Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • Thraxas' Lächeln hat nichts zuckersüßes, eher etwas wölfisches als er doppeldeutig erwidert. "Was für eine reizende Vorstellung." Vielleicht sollte er das wirklich tun und dann ein paar Bannstrahler auftreiben, damit dieses Weibstück sieht, was echte blinde Magierablehnung ist. Natürlich müßte er kurz bevor sie Kassandra verbrennen würden ein paar Bannstrahler aus dem Weg räumen, aber das würde schon gehen.
    "Leider fehlt mir dazu ganz und gar die Zeit und ich fürchte auch es wäre nicht gut für Alanis' Nerven und wir wollen sie doch schonen, oder?" fragt er leutselig.
    "Fahrt ihr nur mit dem Schiff. Viel Spaß dabei!" ergänzt er fröhlich.

  • Die Bannstrahler würde er wohl nicht lange überzeugen müssen, wahrscheinlich reichen Kassandras Haarfarbe und das völlige Fehlern jeglicher unterwürfiger Haltung schon um sie auf den Scheiterhaufen zu bringen. Da braucht es nicht mal seltsame Gewächse am Arm.
    "Ja. Alanis Nerven zu schonen halte ich für eine gute Idee..."
    Das kommt - fast unerwartet - ohne jegliche böse Spitze und Doppeldeutigkeit und ist dadurch in seiner Unauffälligkeit schon fast auffällig.
    Einen Moment zögert sie, überlegt, so als wollte sie noch etwas anfügen - doch dann läßt sie es.
    Dann setzt sie das Lächeln wieder auf, das ihre Augen nicht erreicht - und sie gibt sich noch weniger Mühe damit als gerade eben noch.
    "Na dann - gute Reise, Thraxas."
    Sie wendet sich ab, ohne eine Erwiederung abzuwarten und öffnet die Türe.

  • "Sichere Wege!" brummt der Landsknecht noch, obwohl Kassandra sich schon abgewandt hatte. Seltsame Frau! konstatiert er für sich und hofft, daß sie Alanis mit ihrer Art nicht in Schwierigkeiten bringt, wenn sie tatsächlich zusammen nach Aventurien reisen.
    Gerne hätte er noch erfahren wohin, aber die Gelegenheit das zu Fragen hatte sich für ihn nicht ergeben.

  • Auch wenn Thraxas nach diesem Tag verschwunden ist, kommt Kassandra fast jeden zweiten Tag vorbei und die beiden Freundinnen verbringen viel Zeit miteinander.
    Und als Kassandra nach diesen Tagen die Reise nach Aventurien antritt ist sie nicht alleine.

  • Es wird Frühling am Stichweg und eines Tages quoll wieder Rauch aus dem Schornstein des kleinen Häuschen, in dem die Elementegeweihte lebte. Des Nachts war sie nach Hause zurückgekehrt, dieses Mal alleine. Sie wusch ihre Wäsche, putzte das Haus von oben bis unten und meldete sich bei ihren Freunden in der Siedlung zurück. Dann widmete sie sich ihrem Garten, beschnitt Bäumer und Sträucher, säuberte die Beete und erntete das, was den nassen und milden Winter überstanden hatte.


    Wer sie traf und gut kannte, konnte merken, dass sie ruhiger und grüblerischer wirkte als sonst, sonst aber zufrieden und gesund schien.

  • Schnellen Schrittes eilt von der Unterstadt kommend ein Halbstarker den Stichweg hinauf. Immer wieder spielt er mit dem Stück gefalteten Papier in seiner Hand. Kurz bleibt sein Blick an Ashabas Hütte hängen, dann schweift sein Blick auf Alanis, die gebückt in Gartenarbeit vertieft ist. Nach einem anerkennenden Pfiff ruft er rotzig zu ihr hinüber:


    "Heda, gute Frau - ich hätt da einen Brief für euch."

  • Alanis zog die kümmerlichen Rest eines Kohls mit Gelassenheit aus der Erde, dann richtete sie sich auf. Sehr entspannt, den Pfiff - ja, sie wußte, dass ihr Hinterteil großartig war - für einen Moment ignorierend. Dann drehte sie sich zur Straße um und streckte mit einer bezwingenden Geste die mit Erde verkrustete Hand aus.


    "Dann bitte."

  • Ganz perplex übergibt der Halbstarke den Brief an Alanis, während er seinen Blick noch mal über ihren Leib wandern lässt, aber ihren Blick vermeidet.


