Beiträge von Alanis Tatius

    Die Alchemistin machte sich erneut eine Notiz, dann stand sie langsam auf und ging ein Stück von ihrem Arbeitstisch weg - falls die Kette nicht hielt, würde Vladim zumindest nicht ihre kostbare Ausstattung zerschlagen, wenn er hinter ihr hersetzte.


    Die Körnchen in der Sanduhr fielen langsam, aber stetig. Als die Zeit um war, gab Rieke das Fisstech in eine Schale und trat näher zu Vladim, sorgsam darauf achten, aus seiner Reicheweite zu bleiben.


    Die letzten Zentimeter schob sie die Schale mit einem Schüreisen, bevor sie zu ihrem Platz zurückkehrte und sich erneut in Beobachtungshaltung begab.

    Rieke warf einen Blick auf die Sanduhr und tippte mit dem Stift an das Glas. Dann notierte sie etwas, in aller Seelenruhe. Ihre Stimme sprqch rein von wissenschaftlichem Interesse, als sie zurückgab:


    "Ja, ich glaube auch, dass Du etwas bräuchtest. Fünf Minuten noch. Dann haben wir die Stunde voll. Beschimpf mich ruhig, wenn es Dir hilft, die Zeit zu überbrücken."


    Sie nahm das Kästchen mit dem Fisstech und wog sorgfältig ab, wieviel sie ihm geben wollte.


    "Was machen die Symptome? Herzschlag? Übelkeit? Schwindel? Verzeih mir, dass ich das nicht selbst überprüfe, einmal vom Dir durch die Gegend gezerrt zu werden war wirklich genug."

    "Sieh es so, Vladim", erklärte Rieke freundlich, wenngleich etwas kühl. "Ich hätte Dich in Pieters Laden in Deinem Blut liegenlassen können. Tote Männer überall. Meinst Du das hätte der Wache gefallen?" Sie gab dem Blut noch etwas Pulver hinzu, rührte mit einem Stab um und tropfte dann noch etwas auf das Papier, um die beiden roten Flecken aufmerksam zu vergleichen. "Das sollte Dir Vertrauensbeweis genug sein, wie ich finde."


    Die Alchemistin blickte von ihrem Tun auf und maß den Hexer mit einem langen Blick.


    "Dies ist eine Geschäftsbeziehung. Wenn Du Zweifel hast, gebe ich Dir genug Fisstech, um Dir das Hirn zu zerbröseln und sende Dich Deiner Wege. Bis dahin sind Deine privaten Angelegenheiten die Deinen und meine die meinen." Nun zuckte ihr Mundwinkel doch wieder hoch, wohl, um ihren Worten die Schärfe zu nehmen. "Es sei denn Du möchtest mir berichten, ob es der Wahrheit entspricht, dass Hexer wahnsinnig ausdauernde Liebhaber sind."


    So, wie sie es sagte, war leicht zu verstehen, dass sie nicht unbedingt gedachte, das persönlich herausfinden zu wollen.

    Rieke warf Vladim zwischen den gläsernen Versuchsapparaturen einen zutiefst amüsierten Blick zu.


    "Wenn Du wirklich denkst, dass ich eine verrückte Giftmörderin bin, dann hättest Du es gar nicht soweit kommen lassen sollen." Sie goss etwas Blut in eine kleine Phiole, schwankte es und besah sich das Ergebnis im Licht der Talglampe. Dann seufzte sie götterergeben und fischte eine Brille mit Holzgestell aus ihrer Tasche und schob sie sich auf die Nase. "Aber bei allem, was man über Hexer hört, scheint Deinesgleichen vor solchen Bekanntschaften eh nicht zurückzuschrecken."


    Sie beträufelte ein Stück Papier mit einer Flüssigkeit und tropfte Blut darauf.


    "Was nicht heißt, dass ich meinen Ehemann vergiftet habe", setzte sie dann hinzu, die Brauen über dem Rand der Brille gerunzelt. "Aber man sollte nicht in der Vergangenheit leben, finde ich."


    Was ein eindeutiges Zeichen war, dass das Thema ihrer Ehe damit beendet war.

    Rieke legte den Kopf schief, dann holte die die Schlüssel aus dem Regal. Die Scharniere der Fesseln waren gut geschmiert - aber vermutlich war es eher die Magie absorbierende Eigenschaft des teuren Materials als Öl, das hier zum Tragen kam. Nachdem sie noch einmal den Sitz des Metalls um Vladims Handgelenke überprüft hatte, trat sie zurück.


