Shaê I - Vampire, das Erwachen
"Hier in der Dunkelheit, gibt es nichts mehr was ein unsterbliches Herz noch erwärmen kann!"
Ihr Blick starr und fixiert auf den Mond gerichtet, wendet sich vom Fenster ab. Eine lautlose geschmeidige Bewegung und sie steht vor mir, vor mir in ihrem langen schwarzen fließendem Gewand, da so gar nicht in die Zeit der Technologie, der lauten Musik und dem oberflächlichem Leben der Menschen passen mag.
Ihr Kopf legt sich leicht schräg so wie sie mich betrachtet. Das Alter in ihren Augen ist unermesslich, für jemanden wie mich, der den Kuss erst vor so kurzer Zeit empfangen hat, wirkt sie wie eine ferne Göttin...
Eine Göttin ist sie für wahr. Als sie fort war habe ich begonnen, die Zeichen welche sie auf ihrem Gesicht trägt zu analysieren. Das Internet ist eine feine Abwechslung, wenn einem die unsterbliche Nacht zu langweilig erscheint...
"Hast du gefunden, was du gesucht hast?"
Fragt sie wie beiläufig und wendet ihren Blick ab. Sie macht das häufig, Antworten geben auf das, was ich denke. Sie nennt das die Gabe der Stille, ein Geschenk des Lebens, an ihren unsterblichen Tod...
Der Prozessor des kleinen Laptops rattert vor sich hin, während die Seite lädt. Sie kommt einen Schritt näher, ihr Körper bricht sich kaum im hereinscheinendem Mondlicht. Sie beugt ihr Haupt herab und ein wenig ihres duftenden langen dunklen Haares fällt auf meine Schulter. Ich weiß, das sie nichts fühlt in diesem Moment, dennoch in mir springen Funken in wildem Tanz umher.
Ihr Mund formt ein Oh, als der Browser angibt die Seite ist fertig geladen und das Erwartete preisgibt.
Sie wirft nur einen kurzen Blick auf die weißen kleinen Buchstaben mit den unsagbaren vielen Informationen. Dann seufzt sie und schließt ihre Augen.
"Der Kult ist ausgestorben...schon lange!"
Noch im gesprochenen Satz, bin ich mir über die Sinnlosigkeit meiner Worte im Klaren, sie übersieht meine Schwäche wie immer... Ein Rascheln ihres Kleides, ein weiterer Blick aus dem Fenster.
Ihre makellos weiße Haut, die roten vollen Lippen, die wilden blauen Augen und in ihnen das unsagbare Wissen...von vielen Jahrt...
Eine Handbewegung in meine Richtung gebietet mir Einhalt in meinen Gedanken. Sie sieht mich nicht einmal an. Zwei ihrer filigranen schlanken Finger bleiben an ihrer Schläfe. Sie schließt ihre Augen...
"Ich habe viel länger geschlafen, als das irgendjemand unseres Volkes sollte, all das was du bewunderst, Alain ist nicht mehr als ein romantischen Trugbild meiner Äußerlichen Erscheinung..."
Was will sie mir sagen? Das sie nichts weiß, sie weiß alles...
"UND DENNOCH NICHTS, WAS IN DIESER WELT NOCH VON BELANG WÄRE!"
Ihre Stimme offenbart ein gefährliches Echo, sie ist gereizt, von jetzt auf gleich...Vorsicht ist geboten.
Ihre Launen entsprechen ihrer Abstammung, so erzählt sie immer entschuldigend, wenn ein Zimmer, das ihren Wutausbrüchen nicht standgehalten hat einem Bombeneinschlag gleicht.
Wenn ich sie finde, dann erscheint ihr zarter Körper so zerbrechlich, so schwach, das ich sie berühren möchte, sie festhalten möchte. Doch dieser Wunsch ist Traum, denn sie ist nicht zu erfassen, nicht in ihrer Gesamtheit zu umarmen, so bleibt mir nur das Warten, bis die Visionen ihren Körper verlassen und sie wieder nur das ist, das schweigend meine Gedanken ließt und meinen Fragen Antworten bietet.
