Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • Thraxas betrachtete erst Alanis und dann das Stückchen Kohle skeptisch. "Ist es nicht ein Widerspruch seinen Geist wandern zu lassen und Ruhe in sich selbst zu finden?"
    "Sie wird Weihrauch benutzen." dachte er.
    "Aber es wird anderer sein, als den, den er immer benutzt hat."
    machte er sich in Gedanken Mut.
    "Außerdem braucht sie ihn wahrscheinlich, um meditieren zu können und wenn sie es ohne nicht kann, dann kann sie es mir nicht zeigen." argumentierte er gegen sein unbehagen.
    "Aber gut, schauen wir mal, wie weit wir kommen, euer Gnaden!"
    sagte er dann laut und setzte sich hin.




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    Wieso geht "kursiv" hier eigentlich nur in "Fett" oder habe ich was übersehen?

  • "Das ist wie als würdest Du einen großen Schritt über einen Bach machen. Erst wenn das eine Bein sicher steht, kann das andere Bein in Bewegung geraten", erklärte sie leicht umständlich in dem Versuch, es ihm begreiflich zu machen. Dann suchte sie zwei Zutaten aus ihrer Kiste aus, die sie selbst sehr mochte und gab sie auf die Kohle. Alantwurzel und Sandelholz, eine Kombination aus einer würzigen und einer samtigen Note, die den Körper beruhigen sollten.


    Schließlich ließ sie sich erstaunlich anmutig mit überkreuzten Beinen auf einer der Decken auf dem Boden nieder und musterte Thraxas.


    "Wir probieren etwas Einfaches zum Beginn. Setz oder leg Dich so hin, dass es für Dich bequem erscheint. Schließ die Augen. Und dann konzentriere Dich eine kleine Weile einfach nur auf Deine Atmung. Atme bewußt ein. Halte für einen kleinen Moment die Luft an. Dann atmest Du wieder aus. Über das Ausatmen kannst Du, falls Du das möchtest, negative Gefühle abfließen lassen, indem Du Dir vorstellst, wie immer ein kleines Stückchens des Gefühls mit dem Atmen fortgetragen wird."


    Fragend schaute sie ihn an und legte den Kopf schief.


    "Und wenn Du Dich dabei unwohl fühlen solltest, sagst Du es mir."

  • Thraxas schaute Alanis skeptisch an. "Gut," sagte er aber, "ich werde es gern versuchen. Dann kniete er sich hin, setzte er sich auf seine eigenen Bein, schloß die Augen und begann ruhig zu atmen. Ohne die Augen zu öffnen, fragte er: "Ist das ein bisschen so, wie wenn ich mich in ein Gebet vertiefe?"
    Ruhig atmete er weiter, während der Duft des Weihrauchs langsam den Raum füllte und immer stärker zu riechen war.

  • "Ja, es ähnelt sich, wenngleich so eine Meditation länger dauert als die meisten Gebete", gab sie gedämpft zurück. "Mit dem Einatmen kannst Du versuchen, etwas Raum zu geben, das Du in Dir trägst - etwas Gutem, etwas Reinem. Positiven Gefühlen, schönen Erinnerungen, innewohnender Kraft. Du entfaltest sie im Inneren mit jedem Einatmen. Mit dem Ausatmen lässt Du dann los, was Du nicht mehr in Dir tragen möchtest", setzte sie leise hinzu und ergänzte: "Richte Deine Konzentration nicht auf zu viele Dinge. Suche Dir einen Gedanken oder ein Gefühl, das Du erforschen möchtest. Und ein anderes, das Du fortgeben willst. Und nimm Dir Zeit. Wir haben genug davon."


    Sie legte die Hände in die Schoß und schloß selber die Augen.

  • Thraxas hielt gehorsam die Augen geschlossen und konzentrierte sich auf seine Atmung. Ein, aus, ein, aus. Immer langsamer und ruhiger atmete er und versuchte an etwas Gutes zu denken. Es gelang ihm relativ leicht, dann nahm er etwas Schlechtes dazu und versuchte es aus sich herauszudrängen, das war schon schwieriger.
    Und weiter füllte der Duft des Weihrauchs den Raum.
    Der Landsknecht war vollkommen in seine Gedanken versunken. Plötzlich bemerkte er aus den Augenwinkeln einen schwarzen Schatten. Als er hinsah, war da nichts.
    Atmen, weiter ruhig atmen. Der Duft des Weihrauchs dringt jetzt stärker in die Nase des Landsknechts.
    Leise, schleichende Schritte.
    Wieder ein Zipfel Schwarz am Rande des Blickfelds.
    Worte in einer fremden, unheimlichen Sprache, leise, kaum zu verstehen.
    Dann ist seine Präsenz überwältigend, er muß hier sein.
    Thraxas' Hand gleitet in einer fließenden Bewegung zum Dolch, reißt ihn aus der Scheide, während er selber aufspringt und herumwirbelt, mit einem wütenden Schrei auf den Lippen will er sich dem Feind entgegen stürzen. "Claudius!"


