Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • 'Der ist doch vollkommen irre.' dachte sie. Aber wenn ihn jemand im Griff hatte, dann wohl Alanis.


    "Genau genommen ist es doch eher ein Gefallen, den du mir tust, Alanis: Wenn du mir die Möglichkeit gibst mich selbst davon zu überzeugen, wie die Sache liegt. Wir wissen beide, dass du dich selbst zu wehren weißt."


    "Trotzdem..."


    Jetzt sah sie wieder Thraxas an.


    "... wenn der Kopf weiß, heißt das noch lange nicht, dass der Bauch direkt zustimmt. Und dafür bin ich hier. Und für den Pudding selbstverständlich. Beides meine Unzulänglichkeiten. Es mag sich seltsam anhören: Aber das hat in erster Linie nichts direkt mit dir zu tun. Auch wenn es zumindest einmal interessant war deine Bekanntschaft zu machen."


    Sie betonte das Wort absichtlich, begleitete es aber mit einem Lächeln, dem die Wärme nicht fehlte. Genau genommen hatte sie sich noch kein echtes Urteil bilden können über den Mann, den Alanis sich da auf die eine oder andere Weise angelacht hatte. Irre? Ja, definitiv. Aber das hätten manche zuweilen auch von ihr gesagt. Zum Beispiel als sie versucht hatte den Grauen Avatar mit einem Messer zu attackieren.

  • Um Alanis Mund zuckte es kurz. Wenn es um brachiale Maßnahmen ging, war sie sicherlich nicht schutzlos. Für die Zwischentöne des Lebens jedoch war sie nach wie vor noch viel zu empfänglich und das ärgerte sie immens. Aber auch das würde sie eines Tages wieder lernen.


    "Ich sorge gerne für Deinen ruhigen Schlaf", bestätigte sie dem Sergeanten mit einem Lächeln und tippte dann an die leere Weinflasche. "Du hast gleich noch Dienst, oder?"

  • Thraxas lächelte nur stillvergnügt und räumte den Tisch ab. Eigentlich war es ihm egal, ob Ashaba ihn nun mochte oder zumindest bei Alanis duldete, aber es war sicher besser sie tat es, denn eine Freundin konnte er anderen schon ganz schön zusetzen.

  • Ashaba schaute Thraxas konsterniert hinterher. Wieder einmal. Dann nickte sie zu Alanis gewandt.


    "So ist es. Kein Wein mehr für mich. Genau genommen werde ich mich jetzt verabschieden müssen um rechtzeitig zu kommen. Wie lange seid ihr noch hier?"


    Bei diesen Worten schon erhob sie sich.

  • Alanis stand ebenfalls auf, um Ashaba zur Tür zu begleiten.


    "Eines der Fenster oben ist kaputt, das lasse ich noch instandsetzen, bevor wir aufbrechen. Also noch ein, zwei Tage, denke ich." Sie lächelte leicht melancholisch, was aber nur Ashaba sehen konnte. "Kaum hier, schon wieder weg. Ich denke zum Ende des Sommers bin ich wieder da."

  • Thraxas wandte sich ebenfalls Ashaba zu. "Sichere Wege und ein wachsames Auge, Sergeant!" Dann beugte er sich zu Moclin herunter und warf ihm noch ein Stück Wurst zu. "Paß gut auf sie auf, mein Großer!" sagte er zu ihm und kraulte ihn hinter den Ohren.

  • "Du hast es dir so ausgesucht." sagte Ashaba zweideutig und zwinkerte Alanis zu. "Pass auf dich auf, ja?"


    Der Hund schnappte sich das Stück auf der Luft und wedelte dann enthusiastisch um den Mann herum. Wohl in der Hoffnung, noch etwas zu erwischen.


    "Das wünsche ich auch dir, Thraxas. Mögen die Götter euch behüten."


    Dann schloss sich die Tür hinter ihr und dem Tier, das sich eher unfreiwillig von Thraxas und den Resten der Wurst getrennt hatte.

