Am Steinhof

  • Die Gasse Am Steinhof liegt in der Oberstadt. Die Bewohner sind allesamt eher wohlhabend und immerzu bemüht ihr Heim und sich selbst sauber, hübsch und vorzeigbar zu halten.


    Ein jedes Häuschen dort hat ein wenig Platz für einen kleinen Hinterhof oder Garten, auch wenn die Häuser recht eng stehen.

  • Schwungvoll öffnete die ehrenwerte Gattin des Herrn Eberhardt die Fensterläden und hiefte schnaufend einen Eimer auf das Fensterbrett. Sie stieg ganz offenbar auf einen Schemel, was ihr rotes von einer Haube eingerahmtes Gesicht in der Mitte der Fensteröffnung erscheinen ließ.


    Für einen Moment legte sie ihre Unterarme auf der Fensteröffnung ab um zu verschnaufen. Dann nahm sie sichtlich angestrengt den Eimer, in dem es verdächtig schwappte wieder auf. Im nächsten Moment klatschten einige Liter braungrauschwarzes Wasser mit nicht wenigen Bröckchen an die gegenüberliegende, vormals - jetzt eindeutig nicht mehr - blütenweiß getünchte Häuserwand.


    Die Fensterläden schlossen sich nur einen Sekundenbruchteil danach knallend. Zurück blieb nur das Putzwasser, das leider nicht alle Bröckchen mit auf den Weg nach unten nahm. Mit etwas Phantasie mochte man ein Gesicht erkennen, aus den Bröckchen geformt, das den Mund in einem überraschten "oh" öffnete und malerisch von der Morgensonne beschienen wurde.

  • Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort wäre das dunkle Geschoß, das gerade etwa einen Meter über den niedrigen Zaun flog, mit einem enervierenden Pfeifen untermalt worden. So flog es nur lautlos und verursachte bei seinem Aufprall ein lautes Scheppern.
    Die Lederkugel rollte noch einige Meter weiter und blieb an der Häuserwand liegen. Am Ort des Einschlags verteilten sich auf der Fläche eines etwa halben Quadratmeters Tonscherben. Einzig ein filigraner Arm, der etwas in der Hand hielt, was einmal eine Weinrebe gewesen sein mochte, war noch in einem Stück.


    Mit erschrockenen Gesichtern stand eine Horde Buben auf der anderen Seite des Zaunes und starrte auf das Malheur.


    "Du warst das! Du musst es holen! Los."


    Sie schubsten einen kleinen, dunkelhaarigen Jungen vor. Rasch sah der sich um, kletterte wie ein Wiesel über den Zaun und huschte zum Ball. Unter seinen Schritten änderte nun auch der Arm seinen Zustand von fest in Brösel. Rasch griff er sich das Spielzeug und wenig später stob die Horde davon. Ungesehen.


    Etwa zwei Stunden später stand die ehrenwerte Gattin des Herrn Eberhardt in der Tür. Entrüstet stemmte sie die Fäuste in die Seiten und schnappte nach Luft.


    "Mann!!" blökte sie ins Haus hinein "Schau, was die gemacht haben! Diese... kleinlichen...."


    Wütend schüttelte sie ihre Fäuste gegen das Nachbarhaus, von dessen Wand sie ein überraschtes Gesicht anschaute. Oh.

  • Im Haus nebenan öffnete sich im ersten Stock ein Fensterladen und das Gesicht der ehrenwerten Gattin des Herrn Grießig erschien - ihr zugegebenermaßen etwas spitz geratenes Kinn einen Hauch früher als der Rest.


    Sich leicht aus dem Fenster lehnend schaute sie auf die Straße herab, zog sie die Lippen schnippisch kraus und krisch ein schrilles "Mittagsruhe!!!" in Richtung der ehrenwerten Gattin des Herrn Eberhardt. Dann wurde der Fensterladen dergestalt geschlossen, dass man sich von der hohen Widerstandsfähigkeit magonischen Holzes und der exquisiten Qualität renascâner Schreinerskunst überzeugen konnte: Er hielt stand.

  • Mit einer Harke bewaffnet beförderte der ehrenwerte Herr Grießig das matschige Laub auf einen ebenso matschigen Haufen. Seine Gattin stand neben ihm, die Haube vom Wind gezaust und die Fäuste in gerechtem Zorn in die Hüften gestemmt.


    "Wenn die emol richtig fegen würden, die Dappen! Frühzeitig, rechtzeitig schon. Dann hettemer nicht die ganze Arbeit jetzt. Der ganze Dreck von denen weht hier rüber. Da, gucks dir doch an!"


    Mit einem wütenden Tritt stob sie den mühsam aufgeschichteten Haufen wieder auseinandern. Ihr Gatte hingegen quittierte das mit einem Brummen und schob das Laub zurück in die vorgesehene Position.