Auf der Rückreise von Pirmasens

  • Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie in die Dunkelheit. Ihre Decke hatte sie bis zur Nasenspitze hoch gezogen und umfasste sie fast krampfhaft mit beiden Händen. Mit wild schlagendem Herzen lauschte sie auf die regelmäßigen Atemgeräusche der anderen im Raum. Noch immer rollten die Tränen ihre Wangen hinab und durchnässten den zusammen gefalteten Mantel, der ihr als Kissen diente.


    Leise schniefte sie vor sich hin und wischte sich ab und an mit dem Handrücken über die Augen. Sie wusste ganz genau: Wenn sie wieder einschlief, würden die Träume wieder kommen und sie waren alle in Blut getränkt. Reinmar, der sie bittend ansah während sie verzweifelt den roten, pulsierenden Fluss aus seinem Hals mit bloßen Händen aufzuhalten versuchte. Doch diesmal war Mira nicht da. Diesmal kniete sie im Blut und musste zusehen, wie sein Blick brach.
    Mit einem Wimmern drückte sie sich die Hände auf die Augen und zog die Knie an den Körper.


    Um ein wenig Wärme und menschliche Nähe zu bekommen, robbte sie leise an den Schatten, der neben ihr schlief. Vorsichtig schob sie ihre Stirn an den Oberarm des anderen und irgendwie war ihr egal, wer genau da lag.

  • Mira schreckte aus ihren wirren Träumen auf, als sich Anneliese an sie drückte. Die hohen Herren Veit, Evan und Shawn hatten sich gerade in Orks verwandelt, die ihr nachdem sie sie verbunden hatte ein Silberstück in die Hand drückten und beteuerten sie so schnell nicht aufzuschlitzen.


    Als sie Annelieses Schluchzen vernahm, strich sie ihr beruhigend, aber ohne ein Wort zu sagen über den Rücken. Sie konnte sich vorstellen, wie sie sich fühlte. Ungerne erinnerte sie sich an ihre eigenen Träume nach ihrer ersten Reise. Keine Orks, aber Untote und ein Dämon. Wie lange das schon her war und wieviel sie seit dem gesehen hatte. Sie versuchte wieder einzuschlafen, aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen, da ihr viel zu viele Gedanken im Kopf rumspukten.

  • Erschrocken zuckte Anneliese zusammen. Als sie gewahr wurde, dass das nur Mira war, schniefte sie noch einmal und rückte noch näher heran.


    Brummend drehte sich jemand anders herum und fing an zu schnarchen.


    Geräuschvoll zog die Magd die Rotze hoch und wischte sich heftig über die Augen.

  • Als Mira merkte, dass an Schlaf so schnell nicht zu denken war, setzte sie sich vorsichtig auf und flüstete Anneliese etwas ins Ohr.


    "Komm, lass uns ein wenig an die frische Luft gehen. Die wird uns gut tun!"


    Sie nimmt Anneliese an der Hand und hilft ihr leise hoch.

  • Alanis saß in ihrem Zimmer auf dem Bett und las im Licht zweier recht teurer Wachskerzen, die träge auf dem Nachttisch brannten, in einem ihrer Bücher über Wundnachsorge. Den Rücken bequem an die weiß gekalkte Wand gelehnt, blätterte sie interessiert von Seite zu Seite und las und und da eine Passage, die ihr wichtig erschien.


    Ihr linkes Bein lag leicht erhöht auf einem Kissen. Die Priesterin hatte das Nachthemd, das sie trug, hochgezogen, so dass das Bein bis auf den Oberschenkel hinauf frei lag. Das Konglomerat schwarzblau unterlaufener Prellungen und die frische, rot entzündete Wundnaht stachen intensiv von ihrer sonst weißen Haut ab. Hin und wieder tastete sie an der Verletzung herum, zuckte zusammen und murmelte etwas unflätiges.


    Irgendwann beschloss sie, es gut sein zu lassen mit der Selbstbehandlung und darauf zu vertrauen, dass es gut heilen würde. Irgendwann. Sehr vorsichtig schwang sie die Beine vom Bett, schlüpfte in ihre Schuhe und schlüpfte in ihre bequeme Robe. Dann humpelte sie zur Tür und auf den Gang hinaus.


