Larp-Sprache ..vor allem in Schriften

  • Wie seht ihr das?


    Im LARP wird tendenziell anders gesprochen, sei es das berühmte "Ihrzen", ungewöhnliche Namen/Titel/Begriffe oder der Versuch "historisch" oder "Marktsprech" zu reden.


    Ich persönlich versuche auch an Wortschatz, Intonation und Sprechweise klar zu machen das ich nun in-Rolle-spreche, während ich in-echt/nicht-in-Rolle versuche deutlich anders zu sprechen, durchaus auch anders als im Alltag.


    Entweder fällt mir dies bei anderen nicht so sehr auf, man kennt ihre "Sprechweisen" nicht gut genug oder es gelingt mir selbst genausowenig 8f


    Aber besonders kritisch wird es für mich bei IT-Büchern. Welche "Sprache" ist dort angebracht? ?(
    Bisher habe ich mich immer an einem pseudo-gelehrten Mittelaltersprech versucht, ohne tatsächliche Quellen zu kennen. Ging halbwegs verständlich, aber führt zu seltsamen Worten und Satzkonstruktionen. Damit orientiert mach sich an Epochen, in denen es aber auch meines Wissens noch keine verbindlichen Schreibungen gab.
    Typische Beispiele: "gehet" statt "geht", "auf immer bleibet" statt "immer bleibt", häufiges "wahrlich" usw.
    Rechtschreibprogramme kommen damit eher...weniger gut zurecht, was sollche Schriftstücke zusätzlich anfällig für Typos macht.


    Umgekehrt gibt es genug Menschen, die eine verbindliche Orthographie und Sprache für eine Kulturelle Errungenschaft halten, die sie genausowenige missen wollen wie Zahnbürste, Wasserklosett und Warm-Dusche.


    Wie haltet ihr es mit der Sprache?


    "Auf den Glauben !
    Auf die Fünfe !
    Auf's Maul!

    Endergebnis der letzten dorlonisch-magonisch-Badaar-klerikalen Trickspruchfinderunde



    denkt dran: wir machen nur ein RollenSPIEL


  • Die Sprache anzupassen, halte ich für nützlich und gut. Aber nur bis zu einem gewissen Grad. Marktsprech ist völlig überzogen und wirkt - meines Erachtens - sehr oft albern. Eigentlich fast immer. Im Larp tut das aber auch niemand, oder?


    Ja, die Sprache versuche ich auch ein wenig an den Charakter anzupassen. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass das über längeren Zeitraum funktioniert ;) Mit Sprache anpassen meine ich, dass der Soldat hemmungsloser Schimpfworte missbraucht, während die Dame das tunlichst meidet. Das sind aber nur die Extremfälle, die man aber durchaus erwarten sollte.


    Es gibt aber eine ganze Reihe von Worten, die man schlicht vermeiden sollte. Gerade im medizinischen Bereich hört man oft Sachen, von denen man weiß, dass sie da nicht hingehören: Anamnese, Desinfektion z.B.. Da kann man gerne auch übervorsichtig sein. Das könnte man noch auf andere Gelehrte ausweiten, da man bei solchen Rollen vermutlich eher dazu neigt, allzu moderne Begriffe zu nutzen.


    Ich muss aber auch sagen, dass mir bisher in zehn Jahren Larp nur sehr sehr selten Leute wegen ihrer Sprache negativ aufgefallen sind.


    Zu den Texten: Der Logik halber: Wieso sollte jemand so arg anders schreiben als sprechen? De facto aber ist ein pseudo-alt geschriebener Text irgendwie... ambientig. Wenn mans denn nicht übertreibt ;)

  • Hallo
    Ich denke es kommt darauf an wer schreibt, und wass er schreibt.
    Für ne wissenschaftliche Abhandlung würde ich ne sehr gehobene Sprache mit vielen "Pseudofrendworten" nehmen. Für alles andere eher so wie es gesprochen wird.
    - Ich hatte mal auf nem Larp nen Text zu übersetzten, der von nem gebildeten Bauern geschrieben wurde. War recht hartnäckig, bis ich raus hatte, das der genau so "Platt" geschrieben hatte wie sie gesprochen hatten.


