Die Papiermühle am Raken

  • Mit kräftigen Schlägen trieben die beiden Männer den Holzpflock in den Untergrund. Etwas weiter entfernt stand unbeweglich ein Herr in grün wollener Weste und hellen Hosen. Die Hände hatte er auf etwas gestützt, was auf den ersten Blick ein Gehstock sein mochte. Betrachtete man ihn genauer, so sah man verschiedene, eingebrannte Maßeinheiten auf der kompletten Länge, was den Gehstock zu einem Werkzeug werden ließ.


    Langsam schritt er die Strecke vom Weg zum Flußufer ab, zählte dabei offenbar seine Schritte. Am Ufer angekommen, hob er den Blick und ließ ihn lange auf dem nahen Waldrand ruhen.


    "Hmm.." machte er.


    Die zwei Arbeiter hatten mit den Pfählen ein Rechteck "abgesteckt" und wischten sich den Schweiß von der Stirn.


    "Soll'n wir den Hof auch noch, Herr Tannhalf?" rief einer von ihnen zu dem Mann in der Weste hinüber.


    Dieser winkte ab.


    "Nein... nein, das hat noch Zeit."


    In den kommenden Tagen wurde auf Karren allerlei Baumaterial angeliefert und bald stapelten sich Bretter und begradigte, schmale Baumstämme neben dem abgesteckten Gelände.

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Einige Zeit war vergangen und die Arbeiter hatten in emsiger Arbeit das leicht abschüssige Gelände begradigt. Weitere Pfosten wurden eingeschlagen und schon bald konnte man mit etwas Vorstellungskraft den Grundriss eines Hauses mit einem üppigen Vorhof erkennen.


    Alle Bauarbeiten wurden überwacht von Herrn Tannhalf, der tagtäglich auf der Baustelle nach dem Rechten sah und viele Stunden blieb. Bei einigen Dingen legte er gar selbst Hand an, wenn sie nicht nach seinen Vorstellungen waren. Mit kritischem Blick und akribischer Hand trieb er die Arbeiter schier zur Verzweiflung. Aber es sollte ja gut werden und der Grund direkt am Strom brauchte sehr viel Aufmerksamkeit, damit er nicht irgendwann absackte.

  • Am vergangenen Tag war ein Stück des gelockerten Bodens weg geschwemmt worden. Die darauf lagernden Holzbalken hingen nun zum Teil in der Luft. Da jedoch rechte und linke Kante nach wie vor auflagen, stand die Konstruktion noch. Wie lange war aber ungewiss.


    Mit gerunzelter Stirn stand Tannhalf vor der Misere und überlegte. Den Arbeitern, die kurz vorher was von "natürlicher Latrine" gewitzelt hatten, war der Mund verboten worden.


    Einige Stunden später brachten Karren Steine und Sand herbei. Anstatt das Stück wieder zuzuschütten, begradigte und erweiterte man es sogar. Fast ein Viertel der Gesamtgröße ragte es nun in einem kleinen Flüsschen in den Grundriss des Hause hinein. Den Rest des Tages verbrachten schnaufende Männer mit hoch gekrempelten Hosen damit die Wände des Durchbruchs mit Steinen und Sand zu verstärken und die frei hängenden Balken abzustützen.


    Am Ende hatte man einen kleinen Arm des Raken ins Gebäude geholt. Würde man einen Balken drüber hängen, wäre es eine großartige Latrine mit dem beruhigenden Geräusch fließenden Wassers. Oder aber es wäre eine unerschöpfliche Wasserstelle für jemanden, der oft, schnell und viel Wasser brauchte.


    Tannhalf, selbst mit hochgekrempelten Hosen und aufgeknöpftem Hemd, da er mit im Graben gearbeitet hatte, stand auf einen Spaten gestützt neben seinem Werk und lächelte zufrieden. Nicht das, was er geplant hatte, aber keine schlechte Fügung.

    Thankmar Rhytanian
    Botschafter Magoniens zu Montralur

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  • Etwa hüfthoch war der Grundriss nun und die Bauarbeiten stockten bereits seit Tagen. Die anhaltenden Regenfälle hatten die Raken anschwellen lassen und es fehlte nicht mehr so arg viel und der kleine Strom würde über die Ufer treten.


    Tannhalf stand mit unwirsch gerunzelter Stirn oben am Weg und überschaute seine Baustelle. Es ging ihm zu langsam. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und zog den Mantel enger um sich um wieder zurück zur Siedlung zu gehen.

  • Schon viel zu lange hatte man dem Regen Zeit gegeben nachzulassen. Unerbittlich hatte Tannhalf die Fortsetzung des Baus trotz des ungemütlichen Wetters angeordnet. Um die bereits murrenden Arbeiter jedoch wieder ein wenig versöhnlicher zu stimmen, hatte er eine junge Frau angeheuert, die in einem trockenen Zelt nahe bei der Baustelle stets heißen Tee und Eintopf bereit hielt. Gegen Abend wurde der Tee sogar mit einem Kessel heißen Weins ausgetauscht, was die Stimmung merklich hob.
    Alle Arbeiter erschienen pünktlich am Morgen und aus der Baustelle wurde nun rasch ein langgezogenes Haus, auf dessen Hof einige seltsam anmutende Becken entstanden.