    Es war weit nach Mitternacht und sie konnte nicht schlafen. Kein Wunder, wenn sie die vorherigen Nächte zum Tag gemacht hatte. Außerdem gab es so einiges zu grübeln. Sie hatte vor, sich Arwains Lehen noch ein wenig näher anzusehen und würde sich dafür am kommenden Tag vom Rest der Reisegruppe trennen, um alleine weiterzuziehen. Und das wollte geplant werden.


    Sie trat auf den dunklen Flur mit seinen knarrenden Bodendielen hinaus und schlang sich die langen Haare zu einem Knoten im Nacken.

  • Die Magd rappelte sich auf und griff sich noch eines der Leinentücher, die sie fast immer bei sich trug. Vorsichtig stieg sie über die schlafenden Gestalten und folgte Mira in den dunklen Schankraum.


    Durch die Ritzen der Fensterläden kam ein wenig Mondlicht herein und machte den Raum zumindest so hell, dass man Schemen erkennen konnte. In der Feuerstelle glomm noch ein wenig Glut, die einen rötlichen Schimmer auf den Teppich und die bequemen Sessel davor warf, die sonst nur den Herrschaften vorbehalten waren.

  • Miras schleicht in den Schankraum und schaut sich dort sofort um. Ihr Herz macht ein Satz, als sie meint eine Gestallt nahe des Fesnsters stehen zu sehen. In einem ersten Impuls will sie sich umdrehen und zurück laufen. Dann registrieren ihre Augen, dass es sich um einen Sessel handelt, auf dem jemand einen Gugel zum Trocknen gelegt hat. Sie atmet einmal tief durch und fragt sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie nicht mehr hinter jedem Schatten einen Ork vermuten würde.


    Langsam durchqueren die beiden den Schankraum und verlassen ihn durch die Eingangstür. Mira spürt die kühle Luft kaum, so sehr ist sie darin vertieft die Umgebung anzuschauen, die nur spärlich von dem fahlen Mondlicht erhellt ist. Langsam entspannt sie sich und merkt erst jetzt, dass sie schon wieder die Hand auf ihrem Dolchgriff liegen hat. Sie seufzt leise.

  • Alanis humpelte derweil die Treppe herunter. Wohlgemerkt die erste der Treppen, denn man hatte sie im zweiten Stock untergebracht, was sie nun verfluchte. Es war still in dem Wirtshaus, nur hie und da knackte des in den tragenden Deckenbalken und ein leichter Wind strich vor den Fenstern vorbei, durch die ein wenig Licht fallen konnte.


    Sie war schon auf der zweiten Treppe, kurz vor dem Schankraum, als sie unten Schritte und das Quietschen der Tür hörte. Abrupt verharrte sie auf der Treppe und lauschte.

  • Anneliese folgte Mira ohne Widestand. Als die Kälte sie traf, verschränkte sie die Arme vor der Brust. Mit gesenktem Kopf schniefte sie noch immer.


    "Ich wollte dich nich' aufwecken. Tschuldigung." murmelte sie leise.

  • Mira lächelt Anneliese an.


    "Es war gut, dass du mich geweckt hast. Ich habe komische Saschen geträumt. Die Hohen Herren wurden plötzlich Orks, die ich verbinden musste. Was hast du denn geträumt? Auch Orks?"


    Mittlerweile zwar erwas entspannter, weil nicht gleich ein Ork um die Ecke gesprungen war, aber immernoch wachsam, beobachtet sie die Umgebung.

  • Alanis hörte Stimmen vor der geöffnete Tavernentür, doch sie waren zu leise, als dass sie sie wirklich verstehen konnte. Für einen Moment wurde sie misstrauisch, doch dann erkannte sie, dass es Annelies und Mira waren, die sich dort unterhielten - und wohl auch nicht schlafen konnten.


    Sie humpelte leise noch zwei Stufen herunter und setzte sich dann auf die Treppe. Der Moment, auf sich aufmerksam zu machen, war ihrer Meinung nach noch nicht gekommen.

