Beiträge von Vladim

    Trotz der ruhigen Stimme schien es um den Hexer nicht besser zu stehen. Die Art wie er brummte und an den Ketten riß, legte nahe, das die Ruhe vorbei war. Schnaubend und schabend setzte sich Vladim auf die Knie und schüttelte immer wieder den Kopf, so als wenn er einen bösen Geist vertreiben wollte.

    „Derivat!“ knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    „JETZT!“ schrie er förmlich. Die Ketten wurden nach links und rechts gerissen, so dass der eiserne Ring in der Wand anfing zu knirschen.


    Der Löwe schien den normalen Verstand hinter sich gelassen zu haben, so wie er sich gerade gab. Wehe jemand oder etwas kam ihm zu nahe - es wäre ein sehr kurzer und brutaler Angriff geworden. Vladim heulte und schrie was seine Lungen hergaben.

    Die Antwort des Hexers war kurz und explosiv:

    “Du hältst dich wohl für besonders schlau, was die Eigenschaften der Hexer angeht, was? Nur, weil du gerade mal einen kennengelernt hast, denkst du schon, du wärst Expertin dafür?“


    Der finstere Blick des Löwen tat seinesgleichen, um die Übellaunigkeit herauszukehren.
    „Bleib du bei deinem Fachgebiet und lass mir das meine!“ bellte ihr Vladim herüber. Damit versank er in Stille, aber sein Gesicht sprach eine andere Sprache, denn tiefe Wutfurchen traten prominent hervor.

    Vladim schüttelte den Kopf.


    "Es ist ein Insel jenseits von hier. Mit dem Schiff von Novigrad erreichbar, aber eine scheißlange Überfahrt."

    Die Fesseln klirrten leise , als der Mutant auf seinem Sitzplatz hin und her rutschte.
    "Sicherlich würde sich da ein Magier finden. Allerdings habe ich in der letzten Zeit eher schlechte Erfahrungen mit solchen Fingerfuchtlern gehabt, weswegen mir da nicht sofort jemand einfallen würde, um deswegen zu fragen. Also werde ich es wohl auf andere Art herausfinden müssen."

    Der Hexer brummte wieder seine Zustimmung, bevor er Rieke antwortete.


    "Ganz einfach - mein Lehrmeister starb, bevor wir dazu gekommen sind. Ich weiß allerdings auch nicht so recht, ob ich überhaupt fähig bin, Zeichen zu wirken. Aber - ich habe mir auf Siofra einen Lehrmeister genommen, der es mir hoffentlich beibringt."


    Dabei dachte er wieder an Lado und Malva und schüttelte mit einem wehmütigen Lächeln den Kopf, als er an ihre "Verbindung" dachte.


    "Albarad - mein Lehrmeister - war ziemlich bewandert in Alchemie, dennoch brachte er mir nur die Grundzüge bei. Warum, weiß ich allerdings nicht. Genauso wie die Hexerzeichen. Vielleicht habe ich einfach keine Affinität zur Magie."

    Damit hob er die Schultern, um zu signalisieren, dass er keine Ahnung hatte.

    "Andere Hexer habe ich erst vor etwas mehr als zehn Jahren kennengelernt und davon erfahren, dass es andere Schulen gibt. Das war mir nicht direkt bewusst."

    Der Hexer brummte sein Einverständnis und nickte mit dem Kopf.

    "Sicher, schau es dir an. Sind nur ein paar kurze Notizen."

    Dann rutschte er wieder hin und her und fand endlich eine Sitzposition, wo er bequem den Kopf in eine Nische zwischen zwei Mauersteinen ablegen konnte, die als Kissen dienen mochte.

    "Was den Rest über das Hexerdasein angeht - hast ja mein Blut, finde es heraus." Dabei grinste er, denn solche Dinge waren vermutlich fast unmöglich. Wobei...

    "Das hängt von der Art und Weise der Kräuterprobe ab, die man uns verabreicht. Aber ja, Heilung und verbesserte Nachtsicht ist eine der Verbesserungen. Und ja, wir werden alt. Dem Ältesten von dem ich gehört habe ist 140 Jahre jung. Aber persönlich getroffen habe ich ihn nicht."

    Der Hexer knurrte sein Einverständnis. Er saß immer noch in den Krümeln des Essens und hatte sich den Mund ausgiebig an seinem Gambeson abgewischt.