    Und zu Quellen von alten Texten: wie wärs mit den Merseburger Zaubersprüchen - alleine könnte ich da keinen Sinn erkennen.

  • Lösespruch, um genau zu sein. Soweit ich mich entsinne, bedeuten die letzten Zeilen "entspringe den Banden, entfahre dem Feind" - aber ich müßte noch mal nachschauen. Mit Knochen war auch was. Und irgendwas ist gegen Würmer. 8|

  • Mit "ich kenne keine Quellen" meine ich vor allem, dass ich nicht weis was für ein Deutsch überhaut in der frühneuzeitlichen deutschen wissenschaftlichen Literatur geschrieben wurde. Wenn potentiell Germanistik-Studenten und Historiker in der Magisterarbeit mitlesen, beugt man gerne vor um vergangene Missverständnisse nicht zu wiederholen ;)


    Back to topic, please! ;)


    Da wir hier von Fachliteratur sprechen, können wir davon ausgehen, dass der Autor gebildet ist und gebildet schreibt


    Also, pseudo-Fachbegriffe und Schweine-Latein-Begriffe sind erwünscht?
    Marktspreech wird für übertreiben gehalten
    "Ambientige" Formulierungen werden bevorzug
    Moderne Begriffe vermeiden, wobei dies sehr subjetiv ist. (Ich finde Anamnese weniger schlimm als Diagnose/Prognose und benutze alle)
    Wie steht es um Pseudo-gestelzte und alertümliche, defako aber falsche Schreibungen und Formulierungen?


    Ich suche mal ein Textbeispiel.


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  • Zum Bleistift


    Die hochnotpeinliche Befragung ist ein äußerst heikles Thema in vielen Landen,
    dennoch sollte ein Heiler, ein Priester oder gar ein Gelehrter hier sich
    seine Ansichten bilden und seine Gedanken einbringen. Die Form des scharfen
    Verhöres ist seit langen Zeiten Brauch und alte Sitte, jedoch wird in neueren
    Zeiten immer wieder ihr Sinne hinterfraged


    Oder


    Popul ärstes Symbol Akesteras ist die Kammmuschel, die unscheinbar einen groÿen
    Schatz bergen kann, der aber erst gefunden werden muss. Akestera wird in
    ganz Magonien verehrt und hat gerade in gröÿeren Städte auch sehr bedeutende
    Tempel und Klöster die sich der Sammlung oder der Weitergabe des
    Wissens verschrieben haben.


    Hier spürt z.B. gar keine "ambietige" Sprache


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    denkt dran: wir machen nur ein RollenSPIEL


  • Es ist furchtbar schwierig da prägnante Regeln zu erarbeiten, da von Person zu Person unterschiedlich empfunden werden und auch an die Situation angepasst sein sollten.


    Wenn du Beispiele haben willst zu solchen frühneuzeitlichen Texten, dann schau mal auf google Books. Dort finden sich sehr viele Digitalisate alter Drucke, die das sehr gut widerspiegeln. Doch auch die sind verschieden gut zu lesen. Bei manchen ist es sogar so ein Krampf, dass das echt keinen Spaß mehr macht.


    Daher finde ich, dass man eine Waage halten sollte zwischen komfortablem Lesen und "Fremdartigkeit". Das für den Fall, dass der Text nützlich sein und gelesen werden soll. Soll er nur möglichst beeindruckend sein, dann kann man ihn mit irgendwelchen Fremdworten irgendwelcher Arten spicken, was aber definitiv zu Lasten der Lesbarkeit geht. Wenn man z.B. eine Bibliothek hat und davon ausgeht, dass Leute nur was aus dem Regal ziehen, kurz reingucken und es wieder zurück stellen.


