Shaê Vampire - Tearasel

  • Shaê I - Vampire, das Erwachen


    "Hier in der Dunkelheit, gibt es nichts mehr was ein unsterbliches Herz noch erwärmen kann!"


    Ihr Blick starr und fixiert auf den Mond gerichtet, wendet sich vom Fenster ab. Eine lautlose geschmeidige Bewegung und sie steht vor mir, vor mir in ihrem langen schwarzen fließendem Gewand, da so gar nicht in die Zeit der Technologie, der lauten Musik und dem oberflächlichem Leben der Menschen passen mag.


    Ihr Kopf legt sich leicht schräg so wie sie mich betrachtet. Das Alter in ihren Augen ist unermesslich, für jemanden wie mich, der den Kuss erst vor so kurzer Zeit empfangen hat, wirkt sie wie eine ferne Göttin...


    Eine Göttin ist sie für wahr. Als sie fort war habe ich begonnen, die Zeichen welche sie auf ihrem Gesicht trägt zu analysieren. Das Internet ist eine feine Abwechslung, wenn einem die unsterbliche Nacht zu langweilig erscheint...


    "Hast du gefunden, was du gesucht hast?"


    Fragt sie wie beiläufig und wendet ihren Blick ab. Sie macht das häufig, Antworten geben auf das, was ich denke. Sie nennt das die Gabe der Stille, ein Geschenk des Lebens, an ihren unsterblichen Tod...


    Der Prozessor des kleinen Laptops rattert vor sich hin, während die Seite lädt. Sie kommt einen Schritt näher, ihr Körper bricht sich kaum im hereinscheinendem Mondlicht. Sie beugt ihr Haupt herab und ein wenig ihres duftenden langen dunklen Haares fällt auf meine Schulter. Ich weiß, das sie nichts fühlt in diesem Moment, dennoch in mir springen Funken in wildem Tanz umher.


    Ihr Mund formt ein Oh, als der Browser angibt die Seite ist fertig geladen und das Erwartete preisgibt.


    Sie wirft nur einen kurzen Blick auf die weißen kleinen Buchstaben mit den unsagbaren vielen Informationen. Dann seufzt sie und schließt ihre Augen.


    "Der Kult ist ausgestorben...schon lange!"


    Noch im gesprochenen Satz, bin ich mir über die Sinnlosigkeit meiner Worte im Klaren, sie übersieht meine Schwäche wie immer... Ein Rascheln ihres Kleides, ein weiterer Blick aus dem Fenster.
    Ihre makellos weiße Haut, die roten vollen Lippen, die wilden blauen Augen und in ihnen das unsagbare Wissen...von vielen Jahrt...


    Eine Handbewegung in meine Richtung gebietet mir Einhalt in meinen Gedanken. Sie sieht mich nicht einmal an. Zwei ihrer filigranen schlanken Finger bleiben an ihrer Schläfe. Sie schließt ihre Augen...


    "Ich habe viel länger geschlafen, als das irgendjemand unseres Volkes sollte, all das was du bewunderst, Alain ist nicht mehr als ein romantischen Trugbild meiner Äußerlichen Erscheinung..."


    Was will sie mir sagen? Das sie nichts weiß, sie weiß alles...


    "UND DENNOCH NICHTS, WAS IN DIESER WELT NOCH VON BELANG WÄRE!"


    Ihre Stimme offenbart ein gefährliches Echo, sie ist gereizt, von jetzt auf gleich...Vorsicht ist geboten.
    Ihre Launen entsprechen ihrer Abstammung, so erzählt sie immer entschuldigend, wenn ein Zimmer, das ihren Wutausbrüchen nicht standgehalten hat einem Bombeneinschlag gleicht.


    Wenn ich sie finde, dann erscheint ihr zarter Körper so zerbrechlich, so schwach, das ich sie berühren möchte, sie festhalten möchte. Doch dieser Wunsch ist Traum, denn sie ist nicht zu erfassen, nicht in ihrer Gesamtheit zu umarmen, so bleibt mir nur das Warten, bis die Visionen ihren Körper verlassen und sie wieder nur das ist, das schweigend meine Gedanken ließt und meinen Fragen Antworten bietet.


    "Du bist das dunkle Orakel, man hat schon immer auf deinen Rat gehört, du warst eine Herrin, wie du eine Dienerin warst, du hast Zeiten gesehen, kennst Geheimnisse und ..."


    Sie blickt auf, sieht mich verwundert an, nur um dann wieder etwas apathisch zu wirken, es reicht um meinen Wortschwall zu unterbrechen...


    "NICHT IN DIESER ZEIT ALAIN..."


    Ihre Worte sind so voller gebrochener Traurigkeit, das ich meinen Blick von ihrem wilden von ihrem perfekten Antlitz abwenden muß.


    Sie hatte wirklich lange geschlafen, die Herrin des dunklen Haines...wie lange, das kann selbst ihr Geist nicht mehr ergründen, trotz ihres unglaublichen Alters, schien sie verloren...Sie war die Älteste, die er kannte, dennoch zu jung um in dieser Welt zu bestehen...


    Deshalb war er hier, er war der Weg, den sie zu beschreiten gedachte...


    "ÜBERSCHÄTZE DEINE POSITION NICHT ALAIN, DU WEISST IN WELCHEM WANDEL ALLES IST!"


    Kein Gedanke ist vor ihr sicher, ich frage mich wie sie das schafft, so viele Seelen in sich zu vereinen...
    Ich blicke mit ihr aus dem Fenster, doch nur kurz, denn sie beginnt unruhig zu werden...plötzlich steht sie auf...und lächelt...


    "Mein Erwecker wünscht sich meinen Rat, Alain, wir sollten seinen ungeduldigen Geist nicht lange warten lassen!"


