Beiträge von Thankmar

    An einem Tisch weiter hinten saßen zwei Männer, deren Kleidung noch deutlich von der Arbeit auf dem Feld sprach. Beide betrachteten das wilde Treiben, als sei eine Schar Hühner eingefallen, die jetzt den Laden schmiss.


    "Ehm..." brummte einer, schob sich die Kappe nach hinten und kratzte sich den Haaransatz.


    "Hmhm." machte der andere und wischte sich den Schaumbart ab, den das Bier auf seiner Oberlippe und in seinem echten Bart hinterlassen hatte.


    Ein dritter hatte den Kopf auf die Arme gelegt und schaute verträumt den wohlriechenden Topf an.


    "Hrrmm.." sagte er und nickte.

    Einer Gruppe Gardisten wurde von ihrem Korporal eine Unterbrechung ihrer Übungen angeordnet.


    "Pause, Männer! Trinkt was und nehmt einen Happen zu euch. Fünfzehn Augenblicke, dann geht's weiter."


    Der Gardist Humbert setze sich auf eine Holzbank am Rand des Übungsplatzes, Hemma stellte ihre Armbrust beiseite und nahm neben ihm Platz. Etwas irritiert sog sie einige Atemzüge Luft durch ihre Nase, schaute suchend nach links, schaute nach rechts.


    Humbert griff indes in seinen Brotbeutel
    "So erstmal eine Wurststulle, das gibt neuen Schwung."


    "Sag mal, bist duuu das?" fragte Hemma und schaute Humbert argwöhnisch an. Irgendwas war komisch. Jetzt roch Humbert es auch. Dann fiel sein Blick auf die beiden Brotscheiben in seiner Hand, zwischen denen etwas bräunliches seinen Platz gefunden hatte, was zwar die Form von Würsten hatte, aber ganz sicher keine Wurst war - allerdings war nun klar, woher der Geruch stammte.


    "Was zum....wer zum Henker...das ist ja EKELHAFT!" rief Humbert und warf die Wurststulle angewidert neben sich auf dem Boden, während Hemma in lautes Gelächter ausbrach. Da hatte sich wohl jemand eine kleine Schelmerei erlaubt...

    "Bist wohl nich' so gesprächig, hm?"


    brummt der Mann.


    "Hab auch eine Tochter. Ist wohl etwa so alt wie du. Aber die redet wie ein Wasserfall."


    Er grinst und entblößt dabei eine Zahnlücke.


    "Ach weiß'du was, nimm die. Aber teil sie mit deinen Geschwistern."


    Mahnend wackelt er mit dem Zeigefinger und reicht ihr die Tüte, in der noch einige weitere Würfel der goldgelben Klebmasse sind.

    Dass ein Kind, dazu noch ein Mädchen in diesem Alter schreiben können könnte, scheint dem Mann vollkommen fremd zu sein.


    "Neeee, das' nix zum spielen."


    grinst er aber freundlich.


    "Pass ma' auf..."


    Er beginnt in einer Kiste zu kramen, die unter seinem Tisch steht und holt eine weißes Tütchen hervor, das er ihr geöffnet zum rein greifen hin hält.


    "Magstn' Karamell, Kleine?"

    Offenbar wegen des schönen Wetters hat ein Angestellter des Hafens seinen Schreibtisch nach draußen verfrachtet. Der Kapitän hat wohl bereits alle Formalitäten erledigt und die Ladung wird gelöscht. Der Angestellte kaut gelangweilt auf einem Griffel herum und hat seinen Kopf auf seine Hand gestützt.
    Müde blinzelt er den lärmenden Haufen an.


    Eine Möwe segelt kreischend über die Köpfe der Neuankömmlinge hinweg und hat auch schon wieder einen Aufwind genutzt um sich in die Höhe zu schwingen.


    Gerade hieft auch ein betagter Mann einige Kisten gefüllt mit Fisch von seinem kleinen Boot. Als er Kassandra mit dem Anhang sieht, tippt er sich an die Mütze und grinst ein beinahe zahnloses, aber freundliches Lächeln.

    Auf die Frage hin empfahlen sie ihm den Zaunkönig und beschrieben ihm den kurzen Weg zu der Schänke. Über die Existenz der Flunder wurde - natürlich - ein Schleier des Schweigens gelegt.

