Die Akademie zu Renascân (2)

  • Nach einer letzten Fragerunde beendet Meanor den Unterricht.
    Sollte er sich Sorgen machen wegen Morgaine?


    Nein, eigentlich nicht. Wäre ihr etwas passiert, wäre schon längst ein Gardist bei ihm gewesen. Sie musste also irgendwo die Zeit vergessen haben, was ihn doch ärgerte.


    Gerald kurz zunickend verließ er das Kallsenzimmer und betrat sein Büro.
    Pricipal Meanor setzte sich an den Schreibtisch, nahm einige der mitgebrachten Schriftrollen in Augenschein und begann an einer weiterzuschreiben.

  • Meanor beendet fürs Erste seine Arbeit an den Schriften, packt sie fein säuberlich zusammen und verschließt sie dann in der Truhe im hinteren Bereich seines Büros.


    Als ihm dabei seine Abschrift der Studienteilnehmer wie zufällig iin die Hände fällt seufzt er leicht. Morgaine hatte solche Fortschritte gemacht und jetzt sowas.


    Der Principal streckt sich, schließt die Truhe ab und danach sein Brüro.
    Was sollte er nur mit Morgaine machen?


    Mit solchen Gedanken verlässt er die Akademie und geht zum Dorfplatz um sich mit Moreta zu treffen.

  • Mit festen Schritten durchquerte Ashaba die Eingangshalle der Akademie. In ihrer Hand hielt sie eine Holzkiste und an ihrem Arm baumelte eine Ledertasche. Barett, Bewaffnung und Wappenrock verrieten, dass sie nicht privat hier.
    Einem Schüler, der ihr über den Weg lief und ihr etwas irritiert hinterher schaute, nickte sie grüßend zu.


    Zielstrebig hielt sie auf Bellarias Büro zu und klopfte an die Tür, nachdem sie das Gewicht der Truhe auf den anderen Arm verlagert hatte.

  • Nach dieser Aufforderung zog sie die Tür auf und schloß sie direkt nach sich wieder. Dann drehte sie sich um und grüßte freundlich.


    "Bellaria."


    Ihrer Haltung und ihrem Gesichtsausdruck war jedoch zu entnehmen, dass es keine sehr erfreuliche Sache war, wegen der sie hier war. Nach einer Sekunde Zögern stellte sie die Kiste auf den Schreibtisch, deutete dann auf den Stuhl


    "... ich darf doch?" und setzte sich ohne eine Antwort abzuwarten.


    "Die Expedition ist zurückgekehrt." begann sie ohne großes Drumherumreden. "Und sie haben einiges mitgebracht, was von Interesse sein könnte. Und ehrlich gesagt halte ich es hier für besser aufgehoben als im Wachgebäude."

  • Bellaria hatte gar nicht aufgeschaut. Sie war grade in ein Dokument vertieft. Ihr Schreibtisch war übersäht mit Dokumenten. Erst als die Stimme der Freundin ertönte, schaute sie ihren Besucher an. Ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung zwischen Überraschung, Freude und unguter Erwartung. Sie wusste das Verhalten Ashabas sehr gut zu deuten.


    Jaja, setz dich.


    Die Bardin legte das Dokument bei Seite und betrachtete die Kiste.


    Was ist es? Was hat die Expedition ergeben? Ich habe noch gar nichts gehört bis jetzt.

  • "In Ordnung. Was willst du zuerst? Die Kiste oder das hier?"


    Bei "das hier" klopfte sie auf die Tasche, die auf ihrem Schoß lag.


    "Eigentlich ist es ja egal, weil dir beides bevorsteht. Also, nicht erschrecken. Unser Namenloser hat einen Namen."


    Sanft nahm sie die Kiste und drehte sie so, dass die Öffnung zu Bellaria zeigte.


    "Er hieß Egidius Hummlob. Egidius war verliebt. Sie starb. Er hat sie nicht loslassen wollen."


    Dann klappte sie die Kiste auf. In ihr kam ein blutiges Bündel zum Vorschein, das großzügig in Lederlappen gewickelt war.


    "Er hat ihr Herz behalten. Und das haben wir hier."


    Aus der Kiste strömte kein Verwesungsgeruch sondern vielmehr der Geruch von rohem aber frischem Fleisch und erst kürzlich vergossenem Blut. Das Blut an den Lappen war auch nicht geronnen sondern glänzte noch flüssig, als wäre es erst vor ganz kurzer Zeit in diese Lappen gewickelt worden.

