Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • Kassandra wickelt das Tuch ab und langsam entfaltet sich das lebendige Grün, dass darunter verborgen war. Im schwindenden Licht sind kleine Lichtpunkte zwischen den Blättern auszumachen. Die Schankmaid sieht tatsächlich etwas verlegen aus.
    "Völlig übertrieben, oder?", fragt sie.

  • Kassandra wiegt den Kopf hin und her. Tentakel aus der Nase klingt jetzt schon echt eklig. Als Eklig hat sie die Ranke nie empfunden. Erschreckend, am Anfang. Nervig, manchmal. Auch als etwas, das sie ausgrenzt, von dem unterscheidet, was die meisten Menschen als normal betrachten - und was damit auch nur sichtbar macht, was sie, ohne daß es auf den ersten Blick zu sehen ist, natürlich seit längerem ist. Anders. Nicht nur in dieser sichtbaren Wirklichkeit verhaftet. Magierin. Medium. Wandernde zwischen den Welten.
    Zunehmend aber empfindet sie die Ranke, vor allem seit ihrem Kampf mit Enduneaths Meditationen, als tröstlich. Als Anker. Als sichtbares Zeichen der Verbindung mit dem Wald, den sie liebt. Zeichen der Verbindung mit dem Land, das sie liebt und für das sie lebt.
    "Sieh es dir an", fordert sie Alanis auf und hält ihr die Hand hin. "Ist das wirklich das Gleiche?"

  • "Es ist gegen Deine Natur", erklärte Alanis, beäugte die Ranke aber interessiert. "Wenn es die Elemente in Menschen wollen würden - in magischen Menschen -, dann würden sie es ihnen am Tag ihrer Geburt mitgeben. So ist es Teil von Dir, weil etwas Anderes beschlossen hat, dass es Teil von Dir ist."

  • Die Blätter sind klein und dicht und sehr dunkelgrün. Dichter und grüner als das letzte Mal in Amonlonde, da Alanis die Ranke gesehen hat. Auch gibt es gerade keine Blüten, dafür einige wenige winzige schwache Lichtpunkte, die nicht auf den Blättern kleben oder auf Stielen an der Ranke sitzen, sondern leicht und frei zwischen den Blättern schweben. Das Gesamtbild erinnert nicht wenig an den leuchtenden Baum, der jetzt in der Mitte des singenden Waldes steht.
    Kassandra denkt über Alanis´ Worte nach nach.
    "Wenn es gegen meine Natur wäre, würde es mir dann nicht schaden?", fragt sie schließlich.
    "Es ist nicht nur Teil von mir weil der Wald beschlossen hat, daß es Teil von mir ist. Es ist Teil von mir, weil ich die Rolle als Hüterin akzeptiert habe. Ich bin gefragt worden. Und habe ´ja´gesagt."

    Das Problem ist nicht der Druck! Das Problem sind die Apachen!!

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  • Nachdem Thraxas alles in den Topf geworfen und gewürzt hatte, hängte er den Topf so über die Glut, daß der Eintopf nur noch schwach vor sich hinköchelte und keiner Betreuung mehr bedurfte.
    "So, Deckel drauf und fertig." sagte er zu sich. "Jetzt nur noch ein bisschen ziehen lassen."
    Während er gekocht hatte war ihm eine Idee gekommen. Die Begegnung mit Kassandra und vorher Ashaba, die ja anscheinend beide Alanis Freundinnen waren, hatte ihn nachdenklich gemacht und er wollte mal rausfinden warum. Deshalb nahm er sich eine Flasche Wein aus dem Vorrat, verließ das Haus und ging ein Stück die Straße runter. Vor Ashabas Haus hielt er inne, gab sich dann aber doch einen Ruck und klopfte an.

  • "Das weiß ich nicht", antwortet Kassandra.
    War der Wald menschlich geworden? Die Ranke, ja, das würde sie nicht von der Hand weisen, so oft wie die einen ihrer Fortsätze im Alkohol hatte...
    "Sieh es dir an..." Und Alanis dämmert, daß sie mit ansehen nicht das sehen mit den Augen meint.

  • Alanis zögerte für einen Moment.


    "Ich -", begann sie und schüttelte dann den Kopf. "Muss ich nicht. Ich vertraue da Deinem Urteil. Wenn Du mir sagst, dass das Ding gut ist, wie und wo es ist, dass es keine Gefahr ist und dann ich nicht irgendwann nach Amonlonde gehen muss, um Dich mit einer Heckenschere aus irgendwas rauszuschneiden, dann ist es in Ordnung, wie es ist."