    Die beiden Textbeispiele sind meines Erachtens nach gut zu lesen mit einem gewissen Maß an pseudo-wissenschaftlichem "Unterton", so dass man ihnen den Traktat abnimmt (beim zweiten gehe ich davon aus, dass das überstrichene y ein Formatierungsfehler ist).

  • Zitat

    dass ich nicht weis was für ein Deutsch überhaut in der frühneuzeitlichen deutschen wissenschaftlichen Literatur geschrieben wurde

    Kein Wunder. Waren die nicht meist Latein? 8f


    Ich versuche eigentlich vor allem, neuzeitliche Fremdwörter zu vermeiden, wenn ich einen IT-Text schreibe. Also vor allem französisch und englisch - alles was irgendwie lateinisch oder sogar griechisch klingt, lasse ich bei pseudowissenschaftlichen Texten drin. Und sonst verwende ich vielleicht noch öfter als üblich Worter, die ein bisschen aus der Mode gekommen sind.

  • Das Argument, dass in Regel nicht gänzlich anders geschrieben wurde, als gesprochen wurde (so weit sich das aus heutiger Sicht beurteilen lässt) ist sehr vernünftig und etwas, was man meiner Meinung nach immer beachten sollte wenn man Texte fürs Larp verfasst.
    Was die einheitlichen oder eben nicht einheitlichen Schreibungen angeht, die du in deinem ersten Post erwähnst, Louie, so liegst du damit schon ziemlich richtig. Schreibungen wurden aber in einer einzelnen Handschrift eher nicht durcheinandergeworfen. Der ambivalente Gebrauch von "i" und "y" z. B. griff bei den frühen Drucken um sich und teilweise zeichnet sich ab, dass dem Setzer irgendwann die "i"s ausgegangen sind. Dann wird eben das Zeichen für den Vokal gewechselt, klingt ohnehin beides gleich. Man sollte also wenn man Schreibungen abwandelt definitiv versuchen es einheitlich zu tun. Einheitlichkeit sehe ich auch als das größte Problem bei Historisierungen. Es ist hilfreich sich zumindest eigene Schreibregeln zurechtzulegen. Ich würde z.B. konsequent auf regelmäßig gebildete Parallelformen zurückgreifen. Da die Endung -et bei einer Verbklasse im Mittelhochdeutschen üblich war kam es z.B. regelmäßig zu Wortbildungen wie "geleget" und weil das so viel zu umständlich war, wurde regelmäßig über -ege-, -age und -ige- kontrahiert und heraus kam im Fall von "geleget" "geleit" oder im Fall von "saget" "seit". Damit lässt sich spielen, ohne rein willkürlich Worte abzuwandeln, es mag aber schon zu kompliziert für den normalen Larpgebrauch sein.


    Tatsächlich gab es in Freuneuhochdeutscher Zeit plötzlich eine Unmenge wissenschaftlicher Abhandlungen in der Volkssprache und was das Deutsch darin angeht, so war es tatsächlich dadurch verwissenschaftlicht, dass immer wieder lateinische und griechische Phrasen eingestreut wurden. Es gibt allerdings eine Vielzahl rein Frühneuhochdeutscher Wörterbücher, wobei mir solche speziell aus den Bereichen Medizin und Biologie bekannt sind und ich nicht dafür garantieren kann, dass es davon Digitalisate gibt. Worauf ich spontan gestoßen bin ist diese Sammlung Frühneuhochdeutscher Medizinischer Texte. Ich weiß nicht ob jemand, der sich normalerweise nicht mit so einem Unfug auseinandersetzt, das lesen. Ich bin selbst kein Handschriftenkundler, komme damit aber einigermaßen klar und für Sara dürfte es gar kein Problem sein.


    So viel vom Germanisten zu dem Thema. Ich hoffe ich habe nicht nur Verwirrung gestiftet.