    Obgleich Loyalität aus ihrer Stimme spricht, so kann ich den nachsichtigen Ton einer Mutter zu ihrem Kind ausmachen. Aber was soll’s sie kann es sich leisten, sie ist Shaê, und wie ich immer zu sagen pflege, he, komm du erst mal in ihr Alter...


    Ein letztes Streichen durch ihr ebenholz farbenes Haar offenbart eine der unzähligen Tätowierungen, die Form einer schwarzen Lilie, welche so scheint es von einem Regentropfen geküßt zu werden. Für einen Moment verliere ich mich in der Abstraktion der Zeichnung auf ihrer Schläfe...


    "SIE IST NOCH IMMER BEI UNS ALAIN, ALL DIE TECHNIK UND DIE COMPUTER, DIE MENSCHLICHE HALLUZINATION DES CHRISTENTUMS HABEN ES NICHT VERSCHAFFT SIE ZU VERTREIBEN, IHR HERZSCHLAG IST SO LAUT, DAS MEINE OHREN FAST TAUB WERDEN VON IHRER ANWESENHEIT."


    Ich lächle nur, öffne die Tür, damit die dunkle Schönheit auf den Flut gelangt. Shaê wird geliebt, das war schon immer so vor ihrem Kuss und seither jede Nacht auch. Er war stolz sie zu kennen aber auch voller Angst, nicht um seinetwegen, sondern um das der ganzen Welt, sie würde die Nacht kommen sehen vor allen anderen, wenn der heilige Krieg über die dunklen Straßen zieht, würde sie seine Wege kennen, wehe dem, der sie nicht aus seiner Seite hat sollte es beginnen.


    "BIS DAHIN IST ES NOCH EIN LANGER WEG ALAIN, DIE MUTTER HAT KEINEN EINFLUSS AUF DAS WAS KOMMT, SIE HAT NUR EINFLUSS DARAUF WAS GEHEN WIRD!"


    Sie lächelt und ihre Reißzähne entblößen sich...Einer gewissen Sanftheit kann sich ihr Lächeln jedoch nicht entziehen.


    "Du bist ein alter Schmeichler, Alain!"


    Dann nimmt sie wie jeden Abend meine Hand und führt mich, zum Erwecker...der sehnsüchtig auf ihre Ankunft wartet. Ach erwähnte ich schon, wie sehr ich die Art liebe, wie sie meinen Namen ausspricht?


    *wird fortgesetzt*

  • Shaê Vampire II, der Kuss der Göttin


    Es ist dunkel, doch der Mond scheint heller als die Sonne es je könnte. Ich schließe meine Augen, atme tief ein. Die Mailuft erfüllt meine Lungen mit dem Geruch von Lavendel, mit Zedernholz und schweren Kräutern, die die Sinne betören. Mit meinen Händen fahre ich den über den grauen kühlen Stein der Höhle.
    Ein dankbares Lächeln erfüllt meinen Geist, ich bin die Auserwählte, die große Mutter hat mir die Gabe zugestanden, ihre Hülle zu sein. Ihre Gnade wurde mir zuteil.
    Ich öffne meine Augen wieder, viele Stunden sind vergangen, seit die Priesterinnen mich badeten, mich wuschen mich anzogen, mich mit den alten Symbolen der Macht bedeckten. Blut mischten sie unter die blauen Farben, nahmen Federn und begannen, Strich für Strich, Kreis für Kreis meine Haut mit den Zeichen der Göttin zu schmücken, Mir die rituelle Gewandung der Sommerkönigin anlegten und mich mit den Blumen der Mainacht zu schmücken.
    Ich zittere vor Kälte und Ehrfurcht vor der Aufgabe die mir zuteil...weit entfernt dringt das Heulen von Wölfen an mein Ohr. Irgendwo dort ist auch der Jäger. Jener, der sich durch das Auge der Göttin hervorgetan hat, durch seine Kraft und seinen Mut, wird das Land wieder leben können...
    Ich rieche das Blut auf meinem Gesicht, meiner Brust, meinem Bauch und den Gliedmaßen. Es ist schon lange trocken, dennoch zieht es die wilden Tiere an, ich weiß es, denn auch das ist vorbestimmt. Nur die Starken werden leben, das ist der Kreislauf der dunklen Mutter, die Natürlichkeit, die alles bestimmt.


    Ein Knacken am Höhleneingang, Trommeln in der Nacht. Mein Kopf zum Teil verhüllt durch die Maske neigt sich zum dunklen Ausgang, frischer Wind kommt auf, tanzt um die Fackeln und um das mit Schafsfell verzierte Bett...


    Oh große Mutter, Herrin des Rades, Hüterin des Mondes, die jungfräuliche, die Mutter und die Herrin des Todes, du die alle Zeiten gesehen hat, beschütze mich...