    Relativ eilig, wendet er sich wieder ab und eilt murmelnd den Stich weg hinab.
    "Gar nicht mal so schlecht für ne Ungläubige. Bleibt nur zu hoffen dass sie doch mal über Nacht am Pranger landet. Da kann auch die Herrin Laya nix dagegen haben....."


    Der Brief ist offensichtlich leicht zerknittert durch den achtlosen Umgang des Boten, aber unversehrt prangt noch das Siegel der Academia Artis Ingeniae ad Renascân auf ihm.

  • Alanis zog eine Augenbraue hoch. Das Gesicht hatte sie doch in der Stadt schonmal gesehen. Nur wo? Sie machte sich eine mentale Notiz. Bekanntlicherweise vergaßen wenige Frauen eine Kränkung. Und noch weniger Frauen hatten sowohl einen Thorwaler-Hetmann als auch einen zwei Meter großen Landsknecht zur Verfügung, um ihre Interessen durchzusetzen.


    Leise summend öffnete sie den Brief und begann zu lesen.

  • Es waren einige Wochen vergangen und das Haus am Stichweg hatte in großer Ruhe dagelegen. Kein Rauch im Kamin, keine ordnende Hand, die sich um Garten und Dach kümmerte. Bis dann, eines Tages, eine erschöpft und angegriffen wirkende Alanis im Kreis von einer ganzen Menge Gepäck vor ihrer eigenen Tür erschien. Einfach so. Aus der Luft heraus.


    Die Geweihte blieb für einen Moment schwankend stehen, so als habe die Reise sie getroffen wie ein leichter Schlag mit einem Hammer, dann fasste sie sich und humpelte, sehr vorsichtig, auf ihre Haustür zu, um sie zu öffnen. Ihre Bewegungen waren sehr steif und sehr vorsichtig, als sie nach und nach ihre Besitztümer ins Haus schaffte, etwas Holz aus dem Verschlag holte und dann die Haustür hinter sich schloß. Wenig später stieg Rauch aus dem Kamin auf.


    Der Tag verging und es wurde Abend. Wieder wurde die Tür geöffnet, dann ging die Geweihte, in einen warmen Umhang gehüllt, den Stichweg entlang und hinauf in die Stadt, um einen Brief abzugeben.

  • Alanis packte. Sie nahm sich Zeit dafür, hielt jeden Gegenstand, den sie in eine der Kisten oder Truhen packte, für eine kleine Weile in die Hand und besah ihn sich. Das, was sie entbehren konnte, flog auf einen Haufen im Arbeitszimmer, der immer größer wurde, je weiter sich die Geweihte durch ihr Haus arbeitete.


    Sie war sich nicht sicher, ob dies ein Abschied war. Fest stand, dass es Zeit war zu gehen.


    Das Haus besaß sie nun über fünf Jahre und damit stand es ihr frei, es zu verkaufen. Aber wollte sie das? Oder wollte sie es lieber verschenken?


    An diesem Nachmittag dachte sie über das Durcheinander aus Kisten und Taschen nach, als sie vor der Tür saß und über die Baumspitzen hinunter auf das Kristallmeer sah. Wem konnte sie dieses Haus schenken? Ashaba würde vermutlich konsterniert reagieren, wenn sie auf einmal vier Wände und ein Dach besaß, die keinen Regen durchließen und sogar lotrecht errichtet worden waren. Ob der Pater und die Schwester ein Haus brauchten? Immerhin hatten sie zwei kleine Kinder und im Tempel wurde es doch so langsam eng. Und was war mit dem Waisenhaus? Der Erlös einer ganz normalen Auktion für das Haus würde den Waisen ein erkleckliches Zubrot liefern.


    Die Geweihte runzelte leicht die Stirn. Möglichkeiten über Möglichkeiten. Keine von ihnen fühlte sich perfekt an. Vielleicht sollte sie das Haus doch einfach behalten und irgendwann zurückkehren, wenn sie in ihrer neuen Heimat wieder einmal alle Fettnäpfchen abgeklappert hatte.


    Mit einem leisen Seufzen stellte sie sich vor, was sie erwartete. Vermutlich kein eigenes Haus, sondern erstmal ein Zimmer in dem Gehöft, das zum Lehrhospital für sie umgebaut werden würde. Die Lehrlinge würden vermutlich auch zum Teil dort wohnen, wenn sie nicht aus der Umgebung stammten. Der Gedanke, nicht mehr allein zu wohnen, war für Alanis befremdlich, aber sie sagte sich, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, auf ihre mittelalten Tage noch einmal eine derart tiefgreifende Veränderung zu erleben.