  • Bellaria schluckte. Wenn sie der Anblick und die Tatsache, dass dieses ... Wesen ... einstmals in der Lage gewesen sein musste, Gefühle zu empfinden, nicht so überrascht hätten, wäre sie wohl beim Klang des Namens in dezentes Gelächter ausgebrochen. Ihr Blick blieb eine halbe Ewigkeit an der Kiste und dessen Inhalt kleben, dann wanderte er langsam zurück zu Ashaba.


    Und das Andere?

  • Ashaba klappte die Kiste vorerst wieder zu und reichte Bellaria die Ledertasche.


    "Das sind Tagebuchaufzeichnungen von Hummlob. Sie erklären einiges, was bisher nur Fragen aufwarf. In dem Umschlag ist die Kopie einer Mitschrift von Damorgs Bericht. Und ach so.."


    Aufmerksam sah sie Bellaria ins Gesicht um ihre Reaktion abzuwarten.


    "Sie waren in der Vergangenheit. 200 Jahre. Auf der Insel."


    Mit einem Seufzen lehnte sie sich zurück.


    "Wie das passieren konnte, ist nicht ganz klar. Damorg berichtete von einem Herrn der Zeit, der sie wieder zurück gebracht habe. Ob er auch für das Reisen in die Vergangenheit verantwortlich war, kann keiner sagen. Möglicherweise war es göttliches Wirken, möglicherweise auch die Macht von unserem speziellen Freund."


    Ihre Stirn hatte sich sorgenvoll in Falten gelegt.
    "Wie mächtig müsste ein Magier sein um so viele Leute in die Vergangenheit und an einen anderen Ort zu versetzen?"


    Eigentlich wollte sie die Antwort gar nicht hören. So viel war klar. Sie konnte in den Tempel gehen und sich dort in Meditation vertiefen. Aber ihr war recht klar, dass sie wohl kaum eine Antwort bekommen würde auf ihre Frage, ob es möglicherweise göttliches Wirken gewesen war.

  • Dazu ist sehr, sehr mächtige Magie von Nöten, Ashaba. Ich kenne sehr viele mächtige Wesen, einige davon nenne ich Freunde, doch unter diesen gibt es keinen, der so etwas zu vollbringen vermag.


    Das schaue ich mir nachher in Ruhe an.


    Sie nahm das Bündel mit den Dokumenten an sich und legte sie auf einen der Pergamentstapel.


    Vielleicht erzählst du mir erst einmal über die Expedition? Oder ist Damorgs Bericht ausführlich genug?

  • "Das dachte ich mir."


    sagte sie und strich sich angestrengt über die Augen.


    "Ich könnte dir nicht mehr erzählen, als in den Dokumenten steht. Die sind jedoch sehr ausführlich. Sieh sie dir am Besten zunächst in Ruhe an. Solltest du dann noch Fragen, werde ich dir Damorg vorbei schicken. Wahrscheinlich ist das das Beste. Er kann dir direkt von seinen Eindrücken berichten. Und die waren wohl recht stark."

  • Oh, das glaube ich.
    Ich weiß noch sehr genau, wie verstört der arme Hinrich nach der letzten Expedition war.


    Einen Moment schwieg sie, in Erinnerungen versunken.


    Nun gut. Möchtest du hier bleiben während ich die Kiste und Inhalt untersuche oder soll ich einfach, nachdem ich alles untersucht habe, vorbeikommen? Sollte ich Damorg benötigen, werde ich einen Boten schicken.

  • "Wenn ich dir eins raten kann, Bellaria, dann ist es, dass du dir jemanden dazu holst. Meanor wäre bestimmt nicht abgeneigt. Stell dir vor, es passiert etwas. Ich könnte wohl kaum etwas unternehmen. Der Kerl ist irre. Wer weiß, was passiert, während du es untersuchst."


    Dann setzte sie kurz hinzu.


    "Also dieser Egidius ist irre. Nicht Meanor. Vermulich."


    Dann winkte sie ab.


    "Kannst du veranlassen, dass ich eine Abschrift des Berichtes bekomme? Ich leite das dann gesammelt mit allen anderen Abschriften an die Präfektur weiter. Bis auf weiteres wäre es mir lieb, wenn die Sachen hier verbleiben könnten. Vermutlich sind sie hier besser aufgehoben als im Wachgebäude."

  • Ich kann Meanor darum bitten, der Untersuchung beizuwohnen, wenn dir das lieber ist, ja. Er ist vielleicht manchmal verrückt, aber nicht irre.


    Bellaria grinste.


    Bericht? Oh ja, natürlich, Bericht.
    Von Seiten der Akademie spricht nichts dagegen, die Funde hier aufzubewahren. Achso...


