Ein Gasthaus im Schnee...

  • "Ich hoffe sehr, daß wir das haben werden." bekräftigte der Landsknecht. "Ich verstehe Khai Thee nicht. Was wäre den passiert, wenn Ihr nun einen Mann hättet. Euch wäre nach wenigen Jahren, vielleicht schon nach Monaten langweilig geworden und Ihr hättet genau das Gleiche gemacht wie jetzt." Thraxas lächelte.
    Dann verschwand das Lächeln und mit gerunzelter Stirn fragte er: "Oder schenken die Elemente einer Frau keine Kraft mehr, wenn sie einen Mann hat?"
    "Und wenn Khai Thee Euch nur so halten konnte, seid Ihr sicher, daß er die Prophezeiung nicht zumindest ein bisschen ausgeschmückt hat." sagte er, aber Alanis konnte deutlich hören, daß er sich fragte, ob Khai Thee nicht eine Prophezeiung erfunden hatte.

  • "Was? Nein!" Alanis hob abwehrend die Hände, stutzte dann und musste lachen. "Das wäre ja tragisch, wenn ich einen Mann hätte, aber keine Kraft mehr. Da würde der Rest meines Lebens auf die eine oder andere Weise sehr langweilig werden."


    Sie strich sich schmunzelnd und sachte errötend einige Haarsträhnen aus der Stirn.


    "Natürlich geht es, beides zusammen zu leben. In meinem Fall war es aber ein bisschen komplizierter, glaub mir einfach." Sie sandte einen Blick zur niedrigen, von Kaminrauch dunkel gewordenen Holzdecke des Schankraums. "Ich glaube übrigens nicht, dass Khai Thee die Prophezeiung ausgeschmückt hat. Er redet viel - ja. Und ich glaube auch durchaus, dass er wußte, was er tat und wo er mich packen konnte. Aber ich bin mir sicher, dass er nicht übertrieben hat." Ein skeptischer Blick traf Thraxas. "Ich würde Euch sehr gerne einander vorstellen. Vielleicht bei unserer nächsten offiziellen Zusammenkunft im Herbst, vielleicht auch früher, falls es sich ergeben sollte. Aber es wäre wirklich nett, wenn Eure Bekanntschaft nicht damit beginnt, dass Du ihm solche Fragen stellst."


    Es würde vor allem spannend werden, wenn sich El Gar und Thraxas trafen. Alanis mutmaßte, dass beide Männer auch in diesem Jahr den Ruf der Drachen hören würden und dann stand es außer Frage, dass sie sich begegnen würden. Alanis knetete den leichten Kopfschmerz hinter ihre Nasenwurzel bei dem Gedanken daran, wie El versuchen würde klarzustellen, dass sie 'sein Mädchen' war. Denn dass er das tun würde, stand gänzlich außer Frage. Männer -. Man hatte es nicht einfach mit ihnen.

  • Thraxas schaute grimmig und sagte: "Ich kann ihn auch zuerst Fragen, ob ihm ein Nasen- oder ein Kieferbruch lieber wäre." Seine zu Fäusten geballten Hände unterstrichen, daß er diese Aussage wohl nicht ausschließlich scherzhaft meinte. "Ich mag nicht das und wie er Euch manipuliert hat. Es wäre sehr interessant zu hören, welche unglaublich guten Gründe er dazu hatte und mit welchem Recht er sich das heraus genommen hat."
    Die Stimme des Landsknechts war zornig und es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, daß er sowas auch schon oft getan hatte, zuletzt mehrere Jahre bei Tomori. Aber inzwischen war er unbewußt dermaßen davon überzeugt zu wissen, was richtig und was falsch war, daß er sich über so etwas keine Gedanken mehr machte.
    Milder fügte er hinzu: "Aber wenn Ihr das nicht wünscht, dann werde ich ihm auch einfach nur einen guten Tag wünschen."

  • Alanis war immer noch verwundert über Thraxas Zorn. Er musste nicht stellvertretend für sie wütend sein - das bekam sie eigentlich schon ganz gut selbst hin. Oder war das wieder einer jener Momente, die ihr so seltsam erschienen, weil sie wirkliche Gesellschaft schon viel zu lange nicht mehr erfahren hatte und es jetzt gerade erst wieder lernte, wie es war, wenn jemand einen großen Stellenwert im eigenen Leben einzunehmen begann?