    Das Stoßgebet vertreibt den Wind nicht...Die Trommeln aber werden lauter...Jemand hat in die Schale der glühenden Kohlen wieder eines der geheimnisvollen Kräuter gelegt, die den Raum mit schwerem Duft erfüllen und meine Sinne für einen Augenblick schwinden lassen.
    Plötzlich rieche ich ihn....ein Körper betritt den Höhleneingang, ein wenig weiche ich zurück. Sein Schatten von den Fackeln an die Wände geworfen offenbart einen großen Körper auf dessen Schultern das Geweih eines Hirsches zu sehen ist. Er ist es, der rituelle Jäger, mein Gefährte...
    Der Schrecken in meiner Kehle ist wie ein Klumpen, der mir das Atmen nimmt. Jeden Schritt, den er langsam so bemerke ich noch nach vorne tut, weich ich zurück, bis ich in meinem Rücken die harten Kanten des steinernen Bettes spüre. Dann weicht der Schatten an den Wänden, dem wahren Körper des dunklen Jägers.
    Sehe ihn, wie er mich sieht. Sein Oberkörper ist bedeckt mit Blut, Kratzern und weitaus tieferen Wunden, ich kann es an seinem Brustkorb erkennen, er ist gerannt, sein Atem ist schnell und suchend. Überall ist er mit Zeichen bedeckt, das dunkle, geheimnisvolle Blau des Hügelvolkes, Zeichen in einem wahnsinnigen Reigen miteinander verflochten. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen, zu schmutzig ist es von der Erde, dem Blut und halb verdeckt von dem Fell und dem Geweih des frisch erlegten Hirschbullen, das er wie eine Maske auf seinem Gesicht liegen hat. Nur für einen kurzen Moment sehe ich seine blauen, wachen Augen und es erscheint mir wie tausend Herzschläge gleichzeitig, wie ein Blitz durchfährt mich ein Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein und dann weiß ich, was es ist, die große Mutter hat meine Lippen geküßt. Sie ist nicht fern, ich zweifle nicht, mein Körper genießt den Wind, der durch die Höhle fährt, den Blick seiner wilden Augen, als er mich erkennt.
    Er verneigt sich vor mir, das mächtige Geweih des Königshirsches, verbeugt sich vor der jungfräulichen Jägerin.
    Draußen erschallt das Heulen des Hügelvolkes, das die Heimkehr des Königshirsches begrüßt und seine Würdigkeit feiert...Die Konturen vor meinem Auge verschwimmen, die Kräuter tun ihre Wirkung.
    Wie von fremden Mächten gelenkt, hebt sich meine Hand und gebietet dem Jäger auf zustehen...Die Trommelschläge stimmen einen anderen Reigen an...von draußen hellt die ein größeres Feuer auf und tanzende Schatten treten auf den Plan. Der junge Mann erhebt sich, das rote Blut auf seinen Armen ist noch frisch, durch die Berührung unserer beiden Hände ist es auch an mir, wie neuer Lebensfunken so scheint es der durch meinen Körper fährt...
    Dies ist der Beginn, die Vereinigung Kraft und Geist, Hirschgott und Mutter. Die Verbindung wird dem Land neue Kraft geben, wir werden einander dem Land neue Kraft geben....Seine Arme wandern nach oben bis zur Maske, die er trägt, vorsichtig nimmt er sie ab und es offenbart sich das Gesicht eines Jungen, dem ich entgegen lächle. Es ist einer der Männer aus dem Dorf, der sich schon oft durch seine Güte und seinen Mut hervorgetan hat. Die Göttin hat eine gute Wahl getroffen, dieser ist stark, denn er hat den Königshirsch erlegt.
    Er versteht mein Lächeln als Zusage, tritt einen Schritt an mich heran und lässt seine Finger auf den rituellen Zeichen meines Gesichtes ruhen...
    Doch kaum das sein Finger meine Wange berührt, ist es wie ein brennender Schmerz der durch meine Glieder zuckt und für einen Moment spüre ich etwas, ich sehe etwas, einen Schatten, der nicht zu den anderen Schatten passt, weit draußen erschallt das Heulen der Wölfe erneut...Dann ist es vorbei, der Junge aus dem Dorf steht vor mir...Er wird mich nicht erkennen, die Maske der Göttin auf meinem Gesicht...verhindert es...
    Hier paart sich der Hirschgott mit der Jägerin, kein Mann mit einer Frau, alles im göttlichen Kreislauf erfüllt...Als er meine Wangen hinabfährt und das noch warme Blut an seinen Fingern auf meinem Gesicht verteilt, das spüre ich wie sie von mir Besitz ergreift, die Euphorie in meinen Gliedern, die Leichtigkeit ihrer unvorstellbaren Anwesenheit, ein Seufzen entgleitet mir...nicht mehr...nicht weniger...Der große Plan des Schicksals erfüllt sich um dem Land neues Leben einzuhauchen. Alles versinkt im Nebel, ich werde klein, als die Göttin in mir weilt, doch bin ich größer als alles andere, das ich je sah und fühlte...Jede seiner Berührungen umhüllt mich mit einer Freude, einer so unbändigen Kraft...Die Kraftlinien der Erde unter mir erbeben, nehmen unseren Herzschlag auf...
    Er sieht in mir die alte Mutter, ich sehe in ihn den Hirschgott, den Einzigartigen Hüter der Gezeiten...Vor meinen Augen über mir auf dem Bett sehe ich seine wahre Gestalt, ein großer Mann, kraftvoll, mit glänzenden wachen Augen. Sein Kopf hat erneut das Hirschgeweih auf...er ist der Hirsch...Sein Atem ist so kraftvoll, das ich mich an seiner Brust verliere. Als er mich unter sich begräbt ist mein Körper eins mit meinem Geist und mein Geist ist die große Mutter, alles erfüllt sich für mich, die auserwählte Priesterin, die Herrin des Sommers...Nie war der Geist meiner geliebten Mutter so nah bei mir, nie war er mehr als in diesem Moment....Ich höre noch die Trommeln sie schlagen im gleichen Rhythmus wie seine Bewegungen, die Göttin, nein ich umklammere ihn gebe mich ihm hin, bin eins mit ihm...Immer dumpfer, immer schneller werden die Trommeln, die Schreie von draußen von hier werden lauter...alles ist voller Blut, Blut, das den Geist anregt, den Körper stärkt, die Seelen wandeln lässt. Es ist ein Meer aus Blut, ein Meer aus Kraft, ich schreie, so erfüllt bin ich von ihrem Geist und seinem Körper....