    Der eine Wachhabende hatte bereits seinen Oberkörper in einem Schrank versenkt und tauchte wie gerufen mit der Waffe auf.


    "Wäre zu schön gewesen, hättet Ihr ihn vergessen. Hübsches Stück."


    grinste er, was ihm einen geradezu mörderischen Blick von seinem Vorgesetzten einbrachte. Sofort straffte er seinen Rücken und starrte geradeaus.


    "Einen schönen Tag noch." setzte der Offizier hinzu.

    Nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür wieder und der Gardist erschien mit dem selben versteinerten Gesicht, das er stets zur Schau trug. Wieder einige Zeit später kam auch der Bote wieder heraus.


    Der Gardist nickte ihm zu und geleitete ihn zur Tür. Kurz darauf fand er sich vor der Präfektur wieder.

    Der Armbrustschütze musste ein bisschen grinsen, als der Bote zusammenzuckte. Die linke Wache lehnte ihre Hellebarde an den Türbogen und begann eine gründliche Durchsuchung. Man merkte, dass er das bereits einige Jahre machte und dass sein Vorgesetzter ihm auf die Finger sah.


    Danach wurde Rickard eingelassen. Der Offizier am Tor nickte ihm noch einmal zu und schloss die Tür hinter ihm. Drinnen wurde der Bote direkt in Empfang genommen von einem schlicht, aber gut gekleideten Diener mit schütterem, grauen Haar.


    "Exzellenz erwartet Euch. Bitte folgt mir."


    Nach einigen Schritten mochte Rickard bemerken, dass sich ihnen ein anderer Gardist angeschlossen hatte. Seinen Plattenrock konnte man nur erahnen, da er durch den Stoffbezug nicht klirrte. Er war mit einem Kurzschwert an der Seite und einer Hellebarde bewaffnet, die etwas kürzer war als üblich.


    Nach einigen Abzweigungen und einer Treppe kamen sie vor einer dunklen Holztür an, die mit Blumenrankenschnitzereien verziert war. Der Diener klopfte an und wartete auf ein Zeichen von innen. Dann öffnete er die Tür und ließ den Boten ein. Hinter ihm betrat der Gardist den Raum und postierte sich innen neben die Tür.


    [Bitte PN an Anderer Magonier beachten]

    Gut zehn Augenblicke musste der Bote sich gedulden, bis die Tür sich wieder öffnete. Und schloß. Nachdem einige Worte gewechselt worden waren.


    "Ihr erlaubt, dass ich Euch nach Waffen untersuchen lasse? Im Präfekturgebäude sind keinerlei Waffen zugelassen. Ausgenommen natürlich die der Wache und der Hohen Herrschaften selbst."

    Als der Bote die Procuratorin 'Paladinanwärterin' nennt, zuckte es kurz im Gesicht der Wache. Dann hatte er sich rasch wieder im Griff. Die Wache linkerhand, die bisher nur schweigend zugehört hatte, öffnete die Tür und wechselte ein paar leise Worte mit einer Person dahinter.


    "Ihre Excellenz..."


    Er betonte den Titel sehr deutlich um die Stellung der Procuratorin hier deutlich zu machen.


    "... die Procuratorin wird davon unterrichtet, dass ein Bote wartet. Ihr werdet dann erfahren, ob sie Euch empfangen wird."


    Die linke Wache nahm wieder die vorherige Stellung ein und nickte dem anderen nur zu. Der verzog die Lippen zu etwas, was ein unverbindliches Lächeln sein mochte und wartete vorerst ab.

    Zwei Gardisten mit Hellebarden standen zu beiden Seiten des Eingangs. Etwas versetzt und erhöht befand sich ein Armbrustschütze, dessen Waffe locker in der Armbeuge lag. Aber nicht so locker, dass er sie nicht sofort hätte einsetzen können. Nachdem er einen Bolzen aufgelegt hatte versteht sich.


    "Die Fünfe zum Gruße."


    erwiderte der Rechte, während die beiden anderen nur nickten.


    "Euer Name zuerst, wenn es recht ist. Und was ist Euer Begehr? Die Procuratorin ist schwer beschäftigt. Ich hoffe, Ihr versteht, dass sie für Belange, die nicht von größter Wichtigkeit sind, ihre Leute hat."