    Ein eigenes Hospital. Sie hatte nicht geglaubt, dass das auf so nebensächliche Art und Weise geschehen konnte. Eigentlich hatte sie immer gedacht, sie würde sich irgendwo hocharbeiten, um ihren Wert zu beweisen. Und nun war es einfach so in einem Gespräch entschieden worden, dass sie nur zu fragen brauchte, um das zu bekommen, was sie sich gewünscht hatte.


    Nun ja, was sie sich gewünscht hatte. Ihre Lippen kräuselten sich kurz. Zumindest war Golodans Angebot sehr nahe daran, perfekt zu sein. Sie würde noch mit ihm verhandeln müssen, das war ihr klar. Keinesfalls würde sie von Luft und Liebe leben und ihrer ach so silbernen Ader. Da mussten andere Argumente her, auch wenn ein Kräutergarten mit Blick auf Felder und Wälder ein netter Anreiz war.


    Eigentlich hasste sie es, über Geld sprechen zu müssen. Müssen musste sie schon mal gar nicht, weil sie durch ihre Beteiligung an der Handelscompagnie von Havena gut aufgestellt war und über ein regelmäßiges Einkommen verfügte. Doch der Wind konnte sich immer drehen (gerade in der Seefahrtsbranche war das wohl so) und ein weiteres, wenn auch kleines Einkommen, wäre definitiv wünschenswert. Oder eine Gewinnbeteiligung beim Verkauf von wirklich wirksamen Arzneien. Oder...oder...oder...


    Alanis nippte an ihrem Weidenrindentee. Seit der Rückkehr aus der ersten Drachenwelt hatte sie noch hin und wieder Schmerzen zwischen den Rippen, die durch zwei verschiedene Einflüsse - einem sehr bösen Magier und einem sehr guter Feldarzt - zweimal hintereinander gebrochen worden waren. Kein Wunder, dass sie so schlecht gelaunt war....oder lag es doch an der Entscheidung, was sie mit ihrem Haus tun sollte?


    Ein unwilliges Hmpf entfleuchte Alanis Lippen. Sie sollte definitiv an etwas Schönes denken. An gutaussehende Waffenknechte mit weißen Leinenhemden auf gebräunter Brust. Oder an die bevorstehende Reise in die Drachenwelt und das Wiedersehen mit so vielen guten alten Freundin.


    Das würde es einfacher machen, eine Entscheidung zu treffen. Oder eben keine...

  • Endlich bog er in den Oberen Stichweg ein und steuerte auf Alanis' Haus zu. DIe Reise nach Renascan war beschwerlich gewesen, aber er hoffte, sie würde sich lohnen. Er brauchte Gewissheit, er brauchte Ziele und Aufgaben und wahrscheinlich brauchte er auch Hilfe.


    Als er endlich die Tür erreicht hatte, zögerte er kurz, atmete noch einmal tief durch und wappnete sich, dann klopfte er vernehmlich an die Tür und wartete.

  • Niemand antwortete. Das Haus lag still da, kein Rauch drang aus dem Kamin und das Gras im Vorgarten war lang und von der Sommerhitze verdorrt.


    Jemand räusperte sich einige Meter entfernt, an der Grenze zum Nachbargrundstück, wo prächtige, bunte Kürbisse zu allen Seiten des dort befindlichen Hauses wuchsen.


    "Sie ist ausgezogen", erklärte eine junge, weibliche Stimme.

  • Der Landsknecht drehte sich langsam um und lächelte die Sprecherin freundlich an.
    "Oh, ausgezogen." wiederholte er und ließ sich seine Überraschung kaum anmerken.
    "Die Götter mit euch!" holte er dann schnell nach und bemerkte: "Aber das sind sie offensichtlich, denn ihr habt da ganz prächtige Kürbisse im Garten."
    Ohne auf eine Erwiderung zu warten überzog er seine Gesprächspartnerin dann mit Fragen und schielte kurz zu Ashabas Haus, um zu sehen, ob die Sergeantin zu Hause war, um vielleicht dort auch noch Informationen einzuholen.
    "Seid ihr sicher, das sie ausgezogen ist? Wann war das? Ist sie sicher nicht nur auf Reisen? Und wohin ist sie gezogen?"