  • Der Schmerz ist ebenso voller Gefühl, wie die Lust und die Kraft, die in mir ist...
    Für einen Moment fühle ich mich hochgehoben, in die Luft gewirbelt, doch die Ekstase der Göttin umfängt mich weiter, es wird warm auf meiner Haut...wie ein starker Regen, benetzt er mein Gesicht, wäscht mich, umhüllt mich. Die Haut des Hirschgottes wandelt sich, ich kann das Fell spüren, wie es meinen nackten Körper berührt, kralle mich an ihm fest, etwas rinnt über meine Lippen, keine Schwäche spüre ich ebenbürtig bin ich, Die Vereinigung zweier Körper wird zum Beginn der Erschaffung eines einzigen, mein Gegenüber heult auf, verbeißt sich in mir, ich spüre keinen Schmerz, denn die Göttin wünscht es so...er ist wie ein wildes Tier, doch die Göttin duldet keinen opfernden Körper, es ist ein Kampf der Blinden ich spüre etwas, mein Körper will etwas, mein Geist entläßt mich aus der Schwärze, gibt mir für einen Moment Sicht und ich sehe...Der Hirschgott hat sich gewandelt für einen Augenblick spüre ich den heißen Atem eines Wolfes über mir, seinen Körper in mir, alles ist voller Blut und ich bin Teil des ganzen, ich schließe meine Augen wieder, laß mich durch die Vereinigung treiben...Höre die Schreie, bis ich schließlich von etwas losgelassen werde, das mir wie meine Menschlichkeit erscheint und ich Teil der Natur werde, die Göttin meinen Körper nicht länger benutzt, sondern Teil davon wird...Ein letzter kraftvoller Stoß und der Gott über mir sinkt zusammen, ich hole tief Luft. Kann nichts mehr fassen, zu süß ist der Regen auf meiner Haut, zu süß der Schmerz zwischen meinen Beinen, so laut der Trommeln dumpfer Ton.
    Ich umarme den Wolf über mir... wie er mich umarmt, blicke kurz über seine Schulter zur Höhlenwand.
    Sie steht dort und lächelt, ihre Reinheit, ihre Vollendete Schönheit, nicht fassbar, doch so eindeutig...ich lächle zurück, ihre Gnade hat mich geküßt, ihre Stärke mich umhüllt.
    Doch während die Geschichten der anderen von einer großen Leere erzählen, nachdem alles vorbei war, so fühle ich eine nie dagewesene Fülle...die Göttin würde mich nicht verlassen, so wie sie es bei den anderen getan hat...


    Sie liebt mich, bevor die Nacht über mich hereinbrach und seither jeden Augenschlag meines Lebens...Alles hat Sinn und mit dieser Gewissheit schlief ich blutend und voller Kraft, zugedeckt von dem mächtigen Körpers eines Gottes ein, bis mich die Priesterinnen weckten und mich badeten, mich von dem geliebten Regen befreiten, der meinen Körper bedeckte...
    Der Hirschgott war verschwunden, zurück blieb nur die Süße seines Geruches, nicht an mir, sondern in mir und ich fühlte, das ich zu mehr berufen war, als zur Priesterin, mehr als die Sommerkönigin...Ich hatte von der Göttin gekostet, und der Gott von mir...
    Ich sah es in ihren Augen, ehrfürchtige Augen, geflüsterte Worte, Finger die voller Hochachtung meine Schläfe entlang strichen...
    Sie ist auserwählt wurden, ihr Wille wandelt auf unserem Boden, sie ist die Herrin über die Nacht...und ja ich lächelte als ich sie reden hörte. Jede Nacht, wenn ich mich über die spiegelglatte Oberfläche einer mit Wasser gefüllten Schale beugte und meine Schläfe berührte.

    Saliki Hansean
    Gildenmeister der Ma'verik

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  • Shae III - Die Geburt des Orakels


    Boom...Boom...Boom...
    Trommelschläge, ihr dumpfer Klang dringt immer noch an mein Ohr...Ich kann mich kaum erinnern an die letzten Nächte, lagen Tage dazwischen?
    Wann immer ich aufgewacht bin, war es dunkel...ich hörte ferne Stimmen, konnte ihre Worte nicht verstehen...
    Ich fühlte mich elend, wie ein tödlich Verwundeter, dem man keinen Gnadenstoß gewährte...
    Kann meine Hand nicht heben, zu kraftlos erscheinen mir die Glieder...Oh Göttin hast du mich verlassen in jener schicksalhaften Nacht? War ich nicht stark genug, um dir Hülle zu sein?
    Wann immer ich die Augen öffne, schmerzen Fackelschein und undeutliche Umrisse meinen Blick...also hielt ich sie geschlossen und verlor mich immer weiter in die Bewußtlosigkeit...


