Mieses Wetter

  • Zwei Tagesreisen vom nächsten Dorf entfernt, zwei Wochen bis zur nächsten Stadt. Ein Lagerplatz, einige hundert Schritt von der Straße entfernt.


    Es ist kalt. Die Temperaturen bewegen sich knapp über dem Gefrierpunkt. Es regnet und die Bäume tropfen missmutig vor sich hin. Ein verhältnismäßig leichter, aber eisiger Wind weht, der sich, wendet man sich nicht ab, alle Mühe geben wird, einem die Haut vom Gesicht zu schmirgeln. Aber den beiden Fahrenden, die auf der kleinen Lichtung unter einer riesigen Eiche ihr Lager aufgeschlagen haben, ist dieser Tag allemal lieber als alle Tage des vergangenen Winters, über den sie ihr Quartier in einem Dorf aufgeschlagen haben, in dem sie der heftige Wintereinbruch Monate zuvor festgenagelt hatte.
    Das Zelt ist bereits aufgebaut und während Konrad loszieht, um Brennholz für das Feuer zu beschaffen, richtet Agnes ihren Schlafplatz und gibt sich alle Mühe, ein warmes Lager zu bereiten, auch, wenn es wahrscheinlich nur bis zum nächsten Tag halten wird. Mit ein paar Brettern und einem lumpigen Tuch funktioniert sie den kleinen Karren, der sonst all ihr Hab und Gut beinhaltet, zu einem trockenen Sitzplatz vor der Feuerstelle um.
    Noch einmal prüft sie den Knoten, mit dem sie die Leinen der zwei Ziegen an den Baum gebunden hat, gibt einer der beiden einen Klaps aufs knochige Hinterteil und macht sich dann daran, alles für eine warme Mahlzeit zu richten.
    Wo der Mann wohl mit dem Holz bleibt?

  • Auf der Straße nähert sich Hufschlag.
    Die hochgewachsene Gestalt im langen roten Wollmantel zieht ein stämmiges Pony und ein kleines Maultier mit klugen Augen hinter sich her. Unwillig wedeln die Tiere mit den Ohren und versuchen ihre Gesichter so gut es geht aus dem Wind herauszuhalten. Die Sättel verschwinden unter geölten Lederüberwürfen, was vom Fell sichtbar ist tropft.
    Das Pony scheint sich in sein Schicksal ergeben zu haben und trottet hinter der Gestalt her, doch das Maultier hebt mit einem Mal den Kopf und bleibt stehen.
    "Was ist denn jetzt schon wieder?"
    Eine weibliche Stimme, müde, genervt.
    "Komm, Dickkopf. Wir haben noch ein Stück..."
    Doch das Muli ist zu keinem weiteren Schritt zu bewegen, im Gegenteil, es zieht an seinem Führzügel, strebt einer Stelle abseits der Straße zu.
    Die Frau seufzt, ruckt am Zügel und das Tier wendet ihr den Blick zu.
    Sekundenlang starren sich die beiden in die Augen, dann wendet das Maultier wieder den Kopf und geht stur in die von ihm eingeschlagene Richtung.
    Die Frau folgt dem Tier. Zu oft hat sie die Erfahrung gemacht, daß es mit seinen seltsamen Anwandlungen recht hat.
    Orks oder Räuber auf der Straße, ein trockener Lagerplatz, frisches Grün für die Tiere... ihr kleiner Lastenträger scheint ein untrüglichers Gespür dafür zu haben. Gleichmütig stapft das Pony hinter ihnen her.

  • Ein schrilles Meckern weist der Frau den Weg durch den Wald, gefolgt von leisem Schimpfen, kaum zu verstehen.


    "Sei doch ruhig, dumme Gans! Du bleibst da draußen, egal, wieviel du schreist!"


    Dann fällt scheppernd etwas zu Boden; etwas, das ein Kochtopf sein könnte.