  • Eine weitere Nacht in Renascân kam und ging, nachdem Ashaba nach ihrem Besuch gegangen war. Als Alanis am nächsten Morgen ihr Haus verließ, um zu arrangieren, dass jemand in ihrer Abwesenheit regelmäßig nach ihrem Haus und dem Garten sah und mit dem Glaser zu sprechen, trug sie einen Verband an der rechten Hand, aber ein entspanntes Lächeln auf den Lippen.


    Einige Tage später, als die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe der Sonne entgegen streckten, reisten die Geweihte und ihr Schüler ab, um ins Kosch zu reisen, Thraxas Heimat.

  • Welke Blätter hatte der Wind gegen die Tür geweht, wo sie vorerst im Türsturz liegen geblieben waren. Ein Tier hatte ein kapitales Loch im Garten gebuddelt und war - angesichts des Chaos - hoffentlich zumindest erfolgreich bei seiner Suche nach irgendwas gewesen.


    Alles schien wie immer. Der Stichweg lag ruhig in der Herbstsonne. Nur das regelmäßige Geräusch einer Säge mischte sich in den Nachmittag. Neu war ein weiteres Haus, das wohl über den Sommer am Stichweg entstanden war.


    Es schmiegte sich eng an den Hang. Daneben war ein hölzerner Schuppen, dessen Tor weit offen stand. Drinnen konnte man den Ursprung des Geräusches erkennen: Ein Mann um die 40 bearbeitete gerade ein Stück Holz. An den Wänden hingen allerlei Gerätschaften und seine Werkbank verriet rege Geschäftigkeit. Hinter dem Haus gingen eine dralle, dunkelhaarige Frau mit roten Wangen und ein Mädchen ihrem Tagwerk im Gemüsegarten nach, der wohl gleichzeitig mit dem Haus entstanden sein musste.


    Lachend hob das Mädchen, fast schon eine junge Frau, einen großen, orange leuchtenden Kürbis auf und legte ihn in eine Schubkarre. Ihre erste eigene Ernte?
    Der kleine Gemüsegarten war eingezäunt. Wohl vorgesorgt, denn eines der vier dort stehenden Schafe reckte den Hals in scheinbar unmögliche Länge und versuchte mit gespitzten Lippen an den Pflanzen zu zupfen. Vergeblich.


    Schräg neben dem Schuppen, fast direkt gegenüber Alanis' Haus, stand eine neue Bank. Das Holz war noch hell und wenig vom Wetter berührt. Saß man dort, so konnte man aufs Meer hinaus sehen und die letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres genießen.


    "Dem neuen Beginn
    deine schützende Hand"


    war dort auf der Rückenlehne zu lesen. Daneben hatte man kunstvoll eine Bärin und ihre zwei umhertollenden Junge in das Holz gegraben.

  • Der Winter stand in Renascân vor der Tür. Das Gras in Alanis Garten war am Morgen oftmals mit glitzerndem Raureif bedeckt und aus dem Kamin des kleinen Häuschchen quoll ohne Unterlass Rauch. An die wetterabseitige Hauswand drängten sich Dutzende große Holzscheite, von einer vorsehenden Hand dort platziert, damit es die Bewohner des Hauses warm hatten. Im Garten hinter dem Haus, den man von der Straße aus gerade noch erkennen konnte, gab es nur winterliches Gemüse zu sehen, Kohl, Rapunzeln, Möhren und Schwarzwurzeln. Alles an diesem Ort wirkte so, als ob es jemand hier darauf anlegte, alles in bester Ordnung zu halten.


    Der Weg, der von der Straße hinauf zur Tür führte, was sorgsam festgestampft und mit Kies beschüttet worden und aus den Fenstern drang an diesen trüben Tagen stets ein einladendes Licht.

  • Zwei Tage nach ihrer Ankunft in Renascan schlendert Kassandra ohne Eile den Stichweg hinauf. Der dicke Mantel wird ihr jetzt doch etwas warm, auch wenn er ihr bisher gute Dienste geleistet hat - sowohl beim Kampf gegen den Winter als auch dabei die Ranke an ihrem linken Handgelenk sogar in der Dämmerung vor mißtrauischen Augen zu verbergen.
    Dämmerung herrscht gerade nicht, aber ein strahlender Frühwintertag sieht anders aus. Der Himmel ist bedeckt und verspricht Regen, vielleicht gemischt mit Eis, und der Wind ist allgegenwärtig.
    Die Schankmaid lächelt als sie die Zeichen regelmäßiger Pflege an Haus und Grundstück der Freundin bemerkt und geht dann an die Tür um zu klopfen.

