Schatten des Daches vom Allgemeinhaus zurück. Das Gras auf dem Dach war braun und ausgetrocknet.


    Amalia pustete sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. Nun hauchte doch ein lauer Wind über das Kupferstück und wirbelte den feinen Staub der Straße auf.
    Da plötzlich, sah Amalia, dass sich etwas am flimmernden Horizont bewegte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und immer deutlicher leuchtete ihr das unverkennbar gold-grüne Gewand von Kisi entgegen. Die Magd streckte den Arm nach oben und winkte ihrer Freundin zu.

    Amonlonde, schönes Land,
    du sollst gedeihen, du sollst sprießen
    und Shaddam kann kein Bogenschießen! :D

  • Mit raschen Schritten, einen Korb unter jedem Arm, versuchte Kisi so schnell es ging zum Allgemeinhaus zu kommen. Laufen wäre keine so gute Idee, das hatte sie schon versucht, so dass nun ein guter Teil der dunklen Wolle mit einem Schicht an Straßendreck bedeckt war. Schon gar nicht bei solche einer Hitze.


    "Ha! Da bin ich!", sagte Kisi fast stolz als sie endlich vor Amalia stand. Überschwänglich versuchte sie die Magd zu umarmen, was aber nur dazu führte, dass nun auch die weiße Wolle zu Boden segelte.

    Det var øl
    berusende ord
    det var sommer det var sol
    det var hjerter i brann
    blikkstille vann
    alt på denne jord
    Og det var kjærlighet
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  • Amalia lachte.


    "Hallo, Kisi." Sie half der Händlerin die Rohwolle vom Boden aufzunehmen.
    "Wo kommt denn die ganze Wolle her? Du hättest mir ruhig Bescheid sagen können, dann wäre ich bei dir und Marita vorbeigekommen und hätte dir beim Tragen geholfen."
    Sie stopfte die Wolle wieder zurück in einen Korb und nahm ihn Kisi ab.

    Amonlonde, schönes Land,
    du sollst gedeihen, du sollst sprießen
    und Shaddam kann kein Bogenschießen! :D

  • Mit gerunzelter Stirn musterte sie die Wolle. "Ach, das wird ja später eh nochmal gewaschen...", Kisi richtete wieder ihre volle Aufmerksamkeit der jungen Magd.
    "Ah... Danke, aber die Wolle hab ich eben erst frisch auf dem Markt geholt. Die Wolle von Lora und Kissi ist ja schon alle weg.", verschmitzt grinsend schaute Kisi zu Amalia. "Also das mit deinem Haaren...", sie hob vorsichtig eine der Strähnen. "Hast du keine Angst, dass die ausfallen?"

    Det var øl
    berusende ord
    det var sommer det var sol
    det var hjerter i brann
    blikkstille vann
    alt på denne jord
    Og det var kjærlighet
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  • Amalia sah sie mit einem skeptischen Blick an. Sie nahm die schwarze Strähne zwischen Daumen und Zeigefinger, machte dann eine Faust und zog zwei Mal kurz daran.
    "Nein, ich glaube nicht das sie ausfallen", sagte sie und hauchte ein leises, "Au..." Sie hatte etwas zu fest und ruckartig gezogen.
    "Genauso ist es auch mit den roten Haaren. Ich habe versucht die schwarze Strähne wenigstens mit Henna vom Markt zu färben, damit ich zumindest nur EINE Haarfarbe habe und nicht zwei, aber irgendwie hat das auch nichts gebracht. Außerdem ist das auch ganz schön teuer.", sie seufzte.


    Vor einiger Zeit hatte sie nachts, vom Fensterchen ihrer Kammer aus, in einer kleinen Scheune von Kurt komische Lichter funkeln sehen. Sofort hatte sie ihre Röcke gerafft, eine Laterne geholt und war die schmale Treppe runtergeschlichen um nachzusehen, wer da wohl sein Unwesen trieb.
    Als sie in der Tür stand, konnte sie nur kurz einen Schatten wahrnehmen. Einen Augenblick später... KRACH ZISCH gab es eine Explosion. Funken flogen durch die Scheune, hüpften über den Boden und prallten wie Bälle von den Wänden ab.
    Ein Funkenball flog plötzlich auf sie zu. Amalia konnte sich nur noch dran erinnern, dass sie sich schnell wegdrehen wollte, um sich vor - was immer das auch war - zu schützen. Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte sie, dass ihre Laterne auf dem Boden lag. Erloschen. Sie muste sie wohl fallen gelassen haben. Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, hatte sie nichts mehr gesehen. Da war nichts mehr gewesen.
    Kopfschüttelnd, war sie zu ihrer Kammer zurückgegangen.
    Erst am nächsten Morgen ist ihr das Geschehene aufgefallen.
    Kurt hatte sein Frühstück ausprusten müssen vor Lachen, Gorn hatte sich an seinem Brotkanten verschluckt, Dilaras Augen hatten sich einfach nur geweitet und sie fragend angesehen. Über Nacht hatte sie rote Haare bekommen mit einer schwarzen Strähne an der rechten Seite.