  • "Und du meinst die füttern dich?"
    Das Maultier schenkt seiner Herrin ein leichtes Ohrwedeln und überläßt ihr jetzt den Vortritt. Das Pony wird mit einer ganz ähnlichen Geste und einem strengen Blick unter einer spärlichen Stirnlocke auf Kurs gehalten.
    "Naja, vielleicht hast du Glück. Denn ich werde dich nicht füttern, ihr seid beide fett genug geworden..."
    Kurz bevor sie das Lager erreicht erhebt die Frau ihre Stimme.
    "Guten Abend..."

  • Vor ihr steht, halb im Zelteingang, eine junge Frau, die in den vielen Schichten Umtüchern und Unterröcken ziemlich unförmig aussieht und gerade damit beschäftigt ist, einer braunen, triefnassen Ziege einen kleinen Reisigbesen ins Gesicht zu stecken - augenscheinlich in der Hoffnung, diese von der Idee abzubringen, dass ein trockenes, sauberes Zelt ein angemessener Aufenthaltsort für eine nasse Ziege sei.
    Die zweite Ziege, ebenso nass, aber resignierter als ihre Artgenossin, macht jene nun mit einem Meckern auf die Neuankömmlinge aufmerksam. Das gibt Agnes Zeit, sich ganz aufzurichten und zu sehen, wer da gerade gerufen hat, denn wie Konrad hat das nicht geklungen.


    "Hallo?"

  • "Hallo", erwiedert die Angekommene und lächelt strahlend.
    "Wandervogel ist mein Name. Mein Maultier war der Meinung ihr hättet einen hervorragenden Lagerplatz. Habt ihr etwas dagegen wenn ich mein Lager neben dem Euren aufschlage?"
    Die Stimme ist angenehm, trainiert. Von der Gestalt läßt sich nicht viel erkennen, außer daß sie hochgewachsen ist und das Gesicht ebenmäßige Züge aufweist. Der lange Mantel, dessen dunkelrote Farbe ganz leicht ins lilane geht, hat einen fließenden Schnitt, der die Figur trotzdem betont. Gerundete Ecken an Saum und Kragen und die unauffälligen rankenartigen Verzierungen an den Ärmeln wirken ein wenig elbisch.
    Die Gugel hat die Frautief ins Gesicht gezogen, so daß von Haaren und Ohren nichts zu sehen ist.
    Sie wirkt jung - aber für welche Verhältnisse jung?

  • "Gudnabnd," knickst Agnes unwillkürlich, als sich der fremde Gast als Frau entpuppt - offenbar eine von höherem Stand, so höflich, wie die sich ausdrückt. Mit zusammengekniffenen Augen blickt sie sie kurzsichtig an, überlegt kurz und nickt dann, wohlwissend, dass ihr das eine Menge Ärger einbringen kann.
    "Klar, machts Euch nur bequem, Platz is ja da. Ich tu die Ziegen gleich an den Baum da hinten, die machen hier sonst nur Zores. Ihr seid bestimmt auch ganz durchgefroren, mein Mann kommt gleich mitm Feuerholz und wenn Ihr wollt, könnt Ihr euch dazu setzen."
    Und erzählen, wer Ihr seid und was ihr hier treibt, bleibt die ungesagte, aber nicht minder hörbare Fortsetzung dieser halben Frage, die auf eine oder mehrere spannende Geschichten spekuliert.


    Natürlich könnte diese fremde Dame auch die Vorhut einer Räuberbande sein. Aber selbst wenn - dann wäre es jetzt ohnehin zu spät, noch irgendwas zu versuchen.

  • "Ich danke euch..."
    Die Aussicht auf ein wärmendes Feuer klingt in der Tat ausgesprochen gut.
    Wandervogel zieht ihre beiden Tiere ein Stück weit fort vom Lager, wo sie das Pony an einen Baum bindet und beiden Tieren, im Gegensatz zu dem vorhin Gesagten, einen Futtersack umhängt. Die Sättel beläßt sie erst einmal auf ihren Rücken, vielleicht würde sich später ein trockenerer Platz finden. Etwas kramen unter der Plane über dem Packsattel des Maultieres fördert einen Falteimer zutage, den sie aufklappt und dann kurzerhand unter die Traufe des Zeltes hängt. Das Regenwasser würde ihn schnell füllen.

