Ein Gasthaus im Schnee...

  • Wieder seufzte der Landsknecht und gab der Geweihten recht: "Ja, ich hoffe, so ist es!"


    Dann blinzelte er irritiert, weil ihm erst jetzt ein Formulierung in einer von Alanis' Fragen aufgefallen war und er fragte nach: "Warum findet Ihr es befremdlich, wenn mich jemand als "alten Mann" bezeichnet?"

  • "Das - ist eine sehr gute Frage, die ich absolut nicht beantworten kann. Gib mir noch einen Moment, um darüber nachzudenken."


    Verdammt. Erwischt. Das kann ja heiter werden. Alanis unterzog den Inhalt der Teekanne einer gründlichen Musterung. Leer. Sie winkte dem Wirt und bestellte sich eine Karaffe Wasser, ebenso wie sie sich erkundigte, ob er getrockneten Salbei im Haus habe. Als er bejahte und fragte, ob sie einen Salbeitee wollte, verneinte sie und bat ihn lediglich, ihr welchen zur Seite zu legen. Der Mann war sichtlich verwirrt, als er sich hinter seinen Tresen zurückzog.


    Alanis richtete ihre Aufmerksamkeit derweil wieder auf den Landsknecht, zurück im inneren Gleichgewicht, aber leider nicht schlauer.


    "Vielleicht stört es mich, weil ich nicht finde, dass Du alt bist", mußmaßte sie und hob die Schultern. Zögerlich setzte sie hinzu: "Vielleicht auch verletzte Eitelkeit, weil es mich daran erinnert, dass ich Dir vielleicht gar nicht mehr soviel beibringen kann, weil Du mir in einigen Bereichen viel voraus hast? Oder auch -." Sie nahm dem Wirt mit einem dankbaren Nicken die Wasserkaraffe ab und wartete, bis der Mann sich zurückgezogen hatte. "Weil es so etwas Endgültiges ausstrahlt. So, als wäre keine Bewegung mehr möglich, als wären die Würfel gefallen und nichts zu ändern, was vielleicht noch eine Chance verdient hätte."


    Sie runzelte die Stirn.


    "Klingt das seltsam?"

  • Thraxas lächelte Alanis an und antwortete: "Nein, das klingt nicht seltsam. Aber ich glaube, das die Verknüpfungen, die Ihr mit dem Alter macht nicht ganz zutreffen. Es ist auch im Alter möglich viel zu lernen und Alter bedeutet keine Endgültgigkeit, keine Unumkehrbarkeit. Wenn wir Glück haben, dann bedeutet der Tod Endgültigkeit, aber davon wollte ich mich noch eine Weile fernhalten.
    Was das Lehren und Lernen betrifft, so könnt Ihr mir sicher eine Menge beibringen, denn Ihr besitzt Wissen und Einsichten in Dinge, mit denen ich mich bisher nicht befasst haben oder befassen wollte, verzagt also nicht, Euer Gnaden! Und sollten all Eure Bemühungen nichts fruchten, dann liegt es an meinem koscher Dickschädel, aber weder an meinem Alter noch an Euren Fähigkeiten."

  • Alanis musste bei der Erwähnung des koscher Dickschädels grinsen....ob sie mit mehr als einem davon auf Dauer würde umgehen können? Vermutlich würde es sie auf jeden Fall noch mehr Gelassenheit lehren. Golodan war wirklich keine üble Vorbereitung auf Thraxas gewesen.


    "Gut", nickte sie schließlich ergeben und hob die Hände in einer abwehrenden Geste. "Du hast mich überzeugt, dass ich nicht mehr stellvertretend für Dich über Deinen Spitznamen irritiert bin." Naja, fast.