    "Aber ich seh es ja positiv", erklärte Amalia ihrer Freundin, "Die roten Haare passen zu meiner geplanten Amonlonde-grünen Kleidung."

    Amonlonde, schönes Land,
    du sollst gedeihen, du sollst sprießen
    und Shaddam kann kein Bogenschießen! :D

  • Kisi schaute trotzdem zweifelnd. "Irgendwann fallen die sicher aus..." Soweit Kisi weiß ändern Haare sich nicht von selbst, naja außer grau. Viel eher glaubt sie, dass der Kurt oder Gorn sich mit der armen Amalia einen Spaß erlaubt haben. Zuerst macht der eine sie betrunken und dann...


    "Aha, also sattelst du jetzt um und wirst auch grün? Grün ist toll!", prahlte Kisi stolz und klopfte sich auf die Brust.

    Det var øl
    berusende ord
    det var sommer det var sol
    det var hjerter i brann
    blikkstille vann
    alt på denne jord
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  • "Die fallen nicht aus.", beharrte Amalia, "Ja, ich dachte mir... grün wäre eine gute Farbe. Ich bin ja stolz auf meine Heimat."


    Sie stieß die Türe zum Allgemeinhaus auf.
    "Ich nehme mal an, wir haben viel zu Spinnen?", grinste sie Kisi an und schaute auf die Wolle.

    Amonlonde, schönes Land,
    du sollst gedeihen, du sollst sprießen
    und Shaddam kann kein Bogenschießen! :D

  • "Oh jaaa, das wird ein wenig dauern, bis die wieder weg ist."


    In der Stube saßen bereits eine Gruppe die Flachs schlugen. Sie sahen kurz auf, grüßten die beiden freundlich und begannen wieder sich ihrer Arbeit zu widmen.


    Das Eichenspinnrad in der Ecke war zwar schon alt, tut aber immer gute Dienste. Vorsichtig setzte sich Kisi auf den kleinen Schemel, der verdächtig und gefährlich knarrte als die Händlerin ihn ganz belastete und begann das Rad zum drehen zu bringen.


    "An sich müssten wir dann ja noch ein paar Bänder für dein neues Kleid machen, oder?"

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  • "Ein paar gelb-grüne Borten wären schon schön", bedachte Amalia.


    Sie setzte sich neben Kisi auf den Boden und hob einen Korb auf ihren Schoß.


    "Erzähl mal von deiner Reise", forderte sie die Händlerin auf, "Von den Nordlanden."


    Verträumt sah sie in die Wolle.

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  • Vorsichtig nahm Kisi etwas Wolle und begann sie zu spinnen. Das Rad surrte und summte und langsam sammelte sich gesponnenes Garn auf der Spindel. Immer wieder blitzen zwischen dem weißen Garn der dunkle Dreck der Straße hervor. Man hätte die Wolle vorher kämmen können, aber Kisi ist wiedermal ein wenig verwirrt, wie immer.


    "Die Nordlande waren wunderbar!", sagte die Händlerin mit einem fast sehnsüchtigen Anklang in der Stimme. "Es ist schon irgendwie komisch, wenn das Meer direkt neben dem Wald ist, aber toll ist es! Ich habe auch noch etwas Garn, dickes Wollgarn, und mein Flötchen!", mit diesen Worten nahm sie den kleinen Tonanhänger von ihrem Hals und flötete einen schrillen Ton durch den Raum.

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  • "Auaaaaa", beschwerte sich Amalia und rieb sich die Ohren, "Konntest du mich nicht wenigstens vorwarnen?"


    Kisi erntete neugierige Blicke aus dem Raum. Einige verloren das Interesse wieder und wandten sich erneut ihrer Arbeit zu, andere beobachteten sie aufmerksam und ein, zwei Kinder sahen ihre Mütter bittend und fragend an, standen auf und kamen etwas näher um zu sehen, was diesen schrillen Pfiff von sich gegeben hatte.


    "Das sieht ja niedlich aus", meinte ein kleines Mädchen, als es das Flötchen erblickte.