    Etwas war ihr gerade eingefallen, ihr Gesichtsausdruck verriet Besorgnis.


    Eines möchte ich aber doch noch vorher wissen. Konnte dieser Hummlob vernichtet werden? Oder besteht weiterhin die Gefahr, dass er auftaucht?

  • Etwas ratlos schüttelte sie den Kopf.


    "Vermutlich nicht. Genau genommen hat niemand ihn zu Gesicht bekommen. Nur seine Hinterlassenschaften: Ein Labor, seine Hausangestellten und ein Gehöft. Wir müssen also weiter mit ihm rechnen."


    Dann machte sie sich daran aufzustehen.


    "Gut, dann werde ich dich jetzt allein lassen. Sei bitte vorsichtig, wenn du das Zeug untersuchst."


    meinte sie noch mit einem sorgenvollen Lächeln. Sie konnte sich etwa vorstellen, dass die Magie eines Irren möglicherweise ebenso irre war wie er selbst. Sie wollte sich jedoch nicht vorstellen, was diese irre Magie mit einem Menschen machen konnte, der sie sich genau ansah. Aber wenn Meanor dabei war und möglicherweise noch einer der anderen Magister, war es möglicherweise recht gefahrlos.


    Mit einem Gruß verließ sie dann das Gebäude. Und machte sich wieder auf in das Wachgebäude in der Unterstadt. Ein vorläufiger Bericht wollte noch geschrieben sein.

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • -----------------> Kommend von Meanors Haus


    Als er den Vorraum der Akademie betrat, nahm er die Gugel vom Kopf. Seine Schultern waren zum Glück trocken geblieben. Mit den wenigen verbliebenen trockenen Zipfeln der Tunika trocknete er sich notdürftig die Haare und fragte sich dabei, wieso er eigentlich die Kapuze nicht aufgezogen hatte. Er seufzte. Sie raubte ihm einfach den Verstand.


    Dann hängte er die Gugel auf und machte sich auf in Richtung der Bibliothek. Als er die Tür öffnete, sog er den Geruch der dicken Codices tief in die Lungen. Der Duft des Pergaments und des Papiers beruhigte ihn sofort. Sanft strich er mit den ausgestreckten Fingern über die Buchrücken und zog dann einen Band heraus: 'Vergleichende Theorie des arkanen Mystizismus'.
    Liebevoll strich er über den Buchdeckel, von dem sich eine Staubwolke erhob. Den hatte scheinbar schon lange niemand mehr in der Hand gehabt.


    Er brachte den Band zu einem der Lesepulte, legte zwei Keile darunter, damit die Bindung nicht beeinträchtigt wurde und begann im Stehen zu lesen. Einige Passagen las er laut, als würde er dozieren. Und nach und nach wurde sein Kopf freier und eine tiefe Zufriedenheit breitete sich in ihm aus wie es immer war, wenn er sich in der Bibliothek vergraben konnte.

  • Eine Passage verursachte ihm Stirnrunzeln. Je öfter er sie las, desto fragwürdiger wurde ihm die Argumentation des Schreibers. Rasch holte er sich Griffel und Tinte und kopierte die betreffende Passage auf ein Stück Papier. Dann las er sie sich noch einmal durch und schüttelte den Kopf.
    Konnte es wirklich sein, dass der Schreiber nichts von der Existenz anderer Ebenen wusste? Wenn man genau die nämlich in seine Thesen mit einbezog, kam man zu einem völlig anderen Ergebnis.
    Mit klopfendem Herzen beschloß er, dass er einen der Magistri dazu befragen musste.

  • Auch Bellaria las - aber leider keine spannende Thesis, sondern widerliche Versuchsaufzeichnungen eines Verrückten. Nekromantie als Bewältigungstherapie für Liebeskummer... Bellaria schüttelte immer wieder den Kopf, seufzte schwer und musste hin und wieder Pausen machen, um das Gelesene zu verdauen.

  • Schließlich war sie am Ende dieses grausamen Tagebuchs angekommen. Sie brauchte frische Luft. Die Artefakte würden auch später oder morgen noch untersucht werden können. So verstaute sie alles sicher in einer Truhe, die sie noch mit dem ein oder anderen Zauber schützte. Dann schrieb sie eine Notiz an Meanor und verließ ihr Zimmer, das sie heute nicht nur abschloss, sondern ebenso mit Magie sicherte. Bevor sie die Akademie verließ, warf sie die Notiz an Meanor in dessen Briefkasten an seiner Tür. Dann machte sie sich auf den Weg zum Zaunkönig.