    Das Problem ist nicht der Druck! Das Problem sind die Apachen!!

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  • Es dauerte einen kleinen Moment, dann öffnete sich die Haustür. Ein Schwall Wärme wogte Kassandra entgegen, ebenso wie der Geruch nach Kräutern und Essig. Alanis erschien in der Tür, in einem schlichten, grünen Kleid, das sie mit einer nicht mehr ganz weißen Schürze wohl vor dem schützte, was sie gerade tat. Sie hielt ein Tuch in der Hand, um sich daran die rot verfärbten Hände abwischen zu können. An ihrer verdutzten Miene konnte man recht genau ablesen, dass sie vieles erwartet hatte, aber nicht Kassandra. Dementsprechend dauert es eine Sekunde, bis ein wirklich erfreutes Lächeln über ihr Gesicht huschte und auch ihre Augen erleuchtete.


    "Kassi!", lachte sie und breitete ein wenig die Arme aus. "Vorsichtig, ich färbe ab. Komm doch bitte rein!"

  • "Hallo, Liebes", schmunzelt Kassandra und statt einer Umarmung berührt sie nur Alanis Wange leicht mit der ihren. Und versucht dabei nicht mit deren Händen in Berührung zu kommen.
    "Was färbst du?", fragt sie neugierig, während sie ihr ins Hausinnere folgt. Wie lange ist sie nicht mehr hier gewesen...

  • "Mich selbst", gab Alanis über die Schulter zurück und grinste Kassandra an. In der Küche war deutlich zu sehen, was dazu führte, dass ihre Finger rot verfärbt waren. Über dem knisternden Herdfeuer hing ein Kessel mit blubbernd kochendem Wasser und auf dem Tisch und den Arbeitsflächen lagen Möhren und Rote Beete, teilweise schon klein geschnitten. Auf einem Holzbrettchen warteten verschiedene frische und schon getrocknete Kräuter darauf, dass sie verarbeitet wurden. In dem großen Steinmörser, der auf dem Esstisch stand, lagen getrocknete Beeren und Pfefferkörner. Es roch durchdringend süßlich und sauer zur selben Zeit.


    "Ich mache die Sachen ein, bevor die große Kälte kommt", erklärte die Geweihte und deutete auf mehrere große Steingutgefäße, die auf dem Spülstein standen und darauf warteten, befüllt zu werden. Energisch wischte sie sich die kleinen Hände an dem Küchentuch ab und bemühte sich dann, mit dem Handrücken einige Haarsträhnen aus ihrem Gesicht zu streifen, was nur dazu führte, dass sie sich Rote Beete-Saft auf die Wange schmierte.


    "Was treibt Dich her? Es ist so schön, Dich zu sehen." Ein Anflug schlechten Gewissens erschien auf ihrem Gesicht. "Ich hätte neulich definitiv länger bleiben sollen, nach -."

  • Kassandra lacht, als sie das Schlachtfeld sieht und Alanis gesteht, daß sie sich selber färbt.
    Ganz selbstverständlich und wahrscheinlich ohne wirklich zu bemerken, was sie tut, streicht sie Alanis die Strähne hinters Ohr und wischt in der selben Bewegung über den Fleck, doch das einzige was sie erreicht ist, daß der etwas blasser wird.
    "Ja, hättest du", sagt sie und es liegt kein Vorwurf in ihrer Stimme. "Es wäre schön gewesen einfach noch ein bißchen reden zu können..." Sie zuckt die Schultern. "Andererseits war ich wohl keine gute Gesellschaft. Ich war ziemlich ... ungehalten."
    Sie legt den Mantel ab und verstaut ihn außerhalb des Schlachtfeldes denn eigentlich mag sie seine Farbe so wie sie ist. Darunter kommt ein braunkariertes Wollkleid mit weitem Ausschnitt und langen Ärmeln zum Vorschein, dessen Schnürung schon fast wieder eine Taille betont. Aus dem linken Ärmel lugen neben ihrer Hand ein paar dunkelgrüne Blätter hervor.
    "Ich bin mit einem von Ancalimas Leuten hier", beantwortet sie dann die Frage, was sie hertreibt. "Die wollen unbedingt ein Schiff." Sie grinst. "Am liebsten bis zum Frühjahr."
    Dann tritt sie an Alanis Arbeitsfläche heran. "...kann ich dir helfen?"

