Beiträge von Keela

    Keela lächelt und nickt.


    „Ja, ich weiß."


    Nach dem sie einen letzten Blick auf das Bild geworfen hat, um sich ja alles einzuprägen, wendet sie sich wieder Lian zu und schaut ihn einen Moment nachdenklich an.


    „Ich danke Euch. Für alles. Es wäre schön, Euch und diesen Ort eines Tages wieder besuchen zu dürfen … vielleicht einmal einfach um eines Besuches willens und nicht weil ich wieder Fragen oder Bitten an Euch habe. “

    Keela merkt, dass die kurze Zeit der Ruhe in Asbraven Keep zu Ende geht und langsam beginnen ihre Gedanken wieder um die bevorstehende Expedition zu kreisen.

    Als Lian die Laterne in die Höhe hält und die bemalte Wand erleuchtet, bleibt Keela fast die Luft weg. Das hätte sie nicht erwartet … minutenlang bleibt sie schweigend vor dem Bild stehen und lässt es auf sich wirken. Sie fühlt sich seltsam berührt von den Darstellungen … auf eine Weise, die sie nicht ganz einordnen kann.


    Schließlich tritt sie einen Schritt zurück und versucht, sich möglichst viel einzuprägen. Wenn dieses Gemälde die Antworten auf ihre Fragen bergen soll, dann will sie keinen Pinselstrich übersehen … kein Detail vergessen.


    Selbstvergessen murmelt sie vor sich hin.


    „Zwei Seiten … die eine hell, die andere dunkle … zwei Wege, zwischen denen sich ein jeder entscheiden muss … ? Oder zwei Seiten im Gleichgewicht … fließt in der Mitte alles zusammen … entspringt dem Baum ein Fluss … Fluss des Lebens … die Lebensader eines Landes … oder ist alles ganz anders … “


    Dann schaut sie Lian an …


    „Lian … dieses Bild ist … unglaublich … es wirkt fast unwirklich hier unten. Im Moment erscheint es mir noch sehr rätselhaft … aber ich vertraue Euch und wenn Ihr sagt, dass es mir helfen wird zu verstehen, dann … ist das so … “


    Sie kennt Lian lange genug, um keine Antwort auf die nächste Frage zu erwarten … aber sie wäre nicht sie selbst, wenn sie es nicht probieren würde.


    „Wie versteht Ihr die Darstellungen?“

    Weil Lian nicht auf ihr Angebot eingeht, nimmt sich Keela vor, dem Orden eine große Spende zukommen zu lassen. Als Lian die Begleiter erwähnt, folgt sie ihrem Blick und meint, einen Umriss im Halbschatten ausmachem zu können. Loghain? Sie weiß es nicht … aber sie fühlt sich an den Morgen der Abreise erinnert, als Loghain sie vom Türrahmen her beobachtet hatte. Nur … erkennen kann sie ihn nicht. Sie beschließt, später darüber nachzudenken.


    Neugierig geworden durch Lians Ankündigung, nimmt sie seine Hand und lässt sich aufhelfen. Für einen kurzen Moment wartet sie, ob der Schwindel zurück kommt, aber ihr Kreislauf scheint sich berappelt zu haben.

    Auf Thalions Kommentar hin schüttelt Keela leicht den Kopf, lächelt aber.


    „Ganz bestimmt …“


    Dann wendet sie sich Lian zu.


    „Mir geht es gut … sehr gut … und dann ist da noch etwas, das ich nicht so recht in Worte fassen kann … ich glaube, „frei“ trifft es am besten ...“


    ... frei von einer Verbindung, über die ich nicht viel weiß, fügt sie in Gedanken hinzu. Aber Lady Amalias und Lians Warnung bezüglich des Mals waren sehr deutlich gewesen …


    Nachdenklich nickt Keela. Dann strafft sie die Schultern und schaut Lian an.


    „Ich bin Euch unendlich dankbar … sagt, gibt es irgendetwas, das ich für Euch oder den Orden tun kann? Ich habt viel für mich getan und ich würde Euch gerne ein wenig davon zurückgeben .“



    Irgendwo in ihrem Hinterkopf manifestiert sich das Gefühl, beobachtet zu werden ... mal wieder.

    Keela fühlt sich benommen und schwindelig und ist froh, dass Thalion ihr aufhilft.


    Das Ritual hat an ihren Kräften gezehrt. Von dem Geruch nach verbrannten Fleisch war ihr übel geworden und Lians unheimliche Veränderung hatte ihr Angst eingejagt. Aber da sie großes Vertrauen in Lian hatte, war sie ruhig sitzen geblieben und hatte sich nicht einmal gerührt. Irgendwie hatte er ihr das Gefühl gegeben, dass sich alles zum Guten wenden würde.