  • In den kommenden Wochen trug man allerlei seltsames Gerät in das Gebäude. Ein Mühlrad wurde angebracht, das der Raken in ständiger Bewegung hielt. Im Kontor wurde Wollstoff geordert, schwerste Qualität und damit wurden die Fenster verhangen, so dass kein Lüftchen hereinwehen konnte und auch das Licht draußen blieb.


    Man munkelte, dass ein großer Kamin eingebaut worden war und in einem Schuppen Unmengen von Brennholz lagerten. Und große Mühlsteine wurden hergebracht, die ebenso im Zwielicht verschwanden.


    Und zufrieden lächelnd trohnte über allem Herr Tannhalf, der wie immer alles überwachte und selbst Hand anlegte, wenn irgendetwas nicht funktionieren wollte, wie er sich da vorstellte.


    Einige der Burschen, die geholfen hatten den Bau zu errichten, nahm er dann beiseite und wechselte leise Worte mit ihnen. Ein paar davon reichten ihm danach glücklich grinsend die Hand und besiegelten so den Handel.

  • Mit langsamen Schritten durchmaßen Tannhalf und eine Frau mittleren Alters den Hof. Sie trug eine Schürze aus dickem Stoff, die den Flecken darauf zu urteilen offenbar ihren Zweck erfüllte. Ihre Hände hatten Schwielen und schienen Arbeit gewohnt. Das halblange, angegraute Haare hatte sie unter eine Haube gesteckt, so dass nur wenige, vorwitzige Strähnen hervor sahen.


    Ihre ganze Haltung verriet ein gewisses Selbstbewusstsein, das sicherlich mit ihrem Tun zusammen hing.


    Drei junge Burschen und zwei Mädchen wuselten geschäftig auf dem Hof hin und her. Einer kam gerade aus dem Haus gelaufen und trug einen großen Bottich, der voll war mit einer zähen, gräulichen Masse. Das Mädchen, das an einem der Becken im Hof gewartet hatte, zog bei dem Geruch die Nase kraus, begann aber dann zügig mit der Arbeit.


    Sie schippte Kleckse der Masse auf Netze, die in einer Art Holzrahmen gespannt waren. Das gleichmäßige Muster der Fäden wurde durchbrochen von einem Draht, der in Form einer Muschel gebogen worden war und flach auflag. Bedächtig wischte sie mit dem Spatel über die Oberflächen, so dass eine gleichmäßige Fläche entstand. Die Frau besah sich das Ergebnis und nickte zufrieden.


    Der Bursche neben ihr stellte sich nicht so geschickt an. Er drückte die Masse durch das Netz hindurch. Mit einem vernehmlichen Klatschen landete ein Großteil im Becken. Sofort hob die Frau die Hand und verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf.


    "Mehr Gefühl, Dummkopf! Weniger Kraft. So. Siehst du? Lass es dir noch mal von Anna zeigen."


    Völlig schockiert, dass diese Frau die Hand gegen ihn erhoben hatte, starrte der Bursche sie an. Als sein entgeisterter Blick zu Tannhalf glitt und der ihn nur gleichmütig lächelnd erwiderte, fügte er sich aber in sein Schicksal.

  • Kritisch hob Meisterin Brida das Papier gegen das Licht und drehte es. Neben ihr stand Anna und knetete nervös ihre Schürze in den Händen. Brida brummte, besah das Blatt von nahem und fuhr mit dem Zeigefinger die Struktur der Muschel nach. Sie wiegte den Kopf, gab Anna das Werkstück zurück.


    "Gut, Anna. Üb weiter und das könnte sehr gut werden."


    Die Wangen des Mädchens überzogen sich mit einem zarten Rot ob des unerwarteten Lobs. Einer der Burschen hatte schon gehen müssen, weil er einfach kein Talent hatte. Ein weiteres Mädchen hatte seinen Platz eingenommen


    "Geh wieder an die Arbeit, Anna. Hier.."


    sie zeigte ihr einige kleinere Stellen.


    "... hier musst du aufpassen. Siehst du? Am Rand der Muschel ist es nicht gleichmäßig. Versuch es noch mal."


    Anna nickte eifrig.


    "Ja, Meisterin Birda." antwortete sie und eilte sofort los.


    Birda sah ihr mit einem zufriedenen Lächeln nach, was ihre Züge sofort weicher machte. Anna war überraschend gut dafür, dass sie dieses Handwerk erst wenige Wochen betrieb. Aber sie, Birda, würde ihr das niemals sagen. Nicht jetzt. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn das Mädchen ausgelernt hatte. Ja, möglicherweise dann.

  • Das Wetter hatte dazu beigetragen, dass die ersten Packen Papier fertig gestellt werden konnten. Meisterin Birda markierte einzelne Blätter mit einem kleinen Strich dunkler Tinte in der rechten, oberen Ecke. Danach sortierte sie die Blätter und rief ihre Lehrlinge zusammen.


    Geduldig wertete sie die Arbeit aus. Auf einigen wenigen Blättern war die Tinte rettungslos verlaufen. Diese zerriss sie und gab sie an die Lehrlinge weiter, damit sie die viel zu grobe Struktur des Materials fühlen konnten. Die anderen, auf denen die Tintenlinie gestochen scharf verblieb, reicht sie ebenso weiter um den Unterschied zu zeigen.


    Wenig später schlug Birda einige Packen Papier, die sie vorher verschnürt hatte, in Stoff ein und gab sie Morn in die Hand.


    "Geh zur Akademie und übergieb ihnen das als kleine Aufmerksamkeit. Mit den besten Grüßen von der Renascâner Papiermühle."