    "Das Buch hat aber keine Seitenzahlen. Aber ich zeige dir, ab wo du abschreiben darfst." Damit hielt er die Hände hin, so dass die Eisen wieder rasselten.


    Nachdem Rieke ihm das Buch gegeben hatte, schaute er kurz nach und steckte einen der Briefe als Markierung in seine handschriftlichen Notizen. Es wäre sicherlich nicht falsch das Buch einmal zu erneuern. Es hatte schon Wasser, Blut und Mordäxte gesehen und sah entsprechend zerrupft aus. Die Seiten waren voller Eselsohren und der Löwenkopf auf der Vorderseite sah abgegriffen und alt aus. Damit gab er Rieke das Buch zurück.

    "Ist mein gesammeltes Wissen drin, allerdings hat das wenig mit den Dingen zu tun, die man in dieser Welt findet. Bin ja schon was herumgekommen und auch wenn die Namen ähnlich oder gleich sind, so unterscheiden sich die verschiedenen jagbaren Monster schon ziemlich."

    Allein der Geruch des Essens stieg Vladim schon in die Nase, da hatte Rieke die Türe noch nicht aufgemacht. Unüberhörbar konnte die Gelehrte das Magenknurren des Hexers wahrnehmen.

    "Ich kann dir das gerne diktieren, aber mein Buch, wo das drin steht, liegt in deiner Schlafkammer."


    Der Blick des Löwen ging immer wieder in Richtung des Essens, dass Rieke ihm per Schürhaken zukommen ließ. Es dauerte keinen Wimpernschlag und Vladim biß ins Brot, um danach ein Stück Käse zu essen. Von der Ferne betrachtet war, es schon so, als wenn eine große Katze sich über ihre Beute hermachte. Gierig und hungrig verschlang Vladim Bissen um Bissen von dem Braten.

    Er wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab und sah dann wieder zur Alchemistin hinüber.

    "Wein, war nicht zufällig dabei oder? Oder vielleicht hast du noch etwas von dem Gewürzwein."

    Immer noch rutschte der Hexer auf dem kalten Steinboden herum und nickte dann.
    "Ja, bitte, das wäre nett."

    Damit stand er auf und wartete bis Rieke ihm die Decke zugeworfen hatte. Diese schlug Vladim dann doppelt und setzte sich darauf.

    "Das ganze Prozedere kann ja noch ein wenig dauern. Wenn du magst, kann ich dir die Rezepte meiner Tränke zeigen. Aber denk daran, ich habe zwar die Zusammensetzung aber die Dosierung fehlt vollends. Da müssen wir uns ebenfalls herantasten. Ein paar wenige Zutaten habe ich auch noch."

    "Symptome? Verarscht du mich? Siehst doch, wie ich hier hänge." polterte der Hexer und rasselte wieder mit den Ketten, als er seine Arme las Beweis hob und wieder in seinen Schoß fallen ließ.

    Vladim schüttelte den Kopf und schnaubte die Luft erbost aus. Dann räusperte sich und sagte mit normaler Stimme:
    "Ohnmacht, Schläfrigkeit und Kopfschmerz. Dazu Schwindel und Einschränkungen bei der Wahrnehmung."

    Dann versuchte er mit verschränkten Armen sich wieder an die Steinwand zu setzen. Aber es gelang ihm eher schlecht als recht.

    Es dauerte sicherlich eine Viertelstunde und viele Stubser, bis Vladim sich erstmal regte. Es war mehr ein Stöhnen und dann Kettenrasseln, als der Hexer zu sich kam. Es dauerte sicherlich weitere fünf Augenblicke, bis der Mutant seine Augen aufschlug und irgendwie unfokussiert durch die Gegend glotzte. Selbst auf Ansprechen mit seinem Namen schien der Löwe nicht wirklich zu reagieren. Vermutlich war die Dosis an Mondschein zu hoch gewesen oder das Derivat hatte zu gut funktioniert.

    "Wasser." krächzte der Hexer irgendwann und versuchte müde seine Augen auf Rieke zu fokussieren. Als sie ihm per Schürhaken etwas Wasser zu Trinken gab, stürtzte der Hexer das kühle Nass förmlich herunter. Dann hielt er sich die Schläfen, so als wenn das Wasser Kopfschmerz verursacht hätte.