    Inzwischen war der Morgen schon ein gutes Stück fortgeschritten und die andere Reisende, die auch die Nacht im Wirtshaus verbracht hatten, verließen ihre Zimmer, um ihre Zeche zu bezahlen und sich vom Wirt mit Proviant versorgen zu lassen. Mit halbem Ohr hörte Alanis zu, wie der Inhaber der Taverne die Männer und Frauen, die Kaufleute auf einer Reise waren, besorgt vor dem grimmen Wetter und den Gefahren der Straße warnte. Da die Reisenden jedoch unter Zeitdruck waren, wurden die Befürchtungen freundlich, aber eindeutig in den Wind geschlagen. Wenig später öffneten sie die Tür und verschwanden nach und nach, während kalter Wind in den Tavernenraum pfiff und Schnee herein wehte. Vom Hof waren bald die Geräusche von Pferden und Wagen zu hören, die bald darauf vom Schnee und Entfernung verschluckt wurden. Alanis fröstelte und rieb sich über die Augen. Sie war müde und angespannt und wünschte sich eigentlich nichts sehnlicher, als sich einen heißen Ziegelstein ins Bett zu legen und den Nachmittag zu verschlafen.


    "Hast Du in den letzten Tagen weiter versucht, Dich durch Meditation dem Licht in Dir zu nähern? Oder hat es sich wegen der Ereignisse nicht ergeben? Falls nicht, würde ich fortschlagen, dass wir hochgehen und es wieder mal versuchen."

  • Thraxas' skeptische Miene sagte schon eine ganze Menge: "Ich habe es nicht versucht und ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, ob diese Meditation etwas für mich ist." Entschuldigend zuckte er mit den Schultern.
    "Außerdem würde ich vorschlagen, Ihr geht jetzt wieder zu Bett und ruht Euch aus. Eure Müdigkeit ist nicht zu übersehen und Eurer Heilung wird es ebenfalls gut tun."
    Dem geschulten Auge des Landsknechts war Alanis' Zustand nicht entgangen. Die jahrelange Verantwortung für Männer und Frauen im Feld hatten ihn gelehrt, auf welche Zeichen er achten mußte. Weil er mit Alanis' Einspruch rechnete hob er abwehrend die Hand und fuhr schnell fort. "Ausgeruht und erfrischt könnt Ihr mich heute abend sicher besser anleiten, als jetzt und müde."

  • Alanis zögerte einen Moment, dann nickte sie schließlich leicht.


    "Du hast Recht. Es ist ja nicht so, als hätten wir keine Zeit -." Im Gegensatz zu den Tagen im Wirtshaus oben am Pass, bei dem ein Ereignis das andere gejagt zu haben schien, war das wohl hier wirklich der Fall. Warum es also nicht ausnutzen? Alanis rutschte aus der Bank neben dem Kamin heraus und stand auf, die Lippen aufeinander pressend, weil die Bewegung schmerzte. Dennoch nahm sie sich noch die Zeit zu erklären: "Es ist gut, dass Du erkannt hast, was nichts für Dich ist. Jetzt müssen wir uns also wieder Gedanken machen, welches der Weg ist, den wir wählen müssen, um Dich zu stärken und Dich widerstandsfähiger gegen den Einfluss Deiner Gabe zu machen. Vielleicht hast Du dazu heute Abend ja eine Idee, die Du mit mir teilen willst? - Bis später."


    Sie lächelte dem Landsknecht aufmunternd zu und ging zum Wirt, um ihn zu bitten, ihr nun doch einen sehr starken Salbeisud zu kochen. Mit dem dampfenden Becher in der Hand verschwand sie wenig später leicht humpelnd in Richtung ihres Zimmers, um ihre Hüfte zu versorgen und erleichtert ins Bett zu schlüpfen.


    Erst als die Dämmerung in den Raum kroch, erwachte die Geweihte wieder und blickte sich verwirrt um, weil sie es nicht gewohnt war, tagsüber zu schlafen. Sie warf einen kritischen Blick auf die Nähte an ihrer Hüfte, die sie mit dem Salbeisud behandelt hatte, fluchte leise vor sich hin und kratzte ihre Motivation zusammen, um sich anzuziehen. Auf Hut, Schleier und allzu viel Aufhebens verzichtete sie, flocht sich nur rasch die Haare in einen Zopf und schlüpfte dann in ihre Schuhe. Ein Blick in den kleinen Handspiegel offenbarte, dass sie nicht wirklich aussah wie das blühende Leben, auch wenn sie sich ein wenig besser fühlte.


    Wenig später trat sie in den Schankraum, in dem der Wirt bereits die Öllampen angezündet hatte, und sah sich nach ihrem Schüler um.

  • Der Landsknecht war nicht da.