    Bis jetzt...ich bin aufgewacht, nicht vor Schmerzen oder Schwäche, sondern vor Hunger...Ich habe Hunger, Hunger wie ein Verdurstender auf Wasser hat...Meine Kehle fühlt sich trocken an, wie nach Wochen eines schweren Fiebers.
    Jemand beugt sich über mich, ich spüre wie kaltes Wasser meine Stirn hinunterläuft, ein einziger Tropfen, der sich über mein geschlossenes Auge, hinab zu meiner Wange begibt, wandert und einen winzigen Bach hinterläßt, jedes Härchen stellt sich auf...Ich spüre den kleinen Tropfen, mein Kinn hinunter laufen und über meinem Hals auf meiner Brust versiegen.
    Boom...Boom...Boom...
    Vorsichtig öffne ich meine Augen und erblicke nah vor meinem Gesicht die Züge einer Priesterin, ihr Name ist Áine, sie ist erst zwölf Winter alt, doch schon sehr früh in den Dienst der Priesterschaft getreten. Sie liebt es den Mond auf der Wasseroberfläche zu beobachten, wie er von den Wellen und vom Wind in neue Formen gerissen wird...
    Ihre Augen sind müde...Meine Augen erkennen jede Ebenheit und jede Unebenheit auf ihrem Gesicht, große erschöpfte blasse Augen in der Farbe des Herbstlaubs, das Haar zurück gekämmt und nach der Art der Priesterinnen gebunden. Sie hatte die Weihe vor mehr als einem Jahr erhalten, am Tag ihrer ersten Blutung, wie jede die sich für den Weg der Mutter entscheidet...
    Sie stellt sich wieder auf und ringt in einer Schüssel den Lappen aus, der mir auf der Stirn lag. Als die Wassertropfen des Tuches die Oberfläche des Wassers in der Schüssel berühren, erscheint es wie ein Beben in meinen Ohren. Ich kneife meine Augen zusammen und sie sieht es...
    „Herrin ist alles in Ordnung?“
    Ihre leise noch kindliche Stimme ist voller Besorgnis. Ich öffne leicht den Mund, um ihr zu antworten, als mich etwas wie ein Windhauch zu berühren scheint. Ein Tuch, das zum Schutz vor Fliegen aufgehängt wurden war und das in diesen noch kühleren Maitagen vergebens seinen Dienst tut, wallt ein wenig auf.
    „Laß mich allein Áine, geh!“
    Ich blicke sie an, die Beherrschtheit einer Priesterin schwingt mit in meiner Stimme, Áine blickt zu mir hinunter und will etwas erwidern...
    „Ich dulde keinen Widerspruch!“
    Ich bin selbst ein wenig erschrocken über die Kälte meiner Worte, aber das Recht der älteren Priesterin gestattet es mir so zu sprechen.
    Áine verneigt sich leicht und verlässt wortlos den Raum. Ich achte nur auf ihre Schritte, die sich entfernen, das Hungergefühl ist stärker geworden seit der Wind meine Wangen streifte...
    Das sich kurz nach Àine Verlassen der Räumlichkeit ein großer Schatten in Richtung meines Lagers bewegt überrascht mich kaum...Nur unter größten Anstrengungen kann ich mich aufsetzen.
    „Wieso bist du zurückgekommen Herr der Gezeiten?“
    Ich muß mich sehr anstrengen und ein Zittern geht durch meinen Körper, noch vor ein paar Wochen hätte ich es nie gewagt so frei zu sprechen. Möge mein Selbst Gnade walten lassen über mich...
    Der Schatten verharrt vor meinem Bett und wie von Zauber löst sich ein Körper vom Fliegennetz.
    Erst ist es blankes Entsetzen, das meinen Körper erstarren lässt, groß steht er dort und ich spüre ihn mehr, als ich ihn sehe.
    Sofort sind tausend Erinnerungen zurück, die Nacht, die Trommeln, die Hitze und der Schein des Feuers, das Blut und die alles vergessende Ekstase. Ich kann kaum beherrschen, was sich erneut meinen Gedanken aufdrängt.
    Er ist groß, viel größer als noch in der Nacht der Königsweihe. Mächtiges graues Fell schmückt seinen Körper, mehr Mensch jedoch scheint er zu sein, denn Wolf, so perfekt sind Tier und Mann ineinander verschmolzen, das sich die anfängliche Starre des Entsetzens wie Rauch auflöst und nur die Neugier auf den Gott sich meiner bemächtigt.
    Meinen Blick wage ich nicht abzuwenden, würde ich erneut aufsehen, er wäre für immer gegangen. So folge ich seinem schneidenden Blick, der viel tiefer ist als irgendjemand, der mich sonst je ansah.
    Seine Pupillen sind ständig im Fluß, mal strahlt ein wildes Blau aus ihnen hervor, dann wieder das glänzende Bernstein eines wartenden Tieres...
    Plötzlich geht alles viel zu schnell, mit einem Satz, den ich nicht hatte kommen sehen, nicht einmal gefühlt, springt er über das Lager und kommt hockend auf meinem Oberkörper zur Ruhe. Die seltsam gebogene Schnauze leicht geneigt, beugt er sich hinunter...