    Das Wetter hatte dazu beigetragen, dass die ersten Packen Papier fertig gestellt werden konnten. Meisterin Birda markierte einzelne Blätter mit einem kleinen Strich dunkler Tinte in der rechten, oberen Ecke. Danach sortierte sie die Blätter und rief ihre Lehrlinge zusammen.


    Geduldig wertete sie die Arbeit aus. Auf einigen wenigen Blättern war die Tinte rettungslos verlaufen. Diese zerriss sie und gab sie an die Lehrlinge weiter, damit sie die viel zu grobe Struktur des Materials fühlen konnten. Die anderen, auf denen die Tintenlinie gestochen scharf verblieb, reicht sie ebenso weiter um den Unterschied zu zeigen.


    Wenig später schlug Birda einige Packen Papier, die sie vorher verschnürt hatte, in Stoff ein und gab sie Morn in die Hand.


    "Geh zur Akademie und übergieb ihnen das als kleine Aufmerksamkeit. Mit den besten Grüßen von der Renascâner Papiermühle."

    Kritisch hob Meisterin Brida das Papier gegen das Licht und drehte es. Neben ihr stand Anna und knetete nervös ihre Schürze in den Händen. Brida brummte, besah das Blatt von nahem und fuhr mit dem Zeigefinger die Struktur der Muschel nach. Sie wiegte den Kopf, gab Anna das Werkstück zurück.


    "Gut, Anna. Üb weiter und das könnte sehr gut werden."


    Die Wangen des Mädchens überzogen sich mit einem zarten Rot ob des unerwarteten Lobs. Einer der Burschen hatte schon gehen müssen, weil er einfach kein Talent hatte. Ein weiteres Mädchen hatte seinen Platz eingenommen


    "Geh wieder an die Arbeit, Anna. Hier.."


    sie zeigte ihr einige kleinere Stellen.


    "... hier musst du aufpassen. Siehst du? Am Rand der Muschel ist es nicht gleichmäßig. Versuch es noch mal."


    Anna nickte eifrig.


    "Ja, Meisterin Birda." antwortete sie und eilte sofort los.


    Birda sah ihr mit einem zufriedenen Lächeln nach, was ihre Züge sofort weicher machte. Anna war überraschend gut dafür, dass sie dieses Handwerk erst wenige Wochen betrieb. Aber sie, Birda, würde ihr das niemals sagen. Nicht jetzt. Vielleicht in ein paar Jahren, wenn das Mädchen ausgelernt hatte. Ja, möglicherweise dann.

    Mit langsamen Schritten durchmaßen Tannhalf und eine Frau mittleren Alters den Hof. Sie trug eine Schürze aus dickem Stoff, die den Flecken darauf zu urteilen offenbar ihren Zweck erfüllte. Ihre Hände hatten Schwielen und schienen Arbeit gewohnt. Das halblange, angegraute Haare hatte sie unter eine Haube gesteckt, so dass nur wenige, vorwitzige Strähnen hervor sahen.


    Ihre ganze Haltung verriet ein gewisses Selbstbewusstsein, das sicherlich mit ihrem Tun zusammen hing.


    Drei junge Burschen und zwei Mädchen wuselten geschäftig auf dem Hof hin und her. Einer kam gerade aus dem Haus gelaufen und trug einen großen Bottich, der voll war mit einer zähen, gräulichen Masse. Das Mädchen, das an einem der Becken im Hof gewartet hatte, zog bei dem Geruch die Nase kraus, begann aber dann zügig mit der Arbeit.


    Sie schippte Kleckse der Masse auf Netze, die in einer Art Holzrahmen gespannt waren. Das gleichmäßige Muster der Fäden wurde durchbrochen von einem Draht, der in Form einer Muschel gebogen worden war und flach auflag. Bedächtig wischte sie mit dem Spatel über die Oberflächen, so dass eine gleichmäßige Fläche entstand. Die Frau besah sich das Ergebnis und nickte zufrieden.


    Der Bursche neben ihr stellte sich nicht so geschickt an. Er drückte die Masse durch das Netz hindurch. Mit einem vernehmlichen Klatschen landete ein Großteil im Becken. Sofort hob die Frau die Hand und verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf.


    "Mehr Gefühl, Dummkopf! Weniger Kraft. So. Siehst du? Lass es dir noch mal von Anna zeigen."


