Haut
Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass sie ihn haben musste. Es ging ihr nicht um Liebe oder die anderen hehren Gefühle, die ihre Freundinnen immer in ihren einfältigen Liedern lobpreisten.
Es ging ihr um den Körper des jungen Mannes, der selbstvergessen und friedlich auf dem weichen Bett lag und schlief. Keine der Gefahren, die ihn auf seiner langen Reise begegnen würden, schien ihn zu beunruhigen oder seinen Schlummer zu stören.
Lächelnd betrachtete sie sein blondes Haar und die weiße Haut, die unter dem Kragen seines halb aufgeknöpften Hemdes zu sehen war. Ob diese Haut so weich und warm war, wie sie aussah?
Die Strahlen der Mittagssonne erhellten das Gemach, fielen durch die vom sanften Wind aufgebauschten Vorhänge. Das Weiß des Stoffes wurde dadurch fast grell, so als wolle es jeden Winkel das Raumes ausleuchten, jedes Detail des ruhendes Körpers für ihre suchenden Augen darstellen.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie sich auf der Bettkante niederließ. Er bewegte sich ein wenig im Schlaf, doch er erwachte nicht.
Vorsichtig hob sie die Hand, bewegte sie zu seinem Gesicht. Doch sie berührte ihn nicht. Die Spitzen ihrer Finger verharrten über seinen Wangen. Sie wagte es nicht, das verführerische Bild zu zerstören.
So als könne sie ihn spüren, wanderten ihre Finger über sein schönes Gesicht, dann seinen Hals entlang. Sie verharrte über seiner Brust und ihr Verlangen, ihn zu fühlen, wurde übermächtig. Doch sie widerstand.
Bewundernd betrachtete sie seine schlanke Gestalt. Ob er sich darüber im Klaren war, wie er auf eine Frau wirkte? Ganz sicher. Sie bildete sich ein, dass die Arroganz seiner Züge auch von diesem Wissen herrührte. Es war nur allzu wahrscheinlich, dass er vielen Frauen begegnet war.
Sie seufzte leise, plötzlich vom eigenen Mut überrascht und verlassen. Sie sollte nicht an diesem Ort sein, nicht hier bei ihm, der nichts weiter als ein Freund für sie sein durfte.
Fast wollte sie sich erheben, da erwachte er plötzlich. Der Blick seiner unglaublich blauen Augen erfasste sie, ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er sie erkannte. Sie sah, wie die Muskeln in seiner Brust spielten, als er sich auf die Arme stützte und halb aufrichtet.
„Du“, sagte er leise. „Was führt Dich her?“
Sie wusste keine Antwort.