    Saliki Hansean
    Gildenmeister der Ma'verik

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  • Ich habe Angst, mehr Angst als Sterbliche vor ihres gleichen je empfinden können. Der Geist des Gottes könnte wankelmütig sein, vielleicht will jener der mich als Frau nahm, nun ein Opfer...Ich schließe meine Augen, wenn es dunkel ist, ist der Tod vielleicht gnädiger...Ich versuche ruhiger zu atmen, ich will keine Angst haben, nur die Schwachen haben Angst vor dem Tod. Eine Priesterin der Mutter tritt ihm ohne Furcht entgegen, sie kennt sein Antlitz tausendfach...Es gelingt nur mühsam, ich spüre seinen Atem in meinem Gesicht, sein Fell kitzelt auf meinen Oberarmen. So schnell wie er sprang, bin ich mir sicher, das ich nicht entfliehen kann...
    Komme mit dir ins Reine!
    Hör auf um Stille zu flehen!
    Trete ihm mutig ins Antlitz!
    So sind meine Gedanken. Ich will meine Augen langsam öffnen, spüre den Atem des Gottes über mir und mache es dann schnell....Kaum greifbar scheint die Stille als sich unserer Augen treffen, uralte Augen, von unglaublicher Macht...
    Ich kann mich ihrer Ausstrahlung nicht entziehen, es ist kein Sog, kein einnehmendes Wesen, das seinen Blick beherrscht, sondern pures Wissen, eine Weisheit die Tausende Jahre scheint überdauert zu haben.
    Er spricht nicht, dennoch ich höre ihn, er atmet nicht, dennoch spüre ich seinen Atem...was ist nur...
    HÖRE KIND MEINER MUTTER...
    Tausend Stimmen hallen in meinem Kopf...Der Wolf verschlingt mich mit seinen Augen, ich zittere, obgleich ich mutig sein will.
    DU BIST AUSERWÄHLT WURDEN KEIN FUTTER ZU SEIN FÜR DIE UNSTERBLICHEN KINDER DER GÖTTIN UND KAINS DES ERSTEN UNTER ALLEN, DIE BUßE TUN.
    Noch während die Stimmen sprechen und ich den Gott ansehe, da scheint eine Verwandlung in ihm vorzugehen, aus Gott wird Wolf, aus Wolf wird Mann...und vor mir steht ein Fremder. Groß, voller Kraft, sein Gesicht ist vom Wetter gegerbt, dennoch scheint er mir alterslos und so voller filigraner fremder Schönheit, kein Mensch ist das dort über mir.
    DOCH NICHT WIE DIE KINDER DER DUNKLEN MUTTER SOLLST DU SEIN, GEFRÄSSIG, HERSCHSÜCHTIG, AUFSÄSSIG UND VOLLER FALSCHER HOFFNUNG AUF ERRETTUNG!
    Seine Haut ist voller Narben, wie ein Krieger, der siegreich aus vielerlei Schlachten kam, erscheint er mir. Er hat wunderschöne Lippen, leicht geöffnet offenbaren sie einen jedoch den Trug seiner Erscheinung. Scharfe Reizzähne zieren das zarte Lächeln, das er mir schenkt.
    ZWISCHEN ALLEN WIRST DU SEIN UND DENNOCH ALLEIN, DIE STIMME IN DER DUNKELHEIT, DIE LICHT DER ERKENNTNIS BRINGT. DU WIRST VON IHR GELIEBT, WIE SIE NOCH KEINES IHRER ANDERN KINDESKINDER GELIEBT HAT.
    Er beugt sich zu mir hinab, seine Augen werden von denen eines wildes Tieres plötzlich sanft, dennoch meine Angst schnürt mir die Kehle zu, doch er hebt meinen Kopf auf, wie eine Geliebte, hält er seine Hand in meinem Nacken und zieht mich ein Stück nach oben.
    HÜTE DICH VOR DEM EINEN, DER NOCH IN DEN SCHATTEN WANDELT, ER WIRD DICH SUCHEN UND FINDEN, DENN NOCH VOR ALLEN ANDREN WIRD SICH DAS SCHICKSAL DIR ERÖFFNEN UND SEINE ANGST KÖNNTE DEIN SICHERER TOD SEIN.
    Sein Atem küsst erst meine Lider, dann folgen seine Lippen. Schließlich schließe ich meine Augen wieder, die Angst ist wie genommen, mein Atem scheint ruhig, als hätte er sich Sorgen gemacht. Viel Kraft steckt in seinen Armen, so wie er mich hält...
    In der Ferne sind wieder Trommeln...weit entfernt...oder ist es mein eigenes Herz?
    DU BIST IHRE PRIESTERIN, DU BIST DAS WASSER IN DER HEILIGEN SCHALE, DIE DUNKLE MUTTER IST DEIN GEFÄSS.
    Plötzlich gräbt sich ein unsagbarer Schmerz in meinen Hals, ich schreie auf, doch ersticke an mir selbst. Etwas bohrt sich weder zögernd, noch sanft in meinen Hals und ich höre wie durch einen Schleier ein schmatzendes Geräusch...plötzliche Schwäche...Alles scheint weit entfernt zu sein...alles geht seinen Weg, ich bleibe stehen...
    Nur die Stimmen sind noch bei mir...
    DU WIRST UNTER ALLEN DIE KETTEN TRAGEN FREI SEIN, BEWAHRER SEIN VON WISSEN DAS SIE DIR GEBEN WIRD...
    HERRIN WIRST DU SEIN ÜBER DIE PRIESTERINNEN UND DIE NACHT SOLL DEIN TEMPEL WERDEN.
    Es wird keinen Tempel geben, Gott der Gezeiten, wenn du mich sterben lässt, so weiß ich wird es keinen Tempel geben, kann nichts mehr sagen, nicht mehr schreien.
    Ich kann nichts mehr sehen, fühle mich nicht mehr...falle ich? Wo hin, wie lange...es tut weh, es schmerzt in mir, alles erscheint leer...
    FÜRCHTE DICH NICHT DU STIRBST JETZT UM FÜR IMMER ZU LEBEN...
    Ein letzter Ruck, ein letzter fast süßlich schwerer Schmerz, der mich zum Brennen bringt, dann wird es dunkel, dunkler als die Nacht je sein kann.
    DU BIST ERWÄHLT DU BIST VEREINIGUNG VON GÖTTIN UND GOTT, MUTTER UND VATER GABEN DIR IHR BLUT...
    Eine Erinnerung, nicht lange her in der Höhle, wie der Jäger auf mein Lager kam, die Vereinigung, ich schmecke wieder das Blut, spüre die Hingabe meiner Göttin in mir...
    ERINNERE DICH...
    Und ich erinnere mich...wild und frei, stark wie die Welt...ich weiß jetzt was ich schmeckte in dieser Nacht, es war das Blut des Hirschgottes das mich tränkte, sehe etwas was ich erst nicht sah...Hinter dem Gott, wie ich ihn umarme und meinen Kopf bei der Vereinigung an seiner Schulter stärke, da lag mein Blick auf einem Toten...tote Augen die mich ansahen, im Tode zufriedengestellt, hellhäutig, blass, dennoch überschüttet mit Blut.
    Ich erinnere mich, ja...hörst du mich...es war der Junge aus dem Dorf, der erwählte Jäger....
    SEIN BLUT WAR MEIN BLUT, MEIN BLUT WAR DEIN BLUT, UND DIE GÖTTIN STIEG HERAB, UM SICH IN DIR EIN HEIM ZU NEHMEN.
    Plötzlich löst sich der Schmerz von meinem Hals und ich kann die Augen wieder öffnen, ich weiß, das ich schon fast tot bin, das kein Lebensfunke in mir ist, das die Nässe, die mein Laken hinunter kriecht, von eben gleicher Farbe ist, die seinen Mund in eine Maske der Grausamkeit verwandelt.
    Bin ich das, das dort das helle Laken blutig färbt?...ich bin eine Priesterin Arainrhod, der Göttin des Mondes, wenn du mein Blut forderst, wird sie deines nehmen.
    Lächelt er jetzt, jetzt wie er auf mir sitzt, hatte ich die Kraft, das eben gedachte auch laut zu sagen?
    Er küsst mich und ich spüre mein eigenes Blut auf meinen Lippen.
    Wie tausend Nadelstiche fühlt sich das an, ich sehe Dinge, sehe Länder, unzählige Wesen, sehe Tote wie Lebendige auch...Ich kann es spüren, ihre Geschichte, das Leben jener, die ich sehe, alle Leben....
    Jeder einzelne mit alle seinen Geschichten, seinen Lieben und Leiden. Große sehe ich und kleine, all sie sind in ihm und ich sehe ihn den Mann über mir in einer mächtigen Stadt in der Nacht, viele dieser Nächte, ich sehe den Anfang und das Ende einer eigenen Rasse, eines ganzen Kontinents...mehr als mein Herz vertragen kann, mehr Schreie als meine Ohren zu hören im Stande sind, doch es ist kein Ende in sich...Ich sehe einen König, wie einen Gott und viele Götter...Ein Fluß aus Blut erhebt sich in der Mitte der Stadt und speist all jene die zum Füßen eines Thrones sitzen, und diese wieder speisen weitere Flüsse, wie ein Brunnen der in sich alles vereint und weitergibt...und der Thron ist die Quelle...an dessen Stufen Ende der Gott, mit dem alles begann selbst sitzt, grausam und übermächtig scheint er sich an den Tausenden von Schreien getöteter zu erfreuen und sich in der Dunkelheit der blutenden Nacht zu laben...
    Ich will weg hier...Ihre Körper sind nur noch leere Hüllen eines großen gefräßigen Feindes...seine Augen erscheinen...ich sehe seine Augen, die Augen des ersten der vor allen anderen kam in der Nacht als der heilige Krieg geboren wurde...und ich erkannte sein Weinen. Tränen liefen seine Wangen hinunter, hinunter in ein Gesicht, das ich nicht fassen kann...eine Hand, die ihm die Tränen wegwischt, so sanft wie nur eine Mutter und Geliebte es kann...dann wird alles dunkel fort der Fackelschein, der die Stadt zum Leben erwachen ließ, fort die Schreie all welcher die die Stadt töteten...
    Ich kann nichts mehr denken, nur noch mir wünschen, das der Schlaf mich umarmt. Doch etwas anderes, umarmt mich wärmer noch, als eines Feuers Schein, ich fühle mich erneut berührt von etwas, das ich nicht erfassen kann, spüre in mir wieder diese Wärme, eine unendliche Geborgenheit, Rauschen von Meerwasser, von Wellen, welche Brandung schlagen, höre den Vogelruf eines Adlers und das Heulen der Wölfe, Schlachtenlärm und Gesänge zu Ehren meiner Göttin, alles vereint sich und rieche frische Lilien, jetzt hier mitten in all dem Tod...Lilien, ich seufze...weiß, das sie hier ist...weiß, das sie mein ist...und ich die ihre...etwas läuft meine Kehle hinunter, wie Ambrosia der römischen Götter erscheint es mir viel davon, fast zu viel, doch ihre Hand legt sich auf meinen Kopf, als wollte sie mich beschützen. Ich habe keine Kraft mehr um Angst zu haben, nur noch um ihr zu vertrauen. Ihr Lächeln ist wie die Sonne selbst, denke ich, wenn gleich ich ihr Antlitz nicht kenne, weiß ich doch um ihre Züge...
    Ich kann mein Herz schlagen hören, wie wunderschön es seinen Reigen mit dem letzen Atemzug tanzt...
    Ihr Kuss war das letze, das ich spürte bevor der Wolf sich von mir löste und die Stimmen verschwanden. Er wartete nicht, sah mich nicht einmal mehr an, ging einfach, störte sich nicht an meinem sterbenden in seinem eigenen Blut badenden Körper...
    Ich spürte wie der Tod mich liebkoste, mein Haar tiefschwarz färbte, meinen Augen einen so unmenschlichen Glanz verlieh und von Wildheit erfüllte, meinen Körper erst schwächte um ihn dann so sehr zu stärken, das ich vor Freude und Wohlgefallen hätte aufspringen können...Sie war immer bei mir gewesen, vom ersten Atemzug meiner Weihe an und von daher jede Nacht, sie war voller Güte und dennoch gleichsam voller Grausamkeit...