  • Die Bewohnerin selbst war nicht zu sehen, aber Ashabas Tür stand offen - war die neu?! - und der schwere Vorhang bewegte sich leicht im Wind, der von See her wehte.


    Der Herbst hatte recht aprupt Einzug gehalten in der Festlandspräfektur und er hatte den lange entbehrten Regen mit sich gebracht. Die Wolkendecke war verhangen und die kühle Luft ließ erahnen, dass der Sommer vorbei war.

  • Thraxas Gesprächspartnerin war die Tochter der Nachbarn, die neugierig geworden war, als der Fremde den Stichweg entlang kam. Das hübsche Ding, irgendwo an der Schwelle des Erwachsenseins verharrend, trug einen Korb am Arm, in dem einige erdbedeckte Kartoffeln lagen.


    "Es war ein gutes Jahr für Kürbisse", bestätigte sie mit einem enthusiastischen Nicken. Doch als der Landsknecht eine Frage nach der anderen stellte, wurde der anfangs freundliche Gesichtsausdruck des Mädchens deutlich verschlossener.


    "Sie...ehm.... ." Sie wirkte überfahren. "Sie ist seit ein paar Wochen weg. Und hat alles mitgenommen, nur die Möbel nicht. Also ist sie wirklich weg, denke ich." Nun runzelte sie wirklich die Stirn. "Ich weiß nicht, wo sie hin ist. Also, sie hat es schon erzählt, aber das habe ich wohl vergessen." So skeptisch, wie sie schaute, schien sie es möglicherweise doch nicht vergessen zu haben, sondern es nicht erzählen zu wollen.

  • Thraxas begriff sehr schnell, daß er das Mädchen wohl überfordert und misstrauisch gemacht hatte. "Oh, verzeiht mir!" sagte er dann sanft und höflich. "Ich wollte Euch nicht überfahren. Ich bin ein alter Freund von Alanis und habe im letzten Jahr sogar einige Monde hier mit ihr gewohnt. Vielleicht habt ihr mich ja bei der Reparatur des Dachs gesehen oder beim Holzhacken.
    Seid versichert, daß ich Frau Alanis nichts böses will, vielmehr möchte ich sie um Verzeihung bitten, weil ich mich wohl wie ein rechter Trottel verhalten habe."
    Hoffnungsvoll lächelt er die junge Frau an und fügt hinzu: "Wenn Ihr ein kleines bisschen nachdenkt, dann fällt es euch vielleicht wieder ein?"


    Und wenn es Dir nicht einfallen mag, dann werde ich eben Ashaba fragen müssen, immerhin scheint sie zu Hause zu sein, denn sonst stände die Tür ja nicht offen. denkt der Landsknecht bei sich.

  • "Bei ihr gewohnt?" Ein sachtes Stirnrunzeln folgte. Die Missbilligung des jungen Mädchens schien sich wohl eher noch zu vertiefen als sich aufzulösen. Dann jedoch zuckte sie mit den Schultern. "Gesehen hab ich Euch nicht, nur von Euch gehört. Mein Vater lässt mich nicht so viel raus. Er meint, dass Frauen ins Haus gehören, wo man auf sie aufpassen kann." Was das Stirnrunzeln erklärte. Dann jedoch schien sie sich einen Ruck zu geben.


    "Meine Mutter meinte sie sei zu einem Ritter gezogen. Irgendwo im Ausland. Nach.... ." Sie grübelte. "Irgendwas mit Rot... . Rotauen. Oder so. Sie will da als Ärztin arbeiten."

  • Thraxas schaute kurz verdutzt. Ritter?...Rotauen? Mit dem Ritter verband er einen Gedanken, aber mit Rotauen nicht. Konnte das Kind Rodalben - oder wie immer man das schrieb - meinen. Dann wäre es Golodan. Aber würde Golodan Alanis als Leibärztin beschäftigen?. Seine Gedanken galoppierten fröhlich davon und er konnte sie nicht aufhalten.
    Zu dem Mädchen meinte er nur kurz und schon im gehen: "Vielen Dank! Ich hoffe, Du wirst ein schönes Leben haben und die Engstirnigkeit Deines Vaters wird das nicht verhindern!"


    Er beschleunigte seine Schritte und kurze Zeit später klopfte er an Ashabas offene Tür.