    Seine eigene Stimme reißt ihn aus seiner Trance und er öffnet die Augen. Da ist kein Claudius, nur Alanis und er selbst, mit gezogenem Messer und kampfbereit steht er mitten im Arbeitszimmer der Priesterin und schaut sich hektisch um.

  • Alanis hatte wenig Mühe damit, sowohl auf sich selbst als auch auf Thraxas zu achten. Sie hörte seinen und ihren Atemzügen zu und fast hätte sie sich davon einlullen lassen, da die Müdigkeit noch schwer in ihren Knochen ruhte. Aber eben nur fast, denn es gab immer einen Teil von ihr, der wach und aufmerksam war, weil er Tag und Nacht kämpfte. Als sie Bewegung neben sich wahrnahm, öffnete sie abrupt die Augen. Der Schreck schoß ihr in die Glieder, doch er lähmte sie nicht. Die Priesterin rollte sich zur Seite, kam leicht taumelnd auf die Beine und hob beide Arme vor ihren Körper, um Stiche oder Schnitte abwehren zu können. Dass sie natürlich auf lange Sicht körperlich überhaupt keine Chance gegen Thraxas haben konnte, war ihr mehr als klar.


    "Thraxas!", rief sie mahnend und deutlich selbstsicherer, als sie war, und schickte ein Stoßgebet an die Fünfe.

  • Der Landsknecht wandte sich nicht Alanis zu, sondern behielt weiter Tür und Fenster im Augen und bewegte sich so, daß er zwischen diesen beiden und Alanis stand.
    "Bleibt hinter mir, Frau Alanis!" befahl er schroff.
    Dann fragte er zischend: "Habt ihr ihn gesehen, wo ist er hin?"

  • Alanis schluckte kurz trocken und brauchte einen kleinen Moment, um sich zu überwinden. Mit einem leisen Schritt trat sie schräg hinter den Landsknecht und hob eine leicht zittrige Hand, um sie besänftigend auf seinen Arm zu legen.


    "Hier ist niemand, Thraxas. Nur Du und ich. Dies ist mein Haus und wäre jemand hier, der eine Bedrohung darstellt, dann wäre er noch nicht einmal über die Türschwelle gekommen."


    Ihre Hand auf seinem Arm wurde schwerer und bezwingender, während sie überlegte, wie sie am besten das Messer aus seiner Fingern bekommen konnte, ohne sich allzu sehr dabei zu verletzen. Sowas ging erfahrungsgemäß nicht ohne Schnittwunden ab.... .


    "Leg jetzt bitte die Waffe weg."

  • Thraxas fuhr herum und trat einen Schritt zurück während er den Dolch wieder in die Scheide gleiten ließ. Er legte den Kopf schief und fragte: "Wieso das? Und wenn er nur eine Gefahr für mich darstellt und nicht für euch, was passiert dann?"
    Dann schaute er sich nochmal mißtrauisch um. "Und ihr habt wirklich niemanden bemerkt?"

  • "Das würde keinen Unterschied machen. Niemand betritt dieses Haus, ohne dass ich es bemerke", gab Alanis überzeugt zurück und verschränkte die Arme, um zu verbergen, dass ihre Hände ein wenig flatterten. Dass ihr der Schreck noch ins Gesicht geschrieben stand, konnte sie allerdings nicht verhindern. "Hier ist niemand außer uns beiden. Wen immer Du gesehen hast - er war für mich niemals hier. Nur für Dich."


    Sie räusperte sich.


    "Wenn ich fragen darf - worauf hast Du Dich beim Meditieren konzentriert?"

  • Thraxas' Gesichtsausdruck wechselte von kampfbereiter Entschlosseneheit zu tiefer Betroffenheit. Es sah so aus, als wolle er einen Schritt auf die Priesterin zu machen. "Euer Gnaden..." begann er zerknirscht, blieb aber dann doch stehen und die Arme, die schon auf Alanis' Schulterhöhe gehoben waren, sackten herab.
    "Euer Gnaden, verzeiht mir! Ich weiß nicht, was mit mir los war. Ich habe so etwas noch nicht erlebt. Ich kann mir das nicht erklären."