  • "Nee.." piepste Anneliese mit unnatürlich hoher Stimme und schüttelte heftig den Kopf. Dann vergrub sie ihr Gesicht unvermittelt wieder in ihren Händen.


    Für die Umgebung und deren Dunkelheit hatte sie keine Augen. Die Schrecken des vergangenen Traumes waren offenbar viel aufwühlender als alle Schatten, die die Nacht zu bieten hatte.

  • Mira nimmt Anneliese einfach in den Arm und streichelt tröstend ihren Rücken. Was sollte sie groß sagen. Sie wusste wie es ihr ging und das nur die Zeit, die Bilder aus den Träumen verblassen lassen würde.

  • Alanis vernahm drinnen auf der Treppe nur ein leises Schluchzen und bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Sie nagte betreten an ihrer Unterlippe herum und überlegte, ob sie wieder aufstehen und in ihr Zimmer zurückkehren sollte. Dummerweise lag der Abtritt, der das eigentliche Ziel ihres Herumhumpelns war, hinter dem Haus und der Weg dorthin führte eindeutig durch die Tür, vor der die anderen Frauen standen.


    Also stand sie schließlich auf und humpelte die Treppe hinunter, mehr Lärm machend als unbedingt nötig. Zudem hustete sie dabei.

  • Geräuschvoll schniefte die Magd und nahm dankbar die Wärme an. Als sie hörte, dass jemand die Treppe hinunter kam, wurde sie sich ihres Aufzugs gewahr: Gelöste Haare und nur im Unterkleid. Ein hektischer Blick nach rechts und links zeigte ihr, dass auch nichts geeignetes da war, um die Blöße zu bedecken.
    Also versuchte sie zumindest rasch die Tränen aus den Augen zu wischen und die verstrubbelten Haare auf den Rücken zu schieben.

  • Mira dreht sich um, als sie die Schritte hört. Sie merkt wie sie sich schon wieder anspannt und bereit ist zu rennen, wohl wissend, dass es nur einer ihrer Reisegefährten sein kann. Sie zwingt sich dazu ruhig zu bleiben und wartet, wer auch nicht schlafen kann.

  • Alanis humpelte leise durch den Raum. In ihrer dunkelgrauen Robe verschmolz sie perfekt mit dem Schatten des Schankraums und nur die weißen Akzente der Robe, das Aufblitzen des Unterkleids und ihr wie stets blasses Gesicht zeugten davon, wer da näher kam. Zudem schien es, als würde das Elementesymbol, das sie um den Hals trug, schwach aus sich heraus glomm, wie das Leuchten von Katzenaugen in der Finsternis.


    Auf der Schwelle angekommen, blinzelte sie hinaus in die Nacht und blickte die beiden Frauen an.


    "Ist etwas nicht in Ordnung?", erkundigte sie sich freundlich.

  • Mit weit aufgerissenen Augen schaute Anneliese die Priesterin an. Sie hoffte, dass man dann nicht so genau sehen konnte, wie verheult sie eigentlich war. Ihre Hoffnung wurde definitiv zunichte gemacht, als sie dann noch reflexartig die Nase hoch zog.


    Heftig schüttelte sie den Kopf und nickte direkt darauf ebenso, als ihr auffiel, dass beides keine sinnvolle Antwort auf Alanis' Frage war.


    "Alles... ein biss'en vi. viel.." schniefte sie dann und gab jeden weiteren Versuch zu täuschen auf.

  • Mira begrüßt Alanis freundlich.


    "Nur die üblichen wirren Gedanken, die einem nach solchen Reisen durch den Kopf spuken.", antwortet sie.


    "Wird das jemals aufhören?", fügt sie dann fragend hinzu.

  • Alanis ließ den Blick zwischen Mira und der Magd hin und her schweifen und ein ehrlich zweifelnder Ausdruck huschte über ihr Gesicht. Sie war nie gut darin gewesen, ihre Gefühle und Meinungen zu verstecken und nun gelang es ihr wieder einmal nicht so gut, wie sie es sich gewünscht hätte.


    "Nein, aufhören wird es nicht", antwortete sie dann begütigend in Richtung der Magd. "Es wird einen immer wieder treffen, wenn man es nicht erwartet. Aber es kommt eben darauf an, wie man damit umgeht."