    "So macht man also Hexer?", erkundigte sie sich interessiert und ließ sich dann auf einem Schemel nieder, um ihre Aufmerksamkeit wieder dem Versuchsaufbau vor sich zuzuwenden. "Nur Kräuter? Oder ist auch Chaos mit im Spiel?"


    Nur hin und wieder sah sie auf, um Vladim zu beobachten, während sie sein Blut weiteren Untersuchungen unterzog.

    Rieke lauschte interessiert. Als der Hexer endete, verdrehte sie die Augen.


    "Ich bin an Deinen Bordellgeschichten nicht interessiert, Vladim. So gut kennen wir uns nun wirklich nicht."


    Inzwischen hatte sie eine Sanduhr umgedreht und notierte etwas auf einem Zettel.


    "Zeit seit der letzten Dosis Fisstech - vierzig Minuten. Nun denn, nehmen wir das als Anhaltspunkt. Ich wiege Dir jeweils fünf Gramm Fisstech und Derivat ab. Wenn bei Dir das Zittern beginnt, beginnen wir. Ich würde Dich bis dahin gerne beobachten -." Sie zögerte einen Moment. "Wenn Du Schlaf brauchst, verstehe ich das aber. Siehst beschissen aus."

    "Ja, das ist vermutlich klug", erklärte Rieke und warf ihm einen langen Blick zu. "Dich zu entwöhnen könnte extrem werden uns ich habe ehrlich gesagt keine Lust, mich von Dir zusammenschlagen zu lassen, weil ich Widerworte geben."


    Sie nickte zur Tür hinüber, wo die dicke Absperrkette zu sehen war. Dort hing auch eine Kette mit zwei Handfesseln.


    "Demeritium. Das dürfte selbst Dich ruhig halten."


    Sie sagte es fast beiläufig, während sie regelmäßig in das Glasgefäß blickte, in dem Vladims Blut schwappte.

    Im Hauptraum begann es, leise zu klirren und zu schaben. Der Geruch von einem Kohlefeuer drang an Vladims Nase, dazu bald auch der von verschiedenen Zutaten.


    "Dann habe ich ja zwei Aufgaben", brummelte Rieke durch den Vorhang. "Wäre gut zu wissen, wieviel Fisstech Du im Körper hast, bevor wir etwas in diese Richtung unternehmen. Wir machen erstmal einen Versuch mit dem normalen Fisstech. Wenn die Wirkung nachlässt und die Konzentration ungefähr die Gleiche ist wie jetzt, das Ganze nochmal von vorne mit dem Derivat. Dann kann ich Ergebnisse vergleichen."


    Etwas blubberte.


    "Kannst Du mir beschreiben, wie Du reagierst, wenn Du Fisstech nimmst? Nicht nur geistig, sondern auch körperlich? Pulsschlag, Sehvermögen und so weiter?"

    "Als ob ich Hexertränke trinken würde", schnaubte Rieke und nahm das Blut und die Flasche mit Petris Filter mit sich. "Ich bin nicht lebensmüde."


    Sie füllte das Blut in drei verschiedene Fläschchen an und stellte sie beiseite, nachdem sie sie ordentlich beschriftet hatte.


    "Ich habe beides hergestellt. Das Fisstech und ein Derivat, das ich mit Albedo versetzt habe. Es sollte die betäubende Wirkung des Fisstech haben, aber den Vergiftungseffekt für den Rest Deines Organismus abschwächen. Aber mir fehlt natürlich noch der Test, um zu sehen, wie es sich mit der Abhängigkeit verhält. Und wie lange der Effekt anhält - gut möglich, dass Du es öfter zu Dir nehmen muss als das reine Fisstech."


    Sie fixierte Vladim mit einem Blick der ganz klar besagte, wer ihr Testobjekt sein würde. Dann nickte sie in Richtung des Kästchens, das sie ihm gegeben hatte.


    "Sie sehen ähnlich aus, ich habe sie entsprechend gekennzeichnet. - Nun, ich schaue mir Dein Blut jetzt an. Es wird eine Weile dauern. Kannst Dich hinten hinlegen, wenn Du willst. Es ist auch etwas zu Essen da."


    Sie deutete mit dem Daumen auf den Vorhang aus Öltuch, hinter dem sie sich einen privaten Raum eingerichtet hatte. Esstisch, 2 Stühle und ein breites Seilbett, dazu eine Truhe mit Kleidung und einen Tisch, auf dem Schönheitsutensilien und Schminke zu finden waren.