  • Mit schnellen Schritten stapft der hoch gewachsene Mann durch den Regen. In einen einfachen, aber dicken braunen Mantel gehüllt, die Gugel tief ins Gesicht gezogen und die Stiefel über und über mit Schlamm verschmiert. Auf dem Rücken trägt er ein großes Bündel Feuerholz, welches mit Stricken fest verschnürt ist.
    Als er das Lager erreicht hat lässt er das Bündel zu Boden sinken und zieht die Gugel vom Kopf um den Gast zu begutachten.


    "Oh...ein unerwarteter Gast. Ich grüße Euch."


    Er macht eine leichte Verbeugung.


    "Ich mache mich dann mal daran das Feuer zu entzünden, damit wir es hier ein wenig gemütlicher haben."


    Bevor er sich der Feuerstelle zuwendet richtet er das Wort noch kurz an seine Frau.


    "Kümmerst du dich um unseren Gast während ich Feuer mache?"

  • "Do bische jo endlich! Ma mo hie, ich helf der Dame do solang mit ihrm Krembel."


    Sprichts und schnappt sich ihre Ziegen, die sie ebenfalls am Rand der Lichtung an einen Baum hängt und wirft der Fremden einen neugierigen Blick zu, wieder aus zusammengekniffenen Augen. "Wandervogel, ge? Des is ein schöner Name. Ich bin die Agnes. Do habter awwer Glick gehobt, dasser uns gefunne hobt? Bei dem Scheißwedder is des immer Mist, wemmer allons is.








    [SIZE=7][Ringelpiez mit Dialekttest, hurra!][/SIZE]

  • "Danke... Ja, ich schließe mich gerne mit anderen Reisenden zusammen wenn sich die Gelegenheit bietet", antwortet Wandervogel. "Es reist sich sicherer."
    Der Falteimer ist mittlerweile gefüllt und sie bietet jedem ihrer Tiere Wasser an. Besonders groß scheint der Durst allerdings nicht zu sein.
    "Und lagert sich bequemer." Sie lächelt wieder und hängt den Eimer an den Baum.

  • "Und zu mehreren baut sich auch ein Zelt schneller auf," sagt sie und winkt ihren Mann heran. "Da ist noch Platz unterm Baum, wenigstens ist es da ein bisschen trockener. Wollen wir, bevor es noch dunkler wird?"


    Unter den schweren Regenwolken kommt der Abend früh und schon verschwimmen alle Umrisse. Agnes sieht die Fremde abwartend an.

  • Wandervogel schaut ein wenig irritiert auf das Zelt der beiden Fahrenden, dann wieder zurück zu Agnes.
    "Aber... euer Zelt steht... Oh." Sie lächelt.
    "Ich habe kein Zelt dabei. Wenig Gepäck..."
    Tatsächlich zeichnen sich unter den ledernen Regenschutzen nur die Sättel selber ab.