    PS: Eine kritsche Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen, wenn wir schon beim Thema Historisierungen sind. Ein "e" an ein Nomen zu hängen versetzt das Nomen nicht in eine ältere Sprachstufe. Die heute unübliche Kasusendung auf -e markiert den Dativ und nur den Dativ. Wenn es so gebraucht wird, sieht es gut aus und niemand stolpert darüber. Bei jedem anderen Kasus dämmert es den meisten Lesern, dass da irgendwas nicht stimmt.

    "Jeder Mensch ist in gewisser Weise über sich hinaus, das heißt, verrückt."
    - Martin Heidegger

  • Worauf ich spontan gestoßen bin ist diese Sammlung Frühneuhochdeutscher Medizinischer Texte. Ich weiß nicht ob jemand, der sich normalerweise nicht mit so einem Unfug auseinandersetzt, das lesen. Ich bin selbst kein Handschriftenkundler, komme damit aber einigermaßen klar und für Sara dürfte es gar kein Problem sein.

    Das ist völlig abseits meines Zeitfensters und eine Seuche, keine Schrift ;)


    Um mal Butter bei die Fische zu geben, habe ich einen Scan eines kurzen Zeitungsberichtes von 1725 aus Wien angehangen. Inhaltlich vielleicht für ein paar Leute interessant: S.11-12 "Copia eines Schreibens aus dem Gradisker District in Ungarn", der erste Bericht über Vampire in der wissenschaftlichen, westlichen Welt.
    Das ist recht einfach zu lesen und zu verstehen, wirkt jedoch trotzdem altertümlich. Das möchte ich mal größtenteils der Schreibweise zuschreiben.


    Sich zu arg an diesen frühneuzeitlichen Traktaten zu orientieren, bringt meines Erachtens wenig. Sich davon inspirieren lassen kann man aber doch sehr wohl. Gerade wenn man eine gewisse "falsche" Regelmäßigkeit in der Rechtschreibung einbaut, stolpert das Auge drüber, aber man versteht es trotzdem noch gut. Der Fremdartigkeit ist Genüge getan ohne aber die Handhabbarkeit zu beeinträchtigen.

  • Vielen Dank an euch beide :thumbup: Ihr wart ja genau die beiden erwähnten "Experten" vor denen ich Angst/Respekt hatte, und das war nun keineswegs eine Aufforderung für mich Quelleforschung zu betreiben ;)


    Ich schaue mal ob ich mich inspirieren lassen kann.


    @ Schrift
    ach, kaum sind es mal keine karolingischen Minuskeln, schon wird Dame Schaf zickig ;) Das Schriftbild ist doch hübsch :D
    :wacko: für mich, sieht das eher nach Arabisch oder Griechisch aus, evt auch ein seltsames cirth :wacko: ..aber ich kann ja nicht mal meine eigene Handschrift entziffern, und ich erwarte ja auch nicht von euch, dass ihr aus dem Stegreif Spannungsabfälle und Vakuumleckagen finden könnt. :)


    "Auf den Glauben !
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  • Also wenn du so einen Mist echt lesen musst, dann weißt du, wieso in der Grundschule zu unserer Zeit noch Schönschrift geübt wurde :D Sollte ich mal an eine Zeitmaschine kommen, dann habe ich eine lange Liste von Leuten bis 1500, mit denen ich mal ein ernstes Wörtchen reden muss 8f


    Die Frage ist halt, welche Ansprüche man da an sich selbst hat und bei anderen bedienen möchte. Die meisten werden vermutlich gar nicht auf die Idee kommen, sich derartige Gedanken über diese Dinge zu machen. Nur sehr wenige haben dann ganz rührseliges Pipi in den Augen, wenn sie solchen Details im Larp begegnen. Aber hey, sind wir doch mal ehrlich: Das ist freakig 8f

  • It's good to be a freak/nerd /geek 8f
    Nerd up your life !


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