    Rieke blinzelte noch nicht einmal, als sie das scharfe Werkzeug mit der Spitze in Vladims Vene schlug. Leise tröpfelte das Blut in die Schale.


    "Das sollten wir tun, ja", gab sie zurück, nicht im Mindesten beleidigt von Vladims Vorsicht. "Nach Rezept zu arbeiten ist das eine. Das Andere ist, es wirklich am lebenden Objekt zu testen."


    Sie zuckte mit den Schultern.


    "Habe noch nie mit einem wie Dir gearbeitet." Sie entfernte das Schlageisen, das seine Vene offen gehalten hatte, aus der kleinen Wunde. "Gut, dass wir es jetzt gleich hier ausprobieren können. Oder hast Du noch andere Pläne?"

    Rieke hob die Brauen. Ihre Mundwinkel zuckten jedoch.


    "Die Miete ist sehr günstig und die Mitbewohner sind absolut ruhig", gab sie trocken zurück. "Außerdem hatte ich genug zu tun."


    Sie trat an einen der Tische und überreichte Vladim ein Kästchen.


    "Hier, Dein Beruhigungsmittel. Die Tränke sind knifflig. Zwei habe ich, dann war das Ertrunkenenhirn aus. Da kommst Du wieder ins Spiel."


    Sie deutete auf die kleine Anzahl gefüllter Phiolen in einem Weidenkorb. Dann nahm sie eine kleine Bronzeschüssel und ein metallenes Werkzeug zur Hand, das an der Seite einen spitzen Dorn hatte.


    "Was Dein Blut angeht - nunja, ich schlage vor Du legst etwas ab. Dann schaue ich es mir an und dann kannst Du mir sagen, was mein Zunftkollege herausgefunden hat."

    Das Klirren und Kratzen verstummte und wenig später öffnete sich die Tür, nachdem offenbar eine schwere Kette entfernt worden war.


    Rieke nickte dem Hexer knapp zu und machte eine einladende Geste. Die Alchemistin schien die Zeit genutzt zu haben. Nicht nur für sich - sie trug neue Kleidung in dunklen Tönen, darüber eine feste Schürze und eine Brille, um ihre Augen zu schützen - nein, auch die Gruft war mehr als gut ausgestattet. Es gab Arbeitstische und Regale, überall standen kleine Kisten und Fässer. Talglampen erhellten die Finsternis und schimmerten auf festen Planen aus Öltuch, die den hinteren Bereich der Gruft abtrennten. Gier schien Geld investiert worden zu sein - auf jeden Fall mehr als Vladim der Frau gegeben hatte.


    In der Gruft war es kühl und überraschend wenig feucht. Ein Luftzug ging durch den Raum. Offenbar gab es Luftschächte oder Teile der Gruft waren eingestürzt.


    "Da bist Du also wieder", sagte sie knapp und maß ihn von oben bis unten mit prüfendem Blick. "Was macht Dein Problem?"

    Rieke seufzte und fischte einen weitere Mörser vom Boden, der sich aber als zerbrochen herausstellte.


    "Ich finde schon was", erklärte sie entschlossen. "Nimm Du Dein Schiff. Ich hinterlasse Dir eine Nachricht, damit Du mich findest, wenn Du wiederkommst. Komm mit, ich zeige Dir, wo."


    Sie führte Vladim aus dem Laden und wieder durch die engen Gassen, bis sie ein halb verfallenes Haus erreichten. Nach einem kurzen Blick rechts und links schlüpfte sie unter einem herabgestürzten Balken hindurch in das Areal, das einmal ein kleiner Nutzgarten gewesen zu sein schien. In der Mauer eines zerstörten Brunnens gab es einen Ziegelstein, der sich herausnehmen ließ. Dahinter zeigte sich ein Hohlraum, der groß genug war, um Nachrichten und kleine Gegenstände zu lagern.


    "Nun, dann sehen wir uns, wenn Du wieder da bist, Hexer. Viel Erfolg bei Deiner Reise."

    Alanis räusperte sich.


    "Von der Schneise bitte ich abzusehen, das Land mag so etwas gar nicht gerne und ist ziemlich sensibel."


    Sie holte eine dritte Tasse hervor und goss allen Tee ein. Dann verteilte sie den Tassen an den Monsterjäger und die Schlangenhexe, bevor sie selbst über die heiße Flüssigkeit pustete und einen Schluck nahm.