  • Man sieht einen Moment lang förmlich, wie es hinter Agnes' Stirn arbeitet, dann blickt sie Wandervogel entsetzt an.
    "Ihr seid ohne Zelt unterwegs?!" Ohne zu zögern nimmt sie die Fremde am Ellbogen und dirigiert sie zu dem Unterstand am Feuer, wenn sie sie lässt.
    "Natürlich teilen wir unser Zelt mit Euch, kommt nicht in Frage, dass Ihr die Nacht unter freiem Himmel verbringt. Ihr würdet euch den Tod holen!"
    Konrad, der den beiden Frauen mit fragendem Gesichtsausdruck zurück zur Feuerstelle folgt, nickt zustimmend zu den Worten seiner Frau.
    Dann bekundet er, Platz für ihren Gast schaffen zu wollen und verschwindet im Zelt.
    Während Agnes einen Kessel Wasser auf das nun hell brennende Feuer setzt und Wandervogel ein trockenes Tuch anbietet, damit diese sich wenigstens Gesicht und Hände trocknen kann, bugsiert sie diese außerdem auf den Karren, wo man wunderbar trocken und nah am Feuer sitzen kann.
    Nach einem Augenblick kommt Konrad wieder aus dem Zelt und geht zu den Tieren ihres Gastes, denen er Sättel und Gepäck abnimmt und alles auf dem Handkarren verstaut, wo es die Nacht über geschützt liegen kann.


    In der Zwischenzeit beginnt Agnes, ihren Gast recht direkt und indiskret auszufragen: "Wie kommts, dass Ihr so ganz allein unterwegs seid? Und mit den Tieren, das ist doch viel Arbeit, wenn man allein ist?"

  • Wandervogel läßt sich all das recht gutmütig gefallen und gegen einen trockenen warmen Platz hat sie auch nichts einzuwenden.
    "Ich bin wandernde Bardin", gibt sie Agnes auf ihre Fragen Auskunft. "Ich habe die Tiere gerade aus ihrem Winterquartier geholt und bin auf dem Weg zurück zum Volk meiner Mutter, bei dem meine Tochter und ich den Winter verbracht haben." Sie nimmt die nasse Gugel ab um sich das Gesicht zu trocknen und für einen Moment lugen kurze spitze Ohren durch die langen Haare. Dann wandern die Haare unter eine Mütze.

  • Bei ihren Worten bekommt Agnes leuchtende Augen. "Bardin!" Auch die spitzen Ohren entgehen ihren kurzsichtigen Blicken nicht und mit hörbarer Begeisterung in der Stimme fragt sie: "Wollt Ihr für uns singen? Wir haben viel übrig für Musik und eine von eurem Volk, mit Verlaub, muss eine großartige Sängerin sein!"
    Fast, als wäre ihr das peinlich, wendet sie sich nun ab und greift in einen Korb hinter sich, aus dem sie drei Becher und einen kleinen Behälter nimmt. Schnell hat sie je eine kleine Handvoll getrockneter Kräuter in die Becher gegeben. Wenn doch nur das Wasser schon kochen würde!

  • "Ich habe kein Instrument dabei", antwortet Wandervogel zögernd und beobachtet das leicht fahreige Verhalten der Fahrenden nachsichtig. Angesichts des Wetters ist sie auch nicht wirklich böse darum, Harfe und Laute bei ihrer Mutter gelassen zu haben.
    "Aber singen kann ich für euch, wenn ihr möchtet." Jetzt lächelt sie. sie weiß schon gar nicht mehr wann sie das erste Mal für Kost und Logis gesungen hat.

  • "Das wäre wunderbar! Ich habe noch nie..," sie zögert und wird ein bisschen rot, "..jemanden wie Euch singen hören." Sie sieht nach dem Wasser und beeilt sich dann, ihrem Gast zu versichern: "Selbstverständlich seid Ihr unser Gast. Es ist nichts besonderes, aber Ihr könnt gern an unserem Mahl teilhaben, und auch ein warmes Frühstück möchte ich Euch geben!"
    Beinahe, als hätte sie Wandervogels Gedanken erraten und würde nun versuchen, mit ihr darum zu ringen, wer hier wen bezahlt.

  • "Ich könnte etwas Käse beisteuern", antwortet Wandervogel. "Ihr habt also noch nie eine Halbelfe singen hören?", fragt sie dann und zieht eine Augenbraue hoch.
    Tatsächlich ist ihre Profession unter ihresgleichen nicht mal so selten. Als ob die Mischlinge nicht wüßten wo sonst hin mit ihren Fähigkeiten.