    "Verdammt, was hast du mir gegeben?" stammelte der Mutant ein wenig schläfrig. "Das Zeug wirkt, als wenn mich ein gepanzertes Pferd im vollen Gallopp umgerieten hätte." Vladims Aussprache wurde mit jedem Wort etwas genauer, aber er hielt sich immer noch den Kopf.

    Zuerst rührte sich Vladim gar nicht, aber auf wiederholtes Piecken mit dem Schürhaken kam ein Knurren und Brummen von ihm. Wieder rasselten die Ketten und langsam kam der Löwe aus dem Schlaf und rieb sich umständlich die Augen, wobei er sich langsam umsah, so als wisse er gerade nicht, wo er war.

    Dann ging alles ganz schnell. Der Hexer setzte sich schlagartig auf und riß an den Ketten, während sein Gesicht im Augenblick eines Wimpernschlages veränderte und zu der Fratze aus Hass, Wut und Brutalität wurde. Fast hätte Vladim beim schnellen Aufsetzen die Schale mit Mondschein umgestoßen, aber Rieke hatte Glück und musste nicht noch einmal näher an den Mutanten heran.

    Vladims Blick glitt suchend nach Fisstech umher, während er knurrte, grunzte und seltsame Töne ausstieß, die eher an ein großes Tier auf der Jagd erinnerten, als ein denkendes Wesen. Als der wütende Hexer den Fisstech nicht fand, schrie er danach und dabei flogen Spuckefäden aus seinem Mund in Richtung Rieke.

    Auf ihren Hinweis hin, blickte er auf das Derivat und bevor er es konsumierte, untersuchte er die Schale mit Mondschein. Es war mehr ein Schnüffeln und vorsichtig tauchte er einen Finger ein, um ihn schnell abzulecken. Dann stürtzte er den Mondschein herab.


    Mit angehaltenem Atem konnte Rieke sehen, wie Vladim von jetzt auf gleich wieder eine Transformation durchlief. Sein Gesicht erschlaffte und mit einem röchelndem Laut fiel er auf die Seite, die Augen in den Höhlen nach hinten gedreht.

    Nun hob der Hexer seinerseits die Schultern, immer noch mit geschlossenen Augen.

    "Mag sein, aber auf Dauer nervt es, der Spielball der Mächtigen zu sein, der ständig durch den Dreck und die Fäkalien der Armen kriechen muss. Dennoch - klingende Münzen müssen her, sonst kann ich dich nicht bezahlen."

    Damit legte er sich so, dass er Rieke den Rücken zudrehte.

    "Wenn du nichts dagegen hast, dann schlafe ich jetzt etwas. Habe am Besten Fisstech oder Derivat bereit, wenn ich aufwache."

    Damit konnte man von Vladims Ecke bald nur noch gleichmässige Atemzüge hören.

    Vladim hatte immer noch die Augen geschlossen.


    "Besser. Oder vielmehr nichts im Augenblick." Leise raschelte er mit den Ketten, als er sich wieder bequemer hinlegte.

    "Mir ist schon klar, dass nichts für die Ewigkeit ist. Aber es wäre halt schön gewesen zumindest ein paar duzend Jahre so etwas, wie ein gemeinsames Leben zu haben. Egal - reden wir nicht von meiner Unfähigkeit Frauen an meiner Seite zu halten."

    Der Hexer räusperte sich und fragte dann: "Oxenfurt sagst du? Wie ist es dort? Ähnlich wie hier in Novigrad?"

    Die Augen blieben geschlossen, als Vladim der Gelehrten antwortete.


    "Meist ist es müssig zu heiraten, weil ein Hexer viel umher zieht. Und der menschlichen Gegenpart meist nicht so alt wird, wie wir."

    Wieder schüttelte er lächelnd den Kopf.

    "Nein, auf Siofra gibt es einen anderen Hexer - Vipernschule. Dieser Hexer hat seine Angebeteten einen Antrag gemacht - und sie hat ja gesagt." Das reumütige Lächeln verließ Vladims Gesicht nicht, während er träumerisch weitererzählte.


    "Ich hatte einst auch solch eine Beziehung, von der ich dachte, dass sie ewig halten würde. Länger als ein Menschenleben. Wie falsch ich da lag. Wir wären keine richtige Familie gewesen - sie und ich."

    Rieke konnte sehen, dass die letzten Worte, auch wenn sie fast nebensächlich geäußert wurden, dem Hexer nahe gingen, denn eine Traurigkeit breitete sich auf dessen vernarbten Gesicht aus.