    "Vladim, wiederhol das nicht immer. Ich bin nicht vergrätzt und so langsam bekomme ich den Eindruck, Du sagst es so oft, damit es wahr wird. Vielleicht solltest Du an Deiner Einstellung arbeiten, denn Taten folgen aus der inneren Haltung."


    Ihre Stimme war freundlich, doch eine gewisse priesterliche Ernsthaftigkeit war nicht zu verleugnen.


    "Waffenstillstand klingt auch für mich gut - ich möchte nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Weder Wesenheiten noch das Land. Wenn Ihr etwas braucht, lasst es mich wissen."

    Alanis schüttelte den Kopf.


    "Ich warte, bis sie aufwacht und wieder auf den Füßen ist. Es hat Euch beide ganz schön gebeutelt, ich will nicht, dass Ihr nochmal irgendwie aneinander geraten."


    Skepsis war auf ihrem Gesicht zu sehen, aber auch Zuneigung.


    "Ich meine, ich bin sicher, dass das gerade keiner von Euch plant, aber man weiß ja nie."

    Eine Schuhspitze traf Vladims Schienbein, allerdings nicht sonderlich hart.


    "Vladim, ganz ehrlich? Halt die Klappe."


    Sie grinste kurz, dann wurde ihr Gesichtsausdruck deutlich sanfter.


    "Ach Du", lächelte sie sachte und schüttelte leicht den Kopf. "Was soll ich denn an einem Ort, an dem mich niemand kennt und zu dem ich keine emotionale Bindung habe? Danke für das Angebot, aber ich muss ablehnen. Ich bin wirklich zu alt, um noch einmal ganz neu anzufangen."

    Alanis Mundwinkel zuckte amüsiert. Ihr Blick war freundlich, keinesfalls anklagend oder abwertend.


    "Na, ganz so schlimm wird es nicht sein. Immerhin schläfst Du nicht mit jeder Frau, die Du kennenlernst."


    Sie setzte sich zu Vladim an den Tisch und schlug die Beine übereinander.


    "Ich denke sie kommt klar", ergänzte sie dann mit dem Blick auf Melyanna. "Du hast vielleicht gerade keine Antworten für sie, aber das heißt nicht, dass es diese Antworten nicht gibt. Lade das nicht auf Dich - es gibt genug für Dich zu tun. Und nein, damit meine ich keine Schweinezucht."

    "Nun, die offensichtlichste Antwort auf einen so gearteten Fluch - so es ihn denn gibt und wir uns nicht irren -, dass Du aufhörst, Dich zu verhalten wie die Axt im Walde und dann davonzulaufen."


    Alanis nahm mit Hilfe eines Topflappens den Kessel vom Herd und goss den Tee auf.


    "Aber da ich vermute, dass Vieles in Deinem Verhalten aufgrund Deiner Natur nicht für Dich kontrollierbar ist, können wir diese Lösung wohl vergessen."

    Alanis Mundwinkel zuckten.


    "Ich kann die Elemente bitten, es mir zu zeigen. Wenn Du Magie willst, die sicher und eindeutig Ergebnisse zeigt, solltest Du einen Magier finden und befragen. Ich bin schließlich keine Gebetsmühle, die man dreht und die dann Ergebnisse ausspuckt."


    Ihr Blick ruhte ebenfalls auf der Schlangenhexe, dann kehrte er zu Vladim zurück.


    "Ich weiß, dass es Monate her ist. Vielleicht war es wirklich kurz davor. Und vielleicht sollten wir überlegen, ob es da eine Gelegenheit gab, Dich zu verfluchen. Und vor allem, worauf dieser Fluch zielt. Emotionale Aufregung in der Nähe von Frauen, die in einem schlafwandlerischen Zustand endet? Das ist schon ziemlich spezifisch, würde ich sagen."

    Alanis warf einen prüfenden Blick auf den Kessel, dann schritt sie durch den Raum und befüllte die Teekanne mit der Selbstverständlichkeit einer Person, die sich in diesem Haushalt gut auskannte.


    "Vielleicht hat es jemand erst vor einer kleinen Weile verflucht? Ich vermute zwar, dass Du das Medaillon nicht so oft abnimmst, aber es wäre eine Möglichkeit."


    Sie hob die Schultern.


    "Ansonsten wartete der Fluch vielleicht auf ein bestimmtes Ereignis, dass er Dir dann von diesem Zeitpunkt an so richtig versauen sollte."