  • Der Wolf, der mich zeugte, war nur ein Mittel zum Zweck, das erkannte ich später, ein Kind unter vielen, jemand der mich zeugte und dann seiner Wege ging.
    Mögen die Kinder der Nacht ihn meinen Erzeuger schimpfen, so haben sie recht, mein Vater war er nie...ich habe nie einen Vater gehabt, nur eine Mutter, die eine, die mich alles lehrte und mich begleitete, von der ich die unendliche Gabe bekam zwischen den Gezeiten zu wandeln, das Geschenk des Hirschgottes...
    Sie ist das Wunder...und all meine Liebe gilt ihr...
    Als man mich ein zweites Mal fand, war ich nicht länger krank, sondern voller Kraft und voller Hunger, ich war so sehr am Leben, das ich litt zu atmen.
    Wie ich mich später in jeder Nacht erinnern sollte, war ich es, die vom einem blutenden Throne gestiegen war, nackt und verwundet, dennoch siegreich und voller Kraft, die Gefährtin des Jägers und die Geliebte der Göttin...Ja und ich wandelte unter ihnen und schenkte ihnen die Weisheit der Wahrheit. Ich schenkte ihnen allen neue Kraft mit den Erinnerungen an die alten Religionen. Sie wuchsen unter mir Nacht für Nacht und der Glaube an die alte Göttin wuchs mit ihnen...Tag für Tag, Nacht für Nacht, wandelten sich die Wochen in Monate, die Monate in Jahre, vom Alter unberührt vom Blut geliebt, war ich die Herrin der Priesterschaft von Arainrhod, für mehr als zweihundert Jahre...
    Die Zeiten wandelten sich und aus dem Jahr der Hirschkuh, folgten die Jahre des Wolfes. Die Mutter aber stand über allem und durch mich kam sie hernieder und ließ sich von den Kindern feiern. Das alte keltische Blut in meinen Adern kochte. Nacht für Nacht, machte ich der Göttin des Mondes, der dunklen Mutter Ehre und es war gut so.
    Lächelnd sah ich den Pilgerer kommen und seine Leuchtfeuer zu Ehren des Christengottes entzünden, seine Worte entfachten in mir Neugier und schließlich durch das, was ich sah in der Zukunft der Welt, Resignation...
    Sein Kommen war wie das Atemholen eines sterblichen Neugeborenen, voller Kraft und es würde einst ein großes Kind werden, zu einem staatlichen Mann heranwachsen und dennoch alt werden und sterben wie jedes sterbliche Geschöpf...
    Sorglos war ich gewesen...sorglos und eingenommen, doch die Göttin, die sich mir hingab und mich als Tochter und Seherin liebte, als Herrin über die Priesterschaft, zeigte ihr anderes Gesicht, das Gesicht Bodbs, Herrin über die Krähen, die Botin des Todes...