    Der Hexer hörte mit geschlossenen Augen der Gelehrten weiter zu. Als sie über ihren Mann und Oxenfurt erzählte, brummte er nur. Bei dem Hinweis auf bestimmte Zutaten, öffnete er die Augen und rasselte mit den Ketten.

    “Was soll ich sagen? Da sind mir im Augenblick sprichwörtlich die Hände gebunden…“ dabei grinste er Rieke fies an. Dann wurde er wieder ernst.

    “Ich kümmere mich drum, wenn das hier durch ist.“


    „Klingt so, als wenn du eine gute Zeit mit deinem Mann verbringen konntest - zumindest für eine kurze Zeit.“ Dabei gingen die Gedanken des Hexers zurück nach Siofra und den dortigen Erlebnissen mit Malva und Lado. Seufzend schüttelte er den Kopf und schloss wieder die Augen.

    Der Löwe nickte mit geschlossenen Augen, wobei es eher so aussah, als wenn er gleich einschlafen würde.

    "Gerne." antwortete er.
    "Und wenn es etwas gibt, dass ich bin, dann ein schrecklicher Klugscheißer." Dann lächelte er immer noch mit geschlossenen Augen.

    "Du aber genauso. Bist du eigentlich noch woanders hingekommen, außer Novigrad und dessen Umfeld?" fragte er Rieke aus.

    Dankend nahm Vladim das Becher erneut an und trank es in einem Zug leer. Ein Kopfnicken war seine Antwort auf ihre Worte.


    "Verstehe. Und nun ist sowohl Jonna, als auch deine Tante in einem Haus gefangen, wovon beide sich erhofft haben, dass sie es alleine schaffen könnten. Traurig."

    Er blickte hinunter in den Zinnbecher und drehte ihn in seiner Hand.

    "Dir ist sicherlich bewusst, dass Wein unter Zugabe von bestimmten Substanzen das Blei in dem Zinnbecher herauslösen kann, oder? Ich meine es wird mich niemals umbringen, aber einfache Menschen wird unglaublich schlecht werden, bis zur Bewusstseinstörung."

    Dann schloß er die Augen und lehnte sich wieder mit den Fesseln rasselnd an die Wand.

    Zuerst roch Vladim an dem Trinkgefäß, dann nahm er vorsichtige Schlucke vom verdünnten Gewürzwein. Als klar war, was es war, stürtzte er die Flüssigkeit ohne Vorbehalte hinunter. Mit einem Ärmel wischte er sich die Reste vom Mund und stellte das Trinkgefäß so ab, dass Rieke es nachfüllen konnte.

    "Ich habe im Haus deiner Tante schon gemerkt, dass Jonna mehr Einfluß hat, als eine alte Köchin normalerweise hat. Und sie scheint sich deutlich mehr um dich zu kümmern, als es deine Tante tut. Magst du mir vielleicht davon erzählen?" Damit legte er sich wieder nieder und rasselte mit den Ketten.

    Der Hexer brummte etwas und es schien zu dauern, bis er eine Antwort gab, weil er immer noch fast teilnahmslos auf dem Boden saß.


    "Was zu trinken wäre toll. Lass mich einfach angekettet, wer weiß, was passieren kann." sagte er mit einem Kopfschütteln, dass eher so wirkte, als wenn er Spinnweben in seinem Kopf loswerden müsste.

    "Gut, dass du die Fesseln besorgt hast. Woher hast du die eigentlich?" Damit setzte er sich in den Schneidersitz und nahm das Trinken von Rieke entgegen.

    Der Hexer war inzwischen fuchsteufelswild und riß und zerrte an der Kette, dass dies fast schon ein durchgängiges Geräusch war. Vladims Gesicht war rot und wutverzerrt und Schaum stand ihm am Mund. Hätte sie nicht die Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, dann hätte er sie wohl getötet und ausgeweidet, da war sich Rieke fast sicher.

    Als die Schale in seine Reichweite kam, nutzte er seine Beine, um die Porzellanschale zu sich zu bringen. Mit zitternden Händen nahm er sie auf und nahm mit der Nase einen tiefen Zug, wobei sein Gesicht fast vollständig mit dem Fisstech überzogen wurde.
    Sofort nach der Einnahme änderte sich seine Körperspannung und Vladim erschlaffte förmlich in der Kette. Es dauerte gut fünf Augenblicke, bis sein Blick sich wieder klärte und er wieder ansprechbar erschien.