  • Kassandra muß lachen.
    "Es ist gut wie es ist, ja, aber ich kann dir nicht garantieren, daß du mich nicht irgendwann mal freischneiden mußt. Vermutlich reicht dann aber Met als Bestechung. Ob es eine Gefahr ist oder eher wird... kann ich noch nicht abschätzen. Wenn dann aber wohl nicht direkt, sondern eher dadurch, daß der Baum einfach durch seine schiere Macht, dadurch, daß er auf der anderen Seite leuchtet wie ein gewaltiges Feuer, irgendwelches Kroppzeuch anzieht. Was dann geschieht werden wir sehen..."
    Und damit ist das Gespräch auch schon beendet.
    Als die beiden wieder nach unten kommen stellen sie fest, daß Thraxas verschwunden ist, aber der Eintopf über dem Herd hängt.
    Kassandra lehnt die Einladung zum Essen dankend ab, mit dem Hinweis darauf, daß sie bei Urschels Abendessen bekommt und noch was im Tempel zu tun hat. Sie nimmt die Freundin in den Arm und droht ihr an, bis zu ihrer Abfahrt mindestens alle zwei Tage bei ihr vor der Tür zu stehen. Dann macht sie sich durch die dunkler werdende Unterstadt auf den Weg zum Tempel.

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  • Thraxas ging gedankenverloren das kurze Stück von Ashabas Hütte zurück zu Alanis' Haus und bemerkte erst, als er schon mitten in der Küche stand, das Kassandra anscheinend das Haus verlassen hatte. Erleichtert atmete er aus und füllte seinen Krug am Bierfaß in der Ecke. Dann setzte er sich an den Küchentisch und schaute in die Flammen des Kamins. Sein Bier blieb unberührt.

  • Zwei Tage später ist Kassandra wieder zu sehen, wie sie den Stichweg hinauf schlendert. Sonderlich eilig hat sie's nicht und sie findet auch noch Zeit ein kurzes Schwätzchen mit Alanis' Nachbarn (die mit den großen Kürbissen) zu halten. Danach weiß sie vermutlich mehr über Kürbisse als sie jemals wissen wollte.
    Unter dem dicken Umhang, der ihr schon wieder zu warm wird, trägt sie eine Tasche, in der es verdächtig gluckert und ab und an klirrt.

  • Schon als sie die Nachbarin verläßt, kann Kassandra deutlich Geräusche vernehmen, die darauf schließen lassen, daß jemand in der Straße Holz hackt und kurze Zeit später sieht sie, daß es der Landsknecht ist.


    Auch Thraxas hat die Frau gesehen, die auf Alanis' Haus zukommt. Hatte er kurz die völlig unbegründete Hoffnung gehabt, sie wolle zu der Nachbarin mit den Kürbissen, sieht er nun der Wahrheit ins Auge und schickt ein kurzes Stoßgebet zur Herrin Travia. "Habe ich derart gefrevelt, Herrin, daß Du mich nun ständig prüfen mußt?"

  • Offensichtlich hat er das, denn Kassandra bleibt vor Alanis' Türe stehen um anzuklopfen.
    "Hallo, Thraxas", sagt sie deutlich und mit einem ausgesprochen freundlichen Lächeln - das nur unecht sein kann, denn es erreicht ihre Augen nicht.
    Und wie ausgeschaltet ist es wieder verschwunden als sie sich der Tür zuwendet.

  • "Travia zum Gruß!" erwidert der Landsknecht, ohne in seiner Arbeit innezuhalten. Seinen Blick hält er neutral, aber man kann er kennen, daß er Kassandras falsches Lächeln durchschaut.
    "Du solltest nur Lächeln, wenn Du es ernst meinst. Immerhin kannst Du nicht auf Trinkgeld von mir aus sein." fügt er an.

  • Eine Herausforderung. Er wußte nicht warum, aber wenn er genau darüber nachgedacht hätte, dann wäre ihm aufgefallen, daß es seit einigen Jahren immer wieder Menschen gab, die ihn einfach herausfordern wollten. Ihm war nicht klar warum oder auch nur, ob es an seiner Erscheinung oder seinem Verhalten lag, aber es geschah immer öfter. Erst vor ein paar wenigen Monden hatte ihn Hadra ohne ersichtlichen Grund noch viel schlimmer herausgefordert.
    Das alles störte ihn nicht im Geringsten, er liebte Herausforderungen und fast wurde ihm Kassandra dadurch auf eine seltsame Art sympathisch.


    Thraxas lächelte sie an und irgendwie schien dieses Lächeln noch nicht einmal falsch zu sein. "Das war mir klar." erwiderte er freundlich. "Deshalb dachte ich, ich sage es Dir einmal, damit Du nicht selber drauf kommen mußt." Diesmal war sein Lächeln danach doch eher aufgesetzt.
    "Ich hoffe, Du besuchst Alanis in den nächsten Wochen noch recht häufig!" sagte er, "Ich glaube, das tut ihr gut. Allerdings werdet ihr auf meine Gesellschaft dabei verzichten müssen, ich reise morgen nach Aventurien ab." eröffnete er ihr dann.