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  • Interessiert schaute Kisi auf, wer denn da gesprochen hatte und musterte das kleine Kind. Sie biss sich auf die Unterlippe und begann hastig in ihren Taschen zu suchen, wobei unwillkürlich ihre Zunge ein Stückchen aus ihrem Mund wich, bis sie einen kleinen Funkelstein hervor gebracht hatte.


    "Den habe ich in den Nordlanden an der Bucht gefunden.", sie hielt den Stein dem kleinen Mädchen hin "Gefällt er dir?", das Mädchen nickte eifrig und nahm ihn freudestrahlend an. Sofort wetzte sie zu ihrer Mutter um ihr zu zeigen was sie bekommen hatte.


    Kisi atmete kurz erleichtert auf. "Mein Flötchen..." wisperte sie leise zu sich selbst, ehe ihr wieder einfiel, wo sie war und schaute zu Amalia. "Schau mal!", sie nahm das Flötchen und hielt es ihr hin. Es war ein einfaches, hohles, flach rundliches Tonstück mit einigen Löchern.

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  • Interessiert betrachtete Amalia das Flötchen.


    So ein Instrument hatte sie noch nie gesehen.
    "Und das hast du aus dem Norden mitgebracht?", fragte sie.
    Plötzlich grinste sie breit.
    "Aber beigebracht wie man darauf richtig spielt haben sie dir nicht. Oder hat sich das bei den Nordleuten genauso schief und grausig angehört?"


    Vorsichtshalber duckte sie sich schonmal weg.

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  • Kisi spitzte ihren Mund zu einer Schnute. "Das klang bei allen so! Zumindest wenn die alle Löcher zu hielten...", sie schnappte sich das Flötchen zurück und legte es sich wieder um den Hals. Sie nahm es in die Hand und streichelte es vorsichtig. Dann sah sie aufgeschreckt auf das Spinnrad. Der Faden war schon lange gerissen und die Wolle lag wieder auf dem Boden.


    Seufzend begann sie das stillgestandene Rad in Schwung zu bringen auf um weiter zu spinnen.


    "Irgendwann musst du mal mitkommen. Sei es nun in den Norden oder woandershin. Das wird dir bestimmt gut tun!"

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  • "Hm... ja, warum nicht. Wenn Kurt mich entbehren kann."


    Amalia zupfte weiter Wolle.


    "Warst du schonmal in Waldbach?"

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  • "Das klingt aber wirklich wenig begeistert..." mit schief gelegtem Kopf beobachtet Kisi wie Amalia die Wolle drangsaliert.
    "Waldbach ist aber ein bisschen zu nahe, meinst du nicht? Wenn wir schon was unternehmen, dann sollte es doch eher spannend sein!" Mit funkelnden Augen schaut sie zu der Magd.

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  • Amalia zog eine Augenbraue hoch.
    "Und an was hast du da gedacht? Willst du mich jetzt nach Mythodea oder so schleppen?"


    Sie gab ihr wieder Wolle an.
    Die Türe zum Haus ging auf und ein Windstoß wirbelte etwas Straßenstaub herein und den Hausstaub auf. Ein Outilist, der erst vor ein paar Tagen nach Amonlonde gekommen war, trat ein und schaute sich um. Schüchtern, fast ängstlich schlich er in eine Ecke des Raumes, in der Nähzubehör lag.


    "Oder verschleppst du mich jetzt nach Outilia?", fragte Amalia leise und grinste.

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  • "Also ich weiß, dass ich nicht so schlau bin wie die Leute an der Akademie oder im Rat...", fing sie an mit einem spöttisch, ernsten Blick zu Amalia "Aber so saudumm, dass ich nach Mythodea gehe und dich mit nehme bin ich nun auch wieder nicht."
    Dann drehte die Händlerin ihren Kopf in Richtung des Neuankömmlings, betrachtete diesen aufmerksam "Outilia auf der anderen Hand, das ist zumindest nicht so weit weg" dann lehnte sie sich zu der Magd rüber und flüsterte "... aber die haben auch ihren guten Anteil an Verrückten. Also nicht die, die her kommen, sondern die die da bleiben. Denen trau ich nur so weit, wie ich sie werfen kann."

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  • Amalia grinste verschmitzt. "Du weißt schon, das Malglin schon in Mythodea war? Ist der dann auch 'saudumm'? Siehst du mal. Amonlonde ist sicher... weitgehend. Warum willst du hier weg? Ich mag es, wenn es sicher ist. Und wenn man in die Schenke kann. Und wenn man feiert. Und singt und lacht", erklärte sie.

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