    Sie machten die Nacht zum Tag, mordend und plündernd kamen sie, setzten unsere Haine in Brand, schrien und verfluchten mein Heim und meine Göttin. Sie töteten die Druiden des Jägers und nahmen sich die Priesterinnen. Man nannte uns Hexen und Huren des Teufels...Sie folterten und töteten, raubten und das Banner des Christengottes flatterte im Wind...Nicht einmal ich konnte sie aufhalten...Sie nahmen mich gefangen, ich kann mich nicht mehr erinnern...ein Verräter vielleicht? Das Opferblut war vergiftet ich erinnere mich dunkel ans einen seltsamen Geschmack.
    Nun bin ich allein. Ich spüre ihre schützende Hand in der Dunkelheit nicht länger. Ich leide seit vielen Wochen Hunger, Raserei hat sich meiner bemächtigt, ist wieder abgeklungen, ich fühle mich elend...elend wie in der Nacht meiner Erschaffung, hingerissen zwischen dem Tier und dem ewigen Tod...
    Sie haben mich nicht getötet, nein, sie brünsteten sich damit, das einzig wahre Böse gefunden zu haben und stellten die einzigartige Macht ihres Gottes über die Dunkelheit ins Licht aller jener zur Schau, die blind waren für die Wahrheit hinter der Wahrheit.
    Die haben mir alles angetan, mein Blut untersucht, sie haben versucht herauszufinden wieviel Schmerz ich ertragen kann, wie lange ich es ohne Nahrung aushalte und wann die Einsamkeit meiner dunklen Zelle mich umbringt...Selbst damals waren sie um keine kluge Folterei verlegen...Meterdicke Zellenwände, keine Kraft dieser oder einer anderen Welt hätte sie mir geöffnet...Steine, an deren Härte meine Krallen sich in blutige Stummel verwandelten, bis ich vor Angst und Demut meinem Schicksal entgegen, zu schwach war...
    Vielleicht aber hatte ich Glück im Unglück, denn sie hatten die Sonne, die Schwester der dunklen Mutter vergessen und schließlich nach Jahren des Hungerns und des Wartens, nach endlosen Tagen der Schwäche und des langsamen Sterbens vergaßen sie mich. Vielleicht war Zufall, oder Glück oder es war die Strafe der Göttin meines Hochmuts wegen, denn wie alle Kinder Kains hatte ich dem Drang Herrscher zu sein nachgegeben.
    Bevor ich mich auf den steinernen Boden setzte, ein letzer Kraftakt, das letzte Zeichen eines halb getöteten und unsterblichen Geistes, den ausgepeitschten Rücken an der feuchten Verließwand kühlte, da hörte ich von den Mauern herab dringen, erneut den Klang der Trommeln, ich roh den Brand und konnte die Toten spüren...sie hatten mich vergessen, weil sie alle vergessen waren...
    Sie wurden alle getötet und mit ihnen die Erinnerungen an mich...aber ich war noch da und ich wartete und wenn die Göttin mich noch immer liebte und meine Demut annahm, dann würde ich eines Tages wieder erwachen und die Priesterschaft aufbauen, ich würde die Magie des Blutes nutzen, um ihren Geist weiterzugeben an alle Drachen und Hirsche, an die Wölfe und Adler, an die Jungfrauen und auserwählten Jäger. Keiner, der auch an Verrat dachte wäre sicher...so lächelte ich in der Dunkelheit, bis mich das der Todesschlaf empfing wie ein schützender Mantel...mehr als eintausendvierhundert Jahre lang...