  • Alanis Reaktion auf die in ihre Richtung gewandte Bewegung von Thraxas Armen war minimal, aber sie war da. Ein Zucken, wie von jemandem, der erwartete, dass man ihm gleich ins Gesicht schlug. Doch dann beherrschte sie sich und hob beschwichtigend die Hände.


    "Der Fehler liegt auf meiner Seite, entschuldige bitte", gab sie betroffen zurück. "Ich bin es so sehr gewöhnt, dass gewisse Dinge selbstverständlich sind, dass ich gar nicht mehr an sie denke." Sie atmete tief durch und ihre Schultern sanken ein Stück nach unten, ein Zeichen dafür, dass sie sich entspannte. "Meditationen sind der Weg, um uns auf das Essentielle zu konzentrieren. Und sie bringen hervor, was verborgen war und was wir zurückgedrängt haben, aus vielerlei Gründen. Manchmal passiert das mit einer Macht, die einen erschrecken kann." Sie lächelte schief. "Was auch immer Du gesehen hast - oder wen - ist Teil Deines Lebens, der nach Beachtung geschrien hat. Vielleicht solltest Du - sollten wir uns erst einmal damit beschäftigen, bevor wir noch mehr heraufbringen, was Schaden anrichten könnte."

  • Ohne zu antworten wandte sich der Landsknecht ab und ging zum Fenster. Eine ganze Weile schaute er einfach stumm hinaus, dann sagte er leise, so das Alanis es gerade noch verstehen konnte und ohne sich umzudrehen: "Ich weiß nicht, ob das wirklich gut ist, Euer Gnaden. Da ist so vieles und so viele habe ich verloren."
    Nachdem er das gesagt hatte, drehte er sich doch um und sein Gesicht war eine Maske voller Trauer und Schmerz.

  • Die Geweihte spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog, im selben Maß von Mitgefühl und leiser Panik ergriffen. Wenn sie jetzt etwas Falsches tat...oder sagte...kaum auszudenken, was die Folgen sein mochten. Verzweiflung trieb selbst die lichtesten Wesen in den Schatten, das wußte sie nur zu gut und genau das machte es so schwierig. Sie selbst hatte immer allen guten Rat der Welt gehabt und doch -.


    Aber da es für sie in diesem Moment einfach unmöglich war, nichts zu tun oder zu sagen, überwand sie die Distanz zwischen ihnen mit einigen Schritten und blieb nahe vor ihm stehen. Sie sah zu ihm hoch und sagte weich:


    "Es ist Deine Entscheidung, weißt Du? Ich kann und möchte Dich zu nichts zwingen. Aber ich kann Dir auch sagen, dass man ein neues Haus nicht auf einem Grund voller Trümmer bauen kann."


    Innerlich bedauerte sie ihre Unfähigkeit, den Rest der Distanz überwinden und auch nur in irgendeiner tröstenden Geste Beistand vermitteln zu können.

  • Thraxas schaute die Geweihte noch einen Moment traurig an, dann seufzte er und sagte mit einem kleinen Lächeln: "Das ist so nicht immer ganz richtig, Frau Alanis! Ein Haus kann sehr gut auf den Trümmern eines anderen errichtet werden, es festigt sogar seinen Untergrund damit. Und so ist es auch mit uns, wenn wir es schaffen, auf dem Fundament unserer Erfahrungen, der Guten, wie der Schlechten, denn beide gehören zum Leben, weiterzumachen und aufzubauen, dann wird unser Haus sicherer als je zuvor."
    Er drehte sich um und sah wieder aus dem Fenster. "Das ist das Schlechte an einem langen Leben, so viele gehen vorher und nicht jeder davon geht, weil er stirbt."


    Einen Moment später drehte er sich wieder um, schaute Alanis an und sagte: "Wir sollten tatsächlich überlegen, was geschehen ist und warum, warum diese Bilder wieder in meinem Kopf waren und mich dermaßen beherrscht haben."

  • Alanis erlaubte sich ein kleines Stück Erleichterung...solange Widerworte kamen, war die Sache noch nicht vollends verfahren. So ließ sie ihn, ohne zu unterbrechen, reden und nickte schließlich:


    "Gut, dann sind wir uns einig. Ich schlage vor wir gehen wieder runter in die Küche, was meinst Du?"


    Ihre Stimme klang aufmunternd, auch wenn sie das leichte Zittern in ihrem Inneren noch nicht ganz verwunden hatte. Sie warf ihrem Schrein einen Seitenblick zu und ihre Finger tasteten nach dem Medaillon mit dem verschlungenen Elementeknoten, das um ihren Hals hing. Wie schade, dass die Wirkung des Raumes nicht auch auf Thraxas übergegangen war. Sie selbst fand an diesem Ort immer die Ruhe, die sie brauchte.