  • "Kannst Du. Die Möhren putzen und stifteln und dann noch die Zwiebeln." Alanis deutet an die Decke, wo die Zwiebeln unter einem der Balken in einem Netz hingen. Sie brachte ein weiteres Schneidebrett und ein scharfes Messer. In ihren Gesten lag eine gewisse gelassene Selbstverständlichkeit, so als fühle sie sich wohl bei dem, was ich tat. "Die Elfen wollen ein in Renascân gebautes Schiff?" Sie runzelte die Stirn. "Warum lassen sie sich nicht einfach eines wachsen? Oder dauert das tatsächlich doch länger, als man als Durchschnittsmensch so denkt?"

  • "Jepp", antwortet Kassandra und rollt ihre Ärmel hoch. Die Ranke aus Blättern, die sich um ihr linkes Handgelenk schlingt kommt zum Vorschein. Die kleinen Lichtpünktchen zwischen dem fedrigen Grün sind bei Tag fast nicht auszumachen.
    "Die Dinger brauchen Jahrzehnte um zu wachsen. Bäume halt. Ich bin mir auch nicht sicher ob die Mondelben Ancalima eins davon verkaufen würden... Die brauchen die selber."
    Sie schaut sich nach einem Tuch um, und als sie eins findet wickelt sie es um ihr Handgelenk, vorsichtig darauf bedacht alle Blätter darunter zu stecken um sie weder Essig noch den Gefahren des Messers auszusetzen. Dann angelt sie sich das Messer und eine der Möhren.

  • Alanis Blick huschte kurz herüber zu der Ranke, dann lächelte sie leicht und machte sich wieder daran, Rote Beete zu schälen. Erst mach einer kleinen Weile erkundigte sie sich ruhig:


    "Und, wie kommen Du, der Wald und der Baum klar?"

  • In der Küche ist zu hören, wie die Haustür geöffnet wird und dann wieder geschlossen. Wenige Schritte sind aus dem Flur zu hören, dann erscheint ein großer Mann in der Tür. Die Federn seines Baretts streifen den Türsturz und unter seinem rötlichen-braunen Mantel lugen rote Beinkleider und ein geschlitztes schwarz-gelbes Wams hervor. Gerade wuchtet er eine große Kiepe vom Rücken. "Ich war sehr erfolgreich auf dem Markt, Alanis!" sagte er und hält dann mitten in der Bewegung inne als er Kassandra erblickt.

  • Mit raschen geübten Bewegungen schält Kassandra die Möhre und nimmt sich gleich die nächste.
    "Der Baum gehört zum Wald. Untrennbar. Und die machen grade Winterschlaf. Sonst wäre ich auch nicht so lange weggefahren." Sie lächelt schief.
    "Nachdem Tear mir nochmal den Kopf gewaschen hat und ich mich mit dem Baum mal unterhalten hab kommen wir ganz gut klar. Ich verstehe immer noch nicht alles..." Sie verzieht das Gesicht.
    "Also, eigentlich verstehe ich das meiste nicht. Wenn man vernünftig drüber nachdenkt ergibt es nicht wirklich viel Sinn. Irgendwie... gar keinen."
    Dann zuckt sie die Schultern. "Aber da das Grundlegende geklärt ist komme ich damit klar."
    Noch eine Möhre wandert durch ihre Hände.
    "Hallo...", begrüßt sie Thraxas nebenbei. Ganz als würde sie hierher gehören.