    Aber ehe Alanis entscheiden konnte, ob sie warten, suchen oder den Wirt fragen sollte, öffnete sich die Tür und Thraxas betrat den Schankraum von Draußen. Gleich steuerte er auf den Tisch am Kamin zu und lächelte die Geweihte an, als er sie sah.


    "Schön das Ihr so lange schlafen konntet, geht es Euch besser?" fragte er.

  • "Ein bisschen, ja", gab Alanis unzufrieden zurück, gab aber bereitwillig Auskunft, nachdem sie sich auf die Bank neben den Kamin gesetzt und den Rücken daran gelehnt hatte. "Die Wunde heilte bis vor ein paar Tagen eigentlich ganz gut, aber jetzt hat sie sich entzündet. Mal abwarten, wie sich das entwickelt." Sonst würde sie vermutlich nicht darum herum kommen, doch auf Thraxas Angebot, sich die Verletzung anzusehen, einzugehen. Ihr Starrsinn grub allerdings weiterhin heftig beide Fersen in den Boden. "Hattest Du Zeit, Dir Gedanken über die Geschehnisse der letzten Tage zu machen, die Deine Gabe betreffen? Über das Licht und welche Methode Dir vielleicht weiterhelfen könnte?" Ein Lächeln blitzte auf. "Meditation und Stillsitzen liegt Dir ja nun ganz offenkundig nicht. Meinen Beobachtungen nach ist es wirklich fraglich, ob ich Dich jemals wirklich absolut entspannt erleben kann."

  • "Entspannung ist für Tote." scherzte der Landsknecht, um dann ernster fortzufahren: "Ich hoffe, Ihr erinnert Euch stets an mein Angebot, Eure Wunde zu versorgen. Sogar kostenlos." Warf er einen kleine Scherz ein.
    "Stellt Eure Scham, wenn es denn wirklich Scham ist, hintan. Ihr seid nicht die erste Frau, die ich behandle, auch nicht die erste, die mir nahesteht und ihr werdet nicht die letzte sein.
    Und zum Licht..." wechselte er dann abrupt das Thema.
    "Ich weiß nicht, wie ich mich der Gabe nähern könnte. Bisher habe ich sie nicht bewußt anfgewandt, noch nicht einmal bei Andras' Gefährtin."
    Thraxas seufzte: "Vielleicht müßte ich während einer Behandlung gezielt darum bitten, aber das käme mir fast schon wie Verrat vor."

  • Bei der ersten Aussage verdüsterte sich Alanis Gesicht sichtlich und sie wollte schon etwas dazu sagen, als er es mit seinen nächsten Worten schaffte, sie das dem Konzept zu bringen. Sie klappte den Mund auf, schloß ihn wieder und nickte schließlich abrupt, aber dankbar. Nicht, dass sie es nicht zu schätzen wußte... .


    "Wieso das?", erkundigte sie sich interessiert. "Kämst Du Dir so vor, als würdest Du der Gabe nicht trauen, wenn Du quasi erzwingst, was bisher von selbst geschehen ist? Oder wie meinst Du das?"

  • "Mh, ich weiß es auch nicht genau." erwiderte Thraxas zweifelnd. "Bisher war es so, daß die Götter entschieden haben, wann und auf wen meine Gabe wirken soll und so kann ich im Nachhinein sicher sein, den Willen der Götter erfüllt zu haben. Wenn ich aber jetzt darum bitte..." er stockte. "Dann..." Alanis hörte ihn förmlich überlegen. "Und wenn es mir dann gewährt wird, dann erfülle ich den Willen der Götter ja auch, denn sonst würden sie es mir verwehren." schloß er seine Überlegungen ab. Sicherlich hätte ihn die Erkenntnis erleichtern sollen, aber das tat sie anscheinend nicht, denn die Skepsis war keinem Lächeln gewichen.
    "

  • Alanis nickte leicht. Sie versuchte, Thraxas Mienenspiel zu lesen, wurde aber nicht recht schlau daraus.