    Sie schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hand.


    "Thraxas, seine Gründe waren vor allem Anderen die Sorge um unseren Glauben. Ich bin sicher er war überzeugt, das Richtige zu tun, obwohl ich bereits damals gemerkt habe, dass es ihm nicht leicht gefallen ist und er die Gefahren genau gesehen hat. Dafür ist er einfach ein zu mieser Schauspieler. Gerade für den Glauben wird überall auf dieser Welt manipuliert, verletzt und sogar gemordet, alles im Namen des Rechthabens und oftmals auch das Guten. Das macht zwar das, was Khai Thee getan hat, nicht besser, aber zumindest vielleicht ein wenig verständlicher für Dich." Sie blickte ihn fragend an, um zu ergründen, ob ihre Worte ihn erreicht hatten. "Und ich würde es wirklich begrüßen, wenn Ihr Euch gut zu verstehen versucht. Meine beiden Meister sind seit über zehn Jahren die wichtigsten Menschen in meinem Leben."

  • "Wie Ihr wünscht, Meisterin!" erwiderte Thraxas nur knapp, aber Alanis hatte dennoch den Eindruck, als würde die erste Begegnung Khai Thees und Thraxas nicht in einer Prügelei enden.
    Der Landsknecht wechselte unterdessen das Thema und sagte: "Ich habe noch nicht genau verstanden, warum wir nicht weiter in Renascan arbeiten können. Aber wenn Ihr wünscht, daß wir woanders hingegen, dann soll es so sein. Wißt Ihr denn schon wo?"

  • Der Themenwechsel kam Alanis gut zupass, auch wenn er sie direkt in die nächste Problematik stürzte.


    "Wir können in Renascân arbeiten, wenn sich keine anderen Gelegenheit ergibt", gab sie schließlich zögerlich zu. "Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Leute dort verstehen und akzeptieren können, was Du tust. Ich selbst hüte mich, dort öffentlich zu den Elementen zu beten. Bloß weil für Dich der Umgang mit dem Licht das Richtige ist, muss das nicht heißen, dass sie das auch so sehen. Da es dort keine wirklichen Lichtgott gibt, wird es für die meisten Menschen schwer werden, eine Verbindung zwischen Deinem Tun und ihrem eigenen Glauben zu ziehen." Sie schaute betreten. "Und auf Bekehrungsversuche reagieren sie auch eher ungehalten."


    Sie grübelte nach, wohin man gehen könnte, doch sie kam zu keiner eindeutigen Antwort und ihre Miene wurde abwesend und bedrückt.


    "Ich kenne Menschen in vielen Ländern und könnte einige Gefallen einfordern, um einen Platz für uns zu finden. Aber keines dieser Länder liegt mir so am Herzen, dass ich sagen könnte, dass ich mich dort ausreichend wohlfühle - und dass Du Dich dort wohlfühlen wirst."

  • Thraxas hob abwehrend die Hände, als Alanis von Bekehrungsversuchen sprach und sagte: "Ich werde nicht versuchen jemanden zu bekehren. Habt da keine Sorgen, Euer Gnaden." Wehmütig setzte er hinzu: "Ich scheine dafür auch völlig ungeeignet zu sein."
    "Wenn Ihr der Meinung seid, das wir in Renascan mehr Schaden als Nutzen würden, dann gehen wir einfach in den Kosch, meine Heimat, und die umliegenden Provinzen."
    Dann stockte er und überdachte seine Worte. Er war wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß sie einfach sein vorherige Wanderschaft dann zusammen weiterführen konnten, aber das schwebte der Geweihten sicher nicht vor. Er räusperte sich und sagte dann: "Ehm, Verzeihung Euer Gnaden sind sicherlich nicht an einer immerwährenden Wanderschaft interessiert. Wir könnten also zu meiner Familie nach Angbar gehen. Sie besitzt dort ein Gasthaus und würden uns sicher gern aufnehmen. Birnoscha mag es sehr, wenn ich dort mal Absteige und sie ist sehr offen für alle Menschen, was bei den Hügelzwergen zwar nicht so selten ist, wie bei anderen Zwergen, aber ihre Offenheit ist wirklich groß - sie mochte sogar Tomori auf Anhieb." Thraxas lächelte etwas schräg.