  • "Nein." widersprach Thraxas. "Wir sollten hier oben bleiben. Es ist in diesem Raum passiert und wir sollten es in diesem Raum klären. Vielleicht liegt es an irgendetwas hier drin?"
    Der Landsknecht setzte sich wieder an seinen Platz, schloß aber die Augen nicht, sondern sah sich um.

  • Alanis neigte den Kopf und überlegte dann kurz. Ihre Hand hatte sich fester um das Amulett geschlossen und für einen Moment hielt sie inne, schloß die Augen und lauschte. Einen Moment später öffnete sie die Augen wieder und schien für einen Moment durch den Raum hindurchzublicken, bevor sich ihr Blick wieder auf Thraxas und der Umgebung manifestierte.


    "Hm", murmelte sie vor sich hin. "Was also kann so etwas auslösen? Ein Angriff von außen? Unwahrscheinlich. Obwohl - hm. Nein. Also etwas, das eine vergangene Situation... ." Sie schritt durch den Raum und zu ihrem Altar. Kurz tippte sie mit den Fingern auf die glühende heiße Räucherkohle, auf der nun noch die verkohlten Reste des Räucherwerks lagen und wischte sie ohne Rücksicht auf die Temperatur weg. Letzte, schmale Rauchkringel wanden sich in die Luft empor und verschwanden dann. Die Priesterin blinzelte und drehte sich zu Thraxas um. "Woran hast Du gedacht? Was für Dinge aus diesem Raum hast Du wahrgenommen, welche haben Dich in die Meditation begleitet? Die Temperatur? Ein Luftzug? Geräusche, Gerüche? Ein Gefühl, das Du nicht abschütteln konntest?"

  • Thraxas dachte kurz nach, dann sagte er: "Ich habe mich gut gefühlt in eurer Gegenwart und wahrgenommen habe ich eure Stimme, eure Atmung und meine Atmung.
    Ansonsten gab nichts, was ich an Geräuschen wahrgenommen hätte."
    Der Landsknecht schwieg kurz, dann fuhr er fort: "Ich war ruhig und entspannt und dann war da plötzlich der Eindruck er sei da." Thraxas erklärte: "Er ist Claudius, ein Priester einer - meiner Meinung nach dunklen - Gottheit, deren Namen ich vergessen habe.
    Aber warum, warum hatte ich diesen Eindruck?" fragte er sich, ohne auf eine Antwort zu warten analysierte er weiter: "Zuerst war da..." Thraxas hielt inne und zog die Luft tief durch die Nase ein. "...sein Geruch!
    Der Geruch nach Weihrauch. Eure Mischung muß ähnlich sein, wie seine. Er stank ständig nach diesem Zeug. Und ich hatte diesen Eindruck doch nicht zum ersten Mal. Als ich hier gestern die Stufen heraufkam und an diesem Zimmer vorbei ging, da kam sein Bild das erste Mal in meinen Geist.
    Das könnte es gewesen sein, aber wie sollen wir sicher sein?"

  • Alanis hatte ihm aufmerksam zugehört und als er auf den Weihrauch zu sprechen kam, weiteten sich ihre Augen kurz und sie wurde ein wenig blasser. Ein dunkle Priester also - welche Parallelen. Um sich abzulenken, nahm sie ihre Kiste mit Räucherwerk vom Schreibtisch und setzte sich - nun wieder recht unbefangen - neben Thraxas auf den Boden. Ihre anfängliche Distanz nach dem Zwischenfall hatte sich schnell aufgelöst. Die Kiste stellte sie vor ihnen auf den Boden und klappte sie auf. Sie nahm zwei Tüten heraus und reichte sie ihm.


    "Priester nehmen normalerweise richtigen Weihrauch - also kostbare Baumharze - und mischen ihn mit anderen Zutaten, um bestimmte körperliche und seeleische Reaktionen zu bewirken. Die Zutaten, die ich gewählt habe, waren kein Weihrauch, sondern eine Wurzel und ein Holz. Sie können den Geist öffnen und haben offenbar leider in doppelter Hinsicht zu gut gewirkt, nämlich ein altes Bild heraufbeschworen und ihm so viel Macht gegeben, dass Du es für real gehalten hast. Tut mir Leid."


    Sie verzog verlegen das Gesicht.


    "Ehrlich gesagt - lege ich es nicht auf eine Wiederholung zur Überprüfung an. Zumindest nicht in dieser Form. Ich neige dazu, Deinem Eindruck Recht zu geben. Und ich sollte mir angewöhnen, meine Maßstäbe nicht auf Dich zu übertragen. Für mich ist das alles so selbstverständlich -."