Am Strand entlang geht eine zierliche Gestalt, mit langen, dunklen, leicht gewellten Haaren. Ab und an hält sie inne und schaut aufs Meer hinaus, als würde sie auf jemanden warten. Ihre Haare und ihr Rock flattern im Wind. In ihrer Hand hält sie einen Beutel, den sie eng an sich drückt.
Auf einem Stapel Treibholz lässt sie sich nieder. Mit von der Gischt klammen Fingern löst sie den Knoten um den Beutel. Erst holt sie eine Pfeife heraus, dann ein Barett. Ihre kleinen Hände umklammern beide Gegenstände und ihre Schultern beben, als sie bitterliche Tränen vergießt.
"Wo bist du?" denkt sie zornig. "Wieso hast du mich so früh allein gelassen? Die ganzen Jahre... ich hätte dich gebraucht."
Das Barett gleitet aus ihren Händen, als sie die Knie an den Oberkörper zieht und ihr nasses Gesicht darin birgt.
"Heute habe ich Geburtstag." denkt sie. "Du solltest bei mir sein. Bei mir und Mutter. Du solltest mich in den Arm nehmen und sagen, dass du mich lieb hast. Dass ich so groß geworden bin."
Mit einer zornigen Bewegung schleudert sie die Pfeife in die Gischt, in der sie sofort verschwindet. Und schon im nächsten Augenblick springt sie auf und rennt dorthin, wo das Stück versunken ist. Bis zu den Knien steht sie im heranrollenden Meerwasser und bald ist sie komplett durchnässt. Doch am Ende findet sie doch das geliebte, so gehasste Stück. Hastig steckt sie es wieder in den Beutel zurück und sammelt auch das Barett auf.
Tia hat heute Geburtstag. Doch seit ihr Vater tot ist, hat sich ihre Mutter verschlossen. Heute feiert niemand mit Tia.