"Du bist das dunkle Orakel, man hat schon immer auf deinen Rat gehört, du warst eine Herrin, wie du eine Dienerin warst, du hast Zeiten gesehen, kennst Geheimnisse und ..."
Sie blickt auf, sieht mich verwundert an, nur um dann wieder etwas apathisch zu wirken, es reicht um meinen Wortschwall zu unterbrechen...
"NICHT IN DIESER ZEIT ALAIN..."
Ihre Worte sind so voller gebrochener Traurigkeit, das ich meinen Blick von ihrem wilden von ihrem perfekten Antlitz abwenden muß.
Sie hatte wirklich lange geschlafen, die Herrin des dunklen Haines...wie lange, das kann selbst ihr Geist nicht mehr ergründen, trotz ihres unglaublichen Alters, schien sie verloren...Sie war die Älteste, die er kannte, dennoch zu jung um in dieser Welt zu bestehen...
Deshalb war er hier, er war der Weg, den sie zu beschreiten gedachte...
"ÜBERSCHÄTZE DEINE POSITION NICHT ALAIN, DU WEISST IN WELCHEM WANDEL ALLES IST!"
Kein Gedanke ist vor ihr sicher, ich frage mich wie sie das schafft, so viele Seelen in sich zu vereinen...
Ich blicke mit ihr aus dem Fenster, doch nur kurz, denn sie beginnt unruhig zu werden...plötzlich steht sie auf...und lächelt...
"Mein Erwecker wünscht sich meinen Rat, Alain, wir sollten seinen ungeduldigen Geist nicht lange warten lassen!"
Obgleich Loyalität aus ihrer Stimme spricht, so kann ich den nachsichtigen Ton einer Mutter zu ihrem Kind ausmachen. Aber was soll’s sie kann es sich leisten, sie ist Shaê, und wie ich immer zu sagen pflege, he, komm du erst mal in ihr Alter...
Ein letztes Streichen durch ihr ebenholz farbenes Haar offenbart eine der unzähligen Tätowierungen, die Form einer schwarzen Lilie, welche so scheint es von einem Regentropfen geküßt zu werden. Für einen Moment verliere ich mich in der Abstraktion der Zeichnung auf ihrer Schläfe...
"SIE IST NOCH IMMER BEI UNS ALAIN, ALL DIE TECHNIK UND DIE COMPUTER, DIE MENSCHLICHE HALLUZINATION DES CHRISTENTUMS HABEN ES NICHT VERSCHAFFT SIE ZU VERTREIBEN, IHR HERZSCHLAG IST SO LAUT, DAS MEINE OHREN FAST TAUB WERDEN VON IHRER ANWESENHEIT."
Ich lächle nur, öffne die Tür, damit die dunkle Schönheit auf den Flut gelangt. Shaê wird geliebt, das war schon immer so vor ihrem Kuss und seither jede Nacht auch. Er war stolz sie zu kennen aber auch voller Angst, nicht um seinetwegen, sondern um das der ganzen Welt, sie würde die Nacht kommen sehen vor allen anderen, wenn der heilige Krieg über die dunklen Straßen zieht, würde sie seine Wege kennen, wehe dem, der sie nicht aus seiner Seite hat sollte es beginnen.
"BIS DAHIN IST ES NOCH EIN LANGER WEG ALAIN, DIE MUTTER HAT KEINEN EINFLUSS AUF DAS WAS KOMMT, SIE HAT NUR EINFLUSS DARAUF WAS GEHEN WIRD!"
Sie lächelt und ihre Reißzähne entblößen sich...Einer gewissen Sanftheit kann sich ihr Lächeln jedoch nicht entziehen.
"Du bist ein alter Schmeichler, Alain!"
Dann nimmt sie wie jeden Abend meine Hand und führt mich, zum Erwecker...der sehnsüchtig auf ihre Ankunft wartet. Ach erwähnte ich schon, wie sehr ich die Art liebe, wie sie meinen Namen ausspricht?
*wird fortgesetzt*