  • Ach, Thraxas, wenn Du wüßtest...aber vielleicht weißt Du es ja auch zu gut.


    Alanis hätte ihm gerne bestätigt, dass es hin und wieder einfach reichte, man selbst zu sein, um Leute auf den eigenen Pfad zu führen, doch eine innere Stimme hielt sie davon ab. Sie sah die Fähigkeit ohne jeden Zweifel in ihm, aber in Kombination mit seiner viel zu silbernen Arroganz, wie würde da eine Ermunterung ihrerseits ausgehen? Sie kaute kurz unsicher auf ihrer Unterlippe herum, dann entschied sie sich dagegen. Dies waren nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit.


    Sie lächelte schwach.


    "Immerwährende Wanderschaft liegt tatsächlich nicht in meinem Interesse. Der Priester gründet sich in seinem Glauben, aber der Mensch muss sich an einem Ort gründen, sonst ist er in der Welt verloren", erklärte sie, setzte dann aber hinzu: "Ich begleite Dich nach einem kleinen Umweg über Renascân gerne in Deine Heimat, Thraxas. Und ich würde mich freuen, Deine Familie kennenzulernen."


    Das sagte sie gänzlich ohne Bedauern, vielmehr hatte sein Angebot dazu geführt, dass sich der angespannte Ausdruck ihres Gesichts löste und deutlich offener wurde.

  • Thraxas hatte die Veränderung in Alanis' Gesichtsausdruck bemerkt und lächelte, obwohl er nicht wußte, ob es wirklich eine gute Wahl war nach Angbar zu gehen. Das letzte Mal hatte es in einer persönlichen Katastrophe geendet, an der er immernoch knabberte und die er vielleicht nie überwinden würde. Innerlich zuckte er die Schultern. Was soll's, Frau Alanis wird es dort gefallen und sie wird sich gut mit Birnoscha verstehen war seine Einschätzung. Und wenn die Frauen zufrieden sind, dann ist das Leben angenehm.


    Immernoch lächelnd erwiderte Thraxas aber etwas zu einem anderen Thema: "Ich bin nicht Eurer Meinung, daß man verloren geht, wenn man auf Wanderschaft ist. Wenn man sich und seinen Weg gefunden hat, dann ist man nicht verloren und wird sich nicht verlieren. Es kann ausgesprochen hilfreich sein Gefährten an seiner Seite zu wissen oder Orte an denen man willkommen ist und Schutz und Trost oder auch nur aufmunternde Worte findet, aber immer an einem Ort zu sein, ist meiner Meinung nach nicht Bedingung für eine gutes Leben."

  • "Ich denke wir meinen beide etwas Ähnliches", gab Alanis zurück. "Jeder Mensch braucht eine Heimat, aber wo sie liegt, wer es ist und wie viele Stunden man dort verweilt, sei jedem freigestellt. Hauptsache man hat einen Platz oder einen Menschen, die einen hie und da wünschen lassen, es gäbe ein 'Für immer'. Erst daraus kann man seine Kraft ziehen - gerade wenn man so viel reist wie wir beide." Sie hob beinahe entschuldigend die Schultern. "Ich mag Orte viel eher als Menschen, muss ich gestehen. Aber das liegt daran, dass ich gerne allein bin, wenn ich Zeit für mich habe und der Umgebung zuhöre." Sie stutzte kurz und beeilte sich mit einem beruhigenden Lächeln zu versichern. "Und bezieh das jetzt bitte nicht negativ auf Dich. Bei Dir liegt die Sache ein bisschen anders."

  • Thraxas zog eine Augenbraue hoch und ihm lag ein anzüglicher Spruch auf den Lippen und bei kaum einer anderen Frau hätte er diesen zurückgehalten. Hier, bei Frau Alanis, aber, war das etwas anderes und er war erstaunt, wie leicht es ihm fiel gesittet zu antworten. "Vielen Dank, ich glaube, das ehrt mich." sagte er, um dann neckend hinzuzufügen: "Oder bin ich ein besonders hoffnungsloser Fall und Ihr habt Euch nur deshalb meiner angenommen?"