    Als Lian die Brandwunde von ihr nimmt, bekommt sie ein schlechtes Gewissen. Sie hätte ihm das gerne erspart, aber bevor sie etwas sagen kann, bittet er sie schon nach draußen zu gehen.


    Draußen vor dem Tempel atmet sie tief durch und betastet etwas ungläubig die unversehrte rechte Gesichtshälfte.
    Dann muss sie lächeln … trotz des Schwindels und der bleiernen Müdigkeit, die sich in ihrem Körper breit macht


    „Ich fühle mich tatsächlich … frei.“


    Dann merkt sie, wie ihr langsam schwarz vor Augen wird.


    Um sich nicht die Blöße einer Ohnmacht zu geben, zieht sie Thalion ganz schnell zu einer steinernenden Bank.
    Als sie sitzt, klart ihr Blickfeld langsam wieder auf.


    Entschuldigend zuckt sie mit den Schultern.
    „Ich bin wohl etwas zu schnell aufgestanden.“

    Keela atmet tief durch.


    Das Mal hatte sich in den letzten Wochen verändert. Haut war darüber gewachsen und ein Wulst hatte gebildet. Die Stelle was heiß wie bei einer Entzündung. Sie hatte sich gefragt, ob ihr Körper vielleicht gegen die fremde Macht ankämpfte.
    Diese Hoffnung hatte sich an diesem Morgen allerdings zerschlagen. Nach dem Aufstehen hatte Keela bemerkt, dass sich der Wulst langsam zurückbildete und den Blick auf das Mal wieder freigab – und das erschien nun deutlicher denn je. Bald würde sie es nicht mehr als blauen Fleck oder schlecht verheilte Brandwunde deklarieren können. Die Zeit drängt.


    Keela dreht sich zu Lian um und legt das schwarze Tuch ab, das stets einen Teil ihres Gesichts verhüllt hatte.
    Dann nickt sie langsam. Ihr Gesicht drückt Entschlossenheit aus.


    „Ich möchte es nicht einen Tag länger tragen.“


    Sie stockt einen kurzen Moment.


    „Doch bitte sagt mir, was versteht Ihr unter ,bereit’ sein? Geht es um eine bestimmte innere Einstellung? Und …“


    Ihre Stimme wird leiser.


    „Könnt Ihr mir sagen, was genau passieren wird?“

    Auch Keela lächelt, als sie sich bei Lian bedankt.


    Sie merkt, dass es die richtige Entscheidung war, noch einmal diesen Ort aufzusuchen, dessen ruhige Atmosphäre seinen Bewohnern so viel Kraft schenken kann.


    Als sie sich auf das harte Bett setzt, merkt sie erst, wie müde sie die Reise gemacht hat.


    Wenige Minuten später ist sie eingeschlafen. Keine Albträume in dieser Nacht ...

    Auf Lians Antwort hin nickt Keela nachdenklich.


    Dann strafft sie die Schultern und schaut Lian mit klarem Blick an:


    „Habt Dank für Eure Worte. Ich werde sie beherzigen.“


    Sie weiß, dass Lian mit allem, was er sagte, recht hatte. Aber eigentlich will sie weder ihn noch sonst irgendjemanden mit ihrer Trauer und der ewig gleichen Geschichte belästigen. Es ist doch alles schon so lange her, denkt sie. Sie würde dieses Kapitel gerne abschließen … aber wie soll das gehen, wenn der, der einst Marek war, ständig seine hässliche Fratze zeigt?


    Als sie aufsteht, legt sie Thalion kurz die Hand auf die Schulter. Sie weiß, dass der bevorstehende Moment für ihn nicht leicht sein wird.


    Dann folgt sie Lian schweigend in ihre Unterkunft.

    „Ihr könnt es beseitigen? Damit würdet Ihr mir sehr helfen …“


    Keela sieht Lian hoffnungsvoll an.


    „Und … ja … Ihr habt recht. Es gibt noch einen anderen Marek in meinem Herzen. Aber in den letzten Jahren wurde diese Erinnerung von immer neuen recht hässlichen Bildern überlagert.“


    Ihre Stimme wird leiser.


    „Sich das, was einmal war vor Augen zu führen, kostet Kraft. Denn ich weiß, dass es nie mehr so sein wird … dass er nie mehr so sein wird.“


    Keela weicht Lians Blick aus, fixiert die Wand hinter ihm. Jetzt hat sie doch mehr gesagt, als sie anfangs beabsichtigt hatte.