    Völlig schockiert, dass diese Frau die Hand gegen ihn erhoben hatte, starrte der Bursche sie an. Als sein entgeisterter Blick zu Tannhalf glitt und der ihn nur gleichmütig lächelnd erwiderte, fügte er sich aber in sein Schicksal.

    In den kommenden Wochen trug man allerlei seltsames Gerät in das Gebäude. Ein Mühlrad wurde angebracht, das der Raken in ständiger Bewegung hielt. Im Kontor wurde Wollstoff geordert, schwerste Qualität und damit wurden die Fenster verhangen, so dass kein Lüftchen hereinwehen konnte und auch das Licht draußen blieb.


    Man munkelte, dass ein großer Kamin eingebaut worden war und in einem Schuppen Unmengen von Brennholz lagerten. Und große Mühlsteine wurden hergebracht, die ebenso im Zwielicht verschwanden.


    Und zufrieden lächelnd trohnte über allem Herr Tannhalf, der wie immer alles überwachte und selbst Hand anlegte, wenn irgendetwas nicht funktionieren wollte, wie er sich da vorstellte.


    Einige der Burschen, die geholfen hatten den Bau zu errichten, nahm er dann beiseite und wechselte leise Worte mit ihnen. Ein paar davon reichten ihm danach glücklich grinsend die Hand und besiegelten so den Handel.

    Schon viel zu lange hatte man dem Regen Zeit gegeben nachzulassen. Unerbittlich hatte Tannhalf die Fortsetzung des Baus trotz des ungemütlichen Wetters angeordnet. Um die bereits murrenden Arbeiter jedoch wieder ein wenig versöhnlicher zu stimmen, hatte er eine junge Frau angeheuert, die in einem trockenen Zelt nahe bei der Baustelle stets heißen Tee und Eintopf bereit hielt. Gegen Abend wurde der Tee sogar mit einem Kessel heißen Weins ausgetauscht, was die Stimmung merklich hob.
    Alle Arbeiter erschienen pünktlich am Morgen und aus der Baustelle wurde nun rasch ein langgezogenes Haus, auf dessen Hof einige seltsam anmutende Becken entstanden.

    Etwa hüfthoch war der Grundriss nun und die Bauarbeiten stockten bereits seit Tagen. Die anhaltenden Regenfälle hatten die Raken anschwellen lassen und es fehlte nicht mehr so arg viel und der kleine Strom würde über die Ufer treten.


    Tannhalf stand mit unwirsch gerunzelter Stirn oben am Weg und überschaute seine Baustelle. Es ging ihm zu langsam. Er zog den Kopf zwischen die Schultern und zog den Mantel enger um sich um wieder zurück zur Siedlung zu gehen.

    Am vergangenen Tag war ein Stück des gelockerten Bodens weg geschwemmt worden. Die darauf lagernden Holzbalken hingen nun zum Teil in der Luft. Da jedoch rechte und linke Kante nach wie vor auflagen, stand die Konstruktion noch. Wie lange war aber ungewiss.


    Mit gerunzelter Stirn stand Tannhalf vor der Misere und überlegte. Den Arbeitern, die kurz vorher was von "natürlicher Latrine" gewitzelt hatten, war der Mund verboten worden.


    Einige Stunden später brachten Karren Steine und Sand herbei. Anstatt das Stück wieder zuzuschütten, begradigte und erweiterte man es sogar. Fast ein Viertel der Gesamtgröße ragte es nun in einem kleinen Flüsschen in den Grundriss des Hause hinein. Den Rest des Tages verbrachten schnaufende Männer mit hoch gekrempelten Hosen damit die Wände des Durchbruchs mit Steinen und Sand zu verstärken und die frei hängenden Balken abzustützen.


    Am Ende hatte man einen kleinen Arm des Raken ins Gebäude geholt. Würde man einen Balken drüber hängen, wäre es eine großartige Latrine mit dem beruhigenden Geräusch fließenden Wassers. Oder aber es wäre eine unerschöpfliche Wasserstelle für jemanden, der oft, schnell und viel Wasser brauchte.


    Tannhalf, selbst mit hochgekrempelten Hosen und aufgeknöpftem Hemd, da er mit im Graben gearbeitet hatte, stand auf einen Spaten gestützt neben seinem Werk und lächelte zufrieden. Nicht das, was er geplant hatte, aber keine schlechte Fügung.