  • Alanis Mundwinkel hoben sich amüsiert und sie hätte fast etwas geantwortet, das ihr aus dem Herzen kam, doch dann fasste sie sich wieder und wurde wieder erster, wenngleich weiterhin ein amüsiertes Licht durch ihre Augen tanzte.


    "Du hast mich vor ein paar Wochen dafür gescholten, dass ich schlecht von mir rede und denke. Ich werde Dich aber nicht schelten, sondern Dir lediglich sagen, dass Du trotz Deiner ebenfalls vorhandenen Fähigkeit, Dich schlecht zu reden, kein hoffnungsloser Fall bist." Sie blickte ihm direkt in die Augen, sehr ruhig und mit großer Sicherheit. "Ich sehe eine Menge Potential in Dir, Thraxas. Das habe ich schon vor zwei Jahren getan, als wir uns das erste Mal begegnet sind." Und dann lachte sie wieder. "Lediglich Dein Kaffee ist scheußlich."

  • Thraxas lachte ebenfalls und erwiderte: "Was wohl daran liegt, daß ich selber keinen Trinke und Ihr eigentlich gar keinen mögt." Immernoch lachend fügte er hinzu: "Mein Potential vor zwei Jahren, welches ich Euch gezeigt habe, lag darin Euch ein Kuppholz vor das Bein zu werfen und das war noch nicht mal Absicht, um ein Gespräch mit Euch anfangen zu können, sondern tatsächlich ein Versehen."

  • "Über dieses Faktum bin ich übrigens immer noch ernstlich enttäuscht", gab Alanis trocken zurück und musste dann bei der Erinnerung daran grinsen. Ihr erstes Jahr im Silbernen war mit wunderbaren und bittersüßen Momenten angefüllt gewesen, aber erst das zweite Jahr hatte die Steine in ihrem Leben ins Rollen gebracht. Ehrlich fügte sie hinzu: "Dass Du nicht bemerkt hast, dass ich Dich beobachtet habe, heißt nicht, dass es nicht geschehen ist." Sie faltete die Hände in einer entspannt wirkenden Geste im Schoß. "Manchmal sehe ich ein wenig mehr als das, was die Menschen dem bloßen Auge zeigen wollen."

  • Thraxas lächelte bei Alanis' Vorwurf leicht irritiert.


    Auf Ihre letzte Aussage hin antwortete er: "Ich habe bisher nichts verborgen.
    Ja, jetzt ist das anders, aber vielleicht wird es wieder so sein, wenn ich meine Gabe verstanden habe und glaube ihr und mir trauen zu können."


    In diesem Moment brachte der Wirt das Abendessen. Thraxas hatte einfach für beide einen deftigen Fleischeintopf bestellt noch bevor er in den Stall verschwunden war. Wenn Alanis den nicht wollte, dann sollte sie sich was anderes bestellen und er würde einfach ihre Portion mitessen, hatte er sich dabei gedacht.


    "Laßt es Euch schmecken, Frau Alanis! Ich werde danach zu Bett gehen und morgenfrüh brechen wir nach Renascan auf, wenn Ihr wollt und dann weiter Richtung Kosch."

  • Alanis dankte Thraxas für seine Umsicht, widmete sich dem Abendessen und machte sich dann auch auf den zeitigen Weg ins Bett. So interessant der Aufenthalt in Wolkowien auch war, ein wenig sehnte sie sich zumindest nach ein, zwei Nächten in ihrem eigenen Bett daheim in ihrem Haus, bevor es dann weiter in den Kosch ging.


    Am nächsten Tag bezahlten sie die Zechte im Wirtshaus und zogen das Gebirge hinab wieder in Richtung Küste, wo sie sich einige Tage später zusammen mit den Tieren nach Renascân einschifften. Die Macht des Winters war im Flachland und auf See längst gebrochen und so erwartete sie eine eisfreie und problemlose Überfahrt.


    Tage später dann landeten sie dann in Renascân und dort geht es auch weiter: http://www.larp-ahr.de/index.php?page=Thread&threadID=9882&pageNo=18