    Lians Frage überrascht Keela.


    Thalions Vorschlag quittiert sie mit einem abwesenden Kopfschütteln.


    Dann lächelt sie traurig und schaut Lian nachdenklich an.


    „Über welchen Marek soll ich Euch erzählen? Über den Marek, der niemals einen Gefährten im Stich gelassen hätte? Der fest im Glauben an Lukranis verwurzelt war?“


    Ihre Züge werden wieder ernst.
    „Oder über den Marek, der ein Zerrbild seiner selbst geworden ist? Der sich plötzlich gegen alles wendete, an das er früher geglaubt hatte?“

    Keela muss auch kurz lächeln.


    "Nein, vermutlich nicht."


    Dann wird sie wieder ernst und schüttelt sacht den Kopf.


    „Bitte, entschuldige Dich nicht. Ich habe Dir sehr zu danken. Besonders dafür, dass Du vor nun mehr als vier Götterläufen beschlossen hast, diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen.“

    Keela unterdrückt den Impuls, mit den Augen zu rollen.
    Muss er sie immer und immer wieder daran erinnern?
    Aber gleichzeitig weiß sie auch, dass er recht hat und schon hat sie ein schlechtes Gewissen. Sie ist zwar nicht aus Glas, aber beileibe auch keine Kriegerin.b


    Sie erwidert seinen Blick und antwortet mit leiser Stimme:


    "Ich kenne unsere Feinde. Besser als manch anderer Teilnehmer dieser Expedition. Und ich weiß, dass es nicht leicht sind wird ... aber hab vielen Dank dafür, dass Du Dir so viele Gedanken um mein Wohlergehen machst. Ich ... weiß das zu schätzen."


    Thalion merkt, dass sie diesen letzten Satz ernst meint - auch wenn er etwas distanziert klingen mag.

    Keela registriert Lohgains Blick und bekräftigt Thalions Worte mit einem Nicken.


    Dann setzt sie sich zu Thalion an den Tisch und wartet bis er seine Gedanken zu Ende gedacht hat.


    Als er sie anspricht, nickt sie langsam.


    "Ja ... Du hast recht. Ich weiß manchmal nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin nicht daran gewöhnt, dass man mich behandelt, als sei ich aus Glas und könnte zerbrechen. Was Deine Frage angeht ... ",


    sie denkt kurz nach und lässt ihren Blick durch den Raum schweifen.


    "Dieser Ort hat wie immer eine ganz besondere Atmosphäre ... er tut mir gut. Wie geht es Dir?"

    Keela tritt neben Thalion durch die Pforte.


    Sofort kommen die alten Bilder aus ihrer Erinnerung wieder ans Licht ... Asbraven Keeo war das erste Ziel von Thalions und Keelas Reise gewesen. Eine Reise, die mit Unterbrechungen nun schon mehrere Götterläufe andauerte ... eine Reise, die mitunter sehr anstrengend gewesen war ... und die versprach, auch in den nächsten Monaten nicht leichter zu werden.


    Keela merkt, dass Thalions Schritte schwerer werden, sie weiß, was ihn bedrückt. Sie würde ihm gerne Mut machen - aber alle Worte, die ihr einfallen, klingen in ihren Gedanken hohl und unpassend.
    Also begnügt sich sie damit, kurz seinen Arm zu streifen und ihm zu zunicken.


    Dann wartet sie, ob es eine Reaktion von drinnen gibt.

    Keela schüttelt langsam den Kopf.


    „Nein … ich dachte lediglich an Räuberbanden … aber da habt Ihr mir ja nun meine Sorge genommen.“


    Sie lächelt ihn kurz an, dann zieht sich einen etwas größeren Ast neben Thalions Stein und setzt sich behutsam hin. Möglichst ohne das Gesicht zu verziehen … fast gelingt es ihr auch. Innerlich verflucht sie noch einmal ihre mangelnde Übung was das Reiten angeht und wendet sich dann Thalion zu.


    „Noch mal wegen Loghain …“ sagt sie mit gesenkter Stimme „… für ihn ist es wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig, jemanden von weither – jemanden, der sich mit den daynitischen Gepflogenheiten überhaupt nicht auskennt - als Hauptmann zu akzeptieren … ich denke, daher kommt seine Reserviertheit. Aber ich muss Dir ehrlich sagen, Du machst Deine Sache gut … ich weiß, dass das auch für Dich ungewohnt ist“