    "Ja, so ist das. Willkommen in der Welt der Priester", erklärte sie ernst, aber nicht ohne einen ironischen Unterton, wie es so ihre Art war. "Wenn die Elemente - oder die Götter - einen als reines Werkzeug benutzen, dann ist es irgendwie leichter, denn Du entscheidest nicht darüber, wo die Wunder passieren und wo sie gebraucht werden. In dem Moment, wo man zu bitten beginnt, trägt man auf einmal noch mehr Verantwortung. Denn indem Du entscheidest, wo Du hilft oder wen Du heilst, vollziehst und leitest Du vielleicht göttlichen Willen - aber Du triffst die Wahl, wo genau. Zudem muss man sich darauf gefasst machen, dass Gebete auch einmal unbeantwortet bleiben - oder etwas nach sich ziehen, was man nicht erbeten hat. Das ist manchmal auch nicht leicht zu akzeptieren."

  • "Mh." machte Thraxas und sagte dann: "Aber ich habe doch auch schon vorher entschieden, wem ich helfe. Und die Entscheidung ob die Götter helfen oder nicht, treffen sie ja weiterhin selber. Durch das Bitten lenke ich vielleicht nur noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit darauf. Und vielleicht beginne ich mich ein bisschen darauf zu verlassen und wenn meine bitten dann ungehört bleiben? Ist es da nicht besser, ich bitte erst gar nicht und verlasse mich wie bisher nur auf mich und die Götter helfen, wenn sie das von sich aus wollen, weil sie den Menschen für so wichtig halten, daß sie ihn sowieso beobachten?"
    Unsicher setzte er hinzu: "Und was könnte das denn sein, was kommt, um was man nicht gebeten hat?"

  • "Wenn es der Wille der Götter wäre, alles selbst zu tun und die Wesen aus dieser Welt nur wie Schachfiguren hin und her zu schieben, wieso dann einige Menschen mit besonderen Gaben beschenken?", gab Alanis zu bedenken. "Wieso dann Priester erwählen, die als Mittler zwischen Menschen und Göttern auftreten und die die Götter um Hilfe bitten können, wo doch das Flehen des einfachen Mannes ungehört bleibt?" Sie schüttelte den Kopf. "Ich für meinen Teil glaube, dass uns die Kräfte, denen wir dienen, alles in die Hände legen, was wir brauchen, um ein Leben im Gleichgewicht zu führen. Und dazu gehört auch, alle seine Talente in jeder Form zu erforschen und mit ihnen umzugehen. Denn wenn es nicht sein sollte, dass wir aus unserer rein menschlichen Perspektive Entscheidungen treffen, ob es nun dieser Verletzte sein soll, der lebt oder jener - könnten wir es dann? Das gilt für die Kenntnisse, die wir als Ärzte erlangen ebenso wie für die Gaben, die es uns ermöglichen, das Licht -." Sie wies auf Thraxas. "-oder das Wirken der Elemente mit anderen zu teilen." Sie hoffte, dass er ihren Punkt verstand. Die meisten Menschen, die sie kannten, hatten in ihren Augen zu viel Respekt vor den Göttern, schoben zu viele Entscheidungen auf eine Macht ab, die sich vielleicht niemals äußern würde. Das war in Alanis Augen nicht der richtige Weg. "Wenn es also in der Natur der Dir gegebenen Kraft liegt, zu bitten und eine Antwort zu erhalten, dann solltest Du es tun. Man stellt Geschenke nicht in eine Ecke, ohne zumindest das Papier abzumachen und in die Schachtel zu sehen."


    Sie atmete kurz durch, während sie sich sammelte.


    "Natürlich ist es falsch, sich darauf zu verlassen, dass wir immer eine Antwort bekommen. Es lehrt uns darüber nachzudenken, warum das so ist. Manchmal erhalten wir keine Antwort, weil wir hier bei uns, in unserer Welt und in uns selbst, die Lösungen für unsere Probleme haben, sie aber nur nicht sehen. Manchmal erhalten wir Antworten, die wir im Moment nicht verstehen und nicht als das erscheinen, was wir erbeten haben - die aber am Ende immer einen Sinn machen werden."


    Ein beruhigendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.


    "Mach Dir keine Sorgen darum, was kommen könnte. Ich bin sicher, dass Du mit allem umgehen kannst, wenn Du es zulassen willst."

  • Thraxas blickte Alanis lange nachdenklich an, dann sagte er: "Euer Vertrauen in meine Fähigkeit mit allem umzugehen, was kommt, ehrt mich sehr, aber ich denke, Ihr überschätzt mich da. Aber richtig ist sich deshalb nicht zu viele Sorgen zu machen, denn es wird geschehen und dann wird es gemeistert oder nicht und wenn wir alles getan haben, was wir können, um Schaden von denen abzuwenden, die uns anvertraut sind, dann haben wir uns nichts vorzuwerfen."
    Kurz blickte er aus dem Fenster und dann wieder zu Alanis.
    "Ich habe mal von der Theorie gehört, daß die Götter einem Geweihten einen Teil Ihrer Macht leihen und er damit im Sinne der Götter wirken kann. Jedesmal, wenn er das tut, dann wird die Kraft ein klein bisschen weniger und die Götter füllen sie nur wieder auf, wenn der Geweihte sich tatsächlich in ihrem Sinn verhält. Was haltet Ihr von dieser Theorie?"
    Ohne eine Antwort abzuwarten stellte er gleich noch eine zweite Frage: "Spielen wir also durch, wie wir weiter vorgehen können. Wenn wir nach Renascan zurück gehen, dann kann ich dort nicht offen wirken, wenn ich das richtig verstanden habe. Wie also sollte ich dort an meiner Gabe arbeiten?"

  • Alanis lächelte kurz zu seinen Worten. Ob sie ihn überschätzte? Vielleicht. Die Kräfte, die ihn beschenkt hatten, konnte man allerdings nicht überschätzen... . Sie erinnerte sich an das lange Gespräch, das sie mit Miron über Thraxas geführt hatte und war froh über die Tatsache, dass sie nicht allein war mit dem, was sie in ihrem Schüler sah.


    "Das ist eine interessante Theorie", kommentiert sie seine Idee. "Ein Vorschuß an Kraft, den ein Priester bekommt, quasi ein Vertrauensbeweis, dessen er sich würdig erweisen muss. Vielleicht auch eine Art von Prüfung - warum nicht? Ich habe davon noch nicht gehört, aber ich werde darüber nachdenken." Sie warf Thraxas einen nachdenklichen Blick zu. "Allerdings wäre es wohl nur eine andere Form davon, im Endeffekt davon abhängig zu sein, wie die Kräfte, denen man dient, das eigene Handeln und die Gründe unserer Gebete einschätzen und belohnen - oder eben nicht."


    Sie seufzte leise, als die Rede auf ihre Wahlheimat kam.


    "Wir gehen nicht nach Renascân zurück. Zumindest nicht für lange. Ich muss einige Sachen abholen und ich vermute, es sind in der Zwischenzeit Briefe angekommen, auf die ich schon warte. Aber dann sollten wir sehen, dass wir wieder in andere Gefilde kommen. Etwas mit mehr Sonne wäre nett", scherzte sie, jedoch nicht leichten Herzens. "Auf Dauer wird Dir die Art der meisten Menschen dort im Weg -." Sie verstummte betroffen, weil sie eine Erinnerung traf, mit der sie nicht gerechnet hatte. Wie sehr sich doch die Dinge wiederholten... .

  • Thraxas schaute Alanis fragend aber geduldig an. Wenn sie wollte, würde sie ihre Ausführungen beenden, wenn nicht, dann etwas anderes erzählen. Drängen wollte er sie nicht.
    Er entschied sich auch dagegen nachzufragen, ob es ihr gut gehe, denn auch das würde sie im mitteilen, wenn sie es wollte.


    So saß er schweigend da und wartete, hatte aber seine Hand soweit vorgestreckt und offen hingelegt, daß Alanis sie ergreifen konnte, wenn sie dessen bedurfte.

  • Alanis saß eine Weile einfach da und schwieg, in sich versunken, die Hände im Schoß gefaltet. Dann schüttelte sie leicht den Kopf und kehrte in die Realität zurück, bemerkte Thraxas Hand und lächelte erneut. Sie machte jedoch keine Anstalten, sie zu ergreifen, weil sie wußte, dass es sie ablenken würde.


    "Es ist nur-." Sie versuchte, die Dinge so zu erzählen, dass sie nicht zu konfus klangen. "Vor vier Jahren hat mir unser Hochgeweihter genau das gesagt. Dass mir Renascân und die Bindungen, die ich dort aufgebaut hatte, im Weg stehen würden. Er erzählte mir damals, dass die Elemente ihm Einblick in meine Zukunft gewährt hatten und dass sie ihm verraten hätten, dass ich einen anderen Weg wählen muss, um den Elementen zu dienen. Dass die ständigen Reisen nötig seien, um den Menschen überall Heilung und Gleichgewicht zu bringen. Dass es meine Pflicht sei und dass ich, wenn ich sie erfüllen würde, die Mächtigste aus unserem Kreis werden würde." Die Geweihte schüttelte ungläubig den Kopf und sie preßte ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. "Ich habe das natürlich geglaubt, weil ein Teil von mir sich dessen längst bewußt war und habe einige sehr schmerzhafte Entscheidungen getroffen. Aber kaum, dass ich aus Renascân fort war, begegnete ich in Daynon jenem dunklen Priester und seitdem - ist irgendwie alles anders." Sie hob die Schultern. "Ehrlich gesagt sehe ich in meiner Zukunft nichts, was mich davon überzeugen könnte, dass sich die Prophezeiung, die Khai Thee ausgesprochen hat, auch nur im Ansatz erfüllen könnte. Viel mehr glaube ich, dass sie mich unvorsichtig und arrogant gemacht hat damals und das ist wohl die einzig wertvolle Lektion, die ich aus den Geschehnissen mitnehmen werde."

  • Thraxas zog seine Hand zurück. Alanis brauchte oder wollte sie wohl gerade nicht.
    "Wer wäre bei einer solchen Prophezeihung nicht überheblich geworden?" fragte der Landsknecht rhetorisch. "Euer Meister hat Euch einen Bärendienst erwiesen in der Art, wie er Euch dazu bringen wollte die Verbindungen in Renascan zu lockern und in die Welt hinaus zu gehen. Ich finde, er hätte es geschickter anstellen können." stellte er mit mehr Errergung in der Stimme fest als zu erwarten gewesen war. Alanis mußte den Eindruck gewinnen, das, wenn Khai Thee jetzt hier gewesen wäre, er sich eine ordentliche Zurechtweisung durch Thraxas hätte anhören müssen.


    Beschwichtigend fuhr er fort: "Aber warum sollte Eure Zukunft nicht so werden, wie in der Prophezeihung?"
    Motivierend erklärte er dann: "Immerhin habt Ihr den Weg aus dem Grauen zum Silbernen gefunden, ich finde, daß ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Das Beachten der Silbernen Tugenden wird Euch helfen, Euch leiten. Über sie werdet Ihr die Ereignisse in Daynon nicht vergessen, denn sie müssen Mahnung sein für immer, aber Ihr werdet immer besser mit der Erinnerung zurecht kommen und mit den Lehren daraus.
    Und ich glaube auch ganz fest daran, daß sich die Leere in Eurem Innern wieder füllen wird, wenn nicht in der Gemeinschaft des Lichts, wo dann?"

  • Alanis winkte ab, die Überraschung über Thraxas Reaktion war ihr deutlich anzumerken.


    "Ja, Khai hätte anders vorgehen sollen", bestätigte sie ihm und machte eine beschwichtigende Geste. "Priesterlich war es ein wirklicher Missgriff. Menschlich kann ich es ihm inzwischen verzeihen, auch wenn ich eine lange Zeit sehr wütend auf ihn war", erklärte sie milde. Sie war mit dem, was geschehen war, zwar noch nicht vollends ausgesöhnt, aber auf dem Weg dorthin. "Er setzte damals große Hoffnung in mich - ich hoffe er tut es noch - und als er fürchten musste, dass ich für einen Mann meine Priesterschaft an den Nagel hänge, sah er wohl nur diese Möglichkeit, um mich zu halten." Alanis Miene war ruhig geworden, aber des Bedauern in ihrer Stimme war nicht zu verleugnen. "Egal - das ist vorbei und ich ziehe meine Lektionen daraus. Und Du hast Recht, das alles hat mich ins Silberne geführt." Sie musste kurz lächeln, als sie an die Gespräche mit Shona am Gurkenpass dachte, über Verletzungen und Pakte, Rituale und Ängste. "Ob mich die Gemeinschaft des Lichts heilen wird, weiß ich nicht. Aber sie wird ohne